IGM: Jan, wo genau liegen deine Arbeitsschwerpunkte bei astragon?
Jan Kuhlmann: Ich kümmere mich gemeinsam mit meinem Team um den Aufbau und Ausbau unserer eigenen IPs, aber genauso auch um die Vermarktung der Third-Party-Distributionsprodukte und das Third-Party-Publishing. Wir wollen die Marken noch bekannter machen, die richtigen Zielgruppen ansprechen und die richtigen Werbekanäle nutzen, um diese Zielgruppen zu erreichen.
IGM: Was sind momentan eure wichtigsten eigenen Marken?
Kuhlmann: Wir haben vier große eigene IPs. Zunächst mal den Construction Simulator, deutsch: Bau-Simulator, und den Bus Simulator, die schon vor vielen Jahren gestartet sind. Und außerdem den Firefighting Simulator und den Police Simulator, die in den letzten Jahren dazukamen. Zunächst waren wir damit primär auf dem PC unterwegs, seit einigen Jahren erscheinen unsere Spiele allerdings auch später auf Konsolen. Den Construction Simulator 4 haben wir erst kürzlich für Nintendo Switch herausgebracht. Und der Police Simulator für die Switch wird am 29. Oktober folgen.
IGM: Was ist da die primäre Zielgruppe?
Kuhlmann: Mit Police Simulator: Patrol Officers erreichen wir auf der Switch tatsächlich eine jüngere und sehr familienorientierte Zielgruppe. Das eignet sich super als Weihnachtsgeschenk und wird auch physisch stark nachgefragt werden.
IGM: Kann man sich das idealtypisch so vorstellen, dass die Eltern den Police Simulator oder Construction Simulator schon am PC gespielt haben – und jetzt dem Nachwuchs die Switch-Version kaufen?
Kuhlmann: Ja, wobei der Wunsch oft auch direkt von der jüngeren Zielgruppe selbst kommt. Die haben Lust, im Police Simulator als Gesetzeshüter unterwegs zu sein – oder sie wollen einfach große Fahrzeuge bewegen, zum Beispiel auch im Bus Simulator oder im Construction Simulator. Gerade bei den Jüngeren spielt auch das Thema Multiplayer eine wichtige Rolle, sie wollen diese Spielerlebnisse miteinander teilen.
Das Publikum hat sich auf jeden Fall erweitert
IGM: Lange Zeit sprachen Simulatoren ja eine vorwiegend ältere, männliche Zielgruppe an. Hat sich das also grundlegend geändert?
Kuhlmann: Das Publikum hat sich auf jeden Fall erweitert. Wir haben natürlich eine Kernzielgruppe von Simulationsfans, die sehr viel Wert auf Authentizität – also Realismus – legen. Da muss jeder Knopf im Spiel genau an der richtigen Stelle sitzen. Diese eher ältere Zielgruppe geht einfach in der Welt der realitätsnahen Simulationen auf. Aber es gibt eben auch die „Young Enthusiasts“, Kinder, Jugendliche und Familien, die Spaß an diesen Welten haben. Für die ist der Simulations-Part oder Realismus-Part vielleicht ein bisschen weniger relevant. Aber das gemeinsame Spielen ist sehr spannend. Und auch, dass man sich mit den Fahrzeugen beschäftigen und einfach mal Feuerwehrmann oder -frau sein kann.
IGM: Simulationen sind ja sehr komplex. Vereinfacht ihr die Steuerung und das User Interface, um den Young Enthusiasts entgegenzukommen?
Kuhlmann: Wir bieten in unseren Spielen verschiedene Modi. User haben die Möglichkeit, unsere Spiele in einer vereinfachten Form zu spielen. Das ist gerade auch für KonsolenspielerInnen attraktiv, weil sie mit weniger Knöpfen zurechtkommen müssen. Und diese vereinfachte Steuerung funktioniert sehr gut.
IGM: Stichwort neue Zielgruppen: Ihr seid ja seit kurzem mit „Prop Hunt“ in Fortnite. Geht es euch darum, Battle-Royale-Fans für Simulationen zu begeistern?
Kuhlmann: Die Fortnite-Zielgruppe ist natürlich eine ganz andere als die, die wir sonst ansprechen. Wir sind jedenfalls ziemlich gut darin, neue Gebiete zu sondieren, auf denen wir unsere Markenwelten stattfinden lassen können. In Fortnite probieren wir genau das aus. „Prop Hunt“ ist ein spezieller Fortnite-Modus, ein Versteckspiel. Das ist weniger kompetitiv als das normale Fortnite-Game und passt thematisch auch besser zum Police Simulator.
IGM: Ein Versteckspiel also. Wie kann man sich das konkret vorstellen?
Kuhlmann: „Prop“ bedeutet so viel wie „Gegenstand“. Es gibt zwei Teams: Das eine kann sich in Gegenstände auf der Karte verwandeln, das andere muss sie finden – und dafür gibt es dann Punkte. Als Prop hat man einen Timer, der runtertickt. Wenn man sich in der Zeit nicht bewegt, wird für die Jäger auf der Karte ein Marker gesetzt. Man muss sich als Prop also immer wieder bewegen, damit ist das ein sehr lebhaftes und kurzweiliges Spielerlebnis. Dieses Tempo ist etwas, was sich von unseren Simulationswelten unterscheidet, in denen die Leute sehr ruhig unterwegs sind. Die Props sind auch thematisch an den Police Simulator angelehnt, zum Beispiel durch die Polizeistation und die Streifenwagen, die auf der Karte zu finden sind.
IGM: Deutschland gilt als das Land der Simulationsfans. Wie international ist eure Kundschaft?
Kuhlmann: Ich finde das sehr spannend, dass wir in der DACH-Region so sehr auf Simulationen fokussiert sind. Wir bringen jede Menge gute Spiele heraus, gewinnen damit aber auch international immer mehr an Beliebtheit. Beim Construction Simulator haben wir neben der europäischen Karte auch eine Karte der USA eingeführt. Damit können wir die unterschiedlichen Geschmäcker ansprechen und auch das gewohnte Umfeld der KundInnen abbilden. Der Firefighting Simulator und der Police Simulator spielen ohnehin in den USA. Damit können wir auch im US-amerikanischen Markt an Akzeptanz gewinnen.
IGM: Du hast gesagt, dass Multiplayer immer wichtiger wird. Gilt das für alle eure Titel?
Kuhlmann: Das haben wir mittlerweile bei allen aktuellen Titeln, ja. Da gibt es auch einen Aspekt, den ich bisher noch nicht erwähnt hatte. Neben den technikaffinen SpielerInnen und den Young Enthusiasts gibt es noch eine weitere Zielgruppe, wir nennen sie die „Casual Relaxed Gamers“. Der Name sagt es schon: Diese Gruppe spielt unsere Games vorwiegend deshalb, weil diese eine entspannte Spielerfahrung bieten. Das machen sie entweder allein oder aber auch mit ihren Freunden zusammen. Wir sehen auch an den Nutzungszahlen, dass sehr viele Leute gerne Multiplayer spielen. Police Simulator: Patrol Officers wurde kürzlich zu PS-Plus-Katalog hinzugefügt, wodurch wir ganz neue SpielerInnen erreichen. Viele Leute wissen vielleicht vorab gar nicht so genau, was sie in einer solchen Simulation erwartet. Über PS Plus haben sie die Möglichkeit, das mal auszuprobieren. Vielleicht stellen sie dann fest: „Hey, ich verbringe in dem Spiel mehr Zeit, als ich eigentlich erwartet hatte!“ So etwas hilft uns natürlich, um mehr Sichtbarkeit, Akzeptanz und Reichweite zu erzielen.
Mehr Sichtbarkeit, Akzeptanz und Reichweite
IGM: Wie groß ist momentan eigentlich die Konkurrenz auf dem Simulationsmarkt?
Kuhlmann: Wir beobachten, dass immer mehr neue Simulationen auf den Markt kommen. Es werden zunehmend Nischen besetzt. Unser Fokus liegt darauf, auch weiterhin besonders komplexe und vielschichtige Simulationen anzubieten. Damit können wir uns von der Konkurrenz abheben, die vielleicht nur einen Aspekt anbieten oder gameplay-technisch nicht so fortgeschritten sind. Auch bei den Markenkooperationen mit großen Fahrzeugherstellern sind wir weiterhin gut aufgestellt. Das ist etwas, was wir weiter forcieren wollen.
IGM: Du hast erwähnt, dass eure Spiele auch physisch stark nachgefragt werden. Wie wichtig ist da der stationäre Handel für euch?
Kuhlmann: Der stationäre Handel spielt für astragon eine wichtige Rolle. Wir distribuieren ja auch in Deutschland den Landwirtschafts-Simulator 25 für Giants Software. Natürlich nimmt die Digitalisierung zu, aber wir sprechen auch Zielgruppen an, die unsere Produkte gerne weiterhin im stationären Handel kaufen. Wie ich schon sagte: Gerade für Weihnachten sind unsere Produkte schöne Geschenkartikel. Sie werden häufig von Eltern und Verwandten gekauft, die sie dann in der Familie schenken.
IGM: Der Landwirtschafts-Simulator geht immer mehr in Richtung Realismus – bis hin zur Ackerscholle, die physikalisch korrekt zerbröselt. Ist das etwas, was ihr auch für eure Eigenproduktionen anstrebt?
Kuhlmann: Die Technologie wird immer besser. Ich freue mich schon auf die Sachen, die wir in Zukunft mit auf den Weg bringen. Die Simulationen werden komplexer, aber auch authentischer werden.
IGM: Ist schon absehbar, wann astragon da grafisch aufsattelt?
Kuhlmann: Da heißt es tatsächlich noch ein bisschen warten (lacht).
IGM: Okay, wir üben uns in Geduld – und blicken in die Gegenwart. Ihr arbeitet immer stärker mit Influencern zusammen – auch jetzt hier auf der gamescom. Was sind da für euch besonders wichtige Akteure?
Kuhlmann: Hier auf der gamescom haben wir M4cM4nus, PietSmiet aber auch sophiexelisabeth, GametechUK, Milschbaum, JenNyan und viele weitere. Darüber hinaus gibt es natürlich NPLAY und den englischsprachigen Raptor, die beide einen Fokus auf Simulationsspiele haben. Bei unseren Kooperationen setzen wir zwei unterschiedliche Schwerpunkte: Zum einen arbeiten wir mit Influencern, die ihren Fokus klar auf Simulationen legen. Und zum anderen arbeiten wir mit Variety-Streamern, die nicht nur Simulationen spielen, die bei unseren Spielen aber feststellen, dass das Spaß macht und auch ihre Community interessiert. Darüber erreichen wir auch neue SpielerInnen, die Simulationen sonst nicht unbedingt auf dem Schirm gehabt hätten.
Der Unterhaltungscharakter spielt dabei eine zentrale Rolle
IGM: Kann ein Variety-Streamer einer komplexen Simulation überhaupt inhaltlich gerecht werden? So etwas lässt sich ja nicht in fünf Minuten abhandeln.
Kuhlmann: Das hängt ein bisschen davon ab, was das Publikum gewohnt ist, das diesem Influencer folgt. Und auch davon, wie man diese Spiele dann im Stream präsentiert. Man kann grundsätzlich erklären, wie das Spiel funktioniert, welche Mechaniken es gibt, wie breit das Spiel ist. Oder man geht direkt in die Spielwelt rein und sagt: „Ok, wir bauen jetzt hier ein Stadion – und ihr begleitet mich dabei!“ Dann können die Follower vielleicht auch noch Einfluss darauf nehmen, welche Fahrzeuge dabei zum Einsatz kommen. Der Unterhaltungscharakter spielt dabei eine zentrale Rolle. Und mit unseren Spielwelten können wir da alle möglichen Leute abholen. (Achim Fehrenbach)
Zur Person:
Jan Kuhlmann ist seit Mai 2024 Head of Marketing bei astragon Entertainment. Sein Werdegang in der Games-Branche begann 2013 beim französischen Publisher Ubisoft. Dort war er nach mehreren Positionen im Bereich Marketing und Brand Management zuletzt als Senior Brand Manager tätig. In dieser Rolle verantwortete er die Marketing-Strategie und verschiedene Maßnahmen für bekannte Ubisoft-Marken. 2021 wechselte Kuhlmann als Regional Marketing Manager Europe zum internationalen Bezahldienstleister Xsolla und begleitete den Ausbau des regionalen Teams sowie die regionale Markenpräsenz.