Quo vadis, Bundesförderung? Ein Programm mit Verbesserungspotenzial

Nichts ging mehr – zumindest vorübergehend: 2022 sorgte der temporäre Stopp der Bundesförderung für einigen Aufruhr (vgl. IGM 01/2023). Inzwischen läuft das Förderprogramm wieder – doch es gibt durchaus noch Dinge, die optimiert werden könnten. Ein Überblick.
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© garloon /elements.envato.com
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Es ist immer noch ein Flaschenhals – aber zumindest ist jetzt kein Korken mehr drauf: Seit Jahresbeginn bearbeitet der Projektträger DLR wieder neue Förderanträge von Spielefirmen. Zur gleichen Zeit führte das BMWK auch obligatorische Beratungsgespräche ein, die dem eigentlichen Förderantrag vorgeschaltet sind – und für die natürlich jetzt auch viele Studios Schlange stehen. Immerhin geht es jetzt wieder vorwärts: Das lässt sich unter anderem aus der öffentlichen Datenbank entnehmen, in der sich die Zahl der bewilligten Förderanträge seit Jahresbeginn von 411 auf 438 erhöht hat (Stand: 24. Januar). Also alles Friede, Freude, Förderkuchen?

Einige Baustellen
In der Tat wird das DLR von vielen Antragstellern für seine kooperative, kompetente Art gelobt. „Ich glaube, das DLR hat mittlerweile deutlich mehr Human Power, um Anträge zu bearbeiten und Beratungsgespräche zu führen“, bestätigt André Bernhardt, der als „Indie Advisor“ etliche Studios bei Finanzierungsfragen berät. Seit Beginn der Bundesförderung im Jahr 2019 hat sich die Arbeit des Projektträgers immer mehr eingegroovt – und auch die Antragsteller sind inzwischen routinierter geworden. Gleichwohl gibt es etliche Stellschrauben, an denen man noch drehen könnte, um den gesamten Förder-Flow zu verbessern. Und nicht nur das: Auch Tax Breaks wie in anderen Ländern (Kanada, Frankreich, UK etc.) könnten die Games-Förderung in Deutschland insgesamt stärken – das sagt zumindest der Bundesverband game. Wo also beginnen? Um die Lage besser einschätzen zu können, ist es ratsam, zunächst bestehende Potenziale zu beschreiben – und dann einen Blick in die Zukunft zu werfen. Deshalb schauen wir uns zuerst die Kumulierung von Bundes- und Landesförderung an, beleuchten die Regelung zu „schwierigen Werken“ – und widmen uns anschließend dem Thema „Tax Breaks“.

Beginnen wir also mit der Kumulierung – und nehmen als Beispiel die Hauptstadtregion. 2022 hat das Medienboard Berlin-Brandenburg „innovative audiovisuelle Inhalte“ mit insgesamt rund drei Millionen Euro gefördert – und liegt hier deutschlandweit in der Spitzengruppe. Joscha Neumann ist Funding Manager Games beim Medienboard – und damit ausgewiesener Experte für regionale Förderfragen. „Beim Bund muss man die Förderung nicht zurückzahlen“, so Neumann. „Im Gegensatz dazu vergibt das Medienboard erfolgsbedingt rückzahlbare Darlehen, die zudem zinslos sind.“ Gefördert werden dabei erstens Prototypen, zweitens die eigentliche Produktion und drittens eine Kombi aus beidem. „Wir haben pro Jahr fünf Deadlines für die Einreichung der Förderanträge“, berichtet Neumann. „Bis zur Förderentscheidung dauert es dann in der Regel zwei bis drei Monate.“ Will ein Studio nun allerdings die Regionalförderung mit der Bundesförderung kumulieren – und damit mehr als die maximal 50 Prozent Bundesförderung abschöpfen –, dann dauert das insgesamt natürlich länger. Neumann beschreibt das Procedere: „Der Bund möchte, dass die Gesamtfinanzierung schon bei Antragstellung direkt steht. Und das beinhaltet dann natürlich auch die Regionalförderung. Deshalb will der Bund, dass zunächst die Regionalförderung eine Zusage erteilt.“ Die Firmen wenden sich folglich zunächst ans Medienboard, bekommen im Idealfall ihren Antrag bewilligt – und traben dann damit wohlgemut zum DLR.

 

Was lohnt sich mehr?

AZA und AZK
Allerdings gilt es bei der Kumulierung einiges zu beachten – zum Beispiel, dass die Förder-Modi nicht beliebig kombiniert werden können. Wer Bundesförderung beantragt, kann grundsätzlich zwischen „AZA“ und „AZK“ wählen. „AZA ist ein Antrag auf Gewährung einer Zuwendung auf Ausgabenbasis“, erläutert André Bernhardt. „Das ist für Spielefirmen weniger gut, weil man jeden Ausgabe abrechnen muss, gewissermaßen jeden USB-Stick.“ Die bessere Variante sei AZK, also der „Antrag auf Gewährung einer Zuwendung auf Kostenbasis“. „Hier erhält man Pauschalen für seine Mitarbeitenden“, sagt Bernhardt. „Das ist das, was Spielefirmen in der Regel bevorzugen, wofür man aber eine Firma mit mindestens fünf Mitarbeitenden braucht.“ Die Sache ist, dass die Regionalförderung nur AZA vorsieht – und dass bei der Kumulierung deshalb auch nur AZA auf Bundesebene gewählt werden kann. Laut Joscha Neumann ist das dann für viele Studios Abwägungssache: „Was lohnt sich mehr? Nehme ich 50 Prozent Zuschussförderung vom Bund mit AZK und habe dann aber 50 Prozent Eigenanteil? Oder kumuliere ich mein Projekt mit einer Regionalförderung und habe dann AZA?“ Die Entscheidung verlangt von den Studios einiges an Rechnerei – die sich im Zweifelsfall aber lohnt. Jedenfalls ist das ein Grund dafür, dass nicht sämtliche deutschen Studios auf Kumulierung setzen.

Nehmen wir an, ein Studio entscheidet sich für die Kumulierung: Wer steuert dann eigentlich das meiste Geld bei? „Bei einer Prototypenförderung können bis zu 80 Prozent kumuliert werden“, sagt Neumann. „Üblicherweise übernimmt der Bund bis zu 50 Prozent, der Rest kommt dann beispielsweise vom Regionalförderer.“ Allerdings sei die Finanzierungsquote des Bundes regressiv – sie nehme also ab einem gewissen Budget ab. Bei der Produktionsförderung seien es insgesamt bis zu 70 Prozent mit einem Medienboard-Anteil von typischerweise 20 Prozent – auch hier mit der eingebauten Regression des Bundesanteils. Was den Zeitrahmen betrifft, zeigt sich das Medienboard bei Anträgen flexibel. „Sobald wir zugesagt haben, ist unsere Förderung für sechs Monate gesichert“, erklärt Neumann. „Wir verlängern die theoretisch auch durchaus noch mal, wenn Gründe dafür vorliegen – wie zum Beispiel ein Antrag bei der Bundesförderung oder Verhandlungen mit einem Publisher.“ Kurz gesagt: Der Zeitrahmen ist nicht ganz so strikt wie beim DLR – und erspart den Studios einiges an Stress.

Schwierige Werke
Kumulierung ist also für Studios ein probates Mittel, um den finanziellen Eigenanteil an Spieleprojekten zu reduzieren. Ein weiteres Mittel ist die Förderung sogenannter „schwieriger Werke“. Dieser Passus ist seit Beginn der Bundesförderung in den Richtlinien verankert – allerdings ist er längst nicht jedem Studio bekannt. Worum geht es also? „Es sind jedenfalls keine Spiele gemeint, die schwierig zu spielen sind“, schmunzelt Malte Behrmann, Rechtsanwalt und Professor an der bbw Hochschule Berlin. Behrmann – einer der besten Kenner der deutschen Games-Förderung – klärt besagten Begriff: Es geht um „schwierig zu vermarktende Spiele“. „Die EU gibt vor, dass nicht mehr als 50 Prozent eines Produktionsbudgets subventioniert werden dürfen“, erläutert Behrmann. „Allerdings dürfen die Beträge bei Kulturförderungen höher sein – zum Beispiel bei Tanztheater oder Ausstellungen für moderne Kunst. Das liegt daran, dass man bei Hochkultur mehr als 50 Prozent subventionieren darf.“ Allerdings müsse man hier eben nachweisen, dass es sich um ein schwierig zu vermarktendes Spiel handelt, so der Experte. „Ansonsten würde man mit den allgemeinen EU-Regeln in Konflikt geraten.“

Doch was ist eigentlich ein „schwierig zu vermarktendes Spiel“? Vielleicht ist es eines, das sich auch jenseits von Wohlfühl-Themen bewegt. Ein Beispiel ist Through the Darkest of Times, das SpielerInnen in die Rolle von Widerstandskämpfern unter der Nazi-Herrschaft schlüpfen lässt. Entwickelt wurde es vom Berliner Studio Paintbucket Games, das gerade kurz vor der Fertigstellung des Folgetitels The Darkest Files steht – hier geht es um Schreibtischtäter in der Nazizeit. Co-Founder und Game Director Jörg Friedrich findet, „dass Games wie die unsrigen gemacht werden sollten“ – auch wenn sie nicht den Mainstream ansprechen. „Wir hatten das Glück, dass HandyGames unser Projekt Through the Darkest of Times wichtig genug fand, um uns unter seine Fittiche zu nehmen“, berichtet Friedrich. „Aber das war auch zu einer anderen Zeit. Man merkt ganz klar, dass wir jetzt eine Wirtschaftskrise haben, dass der Tech-Markt eingebrochen ist und dass das Geld nicht mehr so locker sitzt.“ Für Paintbucket Games sei die Situation momentan schwierig, denn man lebe von der Hand in den Mund: „Wir finanzieren diese Projekte teils selbst, teils aus Förderung und teils mithilfe von Publishern. Letztendlich stecken wir alles, was wir mit einem Projekt verdienen, sofort ins nächste.“ Mit Titeln wie Through the Darkest of Times gewinne man zwar viele Preise, verdiene aber eben nicht ganz so viel Geld, sagt Friedrich: „Und die Publisher suchen im Moment Sachen, die – in Anführungszeichen – sicher sind und hohe Rendite in relativ kurzer Zeit bringen.“

 

Davon können wir uns nur halt leider nichts kaufen

Umsatz im Vordergrund
Grundsätzlich begrüßt Friedrich denn auch, dass der Bund „schwierige Werke“ verstärkt fördert. Allerdings handele es sich bei den bestehenden Förderungen samt und sonders um Wirtschaftsförderungen, so der Studioleiter. „Die sind alle darauf angelegt, dass die geförderten Firmen wachsen, dass da möglichst viel Umsatz generiert wird.“ Friedrich kann das auch nachvollziehen, stellt aber die Frage, ob nicht auch andere Dinge Unterstützung brauchen: „Sollten nicht auch Sachen gefördert werden, die vielleicht kulturell wertvoll sind und nicht auf Anhieb ganz viel Geld verdienen? Dafür gibt es im Moment halt nichts.“ Momentan müssen Paintbucket Games viele Auftragsarbeiten annehmen, um auch eigene Spiele produzieren zu können: „Dann kommen dann die Ministerien und sagen, was für ein super Game das ist – und dass es zeigt, was Games alles können und so weiter. Davon können wir uns nur halt leider nichts kaufen.“

Die Förderung schwieriger Werke sieht Friedrich als einen Schritt in die richtige Richtung. „Wichtig wäre allerdings, dass das auch schnell geht – dass man dafür nicht lange in die Zukunft planen muss, weil das eben nicht den Realitäten der kleinen Studios entspricht.“ Im Übrigen ist Friedrich mit der Bundesförderung sehr zufrieden: „Grundsätzlich funktioniert das total gut. Die Betreuung durch das DLR ist ist super. Die sind wirklich fit und gut und hilfsbereit.“

Planbarkeit gesucht
Nicht wirklich zufrieden ist indes der game. In seiner Follow-up-Pressemitteilung zum Förderstopp-Tohuwabohu betonte der Bundesverband, wie wichtig ihm das Thema „Tax Breaks“ sei. „Einer der entscheidenden Vorteile eines sogenannten ‚Tax Breaks‘ ist die verlässliche Planbarkeit“, sagt Maren Raabe im IGM-Interview. Die Leiterin Politische Kommunikation beim game ergänzt, man habe ja gerade erst erlebt, wie plötzlich bestehende Fördertöpfe leer sein könnten. „Das kann bei kleineren Studios schnell zu einer existenziellen Krise führen“, warnt Raabe. „Größere Studios werden sich ganz genau überlegen, ob sie ein größeres Projekt an einem Standort umsetzen wollen, bei dem sie nicht genau ihre Kosten kalkulieren können.“ Aus Sicht des game würden diese Probleme mit Tax Breaks elegant umschifft – zumal ein begrenztes Budget ohnehin nicht sinnvoll sei, wenn man Investitionen fördern wolle. „Bei einem Tax Break bekomme ich dann eine Erstattung, wenn ich als Unternehmen investiere“, betont Raabe. „Besonders für größere Investitionsvolumen ist das inzwischen weltweit zum Standard geworden.“ Dies bedeute aber nicht, dass künftig auf Fördertöpfe verzichtet werden solle: „Ideal wäre aus unserer Sicht eine Kombination beider Modelle, wie es sie in vielen anderen Ländern gibt.“ Besonders jüngere Unternehmen benötigten eher einen Zuschuss, weil sie ansonsten nur schwer eine ausreichend große Liquidität aufbauen könnten. „Eigentlich müssen wir also nichts anderes tun, als es erfolgreichen Standorten gleichzutun“, sagt Raabe.

 

Ideal wäre aus unserer Sicht eine Kombination beider Modelle

 
Das klingt jetzt ziemlich unkompliziert. Allerdings stellt sich natürlich die Frage, ob Tax Breaks in Deutschland überhaupt umsetzbar sind. „Bisher kennt das deutsche Steuerrecht die international als ‚Tax Breaks‘ bekannten Steuererleichterungenen für Medienproduktionen nicht“, räumt Raabe ein. „Umsetzbar ist so etwas aber auf jeden Fall, wenn der politische Gestaltungswille dafür vorhanden ist.“ Wie das umgesetzt werden könnte, habe schon 2016 der BIU in einem Konzept aufgezeigt. „Damals hatte die Umsetzung dieses Konzepts allerdings politisch noch keine Chance“, gibt Raabe zu bedenken. „Deshalb haben wir uns zunächst auf die Einführung des Förderfonds konzentriert, um überhaupt in den internationalen Standortwettbewerb einsteigen zu können.“ Mit der – nicht nur positiven – Erfahrung aus der Bundesförderung sei jetzt aber wieder Schwung in die Diskussion gekommen, so die game-Expertin. Wichtig sei aber in jedem Fall, dass ein Tax-Break-Modell für ALLE Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht funktionieren werde: „Stattdessen braucht es spezielle zugeschnittene Förderprogramme für die einzelnen Sparten.“

Juristischer Knackpunkt
Was sagt ein Experte wie Malte Behrmann zum Thema „Tax Breaks“? Sind sie wirklich realistischerweise umsetzbar? „Aus der Sicht eines Förderforschers gibt es da an zwei Stellen Probleme in Deutschland“, sagt Behrmann. „Einerseits ist es so, dass die Steuererleichterung immer erst im Nachhinein stattfinden. Als kleineres Unternehmen muss man erst einmal alles ausgeben, damit man später die Steuer zurückbekommt. In Kanada gibt es dafür spezielle Lösungen, zum Beispiel Banken, die das absichern.“ Das zweite Problem sei hingegen weniger bekannt: Im deutschen Steuerrecht könne es nämlich nur Steuererleichterungen nur auf bestehende Steuerschulden geben. „Das heißt, wir können Steuererleichterungen überhaupt nur dann gewähren, wenn Steuerverpflichtungen bestehen“, führt Behrmann aus. „Das ist in anderen Ländern anders. In England und Frankreich, wo es ja auch Tax Credits gibt, bekommt man die Steuer auch dann ausgezahlt, wenn man gar keine Steuer zahlen muss.“

Halten wir fest: Der Weg zu einem starken und flexiblen Fördermodell ist noch weit. Und damit auch der Weg zu einer wirklichen Wettbewerbsfähigkeit des Spieleproduktionsstandorts Deutschland. (Achim Fehrenbach)

IGM 02/23
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