Schatztruhen für Spielefans: Was Collector‘s Editions heute bieten müssen

Bei Games dominiert mittlerweile der Digitalvertrieb. Zugleich haben GamerInnen das Bedürfnis, ihr Hobby haptisch zu erleben – und auch zu zeigen, dass sie Fans bestimmter Spiele sind. Collector‘s Editions (CEs) sind deshalb sehr gefragt – und kommen in immer neuen Varianten auf den Markt. Doch was muss eine CE heute eigentlich bieten, um die Community zu begeistern? Wie schaffen es die Firmen, ein exklusives, hochwertiges Produkt zusammenzustellen? Darüber haben wir mit mehreren Branchen-Akteuren gesprochen.
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„Your Geek Fix“ schnauft angestrengt – und auch ein bisschen theatralisch. Gerade hat der US-amerikanische Content Creator einen riesigen Versandkarton von der Couch in den Bildvordergrund gewuchtet, nun macht er sich ans Auspacken. „Your Geek Fix“ trägt währenddessen eine Lederjacke, ein Tropenhemd und eine Fedora – die Montur des großen Indiana Jones. Beim Auspacken kommt ein Pappkarton zum Vorschein, der wie ein Überseekoffer gestaltet ist – mit aufgedruckten Metallbeschlägen und dekorativen Luggage Labels, die unter anderem die Londoner Tower Bridge, die Pyramiden von Gizeh und die Ruinen von Machu Picchu zeigen. Der YouTuber öffnet den „Koffer“ und nimmt sorgfältig einige Gegenstände heraus, die das Spiel Indiana Jones und der Große Kreis flankieren: ein metallenes Flugzeugmodell, ein SteelBook, die Replika der steinernen „Allmaker Relic“ – und auch einen Globus mit hölzernen Standfuß, auf dessen Kontinenten die Etappen von Indys neuestem Abenteuer markiert sind. „Your Geek Fix“ nimmt das Flugzeug und schiebt es langsam über das Band des Großen Kreises, das den Globus umgibt. Plötzlich löst der Flugzeugmagnet einen Mechanismus aus, die obere Hälfte des Globus klappt zur Seite und gibt ein Reisetagebuch frei, das im Inneren verborgen war. Die Augen des Geeks leuchten, als er das Tagebuch aus dem Geheimversteck nimmt …

 

Die SammlerInnen nehmen jedes Detail unter die Lupe

Eifrige Diskussionen
Die Collector‘s Edition von Indiana Jones und der Große Kreis zählt zu den spektakulärsten CEs, die in Q4 2024 auf den Markt kamen. Für schlappe 199 Euro erhalten Indy-Fans ein Paket, das neben besagten Items auch den Download-Code des Spiels und einen zusätzlichen Story-DLC enthält. Die Collector‘s Edition ist bei Händlern wie MediaMarkt, Saturn, Otto und Amazon sowie im Bethesda-eigenen Online-Shop erhältlich, daneben gibt es auch die Standard Edition und die Digital Premium Edition. Auf Social Media und auf einschlägigen Portalen werden Umfang, Originalität, Qualität und Verfügbarkeit der Collector‘s Edition eifrig diskutiert: Auf collectors-junkies.com etwa berichten User von Lieferverzögerungen bei einzelnen Händlern und fachsimpeln darüber, wo man die CE am einfachsten ergattern kann. In der Kommentarspalte unter dem Unboxing-Video von „Your Geek Fix“ wundern sich einige User, dass das Reisetagebuch nicht etwa die Postkarten und Aufzeichnungen aus dem Spiel enthält, sondern leere Seiten für persönliche Notizen; voll des Lobes sind die meisten von ihnen, was den Globus mit dem Geheimfach betrifft. Man merkt: Die SammlerInnen nehmen jedes Detail unter die Lupe und sind dabei sehr kritisch – aber eben auch sehr begeisterungsfähig.

Collector‘s Editions sind seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Gaming-Welt. Physische Goodies tauchen schon früh als „Beilage“ auf, etwa bei Ultima IV: Quest of the Avatar von 1985, das neben dem Datenträger auch eine Stoffkarte der Spielwelt und ein Ankh-Symbol bot. Waren diese Editionen noch vergleichsweise schmal, so nahm der CE-Trend in den Folgejahrzehnten richtig Fahrt auf: Die Palette an möglichen Goodies verbreiterte sich deutlich, auch der Aufwand wuchs immens. 2022 etwa listete die Seite gamerant.com die „18 besten Collector‘s Editions“ der vergangenen Jahre auf: Unter den Top 5 landete unter anderem die Fallout 4 Collector‘s Edition (2015) mit einer Replika des legendären Pip-Boy und auch die Vanguard SRS Collector‘s Edition von Titanfall 2 (2016), die einen tragbaren Titan-Piloten-Helm umfasste. Seitdem sind Collector‘s Editions teils noch aufwendiger geworden, um die hohen Ansprüche der Fans zu befriedigen. Grund genug, einmal der Frage nachzugehen, worauf es bei der Gestaltung von CEs heute eigentlich ankommt. Dafür haben wir mit mehreren Branchen-Vertretern gesprochen.

 

Wichtig, seine Core-Community zu kennen

 

Service für die Fans
Martin Wortmann ist Head of Digital & International Sales bei der Firma astragon Entertainment – und damit ein ausgewiesener CE-Experte. „Beim Design einer Collector‘s Edition ist es wichtig, seine Core-Community zu kennen“, sagt er. „Diese Editionen sind immer auch eine Stück Fanservice und bedienen die treueste Zielgruppe.“ Umfang und Verarbeitungsqualität müssten den Kaufpreis rechtfertigen, beim Design der Inhalte spiele häufig die Game Lore eine große Rolle. „Es geht darum, Erfahrungen aus dem Spiel erlebbar zu machen“, sagt Wortmann. „Eine Statue, Werkzeuge oder andere Elemente sind Inhalte, die insbesondere in höherpreisigen Editionen von Fans erwartet werden – und mit denen man als Hersteller punkten kann.“ Im November gab astragon bekannt, dass es die Vertriebspartnerschaft mit Team17 Digital erweitert: Die Kooperation mit der Schwesterfirma umfasst ausgewählte Titel, die nun als Collector‘s Editions auf den Markt kommen.

Im Dezember hat astragon bereits den Vertrieb für zwei dieser CEs übernommen: Zum einen ist das die Worms Armageddon Anniversary Collector’s Edition, eine Hommage an den Taktik-Klassiker von 1999 – und zum anderen die Dredge Complete Collector‘s Edition, die an das überaus erfolgreiche, von Lovecraft inspirierte Indie-Fishing-Horror-Game von 2023 andockt. Beide Editionen sind für die PlayStation 5 und für die Switch erschienen – und bieten neben Vollversionen der Spiele auch einige schön gestaltete Goodies. Die Worms-CE umfasst ein zweiseitiges Poster, eine Sammlermünze, ein Booklet mit der Spielanleitung, drei Ansteck-Pins („Heilige Handgranate“ etc.) sowie eine Sammlerbox, die sich am klassischen PC-Bigbox-Design orientiert. Die Dredge-CE wiederum punktet mit einem Handbuch zu den Fischarten des Spiels, einer Talisman-Nachbildung, einem doppelseitigen Poster, einer ausklappbaren Seekarte, einer Metalldublone und einer Nachricht von den Entwicklern, die – sehr passend – als Flaschenpost daherkommt. „Mit Collector‘s oder auch Special Editions geben wir Fans die Möglichkeit, sich etwas Besonderes nach Haus zu holen und so ihre Leidenschaft für ein Spiel auszuleben und zu zeigen“, erläutert Martin Wortmann. Bei einem Remake oder der Neuauflage eines Klassikers könne man die Fans besonders mit gedruckten Spielanleitungen und Verpackungen im Retro-Design begeistern, betont er – eben so wie bei der neuen Worms-CE. Typisches Merchandise wie Tassen oder T-Shirts finde man in Collector‘s Editions aber eher selten: „Gerade bei Textilien wäre die Wahl der richtigen Kleidungsgröße ein Hindernis.“

Kostspielig und platzintensiv
Auf Dauer sind Collector‘s Editions natürlich ein kostspieliges Hobby – das räumt auch der Sales-Experte ein. Zudem belegten CEs in den Sammler-Regalen eine Menge physischen Platz. „Jeder aktive Sammler weiß, wovon ich spreche“, sagt Wortmann. Eine Alternative seien da die preislich niedriger angesetzten und auch platzsparenderen Special Editions: Auch diese könnten schließlich hochwertige Artbooks, Soundtracks, Poster und Botschaften der Entwickler enthalten. „Sehr beliebt sind auch exklusive Pins oder Sammlermünzen“, so Wortmann. Bei hochpreisigen CEs hingegen erwarten die Fans auch Spielfiguren und Replika bestimmter Spielelemente – etwa von Fundstücken und Rätselbestandteilen.

Auch die NBG EDV Handels und Verlags GmbH aus Burglengenfeld setzt bei ihrem Portfolio auf inhaltlich attraktive Sondereditionen. 2023 etwa brachte NBG in Kooperation mit dem Hersteller ININ die Bud Spencer & Terence Hill – Slaps and Beans 2 Special Edition auf den Markt: Sie enthält nicht nur diverse Postkarten, Sticker, Poster und ein Artbook, sondern passenderweise auch einen Boxsack inklusive Luftpumpe. Seit 2023 distribuiert NBG auch die Cuphead Limited Edition von Skybound und iam8bit, die neben einer schön gestalteten Box und mehreren Sammelkarten eine Wackelfigur von Ms. Chalice bietet. „Wichtig aus meiner Sicht ist es, dass eine solche Edition wirklich exklusiven Content beziehungsweise hochwertige Zugaben enthält“, sagt NBG-Geschäftsführer Thomas Schütterle. „Wenn die Community feststellt, dass sie getäuscht wird – und das findet sie heutzutage sehr schnell heraus –, ist das das Ende der Loyalität. Natürlich muss der Inhalt wertmäßig attraktiv sein und sich von der Standard Edition wesentlich abheben.“ Typische CE-Inhalte seien hochwertige Artbooks, Figuren, DLCs oder Schlüsselanhänger, so Schütterle. „Je individueller diese Inhalte seien, desto besser kämen sie an: „Nichts ist in diesem Zusammenhang schlimmer als Mittelmaß und Mainstream.“

 

Nichts ist in diesem Zusammenhang schlimmer als Mittelmaß und Mainstream

 

Hohe Maßstäbe
Am 28. Januar wird NBG – in Kooperation mit Fireshine – die Sniper Elite Resistance Deluxe Edition für PS5 und Xbox Series X/S herausbringen. Als rein digitale Version umfasst sie keine physischen Goodies, dafür aber exklusive Spielinhalte wie Waffen, Waffen-Skins und eine Bonus-Mission; zudem wird das Spiel hier zwei Tage früher verfügbar sein als in der Standard Edition. Eine ursprünglich für das Spiel Atomfall (Rebellion, VÖ März 2025) geplante Collector‘s Edition habe NBG dann doch nicht umgesetzt, berichtet Schütterle: Das Projekt habe sich nicht mit den hohen Maßstäben in Sachen Qualität und Exklusivität vereinbaren lassen. „Am Ende wäre die Collector‘s Edition vergleichsweise zu teuer geworden“, sagt er. „Gerade in diesem Zusammenhang sind Kompromisse und Halbherzigkeit kein guter Ratgeber.“ Generell gelte bei CEs die Devise: „Aufmerksamkeitsstark, limitiert und nicht einfach nur innerhalb der großen Masse im Regal platziert.“

Im stationären Handel sind CEs heute nicht mehr so präsent wie noch vor ein paar Jahren. „Collector‘s Editions sind am Point of Sale im Ladengeschäft eher eine Besonderheit, während die Verfügbarkeit im Online-Handel von zentraler Bedeutung ist“, berichtet Martin Wortmann. Für eine verkaufsfördernde Präsentation sei in jedem Fall ein ansprechender „Beauty Shot“ wichtig – also eine „übersichtliche und ästhetische Collage, die alle Inhalte der Edition simpel erklärt und wirkungsvoll in Szene setzt“. Doch wie rücken stationäre Händler solche Editions ins rechte, verkaufsfördernde Licht? Stefan Kimmlingen, Geschäftsführer von SK GameNatiX aus Trier, stellt Collector‘s Editions meist in die Vitrinen – oder er präsentiert sie in unmittelbarer Nähe zu den Games im jeweiligen Verkaufsregal. Die Zielgruppe für solche Angebote beschreibt Kimmlingen als durchaus heterogen: „Lediglich beim Alter stellen wir fest, dass Collector‘s Editions dann doch meist von erwachsenen Gamern gekauft werden – im Alter von Mitte 20 aufwärts.“

In den vergangenen Monaten habe es leider nur wenige interessante Neuerscheinungen gegeben, berichtet Kimmlingen: „Neben Slitterhead und der Doom Anthology hatten wir uns in der Tat auf den An- und Verkauf von Editionen konzentriert, die schon länger auf dem Markt sind, sich aber noch immer großer Beliebtheit erfreuen. Hier war besonders die Resident Evil 2 Collectors Edition ein Renner.“ Persönlich gefalle ihm die Slitterhead Asia Collector‘s Edition besonders gut, so der Händler. Als Trend bei CEs beobachtet Kimmlingen, dass „gelegentlich keine physischen Datenträger mehr beigelegt werden“. Ein Umstand, der bei den Sammel-Fans nicht sonderlich gut ankomme.

 

Wir können Collector's Editions lokal, breit und weltweit simultan releasen

 

Klarer Mehrwert
Für Firmen wie astragon Entertainment und Team17 Digital sind Collector‘s Editions eine tolle Sache. „Die Strahlkraft der Editionen bringt einen klaren Mehrwert, auch wenn dieses Geschäft aufgrund seiner exklusiven Natur nur begrenzt skalierbar ist“, sagt Martin Wortmann. Fingerspitzengefühl sei bei diesem Thema besonders wichtig, um die nötige Exklusivität zu wahren – „denn Collector‘s Editions, die ihren Wert behalten, tragen entscheidend zur Stärke und Wahrnehmung der Marke bei“. Bei der Kooperation der Schwesterfirmen profitiere Team17 Digital stark von astragons langjähriger Erfahrung im physischen Vertrieb, so Wortmann: „Wir können Collector‘s Editions lokal, breit und weltweit simultan releasen.“ Ein abweichendes Geschäftsmodell sei, CEs oder SEs nur exklusiv in einem Shop anzubieten – das sei dann aber häufig mit erhöhten Versandkosten verbunden. „Wir machen es anders“, betont Wortmann. „Wir nutzen unser weltweites, etabliertes Distributionsnetzwerk und bieten lokale Editionen je Territorium an.“

Kommuniziert werde das Ganze über die Social-Media-Kanäle der jeweiligen Franchises – und auch über entsprechende Pressemitteilungen. „Durch unsere breite Listung können die Produkte zudem nicht nur bei Special-Interest-Portalen gefunden werden, sondern auch im gängigen Online-Handel“, erläutert Wortmann. Bei CEs arbeite astragon auch mit ausgewählten Content Creatorn zusammen, „die bekannt dafür sind, Sammlereditionen auf ihren Kanälen vorzustellen – und die eine entsprechend affine Zielgruppe besitzen“.

Fazit: Collector‘s Editions sollten nicht nur exklusiv und hochwertig sein, sondern auch geschickt präsentiert und kommuniziert werden. Das steigert die Chance, dass die Community auch bei höherpreisigen Produkten zugreift. (Achim Fehrenbach)

IGM 01/25
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