Klären wir die wichtigste Frage gleich zu Beginn: Angenommen, wir haben einen Rundflug an Bord einer Cessna gebucht und unser Pilot fällt aus. Wie wahrscheinlich ist es, dass wir die Mühle dank unserer Microsoft Flight Simulator-Erfahrung sicher auf den Boden bringen? „Wenn man im Simulator gut in Übung ist, sollte das machbar sein, das ist dann wohl am ehesten eine reine Nervensache“, ist Bernd Almstedt überzeugt. „Das Prinzip des Fliegens hat man dann ja normalerweise verstanden und auch die Bedienung einer kleinen Cessna ist im Prinzip simpel und in der Realität nicht anders als im Simulator. Aber die mentale Belastung, wenn das eigene Leben davon betroffen ist und es keine Neustart-Option gibt, wird es auch einem alten Simulator-Fan schwer machen. Aber normalerweise würde ich höchstens Sachschaden erwarten, keine Gefahren für Leib und Leben.“
Wir lernen: Hätte sich Aerosoft-Gründer Winfried Diekmann einen perfekten Kandidaten für die Rolle des Director Business Development Aviation backen müssen – Bernd Almstedt brächte alle Zutaten mit. Für die Paderborner ist er seit dem 1. Juli damit beschäftigt, neue Vertriebskanäle zu erschließen – Flugschulen oder Fluggesellschaften zum Beispiel. „Die klassischen Pilot-Shops haben noch sehr viel Potenzial, da diese auch mit ihren Online-Shops einen stetig wachsenden Kundenkreis bedienen, der auch zunehmend jünger und computer-affiner wird“, weiß der Experte. „Da sich der deutsche Handel gleichzeitig immer stärker auf Mainstream oder sogar nur noch auf Top-Chart-Games fokussiert und nur in Ausnahmefällen noch Flugsimulationen und Zubehör anbietet, ergeben sich für die Pilot-Shops interessante Chancen – nicht zuletzt auch deshalb, weil man sich dort besonders gut mit allen Aspekten der Fliegerei auskennt.“
Almstedt ist ein echtes Urgestein der Branche und hat – um im Flieger-Jargon zu bleiben – alle Höhen und Tiefen mitgemacht, inklusive der Insolvenz-Turbulenzen beim Gütersloher Studio Ascaron (Patrizier, Anstoss, Sacred). Besonders positiv in Erinnerung geblieben ist dem damaligen Sales und Marketing Director der Launch von Anstoss 3 im Jahr 2000: „Damals haben wir wie die Verrückten noch bis in den Abend hinein Ware in den Handel verkauft und konnten dann auf der Launch-Party bei unserem damaligen Distributor Infogrames wahnsinnige 200.000 Stück feiern, die wir zum Day One in den Handel gebracht hatten. Das war ein großartiges Gefühl und eine mindestens genauso großartige Party damals.“
Im Anschluss arbeitete er mehr als sechs Jahre für den US-Riesen Activision Blizzard, gefolgt von einer fast zehnjährigen Karriere bei 505 Games – jetzt die „Rückkehr“ zu einem erfolgreichen Mittelständler im Ostwestfälischen. Größer könnten die kulturellen Unterschiede kaum sein. Am wenigsten werde er „das Quartalsdenken und die Ausrichtung auf Shareholder-Value bei internationalen Konzernen“ vermissen, sagt Almstedt. „Darunter haben immer wieder Projekte gelitten und auch oft die Entwickler. Viele internationale Konzerne sind auch so groß geworden, dass es in der obersten Etage gar nicht mehr um die Entwicklung, die Spiele oder die Kunden ging, sondern einfach nur noch um Reports, Börsennachrichten und Quartalsberichte.“
Den Privatmensch Bernd Almstedt findet man bei Sonnenschein entweder auf dem Flugplatz (natürlich) oder auf dem Motorrad, mit dem er gerne ungeplante Touren unternimmt. Bei miesem Wetter widmet sich Almstedt am liebsten seiner Gitarrensammlung oder greift zu einem guten Blu-Ray-Film. Zudem ist er ehrenamtlich für die bayerische Luftrettungsstaffel im Einsatz – etwa zur Waldbrandbeobachtung oder auch für Sucheinsätze. An besonderen Momenten mangelt es nicht: „Ich war zusammen mit einem Feuerwehrmann auf einem regulären Waldbrandüberwachungsflug unterwegs, als wir über Funk von der Leitstelle gebeten wurden, eine Suche nach einem älteren Herrn aus der Luft zu unterstützen, der fünf Flugminuten entfernt mit dem Fahrrad gestürzt war. Wir konnten den Mann nach kurzer Zeit schon in einer Senke an einer Kiesgrube entdecken und Polizei und Rettungsdienst zu dem Verunfallten führen.“
Wenn Almstedt am heimischen PC abhebt, dann am liebsten mit X-Plane 11. Doch sein absolutes Allzeit-Lieblings'spiel' bleibt der Microsoft Flight Simulator: „Ich habe sogar noch die allererste Ausgabe auf 5 ¼ Zoll Floppy im Schrank stehen und hatte auch die Amiga-Version. Damit habe ich Tausende von Stunden verbracht, vielleicht sogar schon fünfstellig – und das ist für mich value for money.“ Trotzdem sei die reale Fliegerei natürlich noch einmal eine völlig andere Erfahrung: „Als ich meinen Flugschein machte, hatte ich schon tausende Flugstunden auf diversen Simulatoren hinter mir. Aber die ersten Stunden haben mich trotzdem mit völlig neuen Wahrnehmungen gefordert und der erste Alleinflug gilt nicht umsonst als das prägendste Ereignis im gesamten Leben eines Piloten.“ (pf)