Ahmet Iscitürk: Ihr verdient keine Förderung (Kolumne)

Die Games-Förderung des Bundes soll Deutschland international konkurrenzfähig machen, doch was bringt die Kohle, wenn die meisten Spiele nix können?
11. September 2020 - 13:23
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Ahmet Iscitürk

Mit diesem Beitrag werde ich mir wahrscheinlich keine Freunde machen und deshalb möchte ich sicherheitshalber klarstellen, dass er nicht die Meinung der Redaktion widerspiegelt. Mir geht das Geheule vieler deutscher Spieleentwickler auf den Sack: Man könne, mangels Förderung, nicht mit der internationalen Konkurrenz mithalten. Wie bitte? Seit wann kann Förderkohle Scheiße in Gold verwandeln? Man muss doch nur einen Blick auf die deutsche Filmbranche werfen, um die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Hier wird gefördert, was das Zeug hält und trotzdem interessiert der deutsche Film keine Sau – weder international noch national. Gäbe es keine Hollywood-Produktionen, wären alle deutschen Kinos pleite. 2019 feierten sage und schreibe 157 deutsche Spielfilme ihre Kino-Premiere. Wie viele davon haben es hierzulande in die Top-10 der erfolgreichsten Filme des Jahres geschafft? Ein einziger! Noch trauriger ist die Tatsache, dass es sich bei „Das perfekte Geheimnis“ um das elfte (!!) Remake eines italienischen Films handelt. Selbst beim Ideen-Recycling hinkt die deutsche Filmbranche dem Rest der Welt hinterher.

Laut Deutscher Filmförderfonds (DFFF) gab es 2019 hierzulande insgesamt 97 geförderte Filmprojekte. „Das perfekte Geheimnis“ war eines davon. Damit hätten wir den Beweis, dass bei uns nicht nur künstlerisch anspruchsvolle oder pädagogisch wertvolle Filme finanziell unterstützt werden. Auch ideenlose Mainstream-Grütze wird großzügig bezuschusst. Trotzdem findet man unter den 100 erfolgreichsten Filmen aller Zeiten keinen einzigen deutschen Film. Übrigens sieht es bei den erfolgreichsten Spielen aller Zeiten auch nicht besser aus und ein Euro mehr oder weniger dürften daran nichts ändern. Welches deutsche Spiele-Franchise ist finanziell am erfolgreichsten? Crysis? Anno? Die Siedler? Ich wurde mit widersprüchlichen Aussagen konfrontiert, doch dann stolperte ich während meiner Recherche über das Browser-Game „Goodgame Empire“. Weltweit über 800 Millionen Dollar Gesamtumsatz sollen den Titel laut Hersteller zum erfolgreichsten Spiel Made in Germany machen. Tatsächlich habe ich noch nie davon gehört und genau das ist einer der Gründe für den Niedergang des deutschen Spiele-Journalismus. Die meisten Redakteure schreiben am Markt vorbei und haben buchstäblich keine Ahnung, was gespielt wird. Interessantes Detail: Die Goodgame Studios hatten trotz dieses immensen Erfolgs ständig Probleme mit der Profitabilität. Hunderte Mitarbeiter mussten gehen, und 2018 folgte die Übernahme durch das schwedische Unternehmen Stillfront.

Immer mehr Experten sind der Meinung, dass geförderte Branchen ihre Innovationskraft verlieren. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Kreativen verbiegen müssen, um den Kriterien der Fördereinrichtungen zu entsprechen. Das erinnert mich an meine kleine Nichte, die immer Hunde malt, obwohl sie eigentlich Pferde liebt. Ihre simple Erklärung: „Die Oma gibt mir einen Euro für jedes Hundebild!“

Wer Spielförderung beantragen möchte, muss einen sogenannten „Kulturtest“ bestehen. Dieser ist zwar nicht besonders anspruchsvoll, aber stellt die Erfüllung der abgefragten Kriterien die internationale Wettbewerbsfähigkeit sicher? Wohl kaum.

Frage: Warum muss Deutschland auf dem internationalen Spielemarkt eine tragende Rolle spielen? Antwort: Weil interaktive Unterhaltungssoftware eine der wichtigsten Zukunftsmärkte ist. Inwiefern bringt uns ein „Kulturtest“ diesem Ziel näher? Müsste es nicht eher so etwas wie einen „Internationalen Attraktivitätstest“ geben? Wenn Deutschland zum starken Entwicklerstandort für Games werden soll, müssen vor allem Titel gefördert werden, die geil genug sind, um Menschen auf der ganzen Welt zu begeistern. Nicht umsonst dominieren US-Konzerne den weltweiten Unterhaltungsmarkt. Vor der Kür (Kultureller Anspruch) kommt die Pflicht (Entertainment). Wer das nicht wahrhaben möchte, kann sich internationale Ambitionen gleich abschminken. (AI)