Sarah Cavoleau-Traub: „HR benötigt klare Strukturen“

Black Forest Games zählt zu den wichtigsten Entwicklerstudios in Deutschland. Die THQ-Nordic-Tochter hat sich mit Titeln wie Giana Sisters: Twisted Dreams und Destroy All Humans! einen Namen gemacht. Momentan arbeitet das Team im badischen Offenburg am Klassiker-Remake Destroy All Humans! 2 – Reprobed, das unter anderem mit Bundesmitteln gefördert wird (vgl. IGM 01/2022). Wie findet man für ein solch großes Studio die richtigen MitarbeiterInnen? Darüber sprachen wir mit HR-Managerin Sarah Cavoleau-Traub.
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Copyright: Benjamin Roos
Sarah Cavoleau-Traub, Black Forest Games
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Fast hundert MitarbeiterInnen, 20 Prozent davon aus dem nahen Elsass: Black Forest Games (BFG) hat ein sehr internationales Team. HR-Managerin Sarah Cavoleau-Traub ist in Stuttgart geboren und in Deutschland und Frankreich aufgewachsen. Sarah ist vielschichtig ausgebildet: Zunächst studierte sie fünf Jahre Cognitive and Behavioral Psychology an der Universität Strasbourg, dann arbeitete sie zwei Jahre als Psychologin, bevor sie einen weiteren Master (Business Administration) an der EM Strasbourg Business School nachlegte. Von der therapeutischen Psychologie wechselte Sarah zu einer Recruiting-Agentur und dann in die HR-Abteilung einer Energiefirma. Bei Black Forest Games (BFG) arbeitet sie seit November 2021. Ein Gespräch über knappe Fachkräfte, harte Entscheidungen und Künstliche Intelligenz.

IGM: Sarah, was sind deine Aufgaben als HR-Managerin bei BFG?

Sarah Cavoleau-Traub: Meine Aufgaben sind vielfältig. Meistens geht es um den Employee Lifecycle – das reicht von Recruiting über Onboarding, Learning, Weiterbildung und HR-Administration bis hin zum Offboarding. Dazwischen bin ich auch Ansprechpartnerin für alle HR-Fragen der MitarbeiterInnen, bearbeite arbeitsrechtliche Themen und baue Prozesse und Strukturen auf.

IGM: Welche Qualitäten braucht man grundsätzlich als HR-ManagerIn?

Cavoleau-Traub: Flexibilität, Service-Orientierung und Organisationstalent sind die Qualitäten, die mir als erste einfallen. Flexibilität deshalb, weil es um Menschen geht und oft Unerwartetes passiert. Service-Orientierung, weil man sowohl interne KundInnen – also die MitarbeiterInnen – als auch externe KundInnen hat. Aktives Zuhören gehört auch dazu, den manchmal muss man zwischen den Zeilen lesen können.

IGM: Du hast ja vorher schon bei anderen Unternehmen gearbeitet. Geht es bei HR in der Games-Branche irgendwie lockerer zu?

Cavoleau-Traub: Die Gaming-Branche hat zwar den Ruf, lockerer zu sein. In Games-Firmen gibt es für HR aber die gleichen Herausforderungen wie in jedem Betrieb, der sich nach dem Arbeitsrecht richten muss. Man sollte schon flexibel sein und die Dinge locker angehen. Gleichzeitig benötigt HR aber klare Strukturen.

IGM: Wie sieht ein ganz normaler Tag in deinem Job aus?

Cavoleau-Traub: Wie bei allen anderen auch fängt der Tag mit einem Kaffee an (lacht). Der konkrete Tagesablauf hängt natürlich von der jeweiligen Firma ab – und wie dort die HR funktioniert. Für mich ist das zum Beispiel keine so einfache Frage, weil ich hier bei BFG gerade erst dabei bin, meinen Aufgabenbereich aufzubauen und Prozesse zu kreieren. Ich bin oft gerne früh im Office, um in Ruhe meine E-Mails lesen zu können. So kann ich ein bisschen sortieren, welche Prioritäten ich im Lauf des Tages setzen muss. Danach kommt oft Recruiting – also CV-Reviews und die Koordinierung von Vorstellungsgesprächen oder Feedback. Wenn alles gut läuft, folgen darauf Projektarbeit oder Recherchen zu bestimmten Themen, zum Beispiel Employer Branding. Zwischendrin erledige ich Verwaltungsaufgaben wie das Erstellen von Verträgen oder Änderungen am Zeitmanagement-Tool.

IGM: Worauf achtest du bei Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen am stärksten?

Cavoleau-Traub: Am meisten achte ich auf zwei Dinge: Erstens, wie gut eine BewerberIn vorbereitet ist – und zweitens, welche Social Skills sie besitzt. Die Vorbereitung fängt schon mit dem Bewerbungsschreiben selbst an – also mit der passenden Job-Bezeichnung und dem Lebenslauf. Ist eine BewerberIn gut auf das Vorstellungsgespräch vorbereitet, dann signalisiert das Interesse und Motivation. Recruiting ist aber auch Teamwork – man kann nicht alle technischen Infos im Lebenslauf auswerten, wenn man nicht selbst aus der Games-Branche ist. Deshalb ist ab dem zweiten Bewerbungsgespräch auch jemand aus dem jeweiligen Aufgabengebiet dabei. Ich achte im Gespräch meist mehr auf die Social Skills und zum Beispiel auch darauf, welche Wertvorstellungen die Bewerberin oder der Bewerber hat. Also auf die Frage: Würde unsere Unternehmenskultur zu dieser Person passen?

Ich achte im Gespräch meist mehr auf die Social Skills

 

IGM: Welche Fachkräfte sind momentan besonders schwer zu finden?

Cavoleau-Traub: Wir befinden uns heute in einem ArbeitnehmerInnenmarkt. BewerberInnen haben häufig viele Jobs zur Auswahl und gehen selektiv vor. Deshalb ist es heutzutage generell schwierig, Fachkräfte zu finden. Wir stellen derzeit in allen Bereichen ein, bei Code, Art, Design und Producing. Am schwierigsten ist es, Tech-ProgrammiererInnen und Technische Artists zu finden. Erstaunlich schwierig ist es auch, MitarbeiterInnen zu finden, die Personalführung übernehmen möchten.

IGM: Betreibt ihr Headhunting, um die knappen Fachkräfte zu verpflichten?

Cavoleau-Traub: Headhunting betreiben wir nicht. Wir arbeiten mit Agenturen zusammen, außerdem bewerben sich natürlich auch Leute bei uns. Es muss dann aber schnell gehen – das heißt, nach dem Erstgespräch können nicht zwei Monate verstreichen, bis BewerberInnen eine Antwort erhalten. Man muss regelmäßig Feedback geben, damit die Leute interessiert bleiben, und darf generell nicht zu lange für die Auswahl brauchen.

IGM: Rekrutiert ihr neues Personal auch von Hochschulen in der Region? Zum Beispiel aus Offenburg oder Furtwangen, wo man ja mit Games-Bezug studieren kann?

Cavoleau-Traub: Ja, wir rekrutieren auch von dort. Das sind aber vor allem PraktikantInnen und studentische Hilfskräfte. Von unseren fest angestellten MitarbeiterInnen kommen fünf von regionalen Hochschulen.

IGM: Als HR-Managerin ist man wahrscheinlich nicht „everbody‘s darling“ und muss teils harte Personalentscheidungen treffen. Wie gehst du damit um?

Cavoleau-Traub: HR hat einen schlechten Ruf. Das hat unter anderem mit den Abmahnungen und Kündigungen zu tun, die man hin und wieder treffen muss. Man sollte aber berücksichtigen, dass harte Entscheidungen nie allein und grundlos getroffen werden. Bevor es überhaupt zu solchen Entscheidungen kommt, wird häufig über die Probleme gesprochen und versucht, sie zu lösen. Das hilft dann auch dabei, in solchen Situationen die richtige Distanz zu wahren.

Harte Entscheidungen werden nie allein und grundlos getroffen

 

IGM: Ohne jetzt Namen zu nennen: In vielen großen Spielefirmen mangelt es an Diversität, auch kommen immer mehr Fälle von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch ans Tageslicht. Wie kann HR zu einer nicht-toxischen Unternehmenskultur beitragen?

Cavoleau-Traub: Das ist ein komplexes Thema. HR kann dabei auf verschiedenen Ebenen eine Rolle spielen. Grundsätzlich sollte man sich an die HR-Abteilung wenden können, wenn Fälle toxischer Unternehmenskultur auftreten – zum Beispiel, wenn es um Diskriminierung oder Belästigung geht. Solche Fälle müssen seriös und vertraulich behandelt werden – das Thema darf auf keinen Fall unter den Teppich gekehrt werden. Wichtig ist: Toxicity betrifft das gesamte Unternehmen. Jede Abteilung, jeder Manager und jeder Arbeitnehmer kann und sollte zu einer gesunden Unternehmenskultur beitragen. HR ist in diesem Fall für mich ein Baustein, der aber alleine nur sehr selten ausschlaggebend ist – das haben die jüngsten Beispiele toxischer Unternehmenskultur in der Games-Branche gezeigt.

IGM: Was kann man konkret gegen Toxicity tun?

Cavoleau-Traub: Sehr wichtig ist, dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Nicht jeder ist sich darüber im Klaren, dass eigene Angewohnheiten doch nicht so unproblematisch sind, wie sie persönlich erscheinen. Andere Sichtweisen kann man beispielsweise durch Konferenzen über Diversität und Inklusion vermitteln – und dadurch auch Diskussionen fördern, bei denen man eigenes Verhalten infrage stellt. Außerdem muss es klare Regeln für einen respektvollen Umgang miteinander geben. Diese Regeln  sollten dann auch auf allen Ebenen umgesetzt werden – nicht nur in HR.

Für das Recruiting ist KI ein interessantes Add-on

 

IGM: Immer mehr Unternehmen nutzen KI für ihr Recruiting. Wie stehst du dazu?

Cavoleau-Traub: Das hängt davon ab, wie man KI einsetzt. Es gibt da viele verschiedene Möglichkeiten, zum Beispiel beim schnelleren Sourcing und Matching der Bewerbungen, beim Assessment der Interviews und bei der Optimierung von Stellenanzeigen. Aus eigener Erfahrung kenne ich das nur als Unterstützung in der Soft Skills Evaluation – und da funktionert es ganz gut. Ich denke, für das Recruiting ist KI ein interessantes Add-on – und gehört bestimmt zum Berufswandel dazu.

IGM: Was sind die Risiken?

Cavoleau-Traub: Zum Beispiel, dass KandidatInnen eine KI-Einstufung als zu unpersönlich empfinden und eine Distanz zu der Firma spüren, bei der sie sich bewerben. Oder auch, dass der Datenschutz und die Transparenz des Auswahlprozesses nicht hundertprozentig gewährleistet sind. Im Idealfall kann KI aber sogar dabei helfen, unbewusste Vorurteile und Diskriminierung im Recruitment zu reduzieren. Also: Wenn man damit arbeiten kann – warum nicht? Ab einem bestimmten Zeitpunkt des Recruiting ist ohnehin menschlicher Kontakt gefragt. (Achim Fehrenbach)

Eine Übersicht offener Stellen bietet Black Forest Games unter https://black-forest-games.com/career. Bewerben kann man sich über jobs [ät] bfgames [punkt] biz.

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