Julia Pfiffer: „Endlich wieder mehr Zeit für die Dinge, die uns Spaß machen“

Gespräch mit Julia Pfiffer, Co-Geschäftsführerin der astragon Entertainment GmbH, über ihre Beweggründe, in den game-Vorstand einzutreten, die Übernahme durch Team17 und die Strahlkraft von Spielen made in Germany.
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Julia Pfiffer, astragon

IGM: Julia, beginnen wir mit deinem Engagement beim game-Verband. Was genau hat dich bewogen, in den Vorstand einzutreten?

Julia Pfiffer: Der game hat in den vergangenen Jahren viel bewegen können. Seit dem Zusammenschluss der beiden Verbände konnten in vielen Bereichen wichtige Fortschritte erzielt werden: von der Games-Förderung bis zur gamescom. Diesen Weg möchte ich künftig gerne noch stärker mitgestalten. Daher bin ich sehr froh, jetzt Teil des Vorstands zu sein.

IGM: Du sagtest unlängst, du wollest deine Ideen in die Vorstandsarbeit einbringen. Ist frischer Wind vonnöten?

Pfiffer: Der game-Vorstand leistet super Arbeit! Klar ist aber auch, dass ein regelmäßiger Wandel gut ist, denn damit werden auch immer wieder andere und neue Perspektiven berücksichtigt.

IGM: Wo siehst du primären Handlungsbedarf? Welche Aufgaben stehen an?

Pfiffer: Wir wollen den Games-Standort Deutschland insgesamt weiter stärken. Denn auch nach den Erfolgen der vergangenen Jahre gibt es hier noch jede Menge zu tun, etwa bei der Games-Förderung, den Möglichkeiten für Gründerinnen und Gründer sowie beim Thema Fachkräfte. Außerdem arbeiten wir derzeit intensiv daran, die gamescom als Hybrid-Event Ende August zu dem Erlebnis zu machen, das wir alle so lieben und in den vergangenen zwei Jahren vermisst haben. Und bei mittlerweile 350 Mitgliedsunternehmen gehen uns die Aufgaben und Themen so schnell auch nicht aus.

Uns gehen die Aufgaben und Themen so schnell nicht aus

IGM: Bei euch ging es in letzter Zeit Schlag auf Schlag. Personelle Zuwächse haben das Unternehmen auf 50 Mitarbeiter anwachsen lassen, dann die Fusion der astragon Entertainment GmbH mit der astragon Sales & Services GmbH, und nun die Übernahme durch Team17. Ist Verbandsarbeit da nicht eher ein Zeitfresser und Stein am Bein?

Pfiffer: Ich verstehe deine Nachfrage, ob eine ehrenamtliche Tätigkeit wie die eines game-Vorstandes dauerhaft neben dem eigentlichen Job geleistet werden kann. Wie bei den anderen Vorstandskolleginnen und -kollegen ist das natürlich eine zusätzliche Mehrarbeit, für die wir gerne Zeit investieren. Nur so können wir unsere gemeinsam gesteckten Ziele erreichen. Das gilt für den Verband, aber auch für astragon Entertainment. Und wenn ich so auch noch den Frauenanteil im game-Vorstand vergrößern kann, umso besser.

IGM: Kommen wir zu besagter Übernahme durch Team17, die für Außenstehende durchaus überraschend kam. Ganz plakativ gefragt: Wieso, weshalb, warum?

Pfiffer: Wir möchten weiter wachsen, und Team17 ist für uns der richtige Partner, der uns auf diesem Weg und dem Ausbau unseres Simulationsportfolios unterstützen kann. Sie teilen die gleiche Vision, die wir für unsere Produkte und unsere Zielgruppen haben.

IGM: Verkauft wurde astragon durch die bisherigen Gesellschafter André Franzmann und Dirk Walner sowie die FFF Beteiligungs GmbH. Inwieweit wurdest du in Entscheidungsprozesse involviert?

Pfiffer: Die bisherigen Gesellschafter haben Tim Schmitz und mich von Anfang an maßgeblich in den Prozess eingebunden. Klar war, den richtigen Partner für uns zu finden, welcher uns als Unternehmen insgesamt, die Strategie dahinter und unsere Produkte entsprechend versteht.

IGM: Was passiert mit der Belegschaft? Übernimmt Team17 alle Mitarbeiter?

Pfiffer: Team17 hat uns für das gekauft was wir sind – dazu zählen nicht nur der Erfolg des Unternehmens in den letzten Jahren oder die starken Own-IPs, sondern vor allem unser versiertes Team. Es bleiben nicht nur alle Stellen bei astragon erhalten, wir werden auch weiter wachsen. Dabei legen wir wie bisher auch besonderen Wert auf bedachtes und organisches Wachstum, um unsere Kultur beizubehalten.

IGM: Der Kaufpreis beträgt 100 Millionen Euro, gesplittet auf 75 Millionen Vorabzahlung und erfolgsabhängige Prämien, die zu den 100 Millionen führen können. Der Erfolgsdruck nimmt also nicht gerade ab …?

Pfiffer: Erfolgsdruck ist im positiven Sinne ja immer da und war es auch schon davor, wir wollen unsere Spiele ja stetig verbessern, an die Bedürfnisse der Zielgruppen anpassen, voranbringen und neue Märkte erobern.

IGM: Für das Management gibt es einen 7,5 Millionen Euro schweren „Incentive-Plan“, der an bestimmte Bedingungen/Ziele gekoppelt ist. Worum handelt es sich hier im Detail?

Pfiffer: Bei dem Paket handelt es sich um eine Incentivierungsmöglichkeit bei Erreichung gewisser zukünftiger Ziele für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von astragon Entertainment sowie zukünftige Mitarbeitende – also nicht nur für das Management. Unser Team ist ein wichtiger Bestandteil des Unternehmens und der zukünftigen Strategie von astragon. Wenn wir unsere Ziele in Zukunft erreichen, sollen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen daran auch partizipieren. Weitere Details darf ich dir nicht verraten, dafür müsstest du schon bei uns anfangen. Meine Kontaktdaten hast du ja ...

IGM: Darüber muss ich in Ruhe nachdenken …
In unserem letzten Interview sagtest du, dass eure künftigen Schwerpunkte beim Ausbau bisheriger Marken, der Etablierung neuer IPs im Simulationsbereich und der Akquise neuer Markenlizenzen lägen. Ein Unterfangen, das mit frischem Geld nun an Geschwindigkeit gewinnt?

Pfiffer: Wir verfolgen eine langfristige Unternehmens- und Projektplanung und freuen uns daher schon darauf, in den kommenden Wochen und Monaten das ein oder andere bereits in Entwicklung befindliche Simulations-Highlight für das laufende Jahr 2022 ankündigen zu können. Aber natürlich besteht die Möglichkeit, dass einige Prozesse durch die Zusammenarbeit der Gruppe beschleunigt oder vereinfacht werden.

 

Langfristige Unternehmens- und Projektplanung

IGM: Was ändert sich generell für dich nach der Übernahme? Das Geld ist auf dem Konto, nur die Unabhängigkeit ist futsch ...

Pfiffer: Wir haben endlich wieder mehr Zeit für die Dinge, die uns Spaß machen – der Verkaufsprozess über die letzten Monate war dann doch etwas zeitintensiver. Wir sind ein unabhängiges „Vertical“ innerhalb der Gruppe, was uns entsprechende Freiheiten gibt, jedoch auch die Möglichkeit, sinnvoll Synergien zu nutzen.

IGM: Laut Pressemitteilung ist euer Ziel, die Nummer eins im Bereich der „Arbeits“-Simulationsspiele zu werden – ein Gebiet, das für Team17 quasi Neuland darstellt. Ist es nicht eher ein Nachteil, wenn ein Käufer wenig bewandert ist im Tätigkeitsbereich des gekauften Unternehmens?

Pfiffer: Die Team17 Group schätzt astragon Entertainment genau wegen unserer langjährigen Expertise in diesem Genre, das ihr Portfolio nun ergänzt und neue Gruppen von Spielefans aller Altersklassen anspricht. Wir freuen uns sehr, einen Partner gefunden zu haben, der auf unsere Vision vertraut und bereit ist, uns bei deren Umsetzung zu unterstützen.

Ein Partner, der auf unsere Vision vertraut

 
IGM: Wie geht es nun weiter? Was sind eure nächsten Schritte?

Pfiffer: Wir werden wie zuvor auch stetig an unseren Schwerpunktthemen wie dem Ausbau bisheriger Marken, der Etablierung neuer IPs im Simulationsbereich, Internationalisierung und der Akquise neuer Markenlizenzen arbeiten.

IGM: Wo siehst du generell die Zukunft insbesondere für unabhängige deutsche Publisher/Entwickler? Wird es hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit ohne Investments ausländischer Firmen bald nicht mehr gehen – frei nach dem Motto „Geld schießt eben doch Tore“?

Pfiffer: Das kann man pauschal nicht sagen. Tatsächlich ermöglicht die Games-Förderung des Bundes und der Länder endlich weniger risikoreiches Planen, gerade für kleinere Entwicklungsstudios. Dadurch können Investment-Entscheidungen vor allem von den strategischen Zielen abhängig gemacht werden – und so sollte es ja auch sein.

IGM: Abschließend: Der game-Verband pocht ja gerne darauf, die Interessenvertretung der deutschen Games-Branche zu sein. Deutsche Spiele aus deutschen Landen von deutschen Unternehmen. Wäre es nicht eine sinnige erste Amtshandlung von dir, wenn du den Damen und Herren in Berlin erklären könntest, dass die Realität „international“ heißt?

Pfiffer: Das weiß der game natürlich. Und wenn wir im Verband vom Games-Standort Deutschland reden, dann bezieht das die internatio­nale Perspektive der Unternehmen selbstverständlich mit ein. Schließlich ist uns auch die internationale Strahlkraft von Spielen bewusst, die am Games-Standort Deutschland entwickelt werden. Hinzu kommt: Nur weil ein großer Anteil am Umsatz im Ausland erwirtschaftet wird, heißt es ja nicht, dass wir hier in Deutschland keine besseren Standort-Bedingungen brauchen. Im Gegenteil: Ich denke, die gamescom ist ein gutes Beispiel für die Verbindung des Games-Standortes Deutschland mit der Welt. Sie hat zwar hier in Deutschland ihr Zuhause, begeistert aber weltweit Menschen und bringt diese zusammen. Gleichzeitig ist die gamescom ein wichtiges Aushängeschild für Deutschland. Davon brauchen wir noch mehr Beispiele. Daher ist es wichtig, dass wir hierzulande wettbewerbsfähige Bedingungen schaffen, damit mehr deutsche Unternehmen auf internationaler Ebene vorne mitspielen können. Und genau hier spielt der game eine große Rolle. Das zeigen die Erfolge der vergangenen Jahre, mit denen wichtige Weichenstellungen für die Zukunft gelungen sind. (Marius Hopp)

IGM 03/22
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