IGM: Georg, hält Zocken jung?
Georg Eggers: Jein. Zocken ist natürlich etwas, das man – meistens – im Sitzen macht. Und das Sitzen ist für ältere Leute nicht unbedingt ideal. Geistig fit hält es schon – man muss ein bisschen flexibel sein, man muss ein bisschen reaktionsschnell sein. Diese Dinge fördert es – aber Bewegung nicht unbedingt.
IGM: Ausgleich ist folglich wichtig ...
Eggers: Ja, man sollte Ausgleich haben. So wie ich heute Abend Badminton spiele (lacht).
IGM: Wie läuft das üblicherweise ab, wenn du mit „Senioren zocken“ zusammenarbeitest?
Eggers: Wir werden einzeln angefragt, ob wir Lust auf einen Dreh haben – und bekommen dann eine bestimmte Uhrzeit zugeteilt. Da werden Aufnahmen gemacht und zu einem Video zusammengeschnitten. Ich habe keinen Einfluss darauf, was ich spiele, sondern bekomme gesagt: „Bitteschön, hier ist ein Spiel, nun sieh zu, wie du klarkommst“ (lacht). Das sind überwiegend neue Spiele, aber ab und zu auch mal ältere. Ein Mitglied unserer Community war besonders fleißig und hat uns für den Fernbus Simulator sogar einen speziellen Bus kreiert – das macht natürlich Spaß!
IGM: Hast du schon vorher am Computer gespielt?
Eggers: Eigentlich wenig. Ich spiele zuhause keine Spiele wie Fortnite, sondern Sudoku oder Online-Skat. Früher habe ich auch Schach gespielt. Das dauerte dann immer sehr lange, und so viel Geduld habe ich dann meistens doch nicht.
Spaß daran haben, etwas Neues zu erleben
IGM: Wie bist du zu „Senioren zocken“ gestoßen?
Eggers: Zu Anfang bestand das Team ausschließlich aus Frauen. Einige von ihnen kannte ich von der Komischen Oper Berlin, wo wir als Komparsen tätig waren beziehungsweise sind. 2017 wurde ich dann gefragt, ob ich Lust hätte mitzumachen – als erster Mann in der Gruppe.
IGM: Welche Eigenschaften sollte man für „Senioren zocken“ mitbringen?
Eggers: Erstens sollte man die Altersvoraussetzungen erfüllen, also mindestens 70 Jahre jung sein. Zweitens sollte man Spaß daran haben, etwas Neues zu erleben und zu machen.
IGM: Wenn du jetzt so ein neues Spiel vor dir hast – wie läuft das dann ab?
Eggers: Wir legen direkt los. Wenn wir mit Tastatur spielen, werden uns vorab ein paar Tasten erklärt. Oder welche Taste am Controller was macht. Das behält man dann auf die Schnelle sowieso nicht – aber man versucht, sich durchzuwursteln (lacht). Wir versuchen natürlich unser Möglichstes. In Fortnite war ich auch schon ganz schön erfolgreich, ich habe da mehrfach gewonnen. Allein bin ich mal unter den Top 5 gelandet – und in der Gruppe haben wir mehrmals gewonnen. Es hat sehr viel Spaß gemacht, mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten – das war sehr toll!
IGM: Welche Spiele und Spielegenres gefallen dir persönlich am besten?
Eggers: Zum Beispiel die Mario Bros. oder der Fernbus Simulator. Fortnite selbstverständlich auch, weil ich da schon recht erfolgreich war und eine tolle Truppe zusammenhatte. Wenn man mal etwas gemeinsam mit anderen spielen kann, ist das nicht uninteressant. Ein spezielles Spiel würde ich aber nicht hervorheben. Action-Spiele sind grundsätzlich gewöhnungsbedürftig. Das gilt auch für Fortnite, weil da leider auch viel geschossen wird. Ich erinnere mich noch an mein erstes Match, da hatte ich gar keine Waffen und habe mich nur versteckt. Ich hatte Glück, dass ich da unter den Top 5 gelandet bin – ich bin nämlich immer innerhalb des Kreises geblieben. Spiele mit Waffen sind grundsätzlich eine zweifelhafte Sache. Da muss jeder selbst entscheiden, ob er das macht oder nicht.
IGM: Was denkst du über gewalthaltige Spiele?
Eggers: Wenn ganz bestimmte Dinge in einem stecken, dann wird man sich davon nicht freimachen können. Und wenn ich das wirklich als Spiel sehe, dann bleibe ich auch beim Spiel – dann werde ich das nicht nach außen tragen. Das ist meine Überzeugung. Ich kann aber natürlich auch falsch liegen.
IGM: Welche Games würdest du auf keinen Fall zocken?
Eggers: Bis jetzt gab es noch kein Spiel, das ich überhaupt gar nicht spielen wollte. Wichtig ist die Plausibilität der Handlung. Wenn man zum Beispiel jemanden verteidigen oder aus der Gefangenschaft befreien muss, dann ist das plausibel. Aber wenn es nur ums Metzeln geht, dann lehne ich das ab. Das mache ich dann nicht mit und höre auf. Dann sage ich: „Tut mir herzlich leid – spielt das Spiel bitte alleine, aber nicht mit mir.“
Wenn es nur ums Metzeln geht, dann lehne ich das ab
IGM: Was gefällt dir an „Senioren zocken“ ganz besonders gut?
Eggers: Mir gefällt besonders, dass man mal rauskommt und was anderes hört und sieht. Und dass man in Gesellschaft ein Spiel spielt und Resonanz bekommt. Ich war auch schon viel auf Discord unterwegs. Da bekommt man viele Fragen gestellt und kann sich mitunter auch mit jüngeren Menschen unterhalten. Das ist teilweise sehr interessant (lacht). Natürlich kommen auch immer wieder die gleichen Fragen ...
IGM: Zum Beispiel?
Eggers: „Wie alt bist du? Wie kommst du an ‚Senioren zocken‘?“ Das wird dann tausend Mal gefragt, obwohl man es gerade beantwortet hat. Aber das macht nichts (lacht).
IGM: Was sind spannendere Fragen?
Eggers: Es gibt auch Fragen unterhalb der Gürtellinie. Zum Beispiel: „Hast du noch Sex?“ (lacht). Auf Discord wurde ich wegen der netten Antwort gelobt, die ich darauf gegeben habe. Ich habe sinngemäß gesagt: „Ein Kavalier genießt und schweigt. Darüber redet man nicht, das tut man nur, wenn man will“ (lacht).
IGM: Welche Leute triffst du auf Discord? Sind das in erster Linie eure AbonnentInnen?
Eggers: Ja – oder auch Leute, die sich einfach mal in Discord eingeklinkt haben. Die Leute kommen aus unterschiedlichen Altersgruppen. Manche sind sieben, acht, neun – oder auch 15, 16, 18, 20, 25 und älter. Wirklich ältere Herrschaften habe ich noch nicht dabeigehabt. Aber man weiß natürlich nie, wie alt die Herrschaften wirklich sind.
IGM: Die wenigsten Kinder und Jugendlichen haben wohl Omas und Opas, die an Computer oder Konsole spielen. Auch deswegen ist „Senioren zocken“ für sie etwas ganz Besonderes ...
Eggers: Das glaube ich bestimmt! Es gibt auch sehr nette Begegnungen. Da war zum Beispiel ein Junge mit Handicap, der mich auch regelmäßig besucht hat. Er ist ganz aktiv und hat sich immer sehr gefreut, wenn er mit uns gesprochen hat. Das sind sehr erfreuliche Gespräche, die man dann führen kann. Dass sich solche Jugendlichen nicht alleingelassen fühlen, dass sie mitgenommen werden – das fand ich immer sehr schön.
Sehr erfreuliche Gespräche
IGM: Stichwort Community: Einige von euch waren schon für Autogrammstunden auf der gamescom. Würdest du auch zur gamescom fahren?
Eggers: Ja und nein. Wenn man gezielt eingeladen wird und dort auch sofort Kontakte hat, dann ja. Aber wenn man dort nur am Rande steht, wird man kaum wahrgenommen. Es sei denn, dort sind Leute, die uns wiedererkennen und ansprechen. Ich bin hier in Berlin bisher einmal angesprochen worden – und habe dann auch ein Autogramm gegeben (lacht).
IGM: Influencer beklagen sich oft, dass die Community sehr harsch und penetrant sein kann, ja sogar Hass versprüht. Wie hast du das bisher erlebt?
Eggers: Ich sage nur: Dreimal auf Holz klopfen! Es ist mir noch nicht passiert. Was soll man diesen Leuten raten? Im Grunde hat jeder Mensch für solche Dinge zwei Ohren mitbekommen: Zum einen geht‘s rein, zum anderen wieder raus. Etwas anderes kann man in dem Moment sowieso nicht machen. Diejenigen, die einen in dem Moment ansprechen, sind auf ihren Hass fokussiert und auf das, was sie unbedingt sagen wollen – da kommt man gar nicht ran. Mittelfristig hat man vielleicht die Gelegenheit, mit ihnen darüber zu reden – aber auch das wird sehr schwierig werden. Aber wie gesagt: Diese Leute hat es früher schon gegeben, die gibt‘s heute, die gibt‘s immer mehr. Dass das heute immer stärker in den Vordergrund geraten ist, ist natürlich auch eine Frage der Öffentlichkeit und der gebietsübergreifenden Kommunikation. Die hat man ja früher in dieser Form noch gar nicht gehabt. Wann haben wir früher mal eine Videokonferenz machen können? Gar nicht! Damals war der Postweg der normale Weg. Das Telefon gab es zwar schon, aber nicht jeder hatte eines, ein Handy sowieso schon gar nicht. Das ist ja heute schon viel enger zusammengerückt. Insofern ist es auch kein Wunder, dass solche Dinge dann auch wesentlich mehr in den Vordergrund geraten. Die gab es bestimmt früher auch schon.
IGM: Es ist also alles schneller, direkter und sichtbarer geworden ...
Eggers: Mich stört an der ganzen Sache, dass die Nutzerkonten nicht hundertprozentig offen angelegt werden müssen. Im Ernstfall könnte sich dann nämlich keiner verstecken. Bei den Konten sollte absolute Transparenz herrschen – und man sollte sie nicht einfach wechseln können. Ich finde es traurig, dass das nicht von vorneherein unterbunden worden ist.
IGM: Braucht es Klarnamen für die User?
Eggers: Sie können ja gerne Pseudonyme verwenden. Aber sie sollten ihren Personalausweis zur Verfügung stellen, wenn sie einen Kanal nutzen wollen. Dann ist das Thema gegessen, dann kann ich mich nennen, wie ich will – aber ich habe eine hundertprozentige Adresse dahinter. Dass es selbst dann noch Manipulationsmöglichkeiten gibt, werden wir nie ausschließen können. Aber der Kreis würde enger.
IGM: Über welche Kanäle kommunizierst du – abgesehen von Discord – mit der Community?
Eggers: Ich kommuniziere nur über Discord – sowohl schriftlich als auch im Voice Chat. Eine Zeitlang konnte man sich mit mir abends unterhalten. Die Leute haben sich angemeldet, sind dann zu mir durchgestellt worden und konnten Fragen stellen. Ich fand es ganz nett, mit den Jugendlichen auch mal direkt zu reden.
IGM: Habt ihr Sponsoren?
Eggers: Wir haben ja die Golden Kamera gewonnen und auf Youtube momentan knapp 760.000 Follower – das ist schon eine ganze Menge! Daraus ergeben sich dann teilweise auch Werbemöglichkeiten. Dass Influencer sich dumm und dämlich verdienen, stimmt aber nur vereinzelt – das ist keine weitverbreitete Sache.
IGM: Für euch also eher ein Zubrot?
Eggers: Ja, richtig. Man muss fein säuberlich haushalten, um die Community überhaupt am Leben zu erhalten. Natürlich bringen Werbeverträge hin und wieder auch etwas mehr Geld ein, zum Beispiel Verträge mit Musikverlagen. Werbedrehs findet sehr vereinzelt statt, machen aber viel Spaß.
IGM: Ein Beispiel?
Eggers: Wir haben mal für True Fruits Werbung gemacht – da waren wir für zweieinhalb Tage in Belgien. True Fruits produziert Getränke auf absoluter Fruchtbasis und ohne Zusätze – die sind sehr schmackhaft. Die Zusammenarbeit hat mir sehr gut gefallen, wir hatten da eine tolle Zeit und haben auch sehr viele Aufnahmen gemacht, die man sich auf Instagram und Youtube anschauen kann.
Ich möchte schon gerne realistisch spielen
IGM: In Deutschland gibt es laut Statistik immer mehr „Silver Gamer“. Sollte es noch mehr Spiele für diese Zielgruppe geben?
Eggers: Die Antwort ist gar nicht mal so furchtbar einfach. Ich habe das Thema „Gaming“ mal in einem Seniorenheim in unserer Nähe angesprochen. Da hat man mir gesagt, dass sie das schon mal ausprobiert hatten. Das Interesse war eine Zeitlang da, ebbte dann aber fürchterlich ab. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass die Physis der Leute nicht mehr so gut funktionierte. Vielleicht haben sie aber auch mit Controller oder Tastatur gespielt, so wie wir.
IGM: In Seniorenheimen kommen häufig Wii-Spiele wie Bowling zum Einsatz. Ruhige Strategiespiele wären aber doch auch ganz gut geeignet ...
Eggers: Möglich ist das bestimmt. Das bedeutet aber auch eine Menge Aufwand. Man muss ein Seniorenheim finden, das da mitmacht – und dann auch die Senioren selbst dafür begeistern. Das ist nicht ganz ohne. Ich kann mir aber vorstellen, dass das – wenn ein erstes Seniorenheim dafür gewonnen wurde –, anschließend die Runde macht.
IGM: Wenn du auf deine bisherigen Zock-Erlebnisse zurückblickst: Was waren für dich besonders lustige oder denkwürdige Momente?
Eggers: Ich habe mal den Fernbus Simulator gespielt und bin dabei falsch abgebogen. Da kam ich plötzlich ans Ende des Spiels! So wie man früher dachte: Die Erde ist eine Scheibe – und wenn man über den Rand hinausgeht, fällt man in die Endlosigkeit hinein! Das war ein unmögliches Gefühl, über den Rand zu kippen und dann im Nirgendwo zu sein. Irgendwann wurde ich dann ins Spiel zurückgesetzt und fand mich auf einer Straße wider. Das war schon ein tolles Erlebnis, dass ein Spiel so etwas überhaupt hergibt (lacht).
IGM: Was würdest du gerne als Nächstes spielen?
Eggers: Ich spiele wie gesagt ganz gerne den Fernbus Simulator, weil ich da gefordert werde. Was ich nicht gerne mache, ist eine Chaotenfahrt, bei der man alles niedermäht, was im Wege ist. Ich möchte schon gerne realistisch spielen – so wie ich normal auch Auto oder Bus fahren würde. Dass ich manchmal die Kurve mit dem Bus nicht bekomme, liegt natürlich daran, dass ich nicht tagtäglich mit dem Bus unterwegs bin. Aber es sollte nicht zur Gewohnheit werden, einfach Kurven zu schneiden, Bäume niederzumähen oder rote Ampeln zu überfahren – nur weil das Spaß macht. Das mache ich nicht gerne. Ansonsten aber wissen die Organisatoren von „Senioren Zocken“ ganz genau, was ich gerne spiele. Und manchmal sagt die Community auch: „Wie wäre es denn, wenn ihr mal wieder das oder das spielen würdet?“ Je nachdem, wie viele Likes die Vorschläge bekommen, machen wir das dann auch – da sind wir dann auch mal folgsam (lacht). / (Achim Fehrenbach)
Zur Person
Georg Eggers wuchs in Hamburg-Bergedorf und in der Hamburger Innenstadt auf. Später lebte er auch in seiner Geburtsstadt Hannover und in einigen kleineren Orten West- und Norddeutschlands. Nach einer Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann war Eggers in der Eisen- und Stahlindustrie tätig. Seit 1982 lebt er in Berlin-Tegel.
Fakten zu „Senioren zocken“
• Hinter der Marke steht die Senioren Zocken Videoproduktionen GmbH aus Berlin.
• Auf Instagram laufen die Inhalte momentan unter der Marke „Oma geht steil“. Ein eigener Instagram-Kanal „Senioren zocken“ ist in Planung.
• Auf Tiktok laufen die beiden Marken separat.
• „Senioren zocken“ bewirbt in seinen Videos immer wieder auch Games.
• 2021/22 kooperierte „Senioren zocken“ mit der Deutschen Bahn. Anlässlich einer DB-Ausbildungskampagne war unter anderem Seniorin Uschi (84) auf ICE-Displays zu sehen.
• Eine weitere große Kooperation gab es 2021 mit Google. Claim: „Jede Suche bringt dich weiter.“