Die "Urgesteine": Stefan Marcinek, Assemble Ent.

Wer dem Spielestandort Deutschland den Puls fühlen will, fragt am besten einen Praktiker wie Stefan Marcinek – der mit Assemble Entertainment nicht nur einen eigenen Publisher betreibt, sondern als Game-Vorständler die gesamte Branche im Blick hat.
10. September 2021 - 15:16
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Stefan Marcinek, Assemble Entertainment

Als er vor kurzem von einem neuen Mitglied seines 'A-Teams' gefragt wurde, wo er die Firma in fünf Jahren sieht, hat Stefan Marcinek geantwortet: „In fünf Jahren? Nicht pleite sein!“. Schließlich sei der Wiesbadener Publisher in den letzten zwei Jahren stark gewachsen, wirtschaftlich und personell – auf mittlerweile 30 Köpfe. „Und einen Plan, der hätte aufgehen können, gab es da nicht wirklich“, räumt der erst 44-Jährige ein. Anders als bei Kalypso Media, wo er seine Anteile Ende 2015 verkauft hat, war Assemble Entertainment das erste Mal, dass Marcinek eine Firma alleine gegründet hat – umso wichtiger war es für ihn zu sehen, ob er das auch selbst hinbekommt.

Mittlerweile weiß man: Er hat es hinbekommen. Einige Projekte erwiesen sich als regelrechte Volltreffer – allen voran Endzone: A World Apart, ein PC-Echtzeitstrategiespiel, produziert vom eigenen Studio Gentlymad. Deutlich über 300.000 Stück hat Marcinek schon abgesetzt. Derzeit wird das Spiel für PlayStation und Xbox gebaut, das Verkehrsministerium beteiligt sich mit 208.088 Euro. Bessere Qualität, höhere Stückzahlen: Inwiefern profitiert ein Spiel eigentlich von so einer staatlichen Förderung? Die überraschende Antwort: „Gar nicht. Aber das liegt nicht an der Bundesförderung, sondern was wir uns haben fördern lassen, nämlich die Konsolenversionen, die sowieso geplant waren. Das Hauptspiel haben wir komplett aus eigenen Mitteln finanziert. Also das reine Spiel profitiert davon nicht, weil es ja eigentlich schon fertig ist. Aber es ist natürlich finanziell eine Erleichterung, wenn auch eine kleine.“

Spannender würde es bei einer möglichen Fortsetzung werden, da er dann von Anfang an eine Förderung beantragen würde: „Und das würde uns weitaus mehr Freiheiten geben, was die Entwicklungszeit, den Spielumfang und die finanziellen Möglichkeiten anbelangt.“ Während die Bundesförderung mittlerweile ordentlich läuft, hätten einige Länder noch Nachholbedarf. Zu den Nachzüglern zählt ausgerechnet Marcineks Bundesland Hessen, wo er als Vorsitzender der Standortinitiative Gamearea laut für Fördermittel trommelt.

Wer zwei erfolgreiche Games-Unternehmen aufgebaut hat, bei dem würde man ja vermuten, dass er Tag und Nacht am Gamepad hängt. Das Gegenteil ist der Fall. Denn auf die Frage, was er zuletzt am häufigsten und intensivsten gespielt hat, antwortet Stefan Marcinek: „Nichts.“ Wenngleich er seit über 20 Jahren in der Spielebranche tätig ist, sei er nicht wirklich ein Spieler gewesen. „Das war ich schon damals nicht, als ich noch auf der schreibenden Seite tätig war und noch weniger, als ich auf die dunkle Seite der Macht gewechselt bin. Ich glaube, ich habe meine Konsole vor Corona das letzte Mal in Betrieb gehabt. Ab und zu spiele ich unsere eigenen Spiele an – Larry habe ich durchgespielt, Endzone immer mal wieder ein bisschen.“ Nur ein bis zweimal im Jahr spielt er sein absolutes Allzeit-Lieblingsspiel Mad TV „bis zum Erbrechen“. Seine Freizeit verbringt er lieber mit seinem Mann, Formel 1, Serien-Dauer-Gucken, lange Schlafen, Urlaub (bevorzugt: Island), Kochen, dem Treffen enger Freunde oder „einfach absolut nichts machen“. Was nur zu verständlich ist, denn im beruflichen Alltag gibt es mannigfaltige Verpflichtungen.

Mit den German Dev Days in Frankfurt hat er zum Beispiel eine der wenigen deutschsprachigen Branchenkonferenzen geschaffen, die pandemiebedingt seit zwei Jahren pausiert. „Ich selber mag digitale Events überhaupt nicht. Egal welche, sie interessieren mich einfach nicht. Mich interessieren Events, weil ich Leute persönlich vor Ort treffen kann – und dieses Gefühl kann man im digitalen Bereich nicht abdecken. Zumindest geht es mir so. Ich freue mich also sehr auf kommende Vor-Ort-Events.“

Seit 2018 ist Marcinek eines von fünf Vorstandsmitgliedern im Branchenverband – erst im Mai wurde er im Amt bestätigt. Die Fusion von BIU und GAME zum game erfüllt ihn nach wie vor mit Stolz, weil er daran federführend beteiligt war. „Zu Beginn hatte ich immer das Gefühl, dass mir Personen einreden wollen, wie gegensätzlich doch beide Verbände sind, wie man sich untereinander fast schon 'hasst', dass niemand eine Fusion wirklich will und so weiter und so fort. Und was war? Zum Schlus war die Entscheidung der Mitglieder einstimmig.“ Dies habe ihm gezeigt, wie wichtig die handelnden Personen im Hintergrund sind. Sein Fazit: „Wenn man sich wirklich sehr gut versteht, ist das alles machbar.“

Das gilt auch für seine Firma, die er in den nächsten Jahren zunächst auf noch sicherere Beine stellen will, denn eigentlich sei Assemble ja immer noch ein Start-Up: Sowohl Portfolio als auch Struktur müssten ausgebaut und verbessert werden. „Und hoffentlich bleibt der Zusammenhalt des gesamten Teams auch in Zukunft so super. Das ist immer ein Problem, wenn Firmen wachsen, aber bisher funktioniert das alles sehr gut.“ (pf)