IGM: Amanda, was ist ein absolutes No-Go in einem Pitch?
Amanda Förtsch: Es gibt viele Dinge, die man in einem Pitch falsch machen kann. Im Endeffekt ist es wichtig, dass die Kernaussage des Pitches rüberkommt, dass die Rolle des Förderers oder Publishers klar wird. Das heißt: Welchen Teil der Entwicklung kann er unterstützen? Die Finanzen müssen natürlich klar dargelegt werden – wenn man das nicht drauf hat, dann ist das ein No-Go. Man muss auch wissen, wann und wie man das Spiel releasen will, auf welchen Plattformen. Und man sollte natürlich auch auf Fragen des Publishers oder Fragen von uns vorbereitet sein – und nicht ohne Antwort dastehen.
IGM: Dennis, was ist für dich ein absolutes No-Go?
Dennis Schoubye: Man sollte immer bedenken, dass das Zeitbudget des Gesprächspartners begrenzt ist. Das Schlechteste, was man machen kann, ist, aus Nervosität oder fehlender Vorbereitung heraus nur zu reden – und dabei gar nicht wirklich in den Dialog zu kommen. Denn man möchte natürlich verstehen, wie der Pitch eigentlich ankommt, welche konkreten Nachfragen es gibt und wie man von diesem Punkt aus weitermacht. Das wird natürlich schwierig, wenn für den Pitch eine halbe Stunde angesetzt ist und der Pitchende dann 25 Minuten redet. Das heißt, man sollte sich immer über den Rahmen des Pitches im Klaren sein. Wie kann ich mein Projekt kurz und überzeugend darstellen? Und wie bleibt mir genügend Zeit, um auch noch die nächsten Schritte besprechen zu können?
Wie kann ich mein Projekt kurz und überzeugend darstellen?
IGM: Am 16. Februar veranstaltet ihr das „Pitch Level Up“. Was wird da geboten?
Förtsch: Das „Pitch Level Up“ ist eine Tagesveranstaltung. Erstens haben wir Eins- zu-eins-Beratung und zweitens das Vortragsprogramm. In den Eins-zu-eins-Gesprächen mit unterschiedlichen BranchenexpertInnen lernen die TeilnehmerInnen, dass es eben nicht nur die eine Wahrheit gibt. Vielmehr werden sie in Zukunft unterschiedliche Gesprächspartner haben, denen es entweder ums Gameplay oder um die Finanzen geht. Wir versuchen also, die unterschiedlichsten Perspektiven abzudecken. Die Vorträge drehen sich vor allem darum, wie ein Publisher auf ein Projekt blickt, wie man am besten an ihn herantritt und wie man mit ihm kommuniziert. Die TeilnehmerInnen sollen am Ende mit sehr viel Wissen nach Hause gehen und ihr Pitch Deck optimal vorbereiten können.
IGM: Wie organisiert ihr die Eins-zu-eins-Gespräche?
Förtsch: Jede Person, die sich für das Event registriert und auch die Beratung haben möchte, erhält drei Beratungstermine und kann uns die WunschexpertInnen nennen. Wir versuchen dann, den Wünschen so gut wie möglich nachzukommen.
IGM: Nach welchen Kriterien habt ihr die ExpertInnen ausgewählt?
Förtsch: Die Personen kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Es sind EntscheiderInnen dabei, die täglich viele Pitch Decks vorgelegt bekommen. Aktuell sind das Leute von Publishern wie Daedalic, Assemble und Kalypso. Mit dabei ist auch Valentina Birke von der Indie Arena Booth, die jedes Jahr unfassbar viele Games und Pitches sieht. Und wir haben auch Leute aus dem Consulting-Bereich wie Søren Lass und André Bernhardt. Am Ende geht es darum, dass die die TeilnehmerInnen des „Pitch Level Up“ die Marktsituation besser einschätzen können.
IGM: Stichwort „Marktsituation“ – die ist ja momentan sehr schwierig, gerade, was das Interesse von Investoren angeht. Wie wirkt sich das auf die Pitches aus?
Förtsch: Ganz wichtig ist natürlich, einen guten USP zu haben, den gut herausstellen zu können – und auch zu zeigen, dass man selbst den Markt analysiert und vergleichbare Projekte kennt. Begründen zu können, warum das eigene Projekt noch erfolgreicher werden könnte. Gleichzeitig müssen Devs auch wissen, dass es ein Team ohne Track Record schwerer haben wird, an Budgets für große Projekte zu kommen. Sie müssen sich dementsprechend am Markt einschätzen und positionieren können. Je weiter das Projekt aber in der Entwicklung ist, desto mehr muss man davon zeigen. Das heißt, man sollte dann auch eine Demo oder einen Prototypen mitbringen, um eben tatsächlich auch zu zeigen, dass das schaffbar ist, was man vorhat.
Schoubye: Es ist aktuell deutlich weniger Geld im Markt – das ist bei den Auftragslagen und Neuinvestitionen überall zu spüren. Besonders die größeren Unternehmen prüfen derzeit sehr genau, wo Erfolg am besten berechenbar ist. Innovationen werden sehr stark hinterfragt. Stattdessen möchten die Unternehmen verstehen, warum ein bestimmtes Produkt erfolgreich war – und möchten dann darauf aufbauen. Das heißt: Alle Devs, die jetzt eine ganz neue IP oder Idee pitchen, müssen diese Dinge mitbringen – und gleichzeitig im besten Fall auch darstellen können, dass eine Umsetzung mit einem sehr schlanken Budget möglich ist.
IGM: Mal so ganz grundsätzlich – aus welchen Bausteinen besteht eigentlich ein Pitch?
Förtsch: Im Pitch geht es darum, das Spiel bestmöglich zu beschreiben. Dazu gehören Dinge wie das Genre, die Plattformen, die Zielgruppe und deren Größe, wie die Zielgruppe erreicht werden soll – und natürlich auch ein Finanzierungsplan. Also: Wie viele Personen werden voraussichtlich über welchen Zeitraum an dem Projekt arbeiten, woher kommen die Gelder, wie viel Eigenkapital ist dabei, wie wird das Geld schrittweise investiert? Und natürlich auch, welche Unterstützungsleistungen ein Publisher erbringen soll.
Es geht darum, das Spiel bestmöglich zu beschreiben
IGM: Hat sich das Pitchen in der Pandemie grundsätzlich verändert? Findet es jetzt häufiger online statt oder geht es gerade zurück ins Physische?
Schoubye: Die Covid-Zeit hat dazu geführt, dass jetzt beides parallel läuft. Beides hat Vor- und Nachteile. Manche Teams müssen sich gut überlegen, ob sie jemanden auf eine internationale Veranstaltung schicken, weil das sehr kostenintensiv ist. In solchen Fällen sind Online-Pitching-Events auf jeden Fall sehr hilfreich. Allerdings geht beim Online-Pitching auch ein Stück weit die persönliche Ebene verloren. Spieleproduktion ist ein Geschäft, bei dem letztendlich Menschen darüber entscheiden, ob ein Team einen Vertrag bekommt oder nicht. Und genau deshalb ist die Event-Kultur auch schon seit Längerem wieder sehr gut angelaufen. Wir registrieren diese Nachfrage bei der Hamburg Games Conference. Beim Pitchen vor Ort merken die Leute gleich, ob sie ähnlich ticken, ob sie sich verstehen. Online ist das oft schwieriger herauszufinden.
IGM: Sprechen wir über die Games-Förderung in Hamburg. Wie sieht die konkret aus?
Schoubye: Wir haben in Hamburg die Prototypenförderung – dafür stehen pro Jahr 400.000 Euro zur Verfügung. Projekte können mit bis zu 80.000 Euro gefördert werden, das Geld ist nicht rückzahlbar. Die Teams müssen einen Eigenanteil von mindestens 20 Prozent in die Finanzierung einbringen. Wir hatten auch schon ein Projekt, was das Ganze mit der Bundesförderung kumuliert hat. Wenn diese ausgeschüttet wird, können wir in Hamburg Projekte mit bis zu 120.000 Euro fördern. Zum aktuellen Zeitpunkt vermissen wir die Option der Kumulierung mit der Bundesförderung schmerzlich, hoffen aber, dass die Bundesförderung so schnell wie möglich wieder aufgenommen wird. Neben der Prototypenförderung haben wir 2020 mit dem Games Lift Inkubator etwas aufgesetzt, was es in dieser Form in Deutschland vorher noch nicht gab. In dem Programm geht es um Wissensvermittlung und auch darum, ein Netzwerk für die beteiligten Studios aufzubauen. Hamburgweit und auch international erhalten die Teams Kontakt zu sehr vielen BranchenexpertInnen. Das Inkubator-Programm umfasst auch eine finanzielle Förderung von 15.000 Euro pro Team. Außerdem stellen wir den Teams Räume zur Verfügung, in denen sie an ihren Projekten arbeiten können. In diesem Jahr beginnt die fünfte Inkubator-Runde seit 2020. Bis jetzt haben bereits 20 Teams unser Programm durchlaufen.
IGM: Hattet ihr dafür internationale Vorbilder?
Schoubye: 2019 haben wir uns überlegt, wie wir so ein Inkubator-Programm am besten aufsetzen können. In Deutschland haben wir vor allem Inkubatoren an Hochschulen gefunden, die aber keine finanzielle Förderung beinhalteten – und auch nicht so sehr den Aspekt der Vernetzung betonten. Deshalb sind wir sehr schnell im europäischen Ausland gelandet und haben uns mit Inkubatoren aus Dänemark, Schweden oder Spanien ausgetauscht, wo solche Programme bereits länger angeboten werden. Alle Inkubatorprogramme sind unterschiedlich, haben aber im Kern das gleiche Ziel: Start-ups für die nächsten Schritte fit zu machen. Der Austausch mit den europäischen Partnern ist sehr eng. Das ist keine Konkurrenzsituation, stattdessen wollen wir voneinander lernen. Und wenn ein Inkubator-Programm etwas schon ausprobiert hat und mit den Ergebnissen nicht so zufrieden war, dann ist das für uns natürlich relevant – und wir teilen ebenfalls gerne unsere eigenen Erfahrungen.
IGM: Wie ist euer Inkubator-Programm aufgebaut?
Förtsch: Das Programm beginnt mit einer dreimonatigen Workshop-Phase. Wir veranstalten Workshops zu verschiedenen Themen, beispielsweise zu Marketing, Finanzen, juristischen Fragen und zur Stärkung des USP. Also so ziemlich zu allem, was nicht direkt mit Game Development zu tun hat. Denn im Programmieren, im Art Design und im Finden neuer Ideen sind die Start-ups alle schon sehr gut. Auf die Workshop-Phase folgt dann eine achtmonatige Mentoring-Phase. Dafür haben wir eine Reihe von MentorInnen, die nah am Team bleiben, aufkommende Fragen beantworten und auch kritische Fragen stellen.
In diesem Jahr beginnt die fünfte Inkubator-Runde seit 2020
IGM: Beim „Pitch Level Up“ am 16. Februar gibt es Beratung und Vorträge. Was wird sonst noch geboten?
Förtsch: Das Event findet im SPACE der Hamburg Kreativ Gesellschaft in der Speicherstadt statt. Das ist ein Ort, an dem wir verschiedene Kreativbranchen zusammenbringen. Bei dem Event wird – neben den laufenden Vorträgen und den Beratungsgesprächen – auch sehr viel Networking betrieben. Ein weiteres Ziel ist, dass sich die teilnehmden Studios und Teams dieses Jahr gegenseitig Peer Reviews zu ihren Projekten geben.
IGM: 2023 wurde Gamecity Hamburg 20 Jahre alt. Was waren – im Rückblick auf die zwei Jahrzehnte – die wichtigsten Etappen?
Schoubye: 2006 hat Hamburg die bundesweit erste Prototypenförderung eingeführt – wir sind froh, dass wir diese 2020 in neuer Form zurückbringen konnten. Aus dem Netzwerkgedanken, den wir seit 2003 haben, ist in Hamburg sehr viel entstanden – die Leute haben sich über Gamecity Treffs kennengelernt und ausgetauscht. Tatsächlich sind uns in Deutschland auch nicht so viele Branchen-Events wie der Gamecity Treff bekannt. Der ist seit 20 Jahren gut besucht und hat im Jubiläumsjahr neue Besucherrekorde aufgestellt hat – mit teilweise bis zu 300 Personen. Und natürlich ist das Inkubator-Programm ein wesentlicher Fokus unserer Arbeit. Wir begleiten die Start-ups über einen längeren Zeitraum und bleiben auch mit ihnen in Kontakt, wenn das Programm für sie beendet ist. In den vergangenen Jahren konnten wir bei Gamecity Hamburg auch ein neues Team an MitarbeiterInnen aufbauen und viele neue Angebote in der Nachwuchsförderung starten.
IGM: Zum Beispiel?
Schoubye: Das sind Events an Schulen und Unis, die über Berufsperspektiven in der Games-Branche informieren, aber auch Programme, mit denen wir Hamburger Delegationen zu unterschiedlichen Messen und Konferenzen bringen. Wir selbst konnten uns mit der Hamburg Games Conference in den vergangenen Jahren gut im internationalen Event-Kalender etablieren. Sehr froh sind wir auch über die Entwicklung der Polaris Convention, die letztes Jahr 27.000 BesucherInnen hatte. Die Firmen haben da eine sehr gute Showcase-Gelegenheit – und es ist auch einfach ein tolles Community-Event.
IGM: Als wie stark empfindet ihr eigentlich die Konkurrenz durch Produktionsstandorte wie Berlin, Bayern oder NRW?
Schoubye: Wir sind sehr froh, dass es mit Games Germany einen Zusammenschluss der unterschiedlichen Förder- und Netzwerkeinrichtungen gibt. Wir haben einen monatlichen Call mit den KollegInnen aus den anderen Bundesländern. Wir merken, dass dieser Erfahrungsaustausch sehr viel wert ist – wir stellen auch gemeinsam Aktionen auf die Beine, zum Beispiel den Games Germany Steam Sale, der letztendlich Entwicklern in ganz Deutschland zugutekommen soll, egal in welchem Bundesland sie sitzen. Und auch wenn wir so etwas wie den „Pitch Level Up“ veranstalten, sprechen wir darüber mit den KollegInnen – und teilen auch ihre Event-Infos, wenn das für Hamburger Teams spannend sein kann. Letztendlich arbeitet jeder Standort im Kern daran, dass die eigene Games-Wirtschaft floriert. Wir sehen aber viele Vorteile darin, Dinge sehr offen auszutauschen. Am Ende entscheiden die Studios dann selbst, wo sie sich am besten verortet fühlen. Wir wollen einfach gemeinsam gute Bedingungen für die Games-Wirtschaft in Deutschland schaffen.
MentorInnen, die nah am Team dranbleiben
IGM: KI kommt in immer mehr Bereichen, auch schon bei Bewerbungsgesprächen. Welchen Einfluss könnte KI künftig auf Pitching-Prozesse haben?
Förtsch: Das kann natürlich ein Thema werden. Es gibt ja einen Bereich, in dem es auch für Pitch Decks total praktisch sein kann, KI zu benutzen. Und zwar dann, wenn man noch keine Concept Art produziert hat, aber schon so ein bisschen das Look and Feel des Spiels zeigen möchte. Dann ist es möglich, im Vorhinein Concept Art durch eine KI generieren zu lassen. Ich glaube aber nicht, dass KI beim „Pitch Level Up“ eine so große Rolle spielen wird.
Schoubye: Ich glaube, sowohl die Publisher als auch die Entwickler sind gerade in einer Phase, in der ganz viele Dinge ausprobiert werden. Natürlich immer mit dem Ziel, Arbeitserleichterungen zu schaffen und auch die Effizienz zu steigern. Um 2019 herum war es noch ein Alleinstellungsmerkmal, wenn sich jemand bei der Concept Art schon sehr ins Zeug gelegt und einiges ausgearbeitet hatte. Inzwischen schafft man es, vergleichbare Dinge in sehr schneller Zeit hinzubekommen. Uns ist deshalb wichtig, dass gekennzeichnet wird, wie eine Grafik eigentlich entstanden ist – und auch die Frage, wie repräsentativ sie für das Spiel ist. Wir werden sehen, ob uns demnächst auch Pitch Decks erreichen, bei denen der Text mit KI generiert ist. Das bringt auf jeden Fall ganz neue Herausforderungen bei der Bewertung mit sich. (Achim Fehrenbach)