Blitzschnelle Mausklicks und Tastaturbefehle, glasklare Kommunikation im Team – und dazu die Fähigkeit, in Sekundenbruchteilen ständig wechselnde Spielmuster zu erkennen: League-of-Legends-Profis benötigen enorme kognitive Skills – und auch die Konzentrationsfähigkeit, um diese Skills in jeder Spielsituation abzurufen. Wo Laien nur ein verwirrendes Gewimmel bunter Spielfiguren sehen, nehmen Profis selbst kleinste Nuancen wahr – und sind in der Lage, auf Basis all dieser Informationen blitzartig Entscheidungen zu treffen. Wer allerdings müde in ein LoL-Gefecht geht, der kann den Informationswust nicht mehr schnell genug verarbeiten und verliert auch den taktischen Überblick. In Profi-Partien kann Müdigkeit fatale Folgen haben – da hilft es dann auch nicht mehr, dass man monatelang trainiert hat.
Doch wie schaffen es E-Sport-Profis, auf den Punkt topfit zu sein? „Einfach vor dem Wettkampf genug schlafen“: Solch lapidare Tipps werden der Komplexität des E-Sport-Betriebs nicht wirklich gerecht, schließlich sind die SpielerInnen in umfangreiche Trainingspläne eingebunden, haben Sponsorentermine und natürlich auch jede Menge privater Verpflichtungen. In diesem Termin-Dickicht genügend Schlaf zu finden, ist gar nicht so einfach. Deshalb verwundert es auch nicht, dass immer mehr E-Sport-Organisationen professionelle Hilfe von Schlafforschern beanspruchen. So auch die esports player foundation (epf), die seit ihrer Gründung Anfang 2020 gezielt Nachwuchstalente unterstützt, um ihnen den Weg in die internationalen Top-Ligen zu ebnen. Der epf-Mitbegründer Jörg Adami war lange Jahre im Vorstand der Deutschen Sporthilfe tätig – und wendet das Know-How traditioneller Sportförderung nun auf den E-Sport an. Mittlerweile fördert die Non-Profit-Organisation mehr als 100 Talente in den Spielen League of Legends und Counter-Strike: Global Offensive; die Förderung umfasst finanzielle Unterstützung, Professionalisierung des Trainings und eine umfassende Beratung in rechtlichen und gesundheitlichen Fragen.
Smarter schlafen
Zur Gesundheitsberatung zählen auch Workshops zu „Schlaf und Recovery“. Der Fachmann für diesen Themenkomplex ist Dr. Markus Dworak: Beim Equal eSports Festival und anderen epf-Events erläutert er den Nachwuchstalenten, wie wichtig Ruhephasen für Körper und Geist sind – und gibt Praxistipps, wie sie ihren Schlaf verbessern können. Einer breiten Öffentlichkeit wurde Dworak durch seinen Fernsehauftritt in der „Höhle der Löwen“ bekannt, wo er sein Start-up smartsleep präsentierte, für das er fortlaufend schlaffördernde Produkte entwickelt. „Wenn man sich den E-Sport aus neurowissenschaftlicher Sicht anschaut, ist unser Gehirn während des Gamings hochaktiv“, sagt Dworak. „Die vielen visuellen und akustischen Reize müssen in Sekundenbruchteilen verarbeitet werden und motorische Bewegungen der Finger, Hände etc. ermöglichen.“ ProfispielerInnen würden in Wettkämpfen bis bis zu 180 Aktionen pro Minute absolvieren, so Dworak. „Wenn wir länger vor dem Bildschirm aktiv sind, ermüdet unser Gehirn – und wie benötigen anschließend ausreichend Ruhe und Schlaf, um fortlaufend leistungsfähig und gesund zu bleiben.“ Aus Dworaks Sicht ist es unabdingbar, dass E-SportlerInnen den Schlaf als feste Säule in ihren Alltag aufnehmen. „Nur wenn E-SportlerInnen ausreichend und erholsam schlafen, werden sie langfristig auf Top-Niveau spielen können“, so der Experte. „Wird der Schlaf vernachlässigt, sinkt die Konzentrations- und Reaktionsgeschwindigkeit rapide ab – und die Leistungsfähigkeit sinkt.“
Ausreichend Ruhe und Schlaf
Doch wie regeneriert man sich eigentlich im Schlaf? Diese Frage ist ja längst nicht nur für E-Sport-Profis relevant, sondern auch für Millionen Hobby-Gamer in aller Welt – und für so ziemlich jeden, der berufliche und familiäre Belastungen balancieren muss. „Wenn wir am Abend die Augen schließen, fährt unser Körper in einen Ruhemodus“, erläutert Markus Dworak. „Unsere Herzfrequenz und Körpertemperatur sinken ab, unser Stoffwechsel wird gedrosselt und auch die Aktivität unserer Nervenzellen im Gehirn reduziert sich.“ Dieser Energiesparmodus herrsche vor allem in den anfänglichen Tiefschlafphasen, in denen sich die Energiespeicher des Gehirn auffüllen. „Diese Energie wird dann im weiteren Nachtverlauf für regenerative Prozesse unserer Haut, unserer Muskulatur, unseres Immunsystems und unseres Gedächtnisses genutzt“, so der Forscher. „Schlafen wir ausreichend und durchlaufen alle wichtigen Schlafphasen im ausreichenden Maße, laufen die Regenerationsprozesse vollständig ab – und wir wachen erholt auf.“ Kommt der Schlaf hingegen zu kurz, können nicht alle diese Prozesse abgeschlossen werden: Wir sind dann nach dem Aufwachen müde und nicht wirklich erholt.
Viele Faktoren
Um dem vorzubeugen, müssen E-Sport-Profis (und Otto-Normalmenschen) die Schlafdauer herausfinden, die zu ihnen passt. Dabei spielen allerdings auch noch andere Faktoren eine Rolle. „Man muss dazu verstehen, dass unser Schlaf zentral durch Stoffwechselprozesse vor allem in unserem Gehirn reguliert wird“, sagt Markus Dworak. „Wenn wir viel Energie verbrauchen – zum Beispiel wenn wir mental stark gefordert sind oder intensiven Sport machen –, dann baut sich der zentrale Energieträger in unserem Körper schneller ab.“ Gleichzeitig entsteht und vermehrt sich eine Substanz namens Adenosin, die uns müde macht. Will heißen: Sowohl körperliche Aktivität als auch Ernährung beeinflussen unseren Energiestoffwechsel signifikant – was wiederum bedeutet, dass dadurch der Schlaf gefördert oder sogar gestört werden kann. „Einige Nahrungsmittel wie zum Beispiel Koffein stören unseren Schlaf, während gewisse Aminosäuren oder Mineralstoffe den Schlaf auch positiv beeinflussen können“, erläutert Dworak. Ähnlich verhalte es sich beim Sport: „Moderate bis leicht intensive Belastungen – drei bis vier Stunden vor dem Zubettgehen – haben positive Effekte auf die Einschlafzeit und Schlafqualität. Ist die Belastung zur kurz vor dem Schlafen zu intensiv, kann unser Schlaf aber auch gestört werden, weil unser Nervensystem noch auf Hochtouren läuft.“
Halten wir also fest: Der Schlaf ist ein durchaus fragiles Konstrukt, das man sehr genau kennen sollte – ob man nun E-SportlerIn ist, Gaming als Hobby betreibt oder einfach einen gesünderen Lebenswandel anstrebt. Die esports player foundation jedenfalls bietet beim Thema „Schlaf“ geballte Expertise – auch deshalb, weil sie von der Techniker Krankenkasse unterstützt wird. Die TK – Deutschlands größte Krankenkasse – ist seit der Stiftungsgründung offizieller Gesundheitspartner der epf. Für Bruno Kollhorst, Leiter Kooperations- und Eventmarketing bei der TK, ist die Zusammenarbeit eine Win-win-Situation: „Die epf steht für eine qualitativ hochwertige und ganzheitliche Betreuung junger E-Sport-Talente. Wir sehen uns als Gesundheitspartner, der mit immer besseren Lösungen eine gesunde Lebensführung ermöglicht.“ Dazu gehören laut Kollhorst unter anderem Ausgleich durch Bewegung, eine gesunde Ernährung, eine sportpsychologische Betreuung und sportmedizinische Untersuchungen. Auch auf ihrer Website wendet sich die TK ganz gezielt an E-SportlerInnen und GamerInnen: Dort finden Interessenten Fitness-, Ernährungs- und Entspannungstipps.
Qualitativ hochwertige und ganzheitliche Betreuung
Online-Schlaftraining
Ein besonders beliebtes Angebot ist das „Online-Schlaftraining“ für TK-Mitglieder: Interessenten füllen zunächst einen Online-Fragebogen aus, damit die TK Art und Umfang einer möglichen Schlafstörung erkennt. Sind die Voraussetzungen gegeben, dann können die Versicherten am Online-Schlaftraining der Firma Mementor teilnehmen, das von der Uni Zürich und einer Schweizer Klinik für Schlafmedizin entwickelt wurde. Das Training basiert auf einer vielfach bewährten Methode, der kognitiven Verhaltenstherapie. Durch das Training führt dabei ein digitaler Experte namens Albert; die Übungen werden auf das individuelle Schlafverhalten der TeilnehmerInnen abgestimmt. Ziel des Trainings ist, die Schlafqualität zu verbessern und dafür optimale Schlafzeiten zu finden. Komplementär erhalten die TeilnehmerInnen weitere Angebote zur Entspannung, zum Beispiel Online-Kurse für Meditation, Achtsamkeit, Yoga und progressive Muskelentspannung. Natürlich kommt dieses Angebot auch den epf-Talenten zugute, die bei der TK versichert sind. „Wir sehen, dass wir hier mit Leistungen und Services – wie eben dem Online-Schlaftraining – die Lebenswelt der E-SportlerInnen bereichern können“, freut sich Bruno Kollhorst. Das helfe den angehenden E-Sport-Profis nicht nur, erfolgreich zu sein – sondern auch, als gesundheitliches Vorbild für Hobby-GamerInnen zu fungieren. Die Kooperation von epf und TK bezeichnet Kollhorst denn auch als „eine Gesundheitspartnerschaft, die trägt“.
Wer sich für das Thema „Schlaf“ interessiert, findet auf der TK-Website eine Fülle von Informationen. Der Bedarf an solchen Informationen ist schließlich riesig. „Ungefähr jeder Dritte klagt hierzulande über schlechten Schlaf“, berichtet Dr. David Surges, Experte im Team Gesundheitsmanagement der TK. „Schlechter Schlaf führt zu einer geringeren Leistungsfähigkeit, langfristig kann sich sogar das Risiko erhöhen, einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall zu erleiden. Leider lassen sich heute noch viel zu wenige Betroffene professionell behandeln, obwohl es nachweislich wirksame Methoden gibt, die eigene Schlafqualität zu verbessern.“ 2017 hat die TK eine deutschlandweite Schlafstudie durchgeführt. Eines der zentralen Ergebnisse ist, dass jeder vierte Befragte zu wenig schläft – unter anderem deshalb, weil das Einschlafen Probleme bereitet. „Tatsächlich haben vier von zehn Befragten das Glück, nach höchstens zehn Minuten einzuschlafen“, heißt es in der online abrufbaren Studie. „30 Minuten nach dem Zubettgehen schlummern immerhin 85 Prozent. Das bedeutet im Gegenzug aber auch, dass etwa jeder Siebte länger als die von Gesundheitsexperten empfohlene halbe Stunde braucht, um in den Schlaf zu finden.“
Seelische Erholung
Wie viel Schlaf jeder Einzelne konkret braucht, ist von den individuellen Voraussetzungen (Alter, Geschlecht, Beruf etc.) abhängig – und lässt sich am besten über Tools wie besagtes Online-Schlaftraining ermitteln. Grundsätzlich aber gibt es Richtwerte für bestimmte Altersgruppen. „Der durchschnittliche Erwachsene im westlichen Kulturkreis ist 16 bis 17 Stunden wach und schläft dann in der Nacht zwischen sieben und acht Stunden“, heißt es in der TK-Schlafstudie. „Neben individuellen Unterschieden ergeben sich jedoch starke Verschiebungen innerhalb der einzelnen Lebensphasen.“ Teenager beispielsweise benötigen zwischen acht und zehn Stunden Schlaf pro Tag; ab 18 Jahren liegt die Untergrenze bei sechs Stunden Schlaf. Um gesund schlafen zu können, ist es auch wichtig, die Mechanismen der Nachtruhe zu durchschauen. „Schlaf ist kein gleichmäßiger Zustand“, berichtet TK-Experte Surges. „Nach dem Einschlafen wird der Schlaf zunehmend tiefer: Aus dem Wachzustand gleitet man in den sogenannten NON-REM-Schlaf. Dieser wird je nach Tiefe des Schlafs in vier Stadien unterteilt.“ Vom leichten, oberflächlichen Schlaf der Stadien 1 und 2 gleite man zügig in den Tiefschlaf der Stadien 3 und 4 hinüber, so Surges. „Dieser Tiefschlaf ist wichtig für die Regeneration des gesamten Körpers, vor allem des Gehirns.“ Nach ungefähr 90 Minuten setzt dann die fünfte Schlafphase ein, die sogenannte „Rapid-Eye-Movement-Phase“ (REM). „Wie der Name schon sagt, bewegen sich in dieser Phase die Augen sehr schnell und das Gehirn ist genauso aktiv wie im Wachzustand“, erklärt Surges. „In der REM-Phase träumt der Mensch besonders lebhaft und verarbeitet in diesen Träumen die Eindrücke des Tages. Die REM-Phase dient somit mehr der seelischen Erholung.“ Die einzelnen Schlafstadien treten in sogenannten Schlafzyklen auf. Gesunde Erwachsene durchlaufen in einer Nacht vier bis sechs solcher Schlafzyklen. „Im Laufe der Nacht nehmen die Tiefschlafphasen ab, während der Traumschlaf und der leichte Schlaf zunehmen“, erläutert Surges. „Der wichtigste Teil des Schlafs, der Tiefschlaf, kommt somit relativ früh im Verlauf einer Nacht an die Reihe. Der Schlaf gegen Morgen hin wird für den Organismus so immer weniger wichtig.“ Was allerdings nicht heißt, dass man auf ihn verzichten sollte.
Infos und Services – wie die von der TK – können helfen, den eigenen Schlaf gesünder zu gestalten. Doch wie nutzt der E-Sport die Erkenntnisse der Schlafforschung? Immerhin sind die körperlichen und mentalen Belastungen hier besonders hoch – und der Terminkalender ist meistens voll. Um einen Einblick ins Schlaf-Management des E-Sport-Alltags zu bekommen, sprachen wir mit Chris „MoSiTing“ Würger: Der Berliner ist einer von drei Coaches, die bei der epf im Leistungsbereich tätig sind. „Wir haben das Ziel, Amateure und angehende Professionals in den Pro-Bereich zu bringen“, so Würger. „Meine Aufgaben umfassen Coaching, Scouting und Player Monitoring. Dazu gehört unter anderem, dass wir Tools zur Leistungsdiagnostik erstellen – und damit die SpielerInnen über einen längeren Zeitraum beobachten und unterstützen.“
Nachhaltiger Ansatz
„MoSiTing“ kennt auch die SpielerInnenperspektive: Er war selbst mehrere Jahre semiprofessionell in League of Legends unterwegs, war „aber nie so gut, dass ich den Sprung in den Pro-Bereich geschafft hätte“, wie er sagt. Einer der Gründe war ein doppelter Mittelhandknochenbruch in der rechten Hand – die lange Heilungsphase warf ihn zusätzlich zurück. „Irgendwann habe Ich entdeckt, dass meine Stärken eher im Kommunikativen, in der Weitsicht und im Coaching liegen“, so Würger. 2015 fragte ihn sein damaliges Team von Euronics, ob er auch gerne Spielanalysen übernehmen wolle. „Ich habe dann einfach damit weitergemacht“, erzählt „MoSiTing“. „Bis heute, wo wir bei der epf 49 LoL-Talente coachen.“ Ziel sei, die SpielerInnen in die Prime League, die Ultra League oder die spanische LVP zu bringen – damit sie im professionellen E-Sport Erfahrungen sammeln können. Die epf verfolgt dabei allerdings einen nachhaltigen Ansatz: Nicht alles wird dem Erfolg untergeordnet, die menschliche Entwicklung der Talente steht im Mittelpunkt. „Auf der einen Seite hat man Ziele und Träume“, sagt Chris Würger. „Und auf der anderen Seite Verpflichtungen wie Schule, Studium und Job. Die will man alle unter einen Hut bringen. Wir möchten den SpielerInnen vermitteln: ‚You‘ll never walk alone.‘ Dass sie jemanden im Team haben, mit dem sie ihre Probleme teilen können.“
Bei uns geht Qualität vor Quantität
Dieser ganzheitliche Ansatz greift auch beim Thema „Schlaf“. Die SpielerInnen müssen verstehen, wie wichtig ein ausgewogener Tag-Nacht-Rhythmus sei, betont Würger. „Was viele SpielerInnen nicht wissen – was wir aber in den Workshops von Markus Dworak lernen –, ist: Wenn man schläft, entstehen Erinnerungen.“ Das Wissen, das man sich über den Tag hinweg aneignet, kann also nur über den Schlaf gefestigt werden. „Du musst nicht 24 Stunden grinden und immer alles geben, sondern solltest Pausen nehmen und schlafen, damit du das Wissen festigst – und dir dadurch einen Vorteil holst“, betont Würger. „Das macht bei vielen den Unterschied – und dafür setzen wir uns ein. Dass die SpielerInnen verstehen, dass diese Struktur wichtig ist.“ Die Trainingszeiten der LoL-Teams sind variabel, berichtet Würger. Um 13 oder 14 Uhr trifft sich das jeweilige Team zu einer Besprechung, das eigentliche Team-Training findet meist zwischen 15 und 19 Uhr statt. „Alles nach 20 Uhr wird von uns nicht mehr angestrebt“, sagt „MoSiTing“. „Ab 20 Uhr müssen die SpielerInnen schauen, dass sie weniger Zeit vor dem PC verbringen. Das sind die wichtigen Stunden, in denen man runterkommt.“ Trainieren die SpielerInnen bis abends, dann ist es wichtig, den Schalter – wortwörtlich – gegen 21 Uhr umzulegen: Die epf-Schützlinge sollen dann die Nutzung elektronischer Geräte minimieren, sie sogar bestenfalls aus dem Schlafzimmer verbannen. Wichtig ist auch, dass das Schlafzimmer gut belüftet und ausreichend abgedunkelt ist. „Natürlich haben wir keine Kontrolle darüber, was die SpielerInnen machen“, sagt Chris Würger. „Wir raten ihnen nur von bestimmten Dingen ab – weil klar ist, dass es den Schlaf beeinflusst.“
Strukturen berücksichtigen
Mit ihrer Herangehensweise hat die epf im E-Sport eine Vorreiterfunktion. Längst nicht alle E-Sport-Organisationen verstehen, wie wichtig Nachhaltigkeit ist – was immer noch häufig dazu führt, dass selbst Spitzenprofis irgendwann ausbrennen. „Bei uns geht Qualität vor Quantität“, betont Chris Würger. „Die SpielerInnen behalten ihre Solo Queues und ihr eigenes Training bei.“ Wichtig sei, diese spielereigenen Strukturen gebührend zu berücksichtigen. „Viele Teams machen das anders“, kritisiert „MoSiTing“. „Sie ziehen ihre Team-Trainings durch, komme, was wolle.“ Bei der epf laufe das anders, so der Coach: „Wir verstehen, dass SpielerInnen in erster Linie Menschen sind – und nicht nur AthletInnen, die funktionieren und Leistung bringen müssen, damit wir am nächsten Wochenende das Match gewinnen. Das ist für uns eher zweitrangig. Im Vordergrund steht, dass man eine Top-Performance bringen kann, wenn man als Mensch gut dasteht. Da gibt es viele Faktoren – zum Beispiel guten Schlaf und gutes Essen.“
Ernährung beeinflusst die Konzentrationsfähigkeit besonders stark. „Wenn man sich vor einer Wettkampfphase falsch ernährt, dann kann das kontraproduktiv sein“, warnt Würger. „Zu viele Kohlenhydrate, zu viele Fette, eine falsche Dosierung oder falsches Timing machen den Körper träge – und dann kann man sich nicht komplett auf die Performance konzentrieren. Es heißt ja auch, dass der Darm das zweite Gehirn ist.“ Die epf-Coaches raten ihren Schützlingen, das Essen bei Wettkämpfen bereits vorbereitet mitzubringen, zum Beispiel in Tupperdosen. Als Getränk empfehlen sie Schwarztee – oder auch einfach kaltes Wasser. „Elektrolythaltige Getränke kann man auch zu sich nehmen, weil man ja über den Schweiß Mineralien verliert“, sagt „MoSiTing“. „Wichtig ist aber, dass die SpielerInnen nach den Matches immer zuerst nach draußen gehen und frische Luft und Bewegung bekommen.“ Energy-Drinks – ein bei Gamern beliebtes Produkt – lehnen die epf-Coaches komplett ab. „Im E-Sport kann die schnelle Energieaufnahme zwar helfen“, erklärt Würger. „Aber bei Energy-Drinks führt das immer zum Crash. Das ist genau so, wie wenn man Kaffee trinkt. Man hat zwar einen Spike, aber ab einem gewissen Punkt kommt der Crash – und dann kann man die Konzentration nicht mehr aufrechterhalten.“ Tee hingegen sei sehr zu empfehlen, so der Coach: „Teein wirkt langsamer, hält aber über längere Zeiträume vor.“ Wer Energie brauche, könne auch einfach Obst essen: Das nämlich enthält Fructose – und nicht die ungesunden Monosaccharide, die in Energy-Drinks enthalten sind.
Nährstoff-Cocktails
Ein Trend sind sogenannte „Gaming Glasses“ mit Blaulichtfiltern: Sie sollen problemloses Einschlafen auch bei spätem Spielen ermöglichen. Schlafexperte Markus Dworak ist da skeptisch: „Es wurde eine Zeit lang vermutet, dass der Blaulichtanteil des Lichts aus den Screens den Schlaf stört, indem die Produktion unseres Schlafhormons Melatonin negativ beeinflusst wird“, sagt er. „Neue Studien konnten das aber nicht bestätigen.“ Dworak ist denn auch der Meinung, dass Gaming-Glasses keinen Sinn machen: „Man sollte lieber den Monitor zehn Minuten vorher ausmachen und am Abend etwas Entspannung vor dem Schlaf finden.“ Zur Behebung akuter Einschlafprobleme hat Dworak unter dem Label „smartsleep“ diverse Nährstoff-Cocktails entwickelt, die man in Form von Kapseln oder Drinks zu sich nimmt. Auch Schlaf-Sprays und ergonomische Kissen sind Teil des Portfolios. Als Schlaf-Coach der epf stattet Dworak die Teams auch mit den smartsleep-Produkten aus.
Unter den angehenden E-Sport-Profis gibt es bisweilen auch „schwere Fälle“: Also solche, deren Schlafgewohnheiten hochgradig ungesund sind. „Manche SpielerInnen müssen erst zu einem Schlafmediziner, der die Situation analysiert“, berichtet Chris Würger. „Wir machen das über unsere Events.“ Die Workshops von Markus Dworak seien äußerst hilfreich, man könne da enorm viel mitnehmen. Ein Vorteil der Workshops sei auch, dass sie – je nach Pandemiesituation – in einem für die SpielerInnen neuen Umfeld stattfänden. „Das motiviert sie stärker, ihr Verhalten zu verändern“, sagt „MoSiTing. „Sie probieren das zunächst im Umfeld aus und anschließend zuhause. Daraus können sich dann neue Gewohnheiten formen. Meistens dauert das aber mindestens 60 Tage.“
Reisen als Herausforderung
Die Mobilität des E-Sport-Lebens ist in puncto Schlaf eine besondere Herausforderung. SpielerInnen, die ins Ausland ziehen, verlassen häufig auch das Umfeld, das ursprünglich für Schlafhygiene gesorgt hat: Sie bekommen manchmal Schwierigkeiten mit dem Einschlafen, weil sie nicht mehr ihr gewohntes Kissen, ihr gewohnte Bettzeug und ihre wohlvertrauten Einschlafroutinen von zuhause haben. „Solche vermeintlich kleinen Faktoren können dazu beitragen, dass man nicht die übliche Leistung abrufen kann“, sagt Würger. Er selbst nimmt auf Reisen immer eine Schlafmaske mit – für den Fall, dass die Vorhänge das Hotelzimmer nicht ausreichend abdunkeln.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – das macht es schwer, schlafschädigendes Verhalten von heute auf morgen abzulegen. „Man muss da einen Pakt mit sich selbst eingehen“, betont Chris Würger. „Man kann sich zum Beispiel sagen: ‚Ok, um 21 Uhr mache ich den PC aus und gehe spazieren. Und wenn ich zurückkomme, gehe ich nicht mehr in den Raum mit dem PC, sondern direkt ins Bad. Anschließend gehe ich sofort schlafen.‘“ Viele SpielerInnen hätten aber gar nicht die Möglichkeit für eine solche Routine – weil nämlich ihr PC im selben Zimmer steht wie das Bett. Um so wichtiger sei die Einsicht, dass gesunder Schlaf eine Grundvoraussetzung für Leistungsfähigkeit sei – und damit auch für e-sportlichen Erfolg.
Markus Dworak kann dem nur zustimmen. „Der Schlaf sollte als Freund und nicht als Feind betrachtet werden“, betont der Experte. In vielen Profisport-Bereichen sei Schlafcoaching so selbstverständlich wie das Training selbst, sagt Dworak: „Topvereine aus NBA, NHL, NFL und europäische Top-Klubs wie Real Madrid haben das Thema ‚Schlaf‘ in den Leistungsalltag der Profis integriert.“ Dworak prognostiziert, auch Digital-AthletInnen würden hier bald nachziehen: „Ich bin mir sicher, dass das Schlafcoaching im E-Sport in den nächsten fünf Jahren stark an Bedeutung gewinnen wird.“ Mit Partnern wie der TK und smartsleep kann die epf hier wertvolle Pionierarbeit leisten. (Achim Fehrenbach)
IGM in einem zweiteiligen Special nach. Teil 1 (IGM 03/2022) drehte…