Es gibt Karrieren in der Games-Branche, die sind geradezu vorgezeichnet, unvermeidlich, alternativlos – bei Jan Binsmaier trifft das in jedem Fall zu: "Mir war bewusst, dass ich da rein will – und über ein Scheitern habe ich erst gar nicht nachgedacht. Wäre ich im ersten Schritt gestolpert, hätte ich es an anderer Stelle wieder versucht. Und wieder. Ich kann sehr stur sein, wenn ich etwas wirklich will."
Begonnen hat seine Laufbahn bereits 1993 als freier Journalist bei Ziff-Davis. 1997 wechselte er zur Power Play, wurde 1999 Chefredakteur des damaligen Kultmagazins Video Games und baute 2000 das Webangebot PowerPlay.de auf. 2001 ging Binsmaier zu Amazon und wurde dort Senior Account Manager. Danach ging es 2006 zum Münchner Film-Publisher EuroVideo – dort hatte er ab 2008 drei Jahre Zeit, um die Games-Publishing-Unit aufzubauen. Das funktionierte. 2016 dann der Schritt zu THQ Nordic: "Zurückblickend waren meine schönsten Momente, dass ich bei allen meinen Arbeitgebern das Vertrauen bekommen habe, meinen eigenen Weg zu gehen. Das ist schon außergewöhnlich und dafür bin ich sehr dankbar", sagt Binsmaier.
Gerade weil ihm auch bei Rückschlägen nie die Rückendeckung seiner Vorgesetzten versagt blieb, wundert es ihn, dass es in der deutschen Branche immer noch in weiten Teilen keine Fehlerkultur gebe: "Wir arbeiten in einer Hochrisikobranche – wer da nichts wagt, wird nie etwas Großes erreichen. Natürlich gilt es, Risiken zu minimieren und vor allem, nicht wild zu zocken. Also mit fremdem Geld, mit Arbeitsplätzen oder Reputation. Wenn wir einen Schritt weiter gehen wollen und bekannte Pfade verlassen, um neue Wege zu beschreiten, werden wir aber zwangsweise auch Fehler machen. Aus denen wir lernen und uns weiterentwicklen können. Und das ist etwas Gutes und nichts Schlechtes. Wer seinen Mitarbeitern vermittelt, dass die Fehlervermeidung das Wichtigste ihrer Arbeit ist, hat vollkommen versagt. Denn das erstickt jeglichen Fortschritt, Innovation und Verantwortungsbewusstsein."
Ich habe bei allen meinen Arbeitgebern das Vertrauen bekommen, meinen eigenen Weg zu gehen
Seit fast fünf Jahren ist der Neu-Wiener als Publishing Director für das Sortiment der Wiener Zentrale von THQ Nordic tätig. Und das Sortiment an PC- und Konsolen-Marken ist gewaltig: Destroy All Humans!, ELEX, Desperados, Darksiders, Spellforce und Dutzende weitere – im Mai folgt Biomutant. THQ Nordic ist somit der komplette Gegenentwurf zu US-amerikanischen Publishern, die pro Jahr zweieinhalb Produkte auf den Markt bringen.
Es läuft gut für die Konzernmutter Embracer Group. Binsmaier bewundert aber vor allem bei seinem direkten Arbeitgeber THQ Nordic, dass das Unternehmen den Aufbau einer langfristig erfolgreichen Firma – auch bewusst zum Wohle der Mitarbeiter und deren Familien – einem "Shareholder Value" vorzieht. Es gebe große Freiheiten – dennoch werde man auch "ordentlich gefordert". In seiner aktuellen Funktion freut er sich besonders, wenn er einem Entwickler die Botschaft überbringen darf, dass man gemeinsam ein Projekt umsetzen wolle: "Die Freude in den Gesichtern ist wunderschön."
Im Herzen ist Jan Binsmaier ein echter Gamer: Allein im Strategiespiel XCOM 2 hat er laut Steam-Statistik 866 Stunden auf der Uhr – "und ich bin mir sicher, dass das noch mehr wird." Sehr viel mehr Zeit hat er in seinem Lieblingsspiel World of Warcraft verbracht: Dort habe er viele nette Menschen kennen gelernt – daraus seien über die Jahre enge und wichtige Freundschaften entstanden. Mit Freunden und seinen Kollegen genießt er gerne die warme Wiener Sonne im Biergarten oder "Schanigarten", um über 1.001 Dinge zu reden. Ansonsten kocht Binsmaier leidenschaftlich gerne und hat zwei Motorbootpatente gemacht – er kann es kaum abwarten, wieder über die Donau zu flitzen. Sobald es die Lockdowns zulassen, hat er schon konkrete Pläne: "Kroatien. Motorboot fahren. Die Küste entlang nach Süden. Jeden Abend in einem anderen Hafen festmachen. Gut essen und trinken. Am liebsten mit Freunden – aber zur Not auch alleine." Auch auf berufliche Reisen freut er sich – auch wenn er Anfang 2020 ganz glücklich gewesen sei, dass man "nicht wie jedes Jahr zu den gleichen Messen in die gleichen Städte wie jedes Jahr reisen musste". Doch genau diese Routine und die Branchenkollegen vermisst er inzwischen schon wieder sehr.
Und wo wäre Binsmaier, wenn er nicht in der Games-Industrie gelandet wäre? Er würde immer noch versuchen, da ‚reinzukommen'. "Sagte ich schon, dass ich sehr stur sein kann, wenn ich etwas wirklich will?" (pf)