Die Nr. 1? „Games-Hauptstadt Berlin“: Anspruch und Wirklichkeit

„Wir wollen Berlin zum Games-Standort Nummer 1 in Deutschland machen.“ Das sagte Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey im November vorletzten Jahres. Inzwischen ist Giffey nicht mehr Regierende Bürgermeisterin, sondern Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe – das Ziel der Landesregierung bleibt indes bestehen. Doch was bedeutet eigentlich „Games-Standort Nummer 1“? Und welche Schritte braucht es auf dem Weg dorthin? Darüber haben wir mit verschiedenen BranchenvertreterInnen aus Berlin gesprochen.
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Berlin ist eine Stadt der Rekorde. Es hat bei weitem die meisten EinwohnerInnen aller deutschen Großstädte (3,8 Mio.), die meisten Hotelübernachtungen (2022: 26,5 Mio.),  das größte Hotel (Estrel, 2000 Betten), das höchste Bauwerk (Fernsehturm, 368 Meter) – und den Großflughafen, dessen Bau am längsten gebraucht hat (BER, 14 Jahre). Von der Zahl der Döner-Imbisse, E-Scooter und Silvesterböller ganz zu schweigen. Rekorde also, wohin man blickt. Doch ist Berlin auch die Games-Hauptstadt Deutschlands?

Große Pläne
Zumindest hat sich die Politik genau das vorgenommen. Im November 2022 traf sich die damals noch Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey, mit einer Reihe von Games-Akteuren an einem Runden Tisch, um „über Chancen und Herausforderungen des Standorts Berlin zu sprechen“, wie es in der anschließenden Pressemitteilung hieß. Zu den Teilnehmern der Runde zählten zum einen Firmen wie Yager, Ubisoft, Wooga, Toukana und der Saftladen – und zum anderen Organisationen und Verbände wie game, das Firmennetzwerk medianet berlinbrandenburg und das Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB). Man habe darüber gesprochen, „wie Berlin mit der finanziellen Förderung des Landes sein Potenzial noch stärker entfalten und seine Strahlkraft im nationalen sowie internationalen Maßstab weiter erhöhen kann“, berichtete Giffey im Nachgang. Als mögliche Hebel nannte sie beispielhaft die Bekämpfung des Fachkräftemangels, die Förderung hochwertiger Spiele und die Bündelung diverser Brancheninitiativen. Dann sagte sie noch diesen Satz: „Wir wollen Berlin zum Games-Standort Nummer 1 in Deutschland machen.“

Nun ist die Hauptstadt nicht der einzige Akteur, der diesen Anspruch hat: Auch Bundesländer wie Bayern, NRW und Hamburg mischen hier ganz vorne mit. Wobei sich natürlich die Frage stellt,  woran man überhaupt erkennt, ob ein Standort die Nummer 1 ist – oder vielleicht „nur“ die Nummer 2 oder 3. Wie stark gewichtet man bei diesem Ranking die Zahl lokaler Spielefirmen, den erzielten Gesamtumsatz, die Höhe der staatlichen Förderung oder den regionalen Vernetzungsgrad? Schnell wird klar, dass es das eine, allgemeingültige Kriterium nicht gibt. Schon allein der Vergleich einzelner Kennzahlen ist schwierig, weil diese Zahlen a) auf unterschiedlichen Definitionen beruhen und b) zu unterschiedlichen Zeitpunkten erhoben wurden – eine deutschlandweite Studie mit aktuellen Zahlen gibt es nicht. Zwar veröffentlicht der game in unregelmäßigen Abständen eine Art Branchen-Barometer, das „die besten Standorte für Games in Deutschland“ auflistet. Dabei geht es vor allem um die Wahrnehmung regionaler Förderaktivitäten und Vernetzungsbestrebungen. Das Ranking basiert auf einer Online-Befragung der Verbandsmitglieder – und ist folglich recht subjektiv. Der aktuellsten Umfrage (Januar 2023) zufolge wird die Games-Politik von NRW am positivsten wahrgenommen. Damit kletterte das bevölkerungsreichste Bundesland seit dem vorigen Ranking (August 2021) vom dritten auf den ersten Platz. Hamburg hat derweil einen Sprung von Platz 4 auf Platz 2 gemacht, den es sich nun mit Berlin teilt. Bayern, das 2021 noch Spitzenreiter war, landete diesmal nur auf dem dritten Platz. Ok ... aber was folgt jetzt daraus?

Zunächst einmal herzlich wenig. Zwar kann sich NRW nun mit dem Titel „Am positivsten wahrgenommener Games-Förderer“ schmücken. Der Titel klingt aber recht unglamourös-sperrig und ist auch nur eine Momentaufnahme – also Lorbeeren, auf denen man sich so gar nicht ausruhen sollte. Klar, es gibt auch Standortfakten – aber die stammen wie gesagt stets aus Auftragsstudien der jeweiligen Bundesländer. Die Hauptstadtregion etwa veröffentlichte im Mai 2023 eine Studie mit dem Titel „Games-Branche in Berlin-Brandenburg – eine Untersuchung des Wirtschaftsfaktors“: Die Daten stammen aus einer Goldmedia-Befragung, die von medianet in Auftrag gegeben und vom Medienboard gefördert wurde. Goldmedia zufolge gab es zum Befragungszeitpunkt in Berlin-Brandenburg 301 Firmen, von denen 182 im „Kernmarkt“ tätig waren – also entweder als Entwickler oder Publisher. Der regionale Branchenumsatz sei von 255 Millionen (2020) auf 446 Millionen Euro (2021) gestiegen, heißt es in der Studie weiter. Auch seien immerhin 40 Prozent aller in Deutschland tätigen E-Sport-Unternehmen in der Hauptstadtregion ansässig. Erst kürzlich hat das Medienboard auch die Summe veröffentlicht, mit der Games und XR-Projekte in Berlin-Brandenburg gefördert werden: 2023 lag sie bei 5,3 Millionen Euro.

 

Im Bereich Investment sehen wir klar eine Diskrepanz

Kaum vergleichbar
Keine Frage: Die Eckdaten der Hauptstadtregion klingen nach dynamischem Wachstum. Will man die Zahlen aber mit denen aus anderen Bundesländern vergleichen, wird es – aus den bereits angesprochenen Gründen – schwierig. In Bayern gibt es laut games bavaria derzeit „342 Firmen, Organisation und Einrichtungen“, die das dortige Ökosystem ausmachen; in Hamburg sind es rund 190 Akteure (Quelle: Gamecity Hamburg). Das Mediennetzwerk.NRW bietet auf seiner Website eine hübsche „Standortbroschüre“ zum Download an, die aber von 2021 stammt und keine konkreten Zahlen enthält. Dass NRW den deutschlandweit größten Games-Arbeitgeber (Ubisoft Blue Byte) beherbergt, dürfte hinlänglich bekannt sein.

Doch wie weit ist Berlin nun eigentlich auf dem Weg zum „Games-Standort Nummer 1“? Wer dazu beim medianet berlinbrandenburg (Dachmarke: „Games Capital Berlin“) nachfragt, erhält eine hinreichend diplomatische Antwort. Die Goldmedia-Studie zeige, dass Berlin bereits einen attraktiven Standort zur Ansiedlung vorweisen könne, sagt Jeannine Koch, Vorstandsvorsitzende und CEO des Branchennetzwerks. Koch betont aber gleich, dass noch viel zu tun sei: „Trotz der Attraktivität des kreativen Standortes müssen in den kommenden Jahren weitere Ansiedlungen internationaler Firmen folgen, um zur Professionalisierung und zu einem Spillover-Effekt von Neugründungen erfahrener EntwicklerInnen zu führen.“ Viele lokale Firmen seien noch jung, benötigten also noch Investment- oder Förderkapital, betont Koch. „Im Bereich Investment sehen wir klar eine Diskrepanz, die sich aus der allgemeinen Marktentwicklung des letzten Jahres, aber auch dem noch immer fehlenden Know-How bei Investoren vor Ort ableiten lässt.“ Bei der Regionalförderung durch das Medienboard sei man indes gut aufgestellt, so die medianet-Vorsitzende. Momentan arbeite man daran, die junge Branche durch Mentorship-Programme und Wissenstransfer zu professionalisieren, erzählt Koch – und verweist auch auf den internationalen Wettbewerb um hochqualifizierte Fachkräfte. Um hier mitzuhalten, sagt sie, müssten Prozesse wie die Visumvergabe, Behördengänge und Wohnungsvermittlung verbessert werden.

Events als Baustein
Ein weiterer wichtiger Standortfaktor sind bekanntlich Gaming-Events – ob nun B2B, B2C oder Mischformen. Im Berliner Koalitionsvertrag vom April 2023 steht, die Koalition setze sich „für die Eta­blierung einer Leitveranstaltung im Games-Bereich ein“. Neu-Wirtschaftssenatorin Giffey stellte im RBB24 Inforadio auch gleich die rhetorische Frage, ob „bestimmte Messen, die derzeit woanders stattfinden, besser in Berlin aufgehoben wären“. Den Namen „gamescom“ nannte sie zwar nicht, doch würde es zu Giffeys ehrgeizigen Standortplänen passen, auch die weltgrößte Consumer-Messe in die Hauptstadt holen zu wollen. Von Jeannine Koch wollen wir wissen, wie wichtig die Ansiedlung von B2C-Events für die Region ist. „Games sind ein Medium für SpielerInnen und B2C-Events sind in einer Metropole wie Berlin – bei einem so großen Publikum – eigentlich unabdingbar, wenn wir die Games-Wirtschaft als einen zentralen Baustein für die Standortzukunft sehen“, sagt die medianet-Vorsitzende. Koch verweist auf das „Games Ground – Berlin Gaming Festival“, das vom 9. bis 11. November in der Alten Münze in Berlin-Mitte stattfand – und sowohl B2B als auch B2C bediente. Das Festival-Debüt wurde von der Senatsverwaltung – im Rahmen des Programms „Projekt Zukunft“ – mit 100.000 Euro gefördert. Die Organisation wurde von fünf gleichberechtigten Partnern gestemmt – nämlich den Event-Veranstaltern Nerdic, Nerdistan, Beat Em Hub und BergEvent sowie der Berliner Games Academy. Koch sieht im Games Ground eine vielversprechende „Eigengewächs-Veranstaltung“, verweist aber auch darauf, dass die Tourismus-Verantwortlichen von visitberlin sich darum bemühen, „internationale Großveranstaltungen am Standort zu etablieren“ – beispielsweise im Bereich E-Sport.

Ruth Lemmen sieht die Hauptstadtregion grundsätzlich als sehr guten Games-Standort. „Nach wie vor ist Berlin eine Stadt, die auch durch ihre Weltoffenheit und Toleranz junge und kreative Menschen aus der ganzen Welt in besonderem Maße anspricht und anzieht“, so die Projektmanagerin und Unternehmensberaterin. In Berlin sei es für Firmen vergleichsweise einfach, qualifizierte MitarbeiterInnen zu finden und zu halten – oder auch neue Talente zu entdecken und zu entwickeln. Auch im Bereich Aus- und Weiterbildung sei die Stadt „mit ihren Universitäten und privaten Hochschulen sehr gut aufgestellt. Lemmen gibt aber auch zu bedenken, dass Standortvorteile wie günstige Mieten und geringe Lebenshaltungskosten „leider in den vergangenen Jahren deutlich an Relevanz verloren haben“. Die Mobilität der Menschen werde mangels Wohnraum und durch hohe Kosten stark eingeschränkt, erläutert die Expertin. „Und das wird sicher auch Einfluss auf die zukünftige Entwicklung des Standorts haben.“

Schwierige Wohnungssuche
Ähnlich sieht es auch Lorenzo Pilia: Der Community-Organisator und Manager des Studiokollektivs Saftladen tut sich schwer, noch USPs für Berlin zu finden. „Bis vor nicht allzu langer Zeit hätte ich geantwortet: ‚Günstige Büroflächen und Wohnungen, viele internationale Talente und eine lebendige und freundliche Indie-Games-Szene‘“, so Pilia. „Aber leider stimmt der Teil mit den Immobilien nicht mehr – und das wirkt sich auch auf den Zustrom von Neubürgern aus, für die es unglaublich schwer ist, eine Wohnung zu finden.“ Als vielfältiges, eng vernetztes Ökosystem sei die Berliner Games-Branche aber nach wie vor sehr attraktiv, betont Pilia. Die traditionsreiche Networking-Reihe Talk & Play hat Pilia gerade wieder neu aufleben lassen, nachdem sie in der Pandemie pausierte. Regelmäßige Events wie Talk & Play oder der Berlin Mini Jam seien „von grundlegender Bedeutung, da sie es der lokalen Szene ermöglichen, durch zwangloses Networking und Wissensaustausch zu wachsen und sich weiterzuentwickeln“, so der Organisator. Damit könnten sie auch komplementäre Aufgaben zu größeren Events wie A Maze oder Games Ground erfüllen.

 

Die Leute finden Berlin immer noch super

Riad Djemili ist Mitbegründer des Saftladens und des Indie-Studios Maschinen-Mensch, das mit Curious Expedition 1 und 2 erfolgreich ist. „Seit zehn Jahren gibt es hier ein funktionierendes Ökosystem. Von der Ausbildung über Indie-Games bis zu den hoch budgetierten Games ist alles da“, lobt Djemili. Zu den größten Spielestudios der Hauptstadt zählen Ubisoft, Wooga und Yager, wo Djemili früher tätig war. „Andere Städte haben natürlich auch große Spielefirmen – aber kein solch vielfältiges Ökosystem“, erläutert der Entwickler. Bei Gesprächen in der Indie-Szene erlebt Djemili allerdings, dass sich gerade „viele Leute große Sorgen machen“. Einige der Indie-Studios hätten auch schon Stellen abbauen oder gar Insolvenz anmelden müssen. Als einen der Hauptgründe sieht Djemili, dass „der Investorenmarkt ein Stück weit weggebrochen ist“. Könne die Games-Förderung diese Lücke nicht schließen, dann werde die Situation natürlich noch schwieriger. Auch die Situation auf dem Immobilienmarkt trägt Djemili zufolge zur Verunsicherung bei: „Die Leute finden Berlin immer noch super. Es fällt ihnen aber immer schwerer, hier eine bezahlbare Wohnung zu finden. Einige aus der Branche sind auch schon weggezogen.“

Durchlässiges Ökosystem
Trotz solcher Verwerfungen sieht Djemili die regionale Branche gut aufgestellt – besonders deshalb, weil das Ökosystem in alle Richtungen durchlässig sei. „In Berlin gibt es Leute, die zuerst bei AAA-Firmen arbeiten und dann etwas Eigenes aufbauen – so wie wir mit Maschinen-Mensch“, erläutert er. „Umgekehrt findet das aber auch statt: Sie bauen zuerst etwas Eigenes auf, scheitern dann aber vielleicht und wechseln daraufhin zu einer AAA- oder Mobile-Firma. Durch diese Optionen bleiben die Leute dem Berliner Ökosystem tendenziell erhalten.“ Dass Berlin (laut Giffey) Deutschlands Games-Standort Nummer 1 werden soll, findet Djemili „erst mal eine gute Ansage – das muss ja auch der Anspruch sein“. Allerdings bedeute das nicht, dass man den anderen Standorten etwas wegnehme, so der Branchenkenner. „Im Gegenteil: Man pusht und motiviert sich gegenseitig: Wer vergibt die meisten Fördergelder, wer gewinnt die meisten Preise beim DCP, und so weiter.“ Eine konstante Förderung helfe auch auch, auf internationaler Ebene nicht den Anschluss zu verlieren.

 

Warum wollen wir überhaupt die deutsche Games-Hauptstadt sein?

 

Michael Liebe ist einer der besten Kenner der Berliner Games-Branche: Viele Jahre lang hat er die gamesweekberlin organisiert; 2013 gründete er die Event-Agentur Booster Space. „Die Stärke eines Games-Standorts hat verschiedene Bestandteile“, analysiert Liebe. „Man braucht ein starkes Event, gut sichtbare Multiplikatoren und große Firmen. Aber um all das zusammenzubringen, braucht man eben eine übergeordnete Strategie. Das ist gerade das, woran es in Berlin am meisten mangelt.“ Zwar würden viele Projekte vorangetrieben, so Liebe – allerdings gebe es keinen Masterplan, was damit eigentlich erreicht werden solle. „Warum wollen wir überhaupt die deutsche Games-Hauptstadt sein?“, stellt Liebe die ganz grundsätzliche Frage. „Welchen Mehrwert bietet das? So viele Steuern zahlen die Games-Firmen ja nun auch wieder nicht.“ Der Berliner findet es merkwürdig, „dass die ganze Zeit gesagt wird, dass man Games-Hauptstadt sein will – ohne aber genau zu erklären, wie und warum“. Der internationale Vergleich zeige, dass man als Games-Hauptstadt „viel größere Unternehmen braucht als die, die wir bei uns groß nennen“. Berlin habe kein einziges Studio mit mehr als 1000 MitarbeiterInnen, so der Booster-Space-Gründer. „Es ist wichtig, solche Zugpferde zu haben. Daraus ergibt sich dann auch ein Trickle-Down-Effekt mit Studioausgründungen.“ Solche Effekte habe es zwar teilweise schon bei Yager oder Wooga gegeben, so Liebe. „Wenn du Europas größter Games-Standort sein willst, brauchst du aber mindestens ein AAA-Studio, eher drei. Also 2000 Leute, die in den drei größten Firmen arbeiten.“

Interessengruppen einbinden
Auch Ruth Lemmen kann innerdeutschen Rankings wenig anfangen. „Wir arbeiten in einer internationalen Branche und sollten uns dafür engagieren, dass Deutschland in diesem Kontext einen der vorderen Plätze einnimmt und wettbewerbsfähig wird und bleibt“, so die Beraterin. „Vor diesem Hintergrund sollte Berlin klar definieren, wie und in welchem Bereich die Stadt sich beim Thema ‚Games‘ positionieren will. Natürlich auch im Hinblick darauf, wie die anderen Regionen in Deutschland aufgestellt sind – und ohne in Konkurrenz zu einzelnen Standorten zu treten.“ Lemmen wünscht sich daher, dass Berlin eine übergeordnete Strategie entwickelt – und dabei auch alle relevanten Interessengruppen aktiv einbindet. „Geplante Maßnahmen und Aktivitäten sollten aus der übergeordneten Strategie abgeleitet werden – und diese dann auch entsprechend finanziell unterstützt und gefördert werden.“ Als Beispiele für erfolgreiche Regionalinitiativen nennt Lemmen die Brandenburger Games-Residenz „The Rabbit“, das Förderprogramm „Games Entrepreneurs“ sowie „Play, Promote, Publish“, ein Programm des Erich-Pommer-Instituts in Potsdam-Babelsberg. Beim Thema „Events“ hat Lemmen ebenfalls eine klare Meinung: Sie findet es „nicht zielführend, per se größere B2C-Events nach Berlin zu holen, wenn die Größe hierfür der ausschlaggebende Faktor sein soll“. Die Stadt bietet alle Möglichkeiten, selbst Formate zu entwickeln, die dann auch zu der übergeordneten Strategie und zu der DNA der Stadt passten, betont Lemmen, die von 2006 bis 2013 gamescom-Projektmanagerin beim BIU war. „Ich habe die Standortverlagerung der Branchenmesse von Leipzig nach Köln damals aktiv mitgestaltet und begleitet“, berichtet sie. „Das Ganze ist ein zeitintensiver und sehr aufwändiger Prozess – und ich halte es aus vielen Gründen für unrealistisch, sogar auch für strategisch unklug, den Messestandort in absehbarer Zeit zu verlagern.“ Man könne sich doch freuen, die weltweit größte Fach- und Publikumsmesse in Deutschland ausrichten zu dürfen, so Lemmen. „Andere Länder haben da durchaus auch Begehrlichkeiten.“

 

Die Stadt bietet alle Möglichkeiten, selbst Formate zu entwickeln

 

Michael Liebe ist hier ähnlicher Meinung. „Man braucht nicht die gamescom, um der größte deutsche Games-Standort zu sein“, sagt er. Stattdessen brauche man eine starke Berliner Konferenz, die auch von den hier ansässigen Firmen getragen werde – so wie eben seinerzeit die gamesweekberlin. „Man könnte ja auch mit der IFA oder anderen großen Messen über einen Games-Ausbau reden“, schlägt Liebe vor. Aber auch da müsse zunächst eine Zieldefinition stattfinden. „Bei Mobile Games sind wir schon sehr stark, bei Indies und Dienstleistern auch“, sagt Liebe. „Je nachdem, was wir werden wollen, kann eine große Messe diese Mission inhaltlich und zielgruppengerecht unterstützen.“ Riad Djemili wünscht sich derweil ein B2B-Event vor Ort, bei dem man nie­drigschwellig in Kontakt mit Investoren treten kann. „Der Erstkontakt zu unserem Publisher Thunderful fand seinerzeit beim A Maze Festival statt“, berichtet er.

Ein Haus für Spiele
Das wohl ambitionierteste Projekt der Berliner Computerspielbranche ist das „House of Games“: Eine zentrale Einrichtung, die die wichtigsten Akteure unter einem Dach auf rund 15.000 Quadratmetern vereinen soll – also Firmen, Verbände und auch das Computerspielemuseum. Im Mai 2023 gab medianet bekannt, das „House of Games“ sei beschlossene Sache, die Rahmenbedingungen würden aber noch ausgelotet. „Es besteht die Zusage des Landes Berlin, im Speziellen der Senatskanzlei, dass für das Projekt eine Anschubfinanzierung gewährt wird“, berichtet Jeannine Koch. „Dies wurde nun auch im Doppelhaushalt für 2024/25 festgehalten.“ Parallel dazu befinde sich medianet gerade in einer sogenannten „Explorationsphase“, in der man einen Entwurf für ein Betreiber- und Business-Modell sowie einen Zeitplan erarbeite. „Diese Phase wird im ersten Quartal 2024 abgeschlossen sein“, sagt Koch. Zur Evaluierung gehört auch noch die Suche nach potenziellen Immobilien, die dann die mehr als 20 Games-Firmen und Institutionen beherbergen können.

Riad Djemili begrüßt derweil die House-of-Games-Initiative. Als Saftladen-Mitgründer weiß er, wie schwierig die Suche nach einem geeigneten Standort ist: In den vergangenen Jahren musste das Kollektiv insgesamt dreimal umziehen, unter anderem wegen sich ändernder Mietkonditionen. „Das House of Games kann etwas weltweit Einzigartiges werden“, sagt Djemili. „Auch von der Größe, wie es jetzt hier geplant ist – mit dem Computerspielemuseum, den Vereinen und den AAA- und den Indie-Studios.“ Djemili selbst war bis jetzt bei allen Objektbesichtigungen dabei – und würde mit Maschinen-Mensch auch ins House of Games einziehen. Man darf gespannt sein, wie es mit der Umsetzung des ambitionierten Projekts weitergeht. 2026 jedenfalls soll das House of Games seine Pforten öffnen. (Achim Fehrenbach)

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