Interview mit Nacon-CEO Laurent Honoret

Viele neue Spiele – und jede Menge neues Zubehör: Vor kurzem präsentierte Publisher Nacon in Paris sein aktuelles Portfolio. IGM sprach mit Nacon-Geschäftsführer Laurent Honoret über Highlights bei Hard- und Software, Studiokäufe und aktuelle Trends der Spieleindustrie.
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Nacon-CEO Laurent Honoret

IGM: Monsieur Honoret, wegen der Pandemie musste die Bigben Week zwei Jahre lang pausieren. Wie fühlte es sich an, dass jetzt wieder eine Produktpräsentation vor Ort stattfinden konnte?

Laurent Honoret: Wir sind darüber mehr als glücklich! Vielleicht war auch etwas Anspannung dabei, weil wir zwei Jahre lang keine physische Präsentation hatten – wir wussten nicht genau, wie die Leute reagieren würden. Letztendlich haben sich aber alle sehr darüber gefreut, uns in Paris besuchen zu können. Es war tatsächlich eine sehr dynamische Ausgabe der Bigben Week.

IGM: In den letzten zwei Jahren haben Sie jeweils eine Online-Präsentation abgehalten, die Nacon Connect ...

Honoret: Ja, und die wird es Anfang Juli auch wieder geben. Sie wird komplett Nacon gewidmet sein, der Games-Abteilung von Bigben. Es wird weitere Überraschungen geben, wir werden weitere neue Games ankündigen. Und wir werden auch unser Zubehör-Sortiment für Weihnachten enthüllen.

Es wird weitere Überraschungen geben

IGM: Ist Nacon auch auf der diesjährigen gamescom vertreten?

Honoret: Ja, das sind wir. Zwar nicht mit einem Consumer-Stand, aber in der Business Area – genau wie vor drei Jahren.

IGM: Sprechen wir über Ihre Gaming-Highlights. Was erwartet uns da dieses Jahr noch?

Honoret: Wir haben rund 15 Spiele in unserem Release-Plan. Vampire: The Masquerade – Swansong haben wir ja gerade erst veröffentlicht. Das nächste Highlight ist Der Herr der Ringe: Gollum, es erscheint am 1. September – zeitgleich mit dem Start der Amazon-Prime-Serie zu Der Herr der Ringe. Am 8. September veröffentlichen wir das RPG Steelrising, das vor dem Hintergrund der Französischen Revolution spielt – und das bei der Bigben Week sehr gut ankam. Am 22. September folgt die Vollversion der Skateboarding-Simulation Session, die schon im Early Access von 300.000 Leuten gespielt wird. Und am 13. Oktober veröffentlichen wir auch noch WRC Generations, das letzte Spiel der WRC-Reihe, das sämtliche bisherigen Autos und Rennstrecken enthalten wird. WRC feiert seinen 15. Geburtstag, deshalb wollen wir all die Jahre der Entwicklung gebührend feiern. Und auch die Tatsache, dass Kylotonn die Qualität der Reihe kontinuierlich gesteigert hat – der Metacritic-Score liegt mittlerweile über 80. Wir wollen wirklich, dass das letzte Spiel der Serie auch das beste wird.

IGM: Bei der Bigben Week gab es auch einige Überraschungen ...

Honoret: Wir haben sehr gutes Feedback zu zwei Titeln erhalten, die vorher ein bisschen unter dem Radar liefen. Der eine ist Clash: Artifacts of Chaos, das vom chilenischen ACE Team entwickelt wird. Es hat den meisten BesucherInnen gefallen, also werden wir es künftig noch stärker promoten. Der andere Titel ist Chef Life, eine Restaurant-Simulation, bei der man auf die Jagd nach Michelin-Sternen geht. Chef Life und Clash waren zwei Joker bei der Bigben Week – und das freut uns sehr.

IGM: Daedalic Entertainment ist nun ebenfalls Teil der Nacon-Familie. Was erwarten Sie kommerziell von Gollum?

Honoret: Gollum ist kein Core Game, sondern ein Game für alle. Besonders für junge Leute, aber generell für jeden, der Der Herr der Ringe mag. Daedalic und wir sind diesbezüglich sehr ehrgeizig, weil es sich um eine sehr starke Lizenz handelt. Es ist auch das erste Der-Herr-der-Ringe-Game seit 2016. Für uns ist die Boxed Version genauso wichtig wie die Digitalversion des Spiels. Wir finden, der Titel sollte auch im physischen Handel stattfinden, weil es sich um ein Produkt für den Massenmarkt handelt, besonders auf der Switch. Wir werden das Spiel folglich sowohl im digitalen als auch im Retail-Channel promoten. Dort bekommen wir jetzt schon sehr viel gutes Feedback, auch hinsichtlich der Preorders. Viele BesucherInnen der Bigben Week konnten das Spiel zum ersten Mal ausprobieren – und ihre Reaktionen haben uns sehr ermutigt.

 

Gollum ist kein Core Game, sondern ein Game für alle

IGM: Wie wichtig ist ein vielfältiges Portfolio generell für Nacon?

Honoret: Wir sind ein mittelgroßes Unternehmen mit Fokus auf AA – und Diversifikation ist ein fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Das gilt auch für die LIFE-Simulationsreihe und ist eine Möglichkeit, die Produktionsrisiken zu reduzieren. Wir kaufen neue Studios hinzu, um unser Portfolio zu diversifizieren – inzwischen haben wir 16 Studios, von denen manche auf RPGs, manche auf Simulationen und manche auf Sport- oder Lifestyle-Games  setzen. Diese Diversifizierung wird auch in den Produktionen für das kommende Jahr sichtbar werden. Insgesamt sind bei uns rund 46 Titel für die kommenden zwei bis drei Jahren in Entwicklung. Unser Ziel ist immer, den KundInnen Vielfalt zu bieten.

IGM: All Ihre kürzlichen Akquisitionen – Daedalic, Midgar Studio, Ishtar Games und so weiter – sollen also klar unterscheidbare Marken bleiben?

Honoret: Ja, es ist sehr wichtig, den Charakter eines Studios – seine DNA – zu respektieren. Wir sind zwar ein Publisher, aber auch Daedalic hat sehr viel Erfahrung mit Publishing und Indie-Games. Wir wollen da also nicht reingrätschen und ihnen vorschreiben, was sie zu tun haben – so gehen wir mit unseren Studios nicht um. Wann immer wir eine neue Idee haben, teilen wir sie mit unseren Studios. Aber wir prüfen auch immer, ob sie zum Charakter der Studios passt. Man kann Leute nicht zwingen, etwas zu tun, was sie nicht tun wollen – weil sie dann nämlich weggehen. Wenn sie aber tun können, was ihnen Freude bereitet, dann erbringen sie auch bessere Leistungen.

 

Wann immer wir eine neue Idee haben, teilen wir sie mit unseren Studios

IGM: Daedalic hat eine lange Tradition in Sachen Point-and-Click-Adventures. Ist das auch etwas für das Nacon-Portfolio?

Honoret: Ja, wir wollen da von ihrer Erfahrung profitieren. Ein anderes Beispiel ist Ishtar Games, die auf Indie-Games spezialisiert sind – und die das auch weiterverfolgen wollen. Kylotonn ist ein Rennspiel-Studio, Big Ant Studios ist auf Team-Sportarten spezialisiert. Sie machen weiter wie bisher – und das ist auch gut so. Wir setzen uns zusammen, um Erfahrungen und technisches Know-how auszutauschen. Aber alle Studios behalten ihre DNA – das ist für uns ganz entscheidend.

IGM: Vor etwas mehr als zwei Jahren ging Nacon an die Börse. Wie hat das dabei geholfen, die Unternehmensziele zu verwirklichen?

Honoret: Wir hatten uns entschlossen, unsere Gaming-Aktivitäten von denen der Bigben Group zu trennen – und damit ein klares Signal an die Investoren zu setzen. Mit dem IPO haben wir dann knapp 90 Millionen Euro eingenommen. Das Geld haben wir in den Studiokauf investiert, aber auch in die Entwicklung von Spielen. Kurz vor dem IPO lag unser durchschnittliches Investment in neue Games noch zwischen 2 und 3 Millionen Euro. Inzwischen können wir zwischen 5 und 7 Millionen Euro investieren, manchmal auch mehr. Das wirkt sich natürlich auf die Qualität der Spiele aus. Unser Hauptziel ist, die Qualität unserer Spiele zu verbessern – denn wenn die Qualität gut ist, steigen die Verkäufe. Außerdem erfüllt das die Leute mit Stolz, die an unseren Spielen arbeiten.

IGM: Der Absatz der neuen Konsolengeneration wird durch Nachschubprobleme gebremst. Wie wichtig sind PS5 und Xbox Series X/S für Nacon?

Honoret: Enorm wichtig! Natürlich ist auch der Zubehör-Markt von der Konsolenknappheit betroffen. Aber es scheint, als würden sich die Lager jetzt langsam wieder füllen – und die KonsumentInnen verstärkt Software für die neuen Konsolen kaufen. Wir haben entschieden, dass Steelrising ausschließlich auf diesen Konsolen erscheinen wird – weil wir dadurch eine bessere Produktqualität erzielen. Natürlich war diese Entscheidung auch ein wirtschaftliches Risiko, weil wir nicht wussten, wie groß die Installed Base sein würde. Aber inzwischen wird klar, dass die Entscheidung richtig war. Während der Bigben Week haben wir auch die Verschiebung von Test Drive Unlimited Solar Crown angekündigt. Es wird nun ebenfalls exklusiv für PlayStation 5 und Xbox Series X/S erscheinen – mit dem Ziel, die Qualität des Spiels zu verbessern.

IGM: Und der PC?

Honoret: Ist ebenfalls sehr wichtig! Wir veröffentlichen systematisch jeden Titel auch für PC – denn es gibt ja Steam und den Epic Store. Manche unserer Games eignen sich auch einfach am besten für PC, zum Beispiel die Simulation Train Life.

IGM: Kommen wir zur Hardware. Was sind hier die Highlights dieses Jahres?

Honoret: Wir hoffen darauf, bald unseren PS5-Controller veröffentlichen zu können. Wir konnten auch bereits die Revolution Pro Controller, die Compact Controller und die Wireless Controller auf den Markt bringen. Neben dem PS5-Controller werden wir – wahrscheinlich zu Weihnachten – den Daija Arcade Stick veröffentlichen. Außerdem bieten wir sehr viel Zubehör, zum Beispiel Ladestationen und Headsets. Wir werden das fantastische RIG 800 Pro herausbringen – ein kabelloses Headset zum Preis von rund 200 Euro. Das ist ein ausgezeichneter Preis, wenn man bedenkt, dass die Konkurrenzprodukte bei fast 300 Euro liegen. Im Niedrigpreissegment haben wir den RIG 300 Pro mit einem Preis von 29 Euro. Das ist das erste Mal, dass wir einen solch günstigen Preis für ein RIG-Produkt ermöglichen – deshalb wollen wir das auch sehr aggressiv bewerben. Wir wollen die RIG Experience so vielen Menschen wie möglich zuteil werden lassen, deshalb haben wir diesen Preis festgelegt. Eine noch bessere Experience hat man mit der kabellosen 700er-Serie und mit dem 800 Pro, das 24 Stunden Batterielaufzeit hat, Noise Cancellation besitzt und ausgesprochen leicht ist. Für die Xbox haben wir vor einigen Monaten den RIG 700 HX gelauncht. Der Revolution X Pro Controller wird noch dieses Jahr in Weiß und Camouflage erscheinen – und der Compact in mehreren neuen Farben. Außerdem bringen wir viel offizielles Microsoft-Zubehör heraus.

IGM: Die Marke RIG hat Nacon vor zwei Jahren gekauft. Wie ging es da seitdem weiter?

Honoret: Wir haben das Kernteam von RIG in unser Team integriert – und wir haben ein Office in den USA eröffnet. Dank RIG ist Nacon jetzt bei Walmart, GameStop, Bestbuy, Target und so weiter gelistet, wir machen dort einen Umsatz von mehreren Millionen Euro. Die Akquisition von RIG hat uns den Weg in die USA geebnet – nicht nur bei Zubehör, sondern auch bei Software.

IGM: Sprechen wir ein bisschen über den deutschen Markt. Wie wichtig ist der für Nacon?

Honoret: In Deutschland sind wir vor mehr als 20 Jahren gestartet. Für uns ist Deutschland ein Schlüsselmarkt, wir arbeiten sehr eng mit den KollegInnen in Bergheim zusammen. Der deutsche Markt ist hochdynamisch und auch deshalb so wichtig für uns, weil die deutschen KonsumentInnen viel Wert auf Qualität und Produkterfahrung legen. Für uns ist es immer ein Testlauf, wenn wir in Deutschland ein Produkt veröffentlichen. Denn wir wissen: Wenn es hier funktioniert, dann funktioniert es überall! Wir haben für den deutschen Markt ein komplettes Team zusammengestellt. Beim Gesamtumsatz ist Frankreich zwar nach wie vor unser wichtigstes Land. Aber 2021 stand Deutschland beim Zubehör-Umsatz an Position eins.

IGM: Sie haben erwähnt, dass Gollum auch im physischen Handel stattfinden wird. Wie wichtig ist dieser für Nacon?

Honoret: Wir haben den Vorteil, sowohl Zubehör als auch Software liefern zu können. Einige andere Firmen setzen nun komplett auf Digitalkanäle – aber sie haben auch eine andere DNA. Wir werden so lange wie möglich im physischen Handel präsent sein. Viele Leute glauben zwar, dass Retail tot ist. Aber wir sind der Meinung, dass er weiterleben kann.

 

Es ist ein Wettrennen um Inhalte

IGM: In letzter Zeit gab es in der Games-Industrie zahlreiche Übernahmen. Wird sich dieser Trend Ihrer Meinung nach fortsetzen?

Honoret: Ich denke, es ist ein Wettrennen um Inhalte. Wir machen das als Publisher ja auch. Entwicklerstudios können ihre Games sehr einfach digital selbst publizieren. Genau deswegen war es für uns auch so wichtig, einige dieser Studios zu kaufen. Ich denke, dass das Rennen weitergehen wird. Vielleicht aber nicht mit der selben Geschwindigkeit, weil sich der Markt nach den corona-bedingten Verkaufsrekorden wieder etwas beruhigt hat. Es werden auch weiterhin Studios übernommen werden – aber das wird generell schwieriger, weil viele davon bereits aufgekauft wurden. Der Trend wird anhalten, weil auch weiter neuer Content benötigt wird. Beim Video-Streaming ist es ja das Gleiche: Amazon, Netflix und all die anderen Plattformen wollen ihren KundInnen abwechslungsreiche Unterhaltung bieten. In der Games-Branche stehen immer noch einige große Deals im Raum.

IGM: Immer mehr Firmen setzen auf neue Erlösmodelle wie Crypto-Gaming und NFTs. Ist das auch etwas für Nacon?

Honoret: Wir machen das, womit wir uns auskennen. Als nächstes werden wir mit der In-Game-Monetarisierung beginnen – aber Schritt für Schritt, während wir ständig dazulernen. Wir beginnen mit Blood Bowl 3, das im Herbst erscheint. Das wird unsere erste Experience sein, die ganz behutsam Monetarisierung einführt. Den nächsten Schritt machen wir dann mit Test Drive Unlimited Solar Crown. Grundsätzlich versuchen wir, neues Know-how in unsere Firma einzubauen. Für die Monetarisierung haben wir vor eineinhalb Jahren ein Team zusammengestellt.

IGM: Baut Nacon auch in anderen Bereichen sein Know-how aus?

Honoret: Ja – hier ist noch ein Beispiel: Vor vier Jahren haben wir für Trailer und In-Game-Videos noch eine Zulieferfirma. Inzwischen haben wir aber ein eigenes Team aufgebaut, das Video-Content produziert. Es entwickelt die passende Software, arbeitet an der Datenoptimierung – und lernt dabei schrittweise hinzu. Wir sind wie gesagt ein mittelgroßes Unternehmen, das keine großen Risiken eingehen will. Auch wenn wir an der Börse sind, verfolgen wir langfristige Ziele. Genau diese Einstellung vermitteln wir auch all den Leuten, die für uns arbeiten: Wir verfolgen ein langfristiges Projekt – und keines, mit dem man schnell Geld scheffelt. Unsere Firma hat eine 40-jährige Tradition, die wir fortführen wollen. Die Devise unseres Chefs Alain Falc war schon immer: Man soll Spaß an der Arbeit haben, neue Dinge entwickeln und durchaus Risiken eingehen – sich dadurch aber nicht in eine schlechte Position bringen. Genau so wollen wir das auch weiterhin halten. (Achim Fehrenbach)

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