Appetitmacher: Worauf es bei der Trailer-Produktion ankommt

Kaum etwas elektrisiert die spielenden Massen so sehr wie ein gut gemachtes Video zu einem neuen Game. Ob nun Announcement-, Teaser-, Gameplay-, Story-, Feature- oder Launch-Trailer: Sie alle schüren den Hype, der im besten Fall in eine Vorbestell- bzw. Kaufentscheidung mündet. Doch worauf kommt es eigentlich bei Produktion und Komposition von Game-Trailern an? Und welche Trends zeichnen sich ab? Darüber haben wir mit Fachleuten gesprochen.
Image
© 5PH /elements.envato.com
© 5PH /elements.envato.com

So ziemlich jeder, der Games liebt, hat ein paar ganz besondere Trailer-Erinnerungen parat. Trailer, die beim ersten Betrachten (und vielleicht auch noch später) eine Gänsehaut verursacht haben. Die so episch waren, dass man am liebsten sofort losgespielt hätte – wäre das Game zu dem Zeitpunkt schon verfügbar gewesen. Beispiele für großartige Trailer gibt es zur Genüge: Man denke nur an den dreiminütigen AC-Revelations-Trailer von 2011, in dem der gealterte Ezio zur Musik von Woodkid eine letzte große Schlacht schlägt. Oder auch den Announcement-Trailer zu Red Dead Redemption 2 aus dem Jahre 2016, der nahtlos von beschaulichen Naturaufnahmen zu einem wild entschlossenen Arthur Morgan übergeht („When the time comes, you gotta run and don‘t look back.“). Oder natürlich der Trailer zum (leider nie erschienen) Dead Island 2, in dem sich ein selbstoptimierungsversessener Jogger schrittweise in einen Zombie verwandelt ...

Man könnte hier noch viele weitere Trailer-Highlights aufzählen. Uns interessiert jedoch der Blick hinter die Kulissen: Wir wollen wissen, was einen gelungenen Trailer eigentlich ausmacht – und vor allem, welche Herausforderungen die Trailer-Produktion und -Platzierung mit sich bringen. „Unsere Mission ist es, filmische Inhalte zu erstellen, die Spiele in den Mittelpunkt rücken“, sagt Ben Lavery, Studio Head bei Trailer Farm in London. Das Studio zählt zu den renommiertesten Trailer-Produzenten der Welt: Zu seinen Kunden zählen unter anderem Bandai Namco, Microsoft, Epic Games, Gearbox und Devolver Digital. Trailer Farm wurde 2011 gegründet und 2018 von den Keyword Studios übernommen; heute umfasst das Team rund 35 Fachkräfte und wird bei Bedarf um weitere SpezialistInnen aufgestockt. „Trailer Farm übernimmt jeden Aspekt der Trailer-Erstellung: von der Konzeption über Produktion und Post-Produktion bis hin zu kreativen Audio-Diensten, Lokalisierung und Asset-Verteilung“, erläutert Lavery. „Zusätzlich zur Content-Produktion – ob nun in Spielen oder als Werbung – werden wir häufig auch gebeten, In-Game-Sequenzen zu erstellen und Ideenfindung und Entwicklung von Spielen zu unterstützen. Das kann alles Mögliche sein – von Storylines über Character-Entwicklung bis hin zu Spielmechaniken.“ Mit am bekanntesten ist das Studio für seine Hochglanz-Cinematics. Diese können entweder vorgerendert sein – wie beispielsweise der Trailer zum Roblox-Hit Adopt Me von Uplift Games. Oder sie basieren auf der Engine des jeweiligen Spiels – wie etwa der So-Happy-Together-Trailer zu Borderlands 3, mit dem das Studio 2019 einen Clio Award gewann. Allein im Youtube-Kanal „GameSpot Trailers“ hat das Video bis heute rund 750.000 Views eingesammelt.

Spezialisten für die Unreal- und die Unity-Engine

Breit gefächert
Das Service-Portfolio von Trailer Farm ist breit gefächert. „Wir sind Spezialisten für die Unreal- und die Unity-Engine“, berichtet Lavery. „Wir übernehmen alles von der Umgebungserstellung über Character-Modelling, Motion-Capture, Hand-keyed Animation, Rigging, Kameraführung, Beleuchtung und VFX bis hin zum Grading – bevor wir die Arbeit in Echtzeit rendern.“ Bei einigen Titeln liefert das Studio nur einzelne Kampagnen-Trailer. In anderen Fällen aber – zum Beispiel bei Fall Guys – arbeitet es eng mit den Entwicklern zusammen, um die Marke aufzubauen. „Unser Team arbeitet dann an sämtlichen Trailern und erstellt benutzerdefinierte Assets und Shader, die zu jeder neuen Season passen“, so Lavery. Ein weiteres Spezialgebiet des Londoner Studios ist Gameplay-Capture: Das Team tüftelt für die Trailer ausführlich an Kamerabewegungen und Choreografie, um ein möglichst cineastisches Erlebnis zu bieten. Beim Capturing wird das User Interface des Spiels entweder entfernt oder dringelassen – je nachdem, wie originalgetreu die Spielerfahrung abgebildet werden soll. „In jedem Fall enthalten alle unsere Gameplay-Trailer Schlüsselinformationen über das Spiel, um das Gameplay authentisch zu veranschaulichen“, betont Lavery.

Ein zunehmend wichtigeres Kriterium in der Trailer-Produktion ist die Authentizität. Schaut man sich in der Videospielgeschichte um, dann stellt man fest, dass der Effekt so manchen Hochglanz-Trailers nach hinten losging – weil er Dinge versprach, die das Spiel nicht halten konnte. (We‘re looking at you, Aliens: Colonial Marines.) „Große Cinematics und CGs haben immer noch ihre Berechtigung“, sagt Lavery. „Aber seit die Trailer stärker daraufhin überprüft werden, ob sie eine authentische Spielerfahrung vermitteln, sind Narratives mit Gameplay-Capture unverzichtbar geworden.“ Solche Gameplay-Sequenzen können hochgradig choreografiert sein und eine virtuelle Film-Crew erfordern. „Allerdings braucht man für Game-Capture ein Spiel mit ausgefeilter Grafik – und genau das ist zu einem frühen Entwicklungszeitraum noch nicht vorhanden“, sagt Lavery. In solchen Fällen lässt Trailer Farm seine Technical Artists von der Leine, die dann häufig mit dem Game-Build des Kunden arbeiten – gewissermaßen als Verlängerung des Entwicklerteams. „Für uns bedeutet das auch, dass wir inzwischen häufig für die Cut-Scenes und die Intro-Sequenzen der Spiele verantwortlich zeichnen“, so Lavery.

Strikte Trennung von CGI-Sequenzen und der eigentlichen Spielegrafik

Trennschärfe
Authentizität ist auch eines der zentralen Kriterien für Virgin Lands aus Würzburg-Rimpar. „Vor allem bei Trailer-Produktionen achten wir auf eine strikte Trennung von CGI-Sequenzen und der eigentlichen Spielegrafik“, sagt Geschäftsführer Tobias Weingärtner. „Wir werten in unseren Filmen die Szenen, die Ingame-Grafik darstellen, optisch nicht auf. So kann der Betrachter des Trailers stets eindeutig unterscheiden, welche Inhalte einerseits direkt aus dem Spiel stammen – oder andererseits aufwändig nachproduziert wurden.“ Seit seiner Gründung vor knapp 25 Jahren hat Virgin Lands an etlichen Games mitgewirkt. „Wir haben unter anderem zahlreiche Gebäudegrafiken für die Anno- und die Siedler-Reihe von Ubisoft produziert“, berichtet Weingärtner. In jüngerer Vergangenheit produzierte die Firma auch diverse Trailer für das Strategiespiel Shadow Tactics von Daedalic Entertainment und mehrere Spots zu Forge of Empires und Elvenar von Innogames. Das Portfolio von Virgin Lands ist umfangreich: „Wir konzipieren und produzieren Trailer, TV-Spots, In-Game-Cinematics sowie Cover- und Marketing-Artworks“, zählt Weingärtner auf. „Außerdem erstellen wir 2D-In-Game-Grafiken und 3D-Realtime-Assets.“ Während TV-Spots in der Regel 30 Sekunden laufen und ein Trailer zwei Minuten umfasst, sind Ingame-Cinematics natürlich deutlich aufwändiger – bis hin zu Lauflängen von 45 Minuten, die auf verschiedene Sequenzen verteilt werden. Um die unterschiedlichen Anfragen zu bedienen, beschäftigt Virgin Lands derzeit 13 festangestellte GrafikerInnen. Bei Produktionsspitzen arbeitet es mit einem Pool an Freelancern zusammen.

Aus Sicht von Weingärtner erlebt die Trailer-Produktion momentan mehrere Trends. Zum einen würden die Inhalte immer detaillierter und aufwändiger, also realistischer. Zum anderen wird die Trailer-Produktion von den Plattformen geprägt, auf denen die Videos ausgespielt werden. „Noch vor fünf Jahren wurden unsere Inhalte überwiegend im Fernsehen innerhalb von Werbeblöcken ausgestrahlt“, so der CEO. „Inzwischen werden Trailer und Spots viel mehr in Social-Media-Kanälen veröffentlicht.“ Sendezeit im Fernsehen sei sehr teuer – auf Social-Media-Plattformen hingegen können man ein bestimmtes Publikum sehr viel fokussierter und finanziell günstiger ansprechen. „Das bringt den schönen Nebeneffekt, dass wir neuerdings wesentlich mehr Trailer auch für kleinere Spieleproduktionen erarbeiten dürfen“, freut sich Weingärtner.

Inhouse-Produktion
Firmen wie Trailer Farm und Virgin Lands sind auf Auftragsarbeiten spezialisiert. Es gibt aber natürlich auch Publisher, die ihre Trailer-Produktion selbst koordinieren. Ein Beispiel ist Aerosoft aus Paderborn, das sich auf Simulationen und Strategiespiele spezialisiert hat. Wir wollen von Maarten Janello wissen, was einen gelungenen Trailer auszeichnet – er ist CEO von Gamebot und als Produktmanager von Aerosoft für die Video-Produktion zuständig. „Es gibt viele unterschiedliche Inhalte für einen qualitativ hochwertigen Trailer“, sagt Janello. „Ob der Trailer am Ende des Tages dann gelungen ist, misst sich für uns am Erfolg. Wie kam der Trailer in der Community an? Wie viel Aufmerksamkeit wurde in den relevanten Zielgruppen generiert? Wie viral ging der Trailer und wer hat darüber berichtet?“ Vermeidbare Fehler seien lange Intros, starkes Overselling, zu wenig Gameplay-Aufnahmen, fehlende „Calls to Action“ und Trailer, die nicht ohne Sound funktionieren.

Die Trailer, die Aerosoft produziert, sind je nach Genre sehr unterschiedlich. „Bei unseren Simulationstiteln stehen unsere Fahrzeuge und Spielwelten im Fokus“, berichtet Janello. „Unsere SpielerInnen achten dabei extrem auf Details und wünschen sich eine möglichst authentische, optische sowie funktionale Wiedergabe der ‚echten Welt‘.“ Das könne beispielsweise ein detailgetreuer Nachbau von Berlin oder auch die Änderungen an den Frontscheinwerfern beim neuen Busmodel sein. „In der Praxis bedeutet das für uns, im Trailer das ‚echte Fahrgefühl‘ einzufangen und mit Funktionstiefe und thematischen Besonderheiten zu unterstreichen“, so der Experte. Bei Aerosofts Strategietiteln hingegen liege der Fokus klar auf dem Gameplay. Janello zählt die entscheidenen Vorabfragen auf: „Was ist das Besondere an diesem Titel? Und wie unterscheidet er sich von den vielen anderen Titeln in diesem Bereich?“ Hier müsse gleich zu Beginn das Setting skizziert werden, um dann – anhand von Gameplay-Aufnahmen – den Core-Loop darzustellen. „Im Optimalfall gelingt es uns zusätzlich, die vielen strategischen Möglichkeiten und die Spieltiefe aufzuzeigen“, sagt Janello. „Und beim Zuschauer den Wunsch zu wecken, selbst in diese Welt abzutauchen.“

Fahrzeuge und Spielwelten im Fokus

Mehrstufiger Prozess
Wie aber sieht die konkrete Produktion eines solchen Aerosoft-Trailers aus? „Gemeinsam mit dem Entwickler starten wir mit einem groben Skript für den jeweiligen Trailer“, erzäht Janello. „Anhand des Skripts werden dann die benötigten Aufnahmen erstellt, welche im Anschluss gesammelt an einen unser externen Partner zur Trailer-Erstellung gegeben werden.“ Dann werden die Aufnahmen gesichtet und einzelne Szenen bei Bedarf gezielt nachproduziert – entweder durch Aerosoft oder durch die Entwickler. „Zusätzlich folgt dann die Musikauswahl und darauf abgestimmt der Schnitt, die Nachbearbeitung einzelner Szenen sowie Soundeffekte – und je nach Trailer animierte Texte, Voice Overs und natürlich die Endcard“, erläutert Janello. „Im Laufe der Produktion diskutieren wir erste Variationen natürlich intern, mit den Entwicklern und ausgewählten Influencern, um die verschiedenen Perspektiven mit einfließen zu lassen.“

In den letzten Jahren hat sich das Echo auf neue Trailer deutlich verstärkt. Der Grund: Die vielen neuen Social-Media-Kanäle. Wie geht Aerosoft mit dem geballten User-Feedback um? „Natürlich lesen wir bei den Kommentaren zu unseren Trailern mit und versuchen uns ständig weiterzuentwickeln“, sagt Janello. „Immer wieder kommen uns dabei neue Ideen oder bestimmte Aspekte, auf die wir in Zukunft genauer eingehen wollen.“ Gerade auch als Stimmungsbarometer für die Weiterentwicklung einer Marke sei dieses Trailer-Feedback enorm wichtig. (Achim Fehrenbach)

In der kommenden Ausgabe (IGM 04/2022) widmen wir uns einem weiteren Instrument der Hype-Erzeugung – nämlich Game-Demos.

IGM 03/22
Gespräch mit Julia Pfiffer, Co-Geschäftsführerin der astragon Entertainment GmbH, über ihre Beweggründe, in den game-Vorstand einzutreten, die Übernahme durch…
Black Forest Games zählt zu den wichtigsten Entwicklerstudios in Deutschland. Die THQ-Nordic-Tochter hat sich mit Titeln wie Giana Sisters: Twisted Dreams und…
Warum machen manche Games eigentlich mehr Spaß als andere? Nun, das hängt natürlich vom persönlichen Geschmack ab. Aber es hilft auch, wenn ein Game die…