Dass sich nur selten Touristen und Ortsfremde in die Carl-Benz-Straße im Osten Frankfurts verirren, dürfte dem Branchenmix geschuldet sein: Autohändler, noch mehr Autohändler, Speditionen, Fleisch- und Gastronomie-Großhandel. Ansonsten? Tote Hose. Inmitten trostloser Gewerbepark-Ästhetik wirkt das dreieckige Gebäude mit den abgerundeten Ecken an der Hausnummer 21 fast schon deplatziert: DJ-Papst Sven Väth betrieb dort bis 2012 seinen feudalen „Cocoon Club“. Und heute? „Gastronomie ist – außer einer Currywurstbude – nicht vorhanden, der ÖPNV ist ein Drama und ein Panorama fehlt völlig: Ich blicke auf den Innenhof eines Stahlbetongebäudes.“ Sagt einer, der es wissen muss, weil er an dieser Adresse seit über einem Jahrzehnt arbeitet: Matthias Kolb, Commercial Director GSA bei Bandai Namco Entertainment Germany. Dass er dennoch frohen Mutes sein Büro betritt, liegt folglich an anderen Faktoren: „Ich denke unsere Mitarbeiter wissen sehr zu schätzen, dass sie bei uns sehr selbständig arbeiten können, viel persönlichen Freiraum genießen, viele großartige Kollegen haben und in einem klimatisierten, sehr luftigen Büro arbeiten können, in dem es freie Getränke, Obst, eine kleine Kantine und einen freien Tiefgaragen-Platz gibt.“
Sein eigener Tag beginnt serienmäßig mit einem Espresso („Tee trinke ich nur im Krankenhaus“). Für mehr Routine sei in dieser Branche kein Platz, weil sich die Umstände stetig verändern. „Das Einzige, was ich wirklich jeden Tag mache, ist das Checken der Amazon PS4- und Switch-Charts.“
Kolbs Branchen-Karriere startete Ende der 90er als Sales Manager bei Rushware (später THQ). „Vor guten zehn Jahren rief mich Lutz Anderie – damals noch Atari – an und fragte, ob ich Interesse hätte, bei ihm anzufangen. Danach entwickelten sich die Dinge dann sehr rasant – in vielerlei Hinsicht.“ Heute ist er für Vertrieb und Marketing im deutschsprachigen Raum verantwortlich und steuert ein 17-köpfiges Team. Zum Sortiment gehören Eigenmarken wie One Piece, Ni No Kuni, Dark Souls und Dragon Ball Z, aber auch externe Produktionen wie The Witcher und das auf November verschobene Cyberpunk 2077.
Wie die meisten seiner Kollegen tastet sich auch Matthias Kolb nach der Corona-Home-Office-Phase wieder ins Büroleben zurück. „Geschäftsreisen sind uns seit Beginn der Corona-Krise untersagt. Von daher finden alle Meetings virtuell über Microsoft Teams statt – auch mit unseren Kunden und Geschäftspartnern. Das funktioniert sehr gut und man bleibt in Kontakt. Sicherlich muss man den ein oder anderen Kompromiss eingehen, aber alles in allem liegt das Ergebnis über unseren Erwartungen.“ Einzelne Tage werde man sicher öfter im Home-Office verbringen, unabhängig von einer möglichen zweiten Welle. Seinem Team gesteht er in diesen Zeiten zwangsläufig mehr denn je zu, was ihm selbst überaus wichtig ist – selbstständiges Arbeiten, flache Hierarchien, Zuhören, Freiräume schaffen, Verantwortung abgeben und gegenseitiges Vertrauen. „Ärgern kann ich mich vorzüglich über langsames oder nicht funktionierendes Internet, Wartezeiten allgemein, und über Menschen, die um den heißen Brei herumreden und nicht auf den Punkt kommen. Geduld ist leider nicht meine Stärke.“ Gar nicht leiden kann er insbesondere Micromanagement, weil es viel Zeit erfordert und Mitarbeiter demotiviert. „Ich habe es selbst immer sehr geschätzt, wenn man mir Entscheidungsspielraum gegeben hat. Von daher versuche ich meine persönlichen Erfahrungen positiv auf mein Arbeitsumfeld zu übertragen. Je mehr man selbst entscheiden kann, desto mehr entscheidet man automatisch im Sinne der Firma. Wenn alle Entscheidungen von Vorgesetzten getroffen werden, hört man irgendwann auf, selbst zu denken.“ Er sei zwar in erster Linie Zahlenmensch, treffe aber leidenschaftlich gerne auch mal Entscheidungen aus dem Bauch heraus, sagt der Vertriebs-Profi.
Natürlich spielt sich Kolbs Leben nicht alleine in der Carl-Benz-Straße ab: „Morgens gehe ich zum Frühsport gerne im Taunus Nordic Walken und abends zocke ich ganz gerne auf der Konsole oder dem iPad. Ansonsten versuche ich so viel Zeit als möglich mit meiner Familie zu verbringen.“ Sein Gehalt investiert er bevorzugt ins Reisen. Lieblingsziele: In den Sommermonaten eher der Norden, etwa Spiekeroog, Lofoten/Vesteralen (Norwegen) und Arholma (Schweden) – im Winter flieht er hingegen in den Süden, etwa Cape Coral in Florida oder Koh Yao Yai in Thailand. Oder man trifft ihn beim Wandern im Kleinwalsertal oder im Schwarzwald. (pf)