Interview mit Tom Burck, Chief Officer Customers & HR bei Gameforge

Von Aion bis OGame, von Metin2 bis Under a Rock: Die Gameforge AG zählt zu den größten deutschen Spielefirmen – und feierte kürzlich ihr zwanzigjähriges Jubiläum. Tom Burck ist bereits seit 18 Jahren für das Karlsruher Unternehmen tätig: Der 49-Jährige ist Chief Officer Customers & HR und zudem Mitglied der Geschäftsführung. Ein Interview über Zielgruppen, Unternehmens­kultur und KI.
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Tom Burck, Chief Officer Customers & HR bei Gameforge

IGM: Tom, Gratulation zum Firmenjubiläum! Welche eurer Games laufen derzeit am besten?

Tom Burck: Vielen Dank! Erstaunlicherweise die alten Klassiker. Metin2 ist immer noch unser stärkstes Spiel – dahinter kommen OGame, NosTale und Aion.

IGM: In welchen Weltregionen sind die Spiele besonders beliebt?

Burck: Wir haben eine große, weltweite Community, wobei es schon einzelne Schwerpunkte gibt, was Länder und Regionen angeht. Metin2 und OGame sind zum Beispiel in Deutschland und der Türkei unfassbar stark. Generell stark sind Europa – und teilweise auch die USA.

IGM: Wie groß ist eigentlich die Konkurrenz auf dem MMORPG-Markt?

Burck: Der MMORPG-Markt ist gar nicht so umkämpft, wie man glaubt. Es kommen zwar ganz viele neue Titel heraus. Viele SpielerInnen probieren die auch aus, gehen dann aber doch wieder zu ihrem alten Spiel zurück. Deswegen gibt es noch WoW, deswegen gibt es noch Metin2, das ist wirklich erstaunlich stabil. Auch wenn wir ein neues Spiel launchen, hat es das sehr schwer. Am Anfang herrscht ein Hype, die Spielerzahl steigt sehr stark an – und dann geht die Kurve wieder runter. Das hat man zum Beispiel bei New World von Amazon Games gesehen. Das war ja ein fantastischer Hype – und dann sind die Spielerzahlen wirklich krass eingebrochen. Wir glauben: Wenn man mal viel Zeit in ein bestimmtes MMORPG investiert hat, es wirklich gut kennt und auch immer wieder neuen Content bekommt, dann wird man sich eher nicht auf ein neues Spiel einzulassen, nochmal komplett von vorne starten und alles neu aufbauen. Wir haben eine sehr treue Community – das ist schon sehr schön.

IGM: Wie gewinnt man als Anbieter dann überhaupt noch neue SpielerInnen hinzu? Gibt es Zielgruppen, die ihr noch erschließen könnt?

Burck: Über Steam erreicht man natürlich viele User, aber oft nur kurz. Und Marketing über Steam ist nicht einfach. Mit klassischem Marketing und insbesondere auch Influencer-Marketing erzielt man durchaus Reichweite, wir fokussieren aber zunehmend auf kreative Marketing­ansätze, die auf der Nutzung verschiedener Kanäle basieren, um die relevanten Zielgruppen zu erreichen.

IGM: Mit welchen Influencern arbeitet ihr zusammen?

Burck: Wir haben ganz viele kleinere Influencer, die mit uns direkt zusammenarbeiten. Bei Metin2 heißen die „Ambassadors“. Das ist ein Programm, bei dem Influencer einen Rev Share oder Merch bekommen, wenn sie unser Spiel bewerben. Das sind meistens die, die sowieso schon das Spiel gestreamt haben. Die schreiben wir an, nach dem Motto: Wir versorgen euch mit Informationen, ihr bekommt ein bisschen was und wir bekommen dadurch mehr Streams. Micro-Influencing ist also ein Ding, das wir selbst machen – und ansonsten sind es halt die großen Influencer. Wenn man ein neues Spiel launcht, dann braucht man Traffic auf dem Spiel – und da kommt man an Agenturen kaum vorbei.

IGM: Manche MMOs haben ja sehr hohe Einstiegshürden – man denke nur an EVE Online. Wie hält es Gameforge in dieser Hinsicht?

Burck: Kommt auf das Spiel an. Bei unseren Bestandsspielen verändern wir den Einstieg kaum, allerdings hat OGame jetzt ein neues Tutorial bekommen. Bei den neuen Spielen ist das anders. Früher hat man sich ein Spiel gekauft, es heruntergeladen, sich dann drei Stunden hingesetzt und verschiedene Dinge ausprobiert. Das muss heute kein Spieler und keine Spielerin mehr aushalten. Es sollte in ein paar Minuten klar sein, was passiert, wie es funktioniert. Man wird sehr viel stärker durchs Spiel geführt.

IGM: Was ist eigentlich ein typischer Gameforge-Spieler oder eine Gameforge-Spielerin? Wie ist zum Beispiel die Altersstruktur?

Burck: Das Einzige, was unsere Spielerinnen und Spieler gemeinsam haben, ist die Freude an Spielen. Wir erfassen das Alter der User nicht, aber wir haben ModeratorInnen, die früher in den Foren tätig waren und jetzt auf Discord unterwegs sind. Diese ModeratorInnen laden wir einmal pro Jahr in eine Jugendherberge ein und feiern dort gemeinsam. Zu diesen Treffen kommen meistens zwischen 300 und 500 Leute – und altersmäßig ist alles dabei, von 18 bis 81.

IGM: Online kommuniziert ihr mit eurer Community auf Discord. Wo noch?

Burck: Wir nutzen die Spiele-Webseiten und Foren, um die Community über Neuigkeiten zu informieren und mit ihr zu interagieren, hinzu kommen die Social-Media-Kanäle, Angefangen hat es ja alles mit IRC und einem Forum. Ich vermisse IRC immer noch ein bisschen, das war eine tolle Zeit, inzwischen liegt der Fokus auf Social Media, also Instagram, Facebook und so weiter. Ganz viel findet auf Discord statt – das kristallisiert sich mehr und mehr als der Game-Community-Channel heraus, den man gut bedient, wo man auch einen guten Austausch und Kontakt hat. Bei den Jüngeren sind dagegen YouTube Shorts und TikTok super beliebt. Allerdings ist es sehr schwierig, drumherum eine Community aufzubauen, weil das eher eine Einwegkommunikation und sehr kurzfristig ist.

IGM: Wie würde man zum Beispiel die Vorteile von OGame auf TikTok kommunizieren?

Burck: Gute Frage. Wenn du es herausfindest, sag gerne Bescheid – dann machen wir TikTok-Werbung für OGame (lacht).

IGM: Klar, dieses kurze, hektische Format widerspricht dem, was ein eher ruhiges Spiel wie OGame ausmacht ...

Burck: Ja gut, wir haben auch schon für OGame hübsche CGI-Trailer gemacht. Auch die könnte man an TikTok anpassen, aber das wird dann halt die Erwartungen schlicht nicht erfüllen. Und das Schlimmste, was man bei Spielewerbung tun kann, ist, Erwartungen zu wecken, die dann gnadenlos enttäuscht werden. Das ärgert mich bei ganz vielen Mobile-Anzeigen.

 

500 Millionen registrierte User weltweit

 

IGM: Blicken wir ein bisschen auf eure Firmengeschichte. Was waren da die wichtigsten Etappen?

Burck: Unser erstes Spiel war OGame – das ist immer noch unsere DNA. Als das entstand und auf den Markt kam, waren wir als Firma super klein. OGame hatte Alexander Rösner, Mitgründer und CEO von Gameforge, noch alleine gelauncht, später hat er dann ein paar Leute dazugeholt, um Marketing und Lokalisierung zu machen. Das war erst mal sein Hobby – und dann hat man auf einmal Geld damit verdient. Dann kamen BiteFight und ein paar kleinere Browser-Spiele. Das Nächste war unser erstes Client-Spiel, Metin, das viel mehr Text hatte und auch lokalisiert werden musste. Das haben wir zunächst als Abo-Spiel rausgebracht, wir wollten damit WoW angreifen. Wir haben 5 Euro pro Monat verlangt, also die Hälfte von dem, was WoW gekostet hat. Das war allerdings ein grandioser Misserfolg. Weil das Spiel aber durchaus seinen Charme hatte und wir es schon übersetzt hatten, haben wir aus Südkorea die Möglichkeit übernommen, ein solches Spiel auch kostenlos anzubieten – und dann nur leichte Item-Sales zu machen. Das haben wir ausprobiert und es war ein unglaublicher Erfolg – die Spielerzahlen sind exponentiell gestiegen. Eine Zeitlang hatten wir in Europa mehr aktive SpielerInnen als WoW.

IGM: Wie ging es dann weiter?

Burck: Der nächste große Schritt war Aion. Ein wirklich wunderschönes Spiel, das schon sehr erfolgreich war, auch in Europa. Es war ein ziemlich großer Schritt, als wir den Deal unterzeichneten und das Spiel von einem Buy-to-Play-Abo-Modell zu einem Free-to-Play-Titel umbauten. Dann als Nächstes natürlich der Frogster-Deal. Wir haben den Markt damit schockiert, dass wir Frogster gekauft haben – und nicht umgekehrt, wie alle geglaubt hatten. Das waren die großen Veränderungen, die auch einen Impact auf die Firmenkultur hatten. Danach haben wir uns auf unser Kerngeschäft konzentriert und Spiele vermarktet, vertrieben und entwickelt. Jetzt, 20 Jahre nach Gründung, haben wir über 500 Millionen registrierte Nutzer weltweit, und neue, vielversprechende Spiele wie Under a Rock sind in der Pipeline.

IGM: Ihr habt als eines der ersten europäisches Unternehmen bei MMORPGs auf Free-to-play gesetzt. Wie hat sich dieses Geschäftsmodell der Branche in den letzten Jahren weiterentwickelt?

Burck: Das Free-to-Play-Modell hat über die Jahre – dank gut umgesetzter, fair ausbalancierter F2P-Titel – deutlich mehr Akzeptanz bei den SpielerInnen gefunden. Mittlerweile gibt es viele Vollpreistitel, die zusätzlich Microtransactions anbieten, was SpielerInnen oft nicht so gerne sehen – und das verstehe ich tatsächlich auch.

IGM: F2P war ja zunächst in Asien sehr stark. Wie wichtig ist der Kontinent überhaupt als Publishing-Markt für euch?

Burck: Es ist super schwer, da reinzukommen. Wir hatten mal OGame in Korea am Laufen, aber Korea schützt seinen Markt sehr. Da muss man sich dann registrieren und bei einem Board eine Lizenz beantragen – und das hat sich für das in Korea kleine OGame nicht gelohnt. Deswegen sind wir da eigentlich raus. Asien ist für uns derzeit mehr ein Sourcing-Markt als ein Publishing-Markt, auch wenn wir noch recht viele SpielerInnen aus Asien bei uns haben, die dann aber andere Sprachversionen spielen, in der Regel Englisch.

 

Die erste Übersetzung war unfassbar schwierig

 

IGM: Gameforge hat etliche Online-Rollenspiele aus Asien nach Europa gebracht. Was waren da die größten Herausforderungen?

Burck: Das Allererste war, das Spiel zu lokalisieren. Bei Metin2 haben wir noch Textdateien bekommen – und haben dann versucht, sie zu übersetzen, ohne den Kontext der einzelnen Übersetzungs-Keys zu haben. Die erste Übersetzung war unfassbar schwierig. Die nächste Herausforderung waren die koreanischen oder chinesischen Schriftzeichen. Der Platz, den der Entwickler dafür vorsieht, hat nichts mit dem zu tun, was ich auf Deutsch oder – noch viel mehr – auf Polnisch brauche. UTF-8 war ganz am Anfang überhaupt kein Standard – und die polnischen Zeichen haben jeden Code gebrochen, den es gab. Das waren also ganz klare technische Hemmschwellen. Denn wenn man ein Spiel übersetzt, übersetzt man keinen Fließtext – sondern der wird zusammengebaut. Und wie übersetze ich einen Artikel, wenn ich nicht weiß, ob das im Deutschen männlich, weiblich oder neutral ist? Das war wirklich, wirklich schwierig.

IGM: Das geht mittlerweile dank fortschrittlicher Lokalisierungssoftware besser?

Burck: Ja, die Lokalisierungssoftware hilft. Aber was noch viel mehr hilft, ist, dass die Entwickler inzwischen wissen, worauf sie sich einlassen, wenn sie ihr Spiel auch lokalisieren wollen. Da wird dann nicht mehr nur der reine Text mit dem Variablennamen angegeben, sondern es wird immer auch Kontext dazugegeben. Nach dem Motto: Hier passiert gerade das und das im Spiel – zum Beispiel, dass gerade zwei bestimmte Spielfiguren miteinander sprechen.

IGM: Experimentiert ihr auch mit KI?

Burck: Schon eine ganze Weile. Machine Translation gibt es schon wirklich lange, die wurde auch immer besser. Die neuen Large Language Models machen es manchmal einfacher, einen Text zu glätten und aufzuhübschen, lassen aber noch zu wünschen übrig – speziell bei Variablen im Text. Mit Satzbruchstücken kann die KI auch nicht unbedingt mehr anfangen als ein herkömmliches Translation-Tool. Allerdings tut sich da viel. Ich würde meinen Kindern nicht raten, Übersetzung zu studieren.

IGM: Large Language Models lassen sich ja beispielsweise auch für dynamische Dialoge im Spiel nutzen. Wie interessant ist das für euch?

Burck: Sehr interessant! Letztes Jahr haben wir begonnen, mit ChatGPT zu experimentieren – und das auch für uns entwickeln lassen. Allerdings war es dann nicht so disruptiv, wie wir ursprünglich dachten. Inzwischen ist es einfach ein Tool, das unsere MitarbeiterInnen effizienter macht. Wir können Dinge machen, die sich früher einfach nicht gelohnt hätten, weil sie zu aufwendig gewesen wären. An eine komplette Disruption glauben wir nicht mehr.

IGM: Wo hilft euch KI besonders?

Burck: Bei ganz viele Programmieraufgaben, die sich früher nicht gerechnet hätten. Hätten wir früher schon ChatGPT gehabt, dann hätten wir zum Beispiel ein Browser-Game nicht eingestellt, bloß weil es auf Flash läuft und wir es nicht mehr umschreiben wollen. KI-Tools steigern die Produktivität von Entwicklern enorm.

IGM: Dieses Jahr bringt ihr das Indie-Game Under a Rock heraus. Worum geht es da?

Burck: Das ist ein Survival-Game, das in einer Fantasy-Welt spielt. Es ist kein MMO, sondern ein Game mit weniger SpielerInnen – wahrscheinlich werden jeweils 20 bis 30 auf einem Server sein. Under a Rock wird ein Buy-to-Play-Titel sein, bei dem man wahrscheinlich nichts dazukaufen kann. Um das Spiel kennenzulernen, empfehle ich die Youtube-Videos. Da staunt man, wie mächtig die Unreal-5-Engine ist, das ist wirklich sehr beeindruckend.

 

Der Steam-Drache beißt sich gerade in den Schwanz

 

IGM: Ihr habt ja schon im vergangenen Jahr mit Indie-Games experimentiert ...

Burck: Sind das noch Indies, wenn sie mit uns zusammenarbeiten und einen Publisher haben? Schwierig zu beantworten ... es sind kleinere Spiele, die allesamt Pay-to-Play waren. Für uns war das tatsächlich ein neuer Markt – wir haben dabei viel gelernt und auch viel Spaß gehabt, es ist aber sehr schwer geworden, ein neues Spiel zu launchen. Das merkt ja die ganze Branche gerade. Man launcht ein Spiel auf Steam, hat vielleicht einen Tag Sichtbarkeit – und dann ist es vorbei. Und man hat es an dem Tag dann entweder geschafft oder eben nicht – dazwischen gibt es nicht besonders viel. Also: Indies sind spannend, machen Spaß, man hat eine Chance auf einen Erfolg, aber der Erfolg ist nicht zwangsläufig. Ein großes Spiel wie New World, das ein schier unermessliches Marketing-Budget hat, wird sich mit Sicherheit verkaufen. Bei einem Indie-Game mit begrenztem Marketing-Budget wird es aber schwer. Man muss schauen, dass man das Spiel an die Frau oder den Mann bringt und in den Steam-Charts hochklettert. Sobald man da rausfällt, ist man quasi raus. Die Abhängigkeit von Steam ist immens geworden.

IGM: Also das Problem mit der Spieleschwemme ...

Burck: Der Steam-Drache beißt sich gerade in den Schwanz. Als neues Spiel tritt man nicht mehr nur gegen Spiele an, die gerade auf den Markt kommen, sondern gegen alle Spiele, die es jemals gab. User, die auf Steam ein Roguelike suchen, findet nicht nur die aktuellen aus diesem Monat, sondern alle.

IGM: Ihr seid ein Unternehmen mit rund 300 MitarbeiterInnen. Worauf kommt es besonders an, wenn man eine angenehme Unternehmenskultur schaffen will?

Burck: Unternehmenskultur bedeutet für mich und die meisten hier: Wir kommen gerne zur Arbeit, sind gerne hier und freuen uns darauf, die Leute zu treffen, die hier sind. Es ist ein Verhältnis auf Augenhöhe, ein freundschaftliches Verhältnis. Ich kenne keinen in der Firma, mit dem ich nicht auch gerne meine Freizeit verbringen würde. Und das ist bei 300 Leuten schon sehr selten. Wir haben MitarbeiterInnen aus etwa 30 Ländern, die zwischen 18 bis 65 Jahre alt sind. Dennoch gibt es keine Anpassungsprobleme – diese Gamer-Kultur ist eine Klammer, die uns alle zusammenhält.

IGM: Seit der Corona-Pandemie setzen viele Firmen auf Remote Work. Wie ist das bei euch geregelt?

Burck: Wir haben zu Beginn der Pandemie direkt auf Remote Work umgestellt, das lief sehr reibungslos. Später haben wir dann auch Verträge angepasst und das Hybridarbeiten als Standard für alle verankert. Es gibt Termine, bei denen man anwesend sein muss – zum Beispiel bestimmte Team-Meetings –, ansonsten gibt es aber keine Präsenztage. Die allermeisten MitarbeiterInnen, die lieber im Homeoffice bleiben, sind dort permanent und kommen nur einmal im Quartal oder einmal im Monat ins Office. Ich mag das Office und ich mag auch ganz gerne die Tagesstrukturen, den Beginn der Arbeit und das Ende der Arbeit. Aber jeder soll das handhaben, wie er mag. Wir haben durch Remote Work überhaupt keinen Produktivitätsverlust gehabt. Wir haben nur die Leute aus dem Homeoffice zurückbeordert, die dort kein Ende gefunden haben – die also nachts um elf noch E-Mails geschrieben haben und morgens um acht schon wieder die erste.

IGM: Welche Herausforderungen ergeben sich aus Remote Work sonst noch?

Burck: Eine Herausforderung ist, die Kollegialität aufrechtzuerhalten, wenn die Leute nur noch vor dem Bildschirm sitzen. Deswegen haben wir ganz viel in Company-Events investiert, von Grill­abenden, gemeinsamen Spiele-Sessions und  Kletter-, Badminton-, Tanz- und Fußballgruppen bis hin zu unserem Fitness-Studio. Oder auch einfach, dass man morgens mit den anderen Team-Mitgliedern einen Call macht und gemeinsam Kaffee trinkt, um den Kontakt zu halten. Was früher so an der Kaffeemaschine passiert ist, muss man auf einmal vorher planen und strukturieren. Das ist schwierig, man verliert auch etwas – aber die Freiheit, die man gewinnt, ist unschlagbar. Ein Unternehmen, das heutzutage kein Homeoffice anbietet, hat den Wettbewerb um Nachwuchskräfte quasi schon verloren. Als etabliertes Unternehmen kann man vielleicht auf Homeoffice verzichten, wenn die MitarbeiterInnen da mitziehen. Aber als junges Unternehmen kommt man damit nicht durch.

IGM: Karlsruhe liegt in Deutschland ja eher dezentral. Wie schafft ihr es dennoch, Fachkräfte in den Süden zu locken?

Burck: Ich bin schon ein ganzes Stück in der Welt rumgekommen. Ich habe in Berlin gearbeitet, in Philadelphia, auf den Philippinen, in Paris und in Köln. Und trotzdem ist mir Karlsruhe die liebste Stadt. Karlsruhe ist sowohl klein genug als auch groß genug. Es ist klein genug, dass ich mit dem Fahrrad überall hinkomme – und es ist groß genug, dass ich alles da habe, was ich brauche. Wenn ich einem Amerikaner erzähle, dass wir in Karlsruhe sitzen, kann er vielleicht noch etwas mit Heidelberg anfangen, das weiter nördlich liegt. Wenn ich den Amerikaner aber hier in Karlsruhe habe und er sich hier umschaut und sieht, wie grün hier alles ist, dass die Kinder zu Fuß in die Schule laufen – dann ist er sehr begeistert. Externes Personal hierher zu bekommen funktioniert also ganz gut. Wenn man 30 ist und vielleicht eine Familie plant, ist Karlsruhe sehr attraktiv. Jüngere Arbeitskräfte können wir sehr gut über das Karlsruher Institut für Technologie [KIT] und über die Hochschule Karlsruhe rekrutieren. Als Universitätsstadt ist Karlsruhe generell für junge Menschen attraktiv.

IGM: Wie genau kooperiert ihr mit den Hochschulen?

Burck: Für Praktika machen wir zum Beispiel Aushänge am Schwarzen Brett der Unis. Außerdem haben wir eine fantastische Kooperation mit dem KIT, wir sind der Hauptsponsor von KIT SC eSports. Die Uni hat viele Informatikstudierende, die auch Games mögen – genauer erreiche ich meine Zielgruppe eigentlich nicht. Wir haben viele Werkstudierende vom KIT, die bei uns ihre Bachelorarbeiten schreiben. Das ist wirklich top.

 

Wir haben den Vorteil, nicht auf fremdes Kapital angewiesen zu sein

 

IGM: Wie hat sich Karlsruhe über die Jahre hinweg als Games-Standort verändert?

Burck: Alles hat mit dem Internet-Knotenpunkt DENIC angefangen. Hier kam ja auch die erste E-Mail Deutschlands an. Dann entstand eine Reihe von Internetfirmen, von denen es dann wieder Spin-Offs  gab – die Gameforge ist eine davon. Sie war dann wiederum der Nukleus für mehrere Gaming-Companies, die es jetzt hier gibt. Generell gibt es in Karlsruhe viele kleinere und größere Studios – einen vergleichbar großen Gaming-Hub gibt es in Deutschland sonst nur in Berlin. Und beim Verhältnis von Einwohnern zu Spieleentwicklern ist Karlsruhe wahrscheinlich sogar vorne.

IGM: Derzeit befindet sich die Games-Branche in einer Krise. Was spürt Gameforge davon, vielleicht auch mittelbar?

Burck: Ja, mittelbar haben wir tatsächlich mehr BewerberInnen, was für uns schön ist. Aber natürlich ist es sehr schade für all die Leute, die momentan ihre Jobs verlieren. In der Branche kommen gerade zwei Dinge zusammen. Zum einen ist das Zinsniveau stark gestiegen, was für große Konzerne, die ganz viele Studios gekauft haben und das durch Kredite finanziert haben, ein echtes Problem ist. Zum anderen ist die Bundesförderung für Games krass überzeichnet. Wir haben den Vorteil, nicht auf fremdes Kapital angewiesen zu sein – deswegen treffen uns diese zwei Faktoren überhaupt nicht. Wir merken die Krise aber bei unserem Sourcing-Markt, also dort, wo wir uns neue Spiele anschauen, die wir dann gegebenenfalls publishen. Was da aus Deutschland kommt, wird tatsächlich weniger, weil das Geld wirklich gerade knapp ist. Vielleicht dreht sich das aber auch wieder. Wenn jetzt ein Studio komplett aufgelöst wird, macht sich vielleicht der eine oder andere selbstständig. Dadurch entsteht dann möglicherweise etwas Neues.

IGM: Was sind für Gameforge die nächsten Schritte? Was plant ihr für die kommenden Jahre?

Burck: Zum einen wollen wir weitermachen wie bisher, um dranzubleiben. Bislang sind wir super glücklich damit, wie es läuft. Ich habe ein bisschen Respekt vor dem, was die KI wirklich mit allen Firmen machen wird. Bislang bin ich optimistisch, aber sie kann natürlich alles über den Haufen werfen. Als ich das erste Mal ChatGPT  gesehen habe, dachte ich auch, dass ich bald arbeitslos sein werde. Inzwischen sehe ich das entspannter, aber wer weiß, wie das nächste Jahr wird. Eine große Herausforderung wird sein, Spiele innerhalb und außerhalb von Steam zu launchen. Wir sind da auf einem ganz guten Weg. Wenn man sieht, was Under a Rock schon für eine Traction, Visibility und Views generiert – und das alles organisch –, dann bin ich da sehr zuversichtlich. Das wird auf jeden Fall spannend. (Achim Fehrenbach)

IGM 03/24
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