Eine 100 Meter lange Sichtachse, gesäumt von Anspielstationen verschiedener Firmen – und an der Rückwand ein riesiger LED-Bildschirm als Eyecatcher: Solche Raumkompositionen kennt man eigentlich eher von Spielemessen wie der gamescom. Hier aber, im XPERION Berlin, gehört großzügige Raumaufteilung zum Gestaltungsprinzip: Die BesucherInnen sollen ihre Neugier und Spielfreude ausleben – und dabei von einem Highlight zum nächsten schlendern können. Wer vom XPERION-Eingang nach links in den Korridor einbiegt und auf das LED-Panel zuläuft, kommt an den Flächen zahlreicher Hersteller vorbei: Links Microsoft, LG und MSI, rechts Samsung, Meta und AOC. Die Flächen sind großzügig gestaltet, ansprechend beleuchtet und bieten auch alle die Möglichkeit, auf bequemen Sitzmöbeln die neuesten Produkte auszuprobieren – ob das nun Games, Monitore, Peripherals oder VR-Headsets sind. Weiter vorne kommt man an Flächen von Intel, Sony und HyperX vorbei; ganz hinten rechts gibt es eine „Fußball-Lounge“ mit dem neuesten EA Sports FC. Die Anspielstationen sind an diesem Montagnachmittag im Dezember gut besucht: Fast überall sitzen Jugendliche und junge Erwachsene, oft in Gruppen, und frönen ihrer Leidenschaft fürs Gaming.
Drei Stores
Das XPERION Berlin ist der zweite Store dieser Art, der in Deutschland seine Pforten öffnete: Am 12. Januar 2023 wurde es im dritten Stock des Saturn-Flagship-Store am Alexanderplatz eingeweiht. Den Anfang machte 2020 das XPERION Köln in der Saturn-Filiale am Hansaring, wo KundInnen früher Schallplatten und CDs kauften. Der dritte XPERION Store hat erst im September eröffnet – nämlich im vierten Stock des neu gestalteten MediaMarkt an der Hamburger Mönckebergstraße. Nicht auszuschließen, dass demnächst weitere Stores in deutschen Großstädten hinzukommen.
Marco Terei hat das Retail-Konzept maßgeblich mitentwickelt: Als Senior Partner & Sales Manager XPERION Germany koordiniert er die Aktivitäten aller drei Standorte. „Der Brand ‚XPERION‘ ist ein Gaming-Event-Brand“, sagt Terei bei unserem Treffen in Berlin. „Das bedeutet, dass wir bei MediaMarktSaturn das Konzept eines stationären Marktes hier ganz neu gedacht haben.“ Ziel sei gewesen, die Gruppe der 12- bis 29-Jährigen unmittelbar anzusprechen. Das Konzept – ein Treffpunkt für die Trendthemen Gaming, E-Sport und Social Media – habe grundsätzlich nichts mehr mit herkömmlicher IT-Hardware zu tun. „Wenn die BesucherInnen reinkommen, sollen sie sich nicht wie in einem klassischen MediaMarkt oder Saturn fühlen, sondern wie auf einer Games-Messe“, betont Terei. „Hier gilt: entdecken, anfassen, ausprobieren, erleben!“ Mit XPERION erreiche man eine Zielgruppe, die sonst vielleicht nicht in einem klassischen MediaMarkt oder Saturn vorbeischauen würde, so der Retail-Experte. „Deshalb gibt uns die Konzernmutter so viele Freiheiten wie möglich.“
Wir wollen, dass sich die Leute mit den Produkten beschäftigen
Freie Gestaltung
Für das XPERION Berlin hat das Team rund 20 Industriepartner ins Boot geholt. Wo früher Drucker und andere Büro-Hardware verkauft wurde, entstand eine 2.200 Quadratmeter große „Erlebniswelt“, die im Januar 2023 nach achtmonatiger Umbauphase eröffnet wurde. „Wir sind auf alle relevanten Hersteller zugegangen und haben gesagt: ‚Ihr bekommt hier eine Fläche mit LAN- und Stromanschluss – und die könnt ihr dann selbst gestalten‘“, erzählt Terei. Die Hersteller sollen Gaming-Erlebnisse bieten können, die es einem klassischen MediaMarkt oder Saturn so nicht gibt. „‚Ausstellen‘ bedeutet, dass diese Flächen immer auch aktiviert werden müssen“, erläutert Terei. „Wir wollen, dass sich die Leute mit den Produkten beschäftigen.“
Wie das konkret aussieht, zeigt ein Blick auf die einzelnen Flächen: In Sonys „Inzone“ können BesucherInnen die neuesten Kopfhörer ausprobieren: An vier Gaming-Stations mit komfortablen Sesseln, die mit aufgehängten Netzen einen in sich geschlossenen Raum simulieren – aber dennoch genügend Durchlass für interessierte Blicke von außen gewähren. Bei Meta wiederum können BesucherInnen auf einer kreisrunden Fläche die neuesten VR-Games ausprobieren – in unmittelbarer Nachbarschaft einer chilligen Sitzecke und der Red Bull Bar, die von einem Pächter betrieben wird. Die einzelnen Erlebnisbereiche gehen also nahtlos ineinander über – ein Gegenentwurf zu den fast schon hermetisch abgeschlossenen „Produktinseln“, die man aus dem stationären Handel früherer Jahre kennt.
Breites Angebot
Großzügige, offene und individuell gestaltete Gaming-Flächen sind aber längst nicht alles, was das Store-Konzept ausmacht. „Mit dem XPERION schaffen wir eine tägliche Anlaufstelle für tausende Gamer, Influencer, E-Sport-Profis und junge Menschen, die Entertainment lieben“, sagt Marco Terei. Um diese Zielgruppen zu begeistern, fährt XPERION ein sehr breites Angebot: Neben dem genannten Herstellerflächen finden sich auf den 2.200 Quadratmetern auch ein separater USK-18-Bereich, verglaste Streaming-Plätze für Content Creator und eine Arena mit über 100 Sitzplätzen, in der die unterschiedlichsten Events stattfinden – vom E-Sport-Turnier über den Panel-Talk bis Release-Party eines neuen Musikalbums. „Viele BesucherInnen stehen hier mit großen Augen, weil sie einfach nicht erwartet haben, was wir hier bieten“, freut sich Terei. Zugleich ist XPERION in Social-Media-Kanälen wie Instagram, TikTok und Facebook präsent – und kommuniziert dort neue Events und Angebote. „Jeder der drei XPERION-Märkte hat sein eigenes Content-Creation-Team“, erläutert Terei. Die Neuigkeiten aus allen drei Stores fließen in die gemeinsamen Social-Media-Kanäle ein.
Ein besonderer Treffpunkt der Berliner Gaming-Community ist der USK-18-Bereich des XPERION. Den separaten, großflächigen Raum findet, wer an der Hauptkreuzung beim Eingang rechts abbiegt – und dann bis zur hinteren Wand weiterläuft. Aus Jugendschutzgründen steht hier ein „Doorman“, der die Ausweise der BesucherInnen kontrolliert. Im USK-18-Bereich stehen insgesamt 60 Gaming-PCs und 10 Xbox-Konsolen – zumindest die PCs sind an diesem Montagnachmittag samt und sonders besetzt. „Wir haben hier immer die neueste Hardware“, erläutert Marco Terei. „Einmal pro Jahr werden die PCs komplett getauscht.“ Die Rechner und Stühle werden von HP zur Verfügung gestellt, die höhenverstellbaren Tische von der Firma LeadDesk und die Monitore von Samsung. In dem leicht abgedunkelten Raum kommen die Hochleistungs-PCs mit ihrer Innenbeleuchtung und den Plexiglasscheiben besonders gut zur Geltung; zu den besonders beliebten Titeln zählen hier Valorant, Call of Duty und Counter-Strike. „In der Regel kommen kaum EinzelspielerInnen hierher“, berichtet Terei. „Wir wollen die Community so aktivieren, dass die Spielefans immer in Gruppen vorbeikommen.“ Jeder PC-Platz hat eine Nummer und kann – via Discord – beim Social-Media-Manager des XPERION reserviert werden. Mit seiner LED-Wand, der Beleuchtungstraverse und einer komplementären Bühne dient der USK-18-Bereich auch als Veranstaltungsort: Beispielsweise präsentierte Nvidia hier vom 4. bis 6. Januar seine neuen Grafikkarten der 50er-Serie, die in Q1 2025 erscheinen.
Viele BesucherInnen stehen hier mit großen Augen
Eigenes Jugendschutzkonzept
Ein Doorman steht nicht nur vor dem USK-18-Bereich, sondern auch vor dem Haupteingang des XPERION. „Er kontrolliert, dass die BesucherInnen mindestens 12 Jahre alt sind“, sagt Marco Terei. Überhaupt nehme man das Thema Jugendschutz sehr ernst, so der Manager. Gemeinsam mit der USK habe man ein Jugendschutzkonzept erarbeitet und sei auch entsprechend zertifiziert. „Wir müssen jeden Rechner, auf dem Content läuft, kennzeichnen – zum Beispiel mit einem USK-0- oder mit einem USK-12-Label“, erläutert er. Wird auf einem der Rechner etwas installiert, was nicht in den jeweiligen Bereich gehört, erhält das PoS-Team ein Signal auf dem Dashboard – und greift dann regulierend ein. „Wir achten grundsätzlich darauf, wann und wie oft Jugendliche zu uns kommen“, betont Terei. „Dafür sind das PoS-Team und die Security zuständig.“
Bemerkt das Team, dass Jugendliche ganz offensichtlich die Schule schwänzen, dann fragt es direkt bei ihnen nach. „Allerdings sind wir nicht die Erziehungsberechtigten“, sagt Terei. „Hausverbote erteilen wir nicht ohne Weiteres. Stattdessen setzen wir auf Einsicht bei den Jugendlichen.“ Wenn Jugendliche beim Spielen Frust aufbauen und laut werden, gibt es schon mal eine Ansage nach dem Motto: „Für heute reicht es, geh nach Hause.“ Abgesehen davon schaue das Ordnungsamt regelmäßig im XPERION vorbei und kontrolliere die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen. „Wir hatten seit der Eröffnung noch nie eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz“, berichtet Terei. Ein Hausverbot habe man in den zwei Jahren seit der Eröffnung erst ein einziges Mal erteilt, nachdem sich das Jugendamt gemeldet hatte. „Der Jugendliche hatte sich wiederholt nicht an Absprachen gehalten und ist immer wieder hierhergekommen, anstatt zur Schule zu gehen“, so Terei. Der Manager betont, dass viele Jugendliche in Gruppen vorbeikommen – was ja prinzipiell eine gute Sache sei. Denn: „Das gemeinsame Spielen ist auch eine soziale Sache.“
Streamen aus Berlin
Content Creator sind ein fester Bestandteil des XPERION-Konzepts. In dem Store gibt es mehrere Glass Cubes mit technischer Ausrüstung, in denen die Creator ihre Streaming-Inhalte erstellen. „Wir haben hier hochwertige Kameras und Mikrofone“, sagt Marco Terei. „Content Creator können sich hier in den Glass Cube setzen und einfach mal 10 oder 12 Stunden produzieren.“ In einem der Glass Cubes gibt es sogar Platz für eine mobile Küche, die bei Bedarf ins Geschehen einbezogen wird. Optisch und akustisch sind die Streaming-Plätze vom restlichen XPERION abgetrennt: Die Glasscheiben sind mit Nebelfolie bespannt und können blickdicht gemacht werden – zum Beispiel, wenn Content oberhalb von USK 12 produziert wird. „Wir hatten hier schon nahezu alle erfolgreichen Content Creator aus Deutschland“, berichtet Terei nicht ohne Stolz. „Letztlich versuchen wir hier ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen.“ Mit den Creatorn gibt es die Absprache, dass diese den Ort ihrer Produktion erwähnen, so Terei: „Als junge Marke zielen wir natürlich auf Reichweite.“ In einem der Glass Cubes arbeitet auch die hauseigene Influencerin: Sie produziert dort zum Beispiel Unboxing-Videos. „Mit diesen Inhalten verdienen wir auch Geld“, erläutert Terei. „So ein 90-Sekunden-Video ist aber keine Produkt-Show wie in einem Shopping-Kanal. Wir nennen zum Beispiel keine Preise.“
Generell sei die Content-Produktion im Lauf der zwei Jahre immer umfangreicher geworden, berichtet der Manager. „Wenn Publisher ein Gaming-Event planen, beauftragen sie dafür ja meistens eine Agentur. Am Anfang haben wir das auch so gemacht. Jetzt sind wir aber so weit, dass wir für unsere Events keine Agenturen mehr brauchen – wir haben jetzt selbst die nötige Expertise.“ Die Publisher kämen jetzt zum XPERION, um klassische Agentur-Services in Anspruch zu nehmen. „Wir machen ein Angebot, organisieren die Technik, schreiben den Run of Show und produzieren das Ganze. Das ist für uns ein Business Case“, sagt Terei.
Zuversichtlich, dass wir mit dem XPERION weiter wachsen
Das Herzstück dieser Produktionen ist die Arena: Eine Multifunktionshalle mit einer 30 Quadratmeter großen LED-Leinwand und einer 35 Quadratmeter großen Bühne. Auf die Tribüne der Arena passen rund 100 Leute – mit zusätzlicher Bestuhlung können an den Events bis zu 150 Leute teilnehmen. „Die Events müssen nicht unbedingt etwas mit Games zu tun haben“, betont Terei. „Wir haben hier beispielsweise auch Musik-Events, Fußball-Übertragungen und Filmabende. Wir haben die Lizenz, einem größeren Publikum Filme zu zeigen.“ Für solche Anlässe beschäftigt das XPERION Berlin ein eigenes Projektteam, das bei Anfragen zunächst den Bedarf ermittelt. „Unser Projekt-Manager prüft dann verschiedene Fragen“, sagt der Experte: „Was genau soll stattfinden? Ist die Veranstaltung öffentlich oder nicht öffentlich? Ist es eine Online- oder Offline-Veranstaltung? Danach richtet sich der technische Aufwand.“ Bei einer Online-Veranstaltung brauche man drei bis vier Kameras, einen Broadcaster und einen Regisseur – und natürlich auch Leute, die sich um Licht und Ton kümmern. Als Beispiel für ein solches Event nennt Terei ein League-of-Legends-Turnier, das von „Tolkien“ moderiert wurde – einem der wenigen deutschen Caster, die offiziell LoL kommentieren dürfen. „Bei dem Event war es voll, da waren 150 Leute hier“, berichtet Terei. Die Events seien ein zunehmend lohnender Business Case.
Kompetentes PoS-Team
Ana (27) und Maria (24) arbeiten beide im PoS-Team des XPERION. Für sie hat der Job als studentische Hilfskraft einige Vorteile. „Ich habe sieben Semester E-Sport-Management im Bachelor an der Hochschule für Angewandtes Management studiert“, berichtet Maria. „Da geht es unter anderem um Organisation im E-Sport, um Influencer-Marketing und um Ernährungswissenschaften.“ Das Praxissemester habe sie im XPERION absolviert, nun arbeite sie hier 20 Stunden pro Woche und finanziere damit ihr Master-Studium. „Einer der größten Vorteile ist für mich das Networking“, sagt sie. Hier gebe es viele Events mit E-Sport-Bezug, zum Beispiel die Prime League Finals oder Project V Queens in Valorant. „Es ist total cool, hier die ganzen wichtigen Personen zu treffen. Man bekommt sehr viel vom Event-Management mit, wenn man hier mit Content Creators arbeitet.“ Ihre Kollegin Ana studiert – nach einer Ausbildung als Biologisch-technische Assistentin und drei Jahren Bundeswehr – ebenfalls das Fach E-Sport-Management. „Hier kann man vieles von dem Wissen aus dem Studium verfestigen und bekommt einen guten Eindruck davon, wie das Ganze funktioniert“, lobt sie. „Also zum Beispiel, wie man E-Sport-Events organisiert.“
Marco Terei sieht die Entwicklung der drei deutschen XPERION-Standorte sehr positiv. „Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem XPERION weiter wachsen“, sagt er. Die einzelnen Standorte können laut Terei auch einiges voneinander lernen: So habe der MediaMarkt Mönckebergstraße beispielsweise einen separaten USK-0-Bereich im Look and Feel des XPERION eingerichtet. Zudem habe man in Hamburg die Trennwand zwischen dem Markt und dem XPERION auf 1,40 Meter heruntergebaut, berichtet der Manager. „BesucherInnen können also drüberschauen, aber nicht richtig reingucken. Theoretisch können wir das auch hier in Berlin so machen.“ In Hamburg habe man auch extra einen Bereich eingerichtet, in dem Trading-Card-Fans ihrem Hobby nachgehen können. „Dafür kommen auch ganze Gruppen zu uns – das wird sehr gut angenommen“, so Terei.
Eigener Messebauer
Um die Sichtbarkeit des XPERION zu erhöhen, geht das Management auch eher ungewöhnliche Wege. „Wir werden im Januar auf der Grünen Woche in Berlin sein“, kündigt Terei an. „Dafür planen wir einen Messestand mit zehn Gaming-Stations.“ Das XPERION beschäftigt einen eigenen Messebauer, der auch schon beim Auftritt im RolePlay Verse in Oberhausen und bei der Polaris in Hamburg zum Einsatz kam. Auch beim Thema Merchandise setzt das XPERION eigene Akzente: „Wir bieten Sortimente, die reguläre Märkte einfach nicht haben – und die man teilweise nicht mal online bekommt“, sagt Terei. So sei die 30th Anniversary Limited Edition der PS5 stationär nur in den drei deutschen XPERION Stores erwerbbar.
Fassen wir zusammen: Mit seinem XPERION-Brand will MediaMarktSaturn im Bereich Gaming und Entertainment Kompetenz beweisen. „Wir wollen als vertrauenswürdiger, glaubwürdiger Partner auftreten“, sagt Marco Terei. „So pflegen wir das Image der Marke. Und wer uns als kompetenter Partner wahrnimmt, kauft sein Equipment auch bei uns.“ 2023 wurde das XPERION vom Handelsverband Deutschland als ‚Best Concept Store‘ ausgezeichnet. Auch was die Frequenz auf der Fläche angeht, scheint die Grundidee aufzugehen. (Achim Fehrenbach)