Gesichert! Über Speicherfunktionen in Spielen

Jederzeit, nur an Checkpoints oder vielleicht gar nicht: Spei­cher­funktionen beeinflussen den Spielspaß maßgeblich. IGM wirft einen Blick auf die individuelle Integration von Speicher­funktionen in Spielen.
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Wir schreiben das Jahr 1991: Der junge Olaf ist stolz. Er hat ein neues Spiel für seinen geliebten Game Boy. „Super Mario Land“ wartet darauf, durchgespielt zu werden. Doch das Nintendo-Jump‘n‘Run hat einen Haken: Die Entwickler haben keine Speicherfunktion eingebaut! Obwohl „Super Mario Land“ nur aus zwölf Levels bestand und von geübten Gamern in kaum mehr als 45 Minuten durchgespielt werden konnte, stellte dieser Umstand viele immer wieder vor logistische Probleme. Genügt das mütterliche Zeitlimit von 30 Minuten vielleicht doch?

Auch wenn die Speicherfunktion ein eher unscheinbares Feature inmitten der Komplexität eines Computer- und Videospiels ist, so hat sie doch großen Einfluss auf das Spielerlebnis, das Gameplay und auch die Spielweise: Freies Speichern verleitet zum ständigen Sichern des Spielstandes. Schlecht platzierte Speicherpunkte hingegen können zu Frustration führen. Und an Ingame-Ressourcen gekoppelte Speicherfunktionen müssen gut ausbalanciert sein, sonst stören sie den Spielfluss.

In der Vergangenheit haben Spieleentwickler demonstriert, wie unterschiedlich Speicherfunktionen umgesetzt werden können. Dabei spielten nicht nur technische Voraussetzungen wie die Hardware-Generation oder die verwendete Engine eine Rolle, sondern sehr oft dienten spezifische Speicherfunktionen auch dem Gesamtkonzept hinter den Projekten.

 

Schlecht platzierte Speicherpunkte können zu Frustration führen

 

Freies Speichern oder Checkpoints?
Freie Speichersysteme sind auch im Jahr 2024 eher selten anzutreffen. Vergleichsweise langsame Titel wie „Anno 1800“ (2019) verwenden zwar ein freies Speichersystem, legen aber parallel dazu Autosave-Spielstände an. Der Grund dahinter ist einfach: Fehler lassen sich so korrigieren und eine lange Session mit zehn oder mehr Stunden ist mit dem einfachen Neuladen „reparierbar“. Überall zu speichern ist jedoch komplex und stellt hohe Anforderungen an die Software und die Engine. Schließlich muss im besten Fall nicht nur der Zustand der Spielfigur, sondern die ganze Welt um sie herum in Dateiform gepresst werden. Diese Masse an Informationen hat schon in der Vergangenheit die Systeme, das Medium und auch die Programme selbst an ihre Grenzen gebracht.

Gerade bei Action- und Shooter-Spielen ist eine Mischung aus Autosave-Funktion und Checkpoint-System üblich. Gut umgesetzt, hält es die Frustrationsgrenze des Nutzers vergleichsweise niedrig: Wer doch einmal stirbt, verliert in der Regel nur wenige Minuten. Gleichzeitig bleibt der Spielfluss erhalten, der gerade beim Erzählen von Geschichten unbedingt notwendig ist. „Marvel‘s Spider-Man 2“ (2023) beispielsweise erlaubt freies Speichern, solange man sich in der offenen Spielwelt bewegt, setzt aber innerhalb von Missionen auf Checkpoints. Bei besonders anspruchsvollen Spielen kann ein freies Speichersystem auch dazu führen, dass sich der Spieler Stück für Stück durch das Programm „sichert“. Dies wiederum kostet nicht nur Spielfluss, sondern kann aufgrund der entstehenden Datenmengen auch zu Problemen innerhalb des Systems führen.

Das Permadeath-Abenteuer „Don‘t Starve“ (2013) löst die Speicherfrage mit gnadenloser Härte: Zwar ist hier das freie Speichern möglich, geht man jedoch drauf, wird der Spielstand automatisch gelöscht. Der Nervenkitzel, dass ein einziger Fehler zum Totalverlust des eigenen Spielfortschritts führen kann, bleibt also erhalten. Gleichzeitig wird der Spieler nicht bestraft, wenn er eine Pause einlegt.

Einen ganz ähnlichen Weg geht „Ori and the Blind Forest“ (2015). Hier ist es jederzeit möglich, mit gesammelter Energie einen Speicherpunkt zu setzen. Dies ist jedoch nur in sicheren Gebieten erlaubt. Bei Titeln mit kritischen Entscheidungen und daraus resultierenden Konsequenzen wie „Telltale‘s The Walking Dead“ (2012) kann eine freie Speicherfunktion sogar Gewissenskonflikte und damit einen Teil der Spannung des Spiels zerstören. Die gezielte Einschränkung von Speichermöglichkeiten kann also in bestimmten Genres und Konzepten die Spielerfahrung prägen.

Das Soulslike-Dilemma
In Spielen wie „Dark Souls“ (2011) erfolgt das Spielstand-Speichern über das Entzünden von Leuchtfeuern an Lagern. Das Sichern des Spielfortschritts ist dabei nur ein Teil der zugrundeliegenden Spielmechanik. Denn an den Ruhestätten kann man im späteren Verlauf auch die eigenen Energiereserven wieder auffüllen oder die eroberten Seelen in Charakterpunkte umwandeln.

Allerdings bringt dieser Vorgang auch einen entscheidenden Punkt mit sich: Alle bis dahin besiegten Gegner „respawnen“ und steigen damit aus ihrem Computergrab. Diese für das Soulslike-Genre typische Wechselwirkung wird von vielen Spielern genutzt, um ihren Charakter Stück für Stück zu leveln. Das sogenannte „Grinden“ von Charakterpunkten durch das Töten immer gleicher Gegnergruppen innerhalb eines Abschnitts kann den weiteren Fortschritt erleichtern, kostet aber auch Zeit und ist mitunter frustrierend. Denn wenn man doch einmal das Zeitliche segnet, verliert man die bis dahin gesammelten Seelen und muss sie erst wieder zurückerobern.

 

Kostet Zeit und ist mitunter frustrierend

 

Das Speichern gibt Spielern hier zwar eine gewisse Sicherheit, zugleich aber sind die Leuchtfeuer auch mit anderen Spielelementen verbunden. Dadurch kommt dem gesamten Prozess eine größere Bedeutung zu: Der „Grind“ ist Teil des Erlebnisses und gibt weniger erfahrenen Spielern die Möglichkeit, den Schwierigkeitsgrad selbst anzupassen.

Speichern als Ressource
In anderen Spielen ist das Speichern des Spielfortschritts nur mit einem bestimmten, limitierten Gegenstand möglich. Im Survival-Horror-Klassiker „Resident Evil“ aus dem Jahr 1996 benötigte man beispielsweise ein Farbband, um an den aufgestellten Schreibmaschinen zu speichern. Dieses Designkonzept passte perfekt zum Genre. Das Speichern wurde hier zu einer sehr bewussten Entscheidung. Durch die Beschränkung auf vordefinierte Orte auf der Karte in Verbindung mit den spärlich vorhandenen Farbbändern erhöhte sich die Spannung im Spiel. Die klassische Ressourcenknappheit des Survival-Horror-Genres wird auf diese Weise unterstrichen. Das Speichern wird zur taktischen Entscheidung und das „Überspringen“ eines Speicherpunktes innerhalb der eigenen Progression zum riskanten Unterfangen.

 

Das Speichern wird zur taktischen Entscheidung

 

Das Mittelalter-Rollenspiel „Kingdom Come: Deliverance“ (2018) setzt das freie Speichern mit Hilfe des sogenannten Retterschnapses um. Dieser ermöglicht zwar das spontane Sichern des Fortschritts, hat aber den Nachteil, dass der Held Heinrich betrunken und bei zu häufigem Gebrauch sogar alkoholabhängig wird. Um den „Betrunken-Effekt“ loszuwerden, muss man gar ein Nickerchen im Gasthaus machen. Für die Heilung der Suchtsymptome gibt es derweil einen anderen Heiltrank.

Ein beliebter Twist, um die Speicherfunktion in Spiele einzubetten, findet sich beispielsweise in der Farm-Simulation „Stardew Valley“ (2016). Hier dient das Schlafen nach einem Tag voller harter Arbeit zum einen dazu, die Kraftreserven aufzufüllen, zum anderen aber auch um das Spiel zu sichern. Eine andere Option gibt es in diesem Fall nicht.

Es zeigt sich also: Speichern in Spielen ist weit mehr ist als das bloße Sichern des eigenen Spielfortschritts. Die Art und Weise, wie Entwickler diese Funktionen in die Programme integrieren, hängt stark von den technischen Grundlagen und auch dem dahinterstehenden Spielkonzept ab. Speicherfunktionen und ihre Freiheiten beeinflussen das Gameplay und auch den Spielfluss maßgeblich. (ob/bpf)

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