Wenn er nicht in der Games-Industrie gelandet wäre, würde er nach eigener Einschätzung heute wohl beim FC Bayern arbeiten. Wer ihm bei Facebook folgt, weiß, dass er sich seinem Herzensverein mit mindestens ebenso großer Leidenschaft widmet wie seinem Beruf: Lars Winkler verantwortet Weltmarken wie Tomb Raider, Final Fantasy und Dragon Quest bei der Square Enix GmbH in Hamburg. Den Branchen-Einstieg hat er nicht zuletzt seiner damaligen Freundin zu verdanken: Die Account-Managerin einer Werbeagentur gestaltete die Personalanzeigen für Eidos Interactive. "Natürlich kannte sie meine beiden Leidenschaften: Gaming + Werbung", erzählt Winkler. "Und eines Abends zeigte sie mir das fertige Layout der zu schaltenden Anzeige, kommentiert mit den Worten ‚Hier … ist das nicht was für dich?'. Zu der damaligen Zeit war ich glücklicher Werbeleiter in der Investitionsgüterbranche, beschäftigt und verwurzelt in einer Firma quasi bekannt als "Sixt der Baumaschinenbranche" – aber der Ruf von Lara Croft war so stark, dass ich meine Bewerbung als Creative Director einreichen MUSSTE." Einst hat er sogar an einem Tomb-Raider-Speedrun-Wettbewerb der Zeitschrift Megafun teilgenommen – "so tief verbandelt war ich mit diesem Game".
In mehr als zwei Jahrzehnten hat Winkler so viel erlebt, dass es ihm unmöglich erscheint, das eine schönste Branchen-Erlebnis herauszupicken. "Jeder der schon länger dabei ist, weiß, dass wir sehr häufig Emotionen mit der Community erleben dürfen, an Events teilnehmen können, Persönlichkeiten treffen und Augenblicke festhalten, die alle sehr schön sind. Insofern gab es diesen einen Moment nicht, sondern eine Vielzahl von Momenten." Und so zählt er auf: die Tage und Abende in Leipzig zu Zeiten der Games Convention, der Etaina Award 2000 in Berlin mit Nova Meierhenrich ("wo Deus Ex als Spiel des Jahres FIFA schlagen konnte"), die Treffen mit Günter Jauch, Ottmar Hitzfeld, Nora Tschirner, Angelina Jolie und Mehmet Scholl, die Zusammenarbeit mit dem IOC, der F1 und der UEFA und nicht zuletzt "die erlebnisreichen PR-Events" mit allen offiziellen Lara-Croft-Models – "wobei ich immer wieder betonen möchte, dass meines Erachtens Karima Adebibe den besten Job abgeliefert hat, tough, eloquent und herzlich, besser ging es nicht", analysiert Winkler.
Manfred Gerdes und Ulrich Barbian habe ich viel zu verdanken
Besonders stolz macht ihn bis heute die damalige Erfindung der Sat.1-Gamesreihe – "mit großem persönlichem Support des damaligen Profifußballers Sascha Jusufi und mit anfangs großen Bedenken von Peter Schroer von ak tronic, den ich in einem hitzigen Meeting von der Win-Win-Win Kombi erst überzeugen musste, um dann relativ zügig weit über 1 Mio Games unter diesem Label verkaufen zu können. Das war nebenbei auch der Beginn einer Freundschaft."
Dankbar ist er bis heute dem "tollen Support von Sony Anfang 2000, zu einer Zeit, als es "steinig für Eidos und erfolgreich für Sony" war: "Manfred Gerdes und Ulrich Barbian habe ich viel zu verdanken, beide waren immer für mich da und ich konnte viel lernen und mein Wissen vertiefen." In seiner Funktion als – O-Ton – "Werbefuzzi" war sein schönster Moment die Einführung von Facebook: "Noch nie konnte ich so effektiv Werbegelder platzieren, der ROI war grandios – diese Zeiten sind aber schon lange vorbei."
Überhaupt hat sich gegenüber den Anfangstagen seiner Karriere eine Menge in der Branche verändert – allen voran das Tempo und die Taktung der Kampagnenplanung, die heutzutage viel schneller laufe und vielschichtiger sei und deshalb große Anforderungen an sein Team stelle. "Eine weitere Veränderung ist leider auch der Mangel an Innovationen und neuen IPs", beklagt Winkler. "Es gab immer mal das eine Jahr, in dem es nur ein bis zwei neue Marken in die Top 10 schaffen – seit zehn Jahren haben wir aber relativ häufig ‚diese Jahre' und zu Zeiten der PlayStation 2 gab es spielerisch gesehen wesentlich mehr Innovationen, die es auch erfolgreich an den POS von Media Markt, Saturn und Karstadt geschafft haben. Mir ist natürlich klar, woran das liegt, aber es ist schon auffällig und deshalb freue ich mich sehr, wenn neue Blockbuster, aber auch tolle Indiegames Erfolg haben."
Privat spielt er auf allen drei Plattformen – allerdings: "Ich habe es zum ersten Mal seit 21 Jahren nicht geschafft, eine neue Playstation-Generation zu ergattern." Mit Blick auf die neue Saison freut sich Winkler daher am meisten auf Ratchet & Clank: Rift Apart – "so ich denn in 2021 eine PS5 kaufen darf". Wesentlich wichtiger wäre es aber, wenn "meine Familie und ich weiterhin glücklich und gesund bleiben und mein Sohn seinen Führerschein schafft." Und wenn alles nach Plan läuft, wird man Winkler auch 2021 bei seinen Lieblingsbeschäftigungen erleben: "Mit Freunden Fussball gucken, an der Ostsee einen Sundowner trinken und auf dem Golfplatz mein Handicap verbessern. Kann man auch alles in einen Tag packen – mehr geht dann nicht." (Petra Fröhlich)