Wenn man ihn fragt, was Headup von anderen Unternehmen der Branche abhebt, dann muss Dieter Schoeller nicht lange überlegen: „Eine bewusst gewählte Verweigerungshaltung, Markttrends und Mainstream folgen zu müssen.“ Dieser Spirit hat ihm und seinem 14-köpfigen Team immerhin schon vier Auszeichnungen als Bester Publisher beim Deutschen Entwicklerpreis und vier Deutsche Computerspielpreise beschert, zuletzt mit Trüberbrook als „Bestes Deutsches Spiel“ der Saison 2019. Gerade die DEP-Trophäen erfüllen ihn mit Stolz, denn dieser Award hat aus seiner Sicht „mehr mit Integrität und Sympathie zu tun als mit wirtschaftlichen Kennzahlen“.
Tatsächlich ist das Headup-Portfolio der komplette Gegenentwurf zum Blockbuster-Portfolio großer US-Publisher: Schoeller hat sich auf Indie-Spiele spezialisiert, also Perlen kleiner Studios. Mit Lost At Sea und Brigde Constructor: The Walking Dead folgen demnächst die ersten Games für PlayStation 5 und Xbox Series X. Seine erste Eigenproduktion Tinkertown – ein Action-Rollenspiel in 16-Bit-Optik – unterstützt das Verkehrsministerium mit mehr als 150.000 Euro.
Schoellers Karriere in der Spielebranche war geradezu unvermeidlich: Im Sommer 1992 galt er als Deutschlands bester Sonic the Hedgehog-Spieler der offiziellen SEGA-Meisterschaft – Anfang 2009 hat er dann Headup gegründet. „Die Idee, sich in die Selbstständigkeit zu wagen, bestand eigentlich schon seit Abschluss meines Studiums“, erzählt der Games-Unternehmer. „Der Plan war immer: 1 Jahr Praktikant, 2 Jahre Junior, 5 Jahre Senior, und dann etwas Eigenes. Es kam dann alles ein wenig schneller als gedacht, insbesondere, als ich den Impact cooler Titel kleinerer Teams wie zum Beispiel World of Goo gesehen habe während der ersten Indie-Welle.“ Schoeller lebt und liebt seitdem Indie, durch und durch. Besonders stolz ist er zum Beispiel auf seinen Xbox MVP-Status, also Most Valued Professional: „Die Plattform wird massiv unterschätzt, gerade in Deutschland, und Teil dieser Community zu sein und die Stärken der Plattform, gerade im Indie-Bereich, noch stärker in die Branche und zu jungen Studios zu tragen, bereitet mir viel Freude.“
Damals wie heute befindet sich die Headup-Firmenzentrale in Düren, auf halber Strecke zwischen Köln und der niederländischen Grenze – 92.000 Einwohner und selbsternanntes „Tor zur Nordeifel“. „Da wir direkt neben der A4 residieren, ist man vom Büro aus in 30 Minuten am Kölner oder Aachener Dom, und in 45 Minuten in Düsseldorf, trotzdem sind die Lebenshaltungskosten sehr verträglich“, analysiert Dieter Schoeller. „Dazu kommt das Hinterland mit der wunderschönen Eifel mit ihren Naturschutzgebieten, Burgen und Seen, die man mit dem Fahrrad schnell erreicht.“ Seine Freizeit widmet Schoeller seinen drei Kindern, „die viel zu schnell groß werden“ – oder man trifft ihn in einer Therme, die er zusammen mit seiner Gemahlin als „Fluchtpunkt“ auserkoren hat.
Unsere Firma ist ein riesiges Spielzimmer
Im vergleichsweise unscheinbaren Bürogebäude hat es sich Schoellers Mannschaft muckelig eingerichtet: „Unsere Firma ist ein riesiges Spielzimmer und zugleich ein kleines Museum für Retro-Gamer – und ein ewiger Kampf gegen die Unordnung, ganz wie in der Kinderzeit. Das hält uns alle jung.“ Jung hält ihn auch sein Arbeitsalltag, von dem er sagt: Every day is different. „Echte Routinen gibt es kaum, außer ein paar regelmäßigen Team-Meetings. Da man in einem kleinen Team mit derartig viel Output etliche Hüte aufhat, bleibt es stets abwechslungsreich und spannend. Mal nehme ich Trailer-Footage auf, mal wälze ich tagelang Excel-Sheets, und manchmal hüpfe ich von einem Call zum nächsten.“ Seinem Team lässt er viele Freiheiten: „Ich glaube an das Konzept der „Servant Leadership“, wo der Kopf der Firma seinen Job dann am besten macht, indem er seinen Mitarbeitern ermöglicht, sich optimal zu entfalten. Und manchmal gelingt mir es sogar, diesen Glauben im Arbeitsalltag umzusetzen.“ Bei der Auswahl von Bewerbern legt er großen Wert auf Humor, Authentizität, Integrität, Empathie, Verlässlichkeit und Kollegialität – und den Musikgeschmack. Auf der schwarzen Liste stünden hingegen „Unehrlichkeit, Divenhaftigkeit, Cover-My-Ass-Mentalität und Opportunismus“.
Und wie hat sich Corona auf den Headup-Betrieb ausgewirkt? Natürlich hätten die fehlenden Reisen echtes Fernweh ausgelöst. „Ansonsten merken wir in der Produktion und Vermarktung nicht viele Unterschiede, lediglich das Tempo ist insgesamt etwas langsamer geworden, da die First Parties teilweise länger brauchen für ihr Feedback“, weiß Schoeller. „Im Team waren wir anfangs voll im Home-Office, im Sommer wieder im Büro, und momentan teils-teils, alle drei Varianten funktionieren gut. Der größte Unterschied ist für uns daher: Weniger schmutziges Geschirr in der Küche. (Petra Fröhlich)