Die PlayStation VR ist ein Gaming-Paradoxon: Das im Oktober 2016 gestartete Virtual-Reality-Headset gehört zu den meistverkauften VR-Geräten überhaupt. Bis zum 31. Dezember 2019 verkaufte sich die PlayStation VR weltweit fünf Millionen Mal. Allein durch die Hardware-Verkäufe erzielte Sony einen Umsatz jenseits der zwei Milliarden US-Dollar. Von den Verantwortlichen zum Launch als das „Next Big Thing“ gehypt, brachte PlayStation VR eine neue Art von Spielerlebnis in die Wohnzimmer seiner Kunden.
Doch trotz des Erfolgs blicken heute viele kritisch auf diese Geschichte zurück. Denn die PlayStation VR hinkte schon von Beginn an der Konkurrenz hinterher. Die Inbetriebnahme des Headsets war umständlich und mit dem Aufstellen einer USB-Kamera für die PlayStation 4, gleich mehreren Kabeln und den in die Jahre gekommenen Move-Controllern verbunden. Sollte das wirklich die Zukunft des Gamings sein? Es fühlte sich nicht so an. Was PlayStation VR auf jeden Fall fehlte, war der eine große Systemseller. Das, was „Half-Life: Alyx“ auf dem PC war. Spiele wie „Resident Evil 7“, „Beat Saber“, „Farpoint“ oder auch „Moss“ waren gut, aber nicht revolutionär.
In der Retrospektive ist auch das Ende der so groß aufgebauten Marke unspektakulär: Sony ließ PlayStation VR langsam sterben. Die großen Eigenproduktionen blieben aus, und der Fokus rückte in Richtung der neuen PlayStation 5. Diese erschien im November 2020 – und mit ihr kam die Gewissheit, dass die PlayStation VR ausgedient hat und Sony bereits hinter den Kulissen am PS5-exklusiven Nachfolgermodell arbeitete. Inzwischen ist klar: PlayStation VR2 erscheint am 22. Februar 2023 zum Preis von 599,99 Euro oder gleich im Bundle mit „Horizon Call of the Mountain“ für 649,99 Euro. Zum Vergleich: Die erste PlayStation VR kostete zum Start lediglich 399 Euro.
In Zeiten gestiegener Lebenshaltungskosten und einer weiterhin hohen Inflation erscheint dieser Preis auf den ersten Blick ambitioniert und in erster Linie auf die Core-Zielgruppe zugeschnitten. Vielleicht ist dies auch der Grund, weshalb der Vorverkauf – gerade im Vergleich zur chronisch ausverkauften PS5 – vergleichsweise zahm ausfiel. Zum jetzigen Zeitpunkt ist PlayStation VR2 noch erhältlich und für den Zeitraum vom 22. bis 28. Februar 2023 vorbestellbar. Das spricht auf der einen Seite dafür, dass Sony bereits im Vorfeld entsprechende Mengen geordert hat, ist womöglich aber auch ein Indiz dafür, dass PlayStation VR2 ein Spätstarter werden könnte.
Hoffnungsvolle Vorberichterstattung
Dies ist eigentlich auch nicht verwunderlich, denn in puncto Marketing- und Presse-Kampagnen war es selbst Ende 2022 vergleichsweise ruhig um die PlayStation VR2. Auf der gamescom 2022 war Sony beispielsweise nicht vertreten. Erste Anspielrunden durch die Presse wenige Monate vor dem Launch zeichneten dennoch ein positives Bild und machten einen Unterschied zur ersten Generation deutlich: Auch wenn die PlayStation VR2 weiterhin ein kabelgebundenes VR-Headset ist und damit nicht die Bewegungsfreiheiten der Meta Quest 2 bietet, fällt der Sprung gegenüber dem Vorgänger gewaltig aus.
Der Sprung gegenüber dem Vorgänger fällt gewaltig aus
Abseits der aufgrund der stärkeren Basis-Konsole und der dank hochauflösenden OLED-Displays beeindruckenden Spielgrafik lobten die Berichterstatter unter anderem Funktionen wie das Eye- und das Inside-Out-Tracking. Die PlayStation VR2 benötigt keine zusätzliche Peripherie mehr, sondern scannt den Raum mit Hilfe von vier Kameras am Headset selbst, die dann über Sensoren in den VR-Sense-Controllern die Position bestimmen. Muten die Steuergeräte auf den Blick wie blanke Kopien der Oculus Touch an, bringt Sony hier seine Expertise aus über drei Jahrzehnten Gamepad-Design mit ein. Funktionen wie etwa haptisches Feedback und adaptive Trigger, aber auch Berührungserkennung eröffnen neue Design-Möglichkeiten. Die Interaktion mit Objekten könnte so auf eine neue Ebene gehoben werden.
Wirkte die erste Generation der PlayStation VR in vielerlei Hinsicht noch wie eine Kompromisslösung, die auf zum Launch veraltete Zusatz-Hardware wie die Move-Controller oder die USB-Kamera setzen musste, so geht Sony mit dem Nachfolger weiter und verbindet Features der aktuellen Konsolengeneration mit moderner VR-Hardware. Das überzeugte sogar Oculus-Rift-Erfinder Palmer Luckey. Nach seiner Testrunde im Rahmen der CES 2023 twitterte er: „Ich war wie weggeblasen, als ich die PSVR2 kürzlich benutzt habe! Die erste PSVR war der größte Erfolg ihrer Generation, diese Version ist sogar noch besser.“ Die Vorschusslorbeeren eilen der PlayStation VR2 also voraus. Und dennoch stellt sich die Frage, ob das Produkt zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kommt und wie Sony sein neues VR-Headset künftig interessant halten wird.
Ich war wie weggeblasen
Software sells Hardware
Der wichtigste Punkt für den Langzeiterfolg der PlayStation VR2 liegt im Software-Angebot. Gelingt es, die EINE Killer-App zu entwickeln, die nicht nur das Medium ein Stück voranbringt, sondern auch Interessierte in Käufer verwandelt? An dieser Stelle muss Sony vor allem seine großen Lizenzen in die Waagschale werfen: Mit „Horizon Call of the Mountain“ ist hier bereits ein sehr guter Anfang gemacht – „Horizon Forbidden West“ gehörte mit über zehn Millionen verkauften Exemplaren zu den größten Titeln des Jahres 2022. Obendrein bietet das von Guerrilla Games entwickelte Open-World-Spektakel eine einzigartige Spielwelt voller faszinierender Roboter-Saurier, die wohl jeder schon einmal möglichst hautnah erleben wollte. „Horizon Call of the Mountain“ darf daher nur der Beginn sein: Sony muss mit großen First-Party-Produktionen nachlegen und die PlayStation VR2 interessant halten. Zum Launch kündigte man zuletzt ein über 30 Titel starkes Lineup an: Etablierte Marken wie „No Man’s Sky“ und „Resident Evil Village“ sind hier ebenso vertreten wie bekannte VR-Größen à la „Rez Infinite“ oder „Tetris Effect“. Hinzu kommen Titel wie „Before Your Eyes“, Puzzling Places“, „NFL Pro Era“ oder „Song in the Smoke“. Besonders wichtig: Auch Rennspielriese „Gran Turismo 7“ erhält ein kostenloses PSVR2-Update zum Launch. Genau diese Linie muss Sony in Zukunft weiterfahren und große First-Party-Franchises – gemeinsam mit Neuadaptionen und Indie-Games – in den Mittelpunkt rücken. Und wieso eigentlich kein „The Last of Us“, „Spider-Man“, „Uncharted“ oder „God of War“ für die VR-Plattform umsetzen?
Aus technischer Sicht machte vor allem eine Enthüllung aus dem Hause Epic Games neugierig: Bereits im Frühjahr 2022 bestätigte das US-Unternehmen, dass Spiele auf Basis der Unreal Engine 5 in der Entwicklung sind. Die fünfte Version der Unreal Engine gilt als der nächste Quantensprung in der Darstellung virtueller Welten und ihrer Bewohner. Kommende Titel wie der nächste Teil der „The Witcher“-Saga von CD Projekt RED, Obsidians Rollenspiel „Avowed“ oder das kommende „BioShock“ verwenden diese Technik. Die Unreal Engine 5 könnte gerade in Bezug auf die PlayStation VR2 zu einem wahren Gamechanger avancieren. Aber schafft es Sony auch, das kommende VR-Headset mit Technik und Games aus der Nische in den Mainstream zu führen? Auf jeden Fall könnte es gelingen, diese Nische zu erweitern und VR so stärker in der Gesellschaft zu verankern. Mit einer Hardware-Basis von über 25 Millionen verkauften PS5-Geräten und im Konsolensektor fehlender Konkurrenz stehen die Chance zumindest gut, dass PlayStation VR2 die Marke noch stärker verankert und obendrein – aufgrund der neuen Hardware-Möglichkeiten – die Tech-Freaks stärker anspricht als der Vorgänger. Die Erweiterung der bisherigen Zielgruppe ist somit überaus wahrscheinlich. Vor allem dann, wenn Sony auf die großen Eigenproduktionen setzt. Und in diesem Fall wäre es selbst in der Nische doch ganz schön! (ob/bpf)