Florian Emmerich über Biomutant: Hier ist deine Welt – viel Spaß damit!

Nagetiere, Martial Arts und eine kunterbunte Open World: Biomutant bringt frischen Wind ins Rollenspiel-Genre. Das Spiel wird vom Stockholmer Studio Experiment 101 entwickelt und soll am 25. Mai in den Handel kommen. Florian Emmerich (Head of PR bei THQ Nordic) spricht im IGM-Interview über Zielgruppen, Publisher-Politik und Kämpfe mit Pilzen und Seifenblasen.
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Florian Emmerich, THQ Nordic

IGM: Florian, um Biomutant war es lange sehr ruhig. Warum?

Florian Emmerich: Wir wollten einfach sichergehen, dass es auch Sub­stanz hat, wenn wir den Leuten sagen, wann Biomutant rauskommt. Mitte 2020 haben wir ein zehnminütiges Gameplay-Video veröffentlicht, in dem einiges vom Spiel zu sehen war. Davor waren wir auf vielen Messen präsent, was aber natürlich 2020 ausgefallen ist. Sprich: Wir hatten immer Leute, die das Spiel antesten konnten – aber 2020 eben weniger. Wir wollten uns erst zurückmelden, wenn wir sicher sein konnten, dass wir ein finales Release-Datum nennen können.

Ein kleines Studio hält Crunch auf Dauer gar nicht durch

IGM: Biomutant erscheint am 25. Mai. Welche Rolle spielten dabei Releases der Konkurrenz?

Emmerich: Wir haben das Datum gewählt, weil das Spiel dann fertig sein wird – ohne dass sich die EntwicklerInnen dafür ein Bein ausreißen müssen. Wir haben das Datum ja auch schon recht früh bekanntgegeben, Ende Januar 2021. Zu diesem Zeitpunkt war das Spielejahr 2021 in Bezug auf Release-Termine noch ziemlich leer. Wir hätten uns also jeden möglichen Termin aussuchen können.

IGM: An Biomutant arbeiten nur rund 20 Leute. Wie lässt sich ein solches Projekt mit einem derart kleinen Team umsetzen? Oder anders formuliert: Wie ist die Haltung von THQ Nordic zum Thema Crunch?

Emmerich: Wir vermeiden Crunch, wo es geht. Allerdings gibt es ganz allgemein gesprochen immer wieder kurze Phasen, in denen so etwas notwendig ist. Wenn zum Beispiel am nächsten Tag die gamescom beginnt, muss die Messe-Demo dann halt auch fertig sein, da kann man nicht sagen: "Komm, wir verschieben die Messe um zwei Wochen." Was den Release-Termin von Biomutant angeht, haben wir gesagt: "Leute, ihr macht das Spiel in der Geschwindigkeit und Qualität, in der ihr das schafft." Und das ist auch genau so passiert. Was den Release-Termin angeht, gab es von uns gar keinen Druck. Klar, wenn die gesagt hätten, dass sie noch elf Jahre brauchen, hätten wir vielleicht mal doof nachgefragt, ob das denn nicht ein bisschen schneller geht (lacht). Aber grundsätzlich vermeiden wir Crunch. Punkt. Und wenn er doch mal stattfindet, wird er anschließend ausgeglichen. Durch Freizeit oder finanzielle Kompensation. Auch Experiment 101 musste vor der gamescom ranklotzen, um die Messe-Demo fertig zu bekommen. Dafür haben sie anschließend ein paar Tage frei gemacht.

IGM: Es wird also nicht über Wochen oder Monate gecruncht, wie man das bei anderen Firmen mitbekommen hat ...

Emmerich: Nein, das bringt auch gar nichts. Wir haben ja fast nur solche kleineren Teams, unser größtes Studio hat rund 90 Leute. Ein kleines Studio hält Crunch auf Dauer gar nicht durch. Erstens zieht das die Qualität des Produktes runter, weil Leute mehr Fehler machen, je länger sie arbeiten. Und zweitens sind sie dann überhaupt nicht mehr motiviert. Das macht doch überhaupt keinen Spaß, wenn du ständig Überstunden schieben musst, da wirst du bekloppt. Wir sehen keinen Mehrwert darin, dass ein Produkt ein paar Wochen oder Monate früher erscheinen kann. Wobei ich dazusagen muss, dass wir als Publisher in einer günstigen Situation sind. Wir haben keinen solch dramatischen finanziellen Druck, wie ihn bestimmte Studios vielleicht haben. Ich kann durchaus verstehen, dass kleinere Studios, die nur ein Produkt entwickeln, dann auch crunchen müssen. Ich will das jetzt gar nicht schönreden – aber Verständnis kann ich dafür schon aufbringen.

IGM: Laut Studiochef Stefan Ljungqvist investiert Experiment 101 gerade die meiste Zeit in die Bug-Suche. Inwieweit kann THQ Nordic das Studio dabei unterstützen?

Emmerich: In den eigentlichen Entwicklungsprozess haben wir uns überhaupt nicht eingemischt. Aber wenn es um QA geht, sind wir natürlich mit dabei. Wir haben eine interne QA-Abteilung und auch Studios, die in diesem Punkt für uns arbeiten. Das ist dann aber nicht nur eine reine Bug-Suche, sondern auch inhaltliches Feedback. Für Biomutant haben wir im Laufe der Jahre mehrere Fokus-Tests gemacht, bei denen wir darauf geschaut haben, ob einzelne Spielelemente Spaß machen, ob der Spannungsbogen funktioniert und so weiter. Dabei konnten die EntwicklerInnen natürlich auf unsere Ressourcen zurückgreifen.

IGM: Open-World-Games haben ja oft das Problem, dass die Handlung in Nebenquests zerfasert. Wie sieht das Storytelling in Biomutant aus?

Emmerich: Das liegt ganz bei den SpielerInnen. Und das ist ja auch der große Reiz von offenen Spielwelten: Du kannst darin machen, was du willst, und du kannst dich genau dem widmen, was du gerade spannend findest. Wenn du nur die Quests der Hauptstory spielst und dich gar nicht darum kümmerst, was am Wegesrand passiert, dann hast du vielleicht sehr viel Spaß damit. Andere absolvieren erst alle Quests, die sie finden, und beginnen dann mit der Hauptstory. Ein paar Leute von Experiment 101 waren vorher bei den Avalanche Studios und haben an Spielen wie Just Cause und Mad Max mitgearbeitet. Diese Spiele sind schon ein gewisser Indikator dafür, in welche Richtung Biomutant geht. Das lässt sich mit einem Fallout oder einem Skyrim vergleichen, wo man sagt: "Hier ist deine Welt – viel Spaß damit!"

IGM: Open-World-Games gibt es wie Sand am Meer. Wie sticht Biomutant aus der Masse heraus?

Emmerich: Mir gefällt an Biomutant, dass es so bunt und crazy ist! Als Protagonisten hast du diese ganzen verrückten Tiere. Das Spiel nimmt sich gerne auf die Schippe und hebt sich dadurch von bierernsten, düsteren Spielen ab. Gerade in der Postapokalypse hast du viele Spiele mit einem dunklen, rauen Ton. Im Vergleich dazu ist Biomutant ein lustiges, buntes Open-World-Spiel, das es in dieser Form nicht so häufig gibt.

IGM: Biomutant wird ja unter anderem mit Zelda verglichen. Die EntwicklerInnen selbst sagen, sie seien zum Beispiel vom Animationsfilm Kung Fu Panda inspiriert worden. Wer ist die Zielgruppe von Biomutant?

Emmerich: Alles und jeder. Wir haben eine USK-Freigabe ab 12 Jahren bekommen. Und wir haben auf den Messen gesehen, dass Biomutant von allen möglichen Leuten gespielt wird. Der graubärtige Gamer mit dem düsteren Mantel spielt das genauso gerne wie das Teenager-Mädchen. Jeder, der sich für Rollenspiele und speziell für Open-World-Rollenspiele interessiert, kann mit Biomutant eine ganze Menge Spaß haben.

Das Spiel nimmt sich gerne auf die Schippe

IGM: Wie wichtig ist, dass man die Charaktere selbst gestalten kann?

Emmerich: Bei der Charaktererstellung hast du viele Freiheiten. Du kannst dir aus verschiedenen Varianten deine Kreatur so zusammenbauen, wie du möchtest – je nachdem, welche Attribute dir wichtig sind. Biomutant ist im Kern ein hartes Rollenspiel. Wenn du dir einen sehr intelligenten Charakter mit einem riesengroßen Schädel erschaffst, der aber vielleicht nicht so kräftig ist, beeinflusst das, wie du das Spiel spielen wirst. Wir kennen das ja von anderen Rollenspielen: Wenn ich mir einen Magier erstelle, gehe ich auch nicht auf Körperkraft und Vitalität, sondern mehr auf Intelligenz und Charisma. Ähnlich ist es bei Biomutant: Da haben wir zwar keine Magie, aber wir haben Psi-Kräfte. Du kannst zum Beispiel herumschweben oder Blitze aus deinen Pfoten schießen, wie das der Imperator in Star Wars macht. Du hast aber natürlich auch Nahkämpfer, Fernkämpfer und so weiter. Außerdem hat Biomutant kein starres Klassenkorsett. Am Anfang hast du zwar Klassen, an denen du dich orientieren kannst. Im Spiel kannst du aber alles lernen und alle Fähigkeiten und Waffen nutzen. Nach ein paar Spielstunden stehen dir alle Möglichkeiten offen – so, wie das bei den meisten anderen Rollenspielen auch der Fall ist.

IGM: Welche Rolle spielen eigene Entscheidungen? Laut Experiment 101 ist das Script im Lauf der Entwicklung stark gewachsen, von ursprünglich 85.000 auf jetzt 250.000 Wörter. Das spricht dafür, dass es viele Handlungsoptionen gibt.

Emmerich: Richtig. Das geht mit der Eingangsfrage einher, warum die Entwicklung so lange gedauert hat. Wir haben schon nach dem Announcement auf der gamescom 2017 festgestellt: Das Interesse an Biomutant ist sehr viel größer als erwartet. Wir haben uns dann mit den EntwicklerInnen zusammengesetzt und den Umfang des Spiels erweitert. Es sind jetzt nicht unglaublich viele neue Features hinzugekommen, aber sehr viel neuer Content. Und das erklärt natürlich auch, warum die Textmenge angewachsen ist – dass viel mehr vertont wurde, dass viel mehr Quests gesprochen wurden, dass auch viel mehr in der Welt zu tun ist. Das hat natürlich ein bisschen gedauert – auch wenn da jetzt nicht noch 20 neue Features aus dem Hut gezaubert wurden.

IGM: Was sind deine persönlichen Lieblings-Features?

Emmerich: Ich bin da einfach gestrickt. Mir ist wichtig, dass der ganz normale, simple Kampf cool ist. Das basiert bei Biomutant auf dem "Wung-Fu", das sind die Martial-Arts-Moves, die unser Protagonist drauf hat. Dadurch machen Kämpfe  immer Spaß! Das ist eine hohe Qualität, die ein paar andere Spiele haben – ich möchte jetzt keine Namen nennen, aber gerade die von Warner finde ich da eigentlich sehr schön. Wo du sagst: Da stehen jetzt noch fünf Orks, die haue ich jetzt noch um – weil das einfach Bock macht, weil die Kämpfe schnell und spannend sind, weil es cool aussieht, weil du dich als richtiger Held fühlst, der die Monster richtig schön verdreschen kann. Und genau deswegen macht mir das Kämpfen in Biomutant Spaß. Und auch, weil du mit unterschiedlichen Skills herumexperimentieren kannst.

IGM: Zum Beispiel?

Emmerich: Wir haben schon diese Seifenblase gezeigt, in die sich der Protagonist einschließen kann. Kleinere Gegner kleben außen an der Blase fest. Du springst nach oben, schlägst die Blase kaputt – und die Gegner fliegen dann in alle Himmelsrichtungen, fallen vielleicht den Berg runter ins Wasser. Das Studio hat viele solcher kreativen Ideen ins Spiel reingebracht, das macht die Kämpfe noch spannender. Du kannst auch Pilze aus dem Boden wachsen lassen. Der Gegner hüpft auf den Pilzen wie auf einem Trampolin, du kannst mit in die Luft springen und ihn dort vermöbeln oder mächtig auf die Erde dreschen. Das finde ich sehr schön, das gehört für mich zu dem Kampf als Feature-Set dazu. Von daher: Kampf und Mutationen sind für mich die beiden entscheidenden Features.

IGM: THQ Nordic setzt sowohl auf AAA als auch auf AA. Wo würdest du Biomutant einordnen?

Emmerich: Eigentlich bewegen wir uns nur um AA-Segment – und das sowohl bewusst als auch sehr gerne. Denn zwischen zig Millionen schweren AAA-Blockbustern und geilen Indie-Games ist noch jede Menge Platz für A- und AA-Games. Ein starkes AA-Spiel wie Biomutant kann genauso viel Spaß machen wie ein starkes AAA-Spiel. Viele SpielerInnen interessieren sich vor allem für den Inhalt – und nicht so sehr dafür, ob das letzte Fünkchen Raytracing aus der Grafikkarte rausgekitzelt wird. Mit Biomutant gehen wir also sehr gerne den AA-Weg.

IGM: Kannst du schon etwas über die Versionen für die neuen Konsolen sagen?

Emmerich: Dazu können wir jetzt noch nichts sagen. Biomutant erscheint erst mal für PlayStation 4, Xbox One und PC. Unsere Lead-Plattform war dabei immer die PS4. Das Spiel wird also auch auf einer normalen PS4 sehr schön laufen und gut aussehen – das war unser primäres Ziel. Die PC-Version hat natürlich mehr Möglichkeiten. Sie hat zum Beispiel jetzt schon eine 4K-Auflösung und ein paar zusätzliche Effekte, die der PC einfach zu bieten hat. Ob man darauf Versionen für die neuen Konsolen aufbauen kann, wird sich zeigen. Genau wie beim Release-Termin wollen wir erst mal intern prüfen, was geht – und wann das geht. Sobald wir das wissen, werden wir das auch verkünden.

Mit Biomutant gehen wir gerne den AA-Weg

IGM: Ist Biomutant reibungslos auf den neuen Konsolen spielbar?

Emmerich: Natürlich, das ist ja das Schöne an dieser Abwärtskompatibilität.

IGM: Was kannst du über die beiden Collector's Editions verraten?

Emmerich: Für Biomutant gibt es eine Standard-Collector's-Edition, die sich im 120-Euro-Segment bewegt – mit einer Figur und diversen schönen Inhalten. Und dann gibt es die Atomic Edition. Sie enthält unter anderem ein riesiges Diorama, in dem der Held die Keule eines großen, wolfsähnlichen Bösewichts zerschlägt. Wir haben gemerkt, dass viele Fans solche aufwendigen Editionen super finden. Vergleichbares haben wir schon bei Spongebob, bei Destroy All Humans! und bei Darksiders III angeboten, die waren immer ratzfatz ausverkauft. Ich persönlich finde das klasse! Gaming ist für mich ein so schönes Hobby, und ich habe gerne Collector's Editions im Regal stehen, damit jeder, der in mein Zimmer kommt, merkt: Der Typ ist ein richtiger Zocker, der hat Spaß an seinem Hobby! Und ich bin offensichtlich nicht der Einzige, der das so sieht und mit diesen großen Editionen viel Spaß hat.

IGM: Momentan [Anfang März] ist der stationäre Handel – bis auf Click & Collect – geschlossen, Lockerungen sind aber in Sicht. Wie wichtig ist euch, dass solche aufwendigen Collector's Editions am Point of Sale gebührend präsentiert werden?

Emmerich: Das ist uns sehr wichtig! Wir arbeiten nach wie vor sehr gerne mit dem stationären Handel, weil wir wissen, dass es vielen SpielerInnen wichtig ist, eine Box kaufen zu können. Und die Collector's Editons haben richtig Potenzial, aufzufallen. Die Atomic Edition ist ungefähr einen Meter lang, auf der Verpackung sind die Inhalte gut abgebildet – wenn das gut präsentiert wird, bin ich sicher, dass da jeder Gamer mal einen Blick drauf wirft. Und die Kunden können sich natürlich auch vorher informieren: Wir haben zu beiden Editionen Videos veröffentlicht, die zeigen, was in der Verpackung drin ist. Wir haben Mock-up-Grafiken erstellt, wo  die einzelnen Teile auch schön nebeneinander aufgebaut sind.

IGM: Biomutant bietet einige frische Ideen. Mit dieser IP ließe sich ja einiges anstellen – zum Beispiel könnte man das Spiel verfilmen.

Emmerich: Gerne, wenn du einen Kontakt zu Netflix hast (lacht). Aber im Ernst, zuerst wollen wir das Spiel fertigstellen und rausbringen. Und dann schauen wir auf das Feedback. Ich kann hier meine Fantasie spielen lassen, was da alles möglich wäre. Geplant ist bis jetzt aber nur das Computerspiel – und dann schauen wir weiter. Wir fänden es sicher spannend, wenn ein Filmstudio bei uns anklopft. Aber es ist nichts dergleichen geplant oder in der Mache – zumindest, soweit ich weiß (lacht)!

IGM: Was kannst du abschließend über die anderen THQ-Nordic-Spiele sagen, die 2021 erscheinen?

Emmerich: Ankündigen kann ich da jetzt nichts – ich hoffe, du verstehst das. Kürzlich ist Monster Jam Steel Titans 2 für diverse Plattformen erschienen. Und am 16. März bringen wir noch Kingdoms of Amalur: Re-Reckoning für die Nintendo Switch heraus, nachdem es schon letztes Jahr für PC, PS4 und Xbox One erschienen ist. Wir machen einen Schritt nach dem anderen. Im Mai kommt Biomutant – und dann sehen wir weiter. Ich glaube nicht, dass Biomutant unsere letzte Veröffentlichung im Jahr 2021 sein wird. (Achim Fehrenbach)

IGM 04/21
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