Musik in Spielen: Das gehört zum guten Ton!

Vom unscheinbaren „Pong“ zum opulenten Orchester-Soundtrack mit Hollywood-Qualitäten: Soundtrack und Musikeffekte sind in Computer- und Videospielen mindestens ebenso wichtig wie die Präsentation oder auch das Gameplay selbst. Von der Entstehung bis zur Implementierung in ein fertiges Spiel ist es jedoch ein weiter Weg.
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Ganz egal, ob die Musik von „Tetris“, „Super Mario“ oder gar „Final Fantasy“: Ein starker Games-Soundtrack bleibt im Ohr und betont das Spielgeschehen gleichermaßen treffend. Die Evolution der Musik in Computer- und Videospielen liest sich dabei ebenso beeindruckend wie die der Grafikdarstellung. Frühe Videospiele klingen aus heutiger Sicht geradezu niedlich nostalgisch – etwa der 1972 von Atari veröffentlichte Spielautomat „Pong“ mit seinem charakteristischen Sound.

Titel wie die unter anderem für den Atari 2600 umgesetzten „Asteroids“ oder „Space Invaders“ zeigten bereits deutlich, wie stark Spielablauf und Akustik Hand in Hand gehen können. Je knapper das Zeitlimit wurde, desto schneller wurde auch die Geräuschkulisse und erzeugte so ein Gefühl der Dringlichkeit. Ähnliche Ideen implementierten findige Entwickler später auch in Klassikern wie „Tetris“ oder „Pac-Man“.

Eine Revolution erlebte die Szene 1982 mit dem Erscheinen des im Commodore 64 verbauten Soundchips SID 6581 von MOS Technology. Entwickelt von Robert „Bob“ Yannes, war dieser in der Lage, drei unabhängige Stimmen in einer in 65536 Stufen einstellbaren Grundfrequenz von 0 bis 4000 Hertz wiederzugeben. Im Grunde verwandelte dieser den C64 in einen programmierbaren, wenn auch noch etwas schwachbrüstigen Synthesizer. In den Folgejahren machte die Technik im Soundsektor Quantensprünge, zum Beispiel in Form des Nintendo Entertainment Systems oder des Commodore Amiga 500. Musik und Videospiele gehörten zusammen und entwickelten sich weiter. Mit der Einführung von Datenträgern wie der CD-ROM war schließlich auch ausreichend Speicher vorhanden, um opulente Soundtracks zu sichern. Teils verwendeten die Entwickler hier sogar Mixed-Mode-CDs, auf denen sowohl Spieldaten als auch Audio-Tracks gespeichert wurden.

In der heutigen Zeit spielen Speicherlimitierungen – zumindest an PC und Konsolen – kaum mehr eine Rolle. Hier muss höchstens im Mobile-Sektor noch getrickst werden. Ansonsten aber steht aufwendigen Orchester-Soundtracks ebenso wenig im Weg wie umfangreichen Lizenz-Tracklisten, wie man sie beispielsweise aus der „FIFA“-Reihe kennt. Längst hat die Musikindustrie Computer- und Videospiele als Plattform entdeckt und erreicht so ein Millionenpublikum.

 

Mal subtil, mal brachial

Was macht Musik in Video- und Computerspielen?
Musik spielt bei der Inszenierung von Games eine entscheidende Rolle. Diese geht weit darüber hinaus, dass das Geschehen nett untermalt werden soll. Musik prägt die Stimmung eines Spiels und dessen Identität: Die „Mass Effect“-Serie von Bioware etwa verwendet einen futuristisch-elektronischen Soundtrack zur Betonung des Science-Fiction-Szenarios. Ganz ähnlich auch in Bethesdas „Fallout“-Serie, die ohne den charakteristischen Klang der 1940er- und 50er-Jahre wohl deutlich ärmer an Atmosphäre wäre. Rockstars „GTA“-Reihe implementierte früh Radiostationen mit unterschiedlichen Musikstilen, Moderationen und Sendungen. Das Ziel dahinter: Die Realität abbilden und gleichzeitig die spielerische Freiheit des Open-World-Giganten untermauern. In der Coming-of-Age-Geschichte von „Life is Strange“ spiegelt die Musik indes die Persönlichkeit des Hauptcharakters Maxine Caulfield wider und verleiht den großen, emotionalen Momenten zusätzlichen Nachdruck. Musik erweitert Spiele um eine zusätzliche, erzählerische Ebene, die mal subtil und mal brachial auffällt. Ganz ähnlich wie in Filmen oder Serien erzeugt sie Emotionen oder unterstreicht sie, kann aber auch tragendes Gameplay-Element sein und bei der Nutzerführung helfen.

Musik in vielen kleinen Teilen
Es gibt jedoch einen großen Unterschied zwischen Musik in Filmen oder Serien und in Computer- und Videospielen. In Filmen ist Musik linear; sie wird speziell für die jeweilige Szene ausgewählt, zugeschnitten und teils sogar komponiert. Die Macher dahinter können also die Musik gezielt auf das Geschehen abstimmen und so den Augenblick unterstreichen. In Spielen jedoch funktioniert dieses System höchstens in Zwischensequenzen oder bei geskripteten Events. Das Spielgeschehen selbst ist hingegen dynamisch und durch die Entscheidungen des Nutzers geprägt. Komponisten und Entwickler stehen also vor der Herausforderung, Musik und Gameplay in Einklang zu bringen. In ruhigen Spielmomenten sollte die Untermalung daher eher unauffällig dahinplätschern und fast schon unmerklich im Hintergrund ablaufen. Das Thema darf dabei nicht zu wuchtig oder gar aufdringlich sein. In großen Augenblicken wie beispielsweise Kämpfen oder einer plötzlichen Bedrohung dagegen sollte der Soundtrack im Idealfall aufbranden und die Dynamik des Gameplays widerspiegeln.

Es wirkt, als würde die Musik das Geschehen kommentieren

Dieser Aspekt beeinflusst die Spieleentwicklung und die Komposition der Musik für Games gleichermaßen. Moderne Spiele-Engines erkennen intern das Gespielte und aktivieren entsprechende Tracks im Hintergrund automatisch. Die US-Komponistin Winifred Phillips erläuterte diesen Prozess gegenüber Gamedeveloper.com und nimmt dabei Bezug auf das Mobile-Game „Spyder“: „Ja, es gibt viele kleine Stücke. (…) Einige davon sind orchestral. Andere jazzig. Das System für interaktive Musik kann diese kurzen Stücke in einer halbzufälligen Reihenfolge auslösen – abhängig davon, was gerade auf dem Bildschirm geschieht. So wirkt es immer, als würde die Musik kommentieren und dabei auf das Geschehen eingehen. Dadurch fühlt sich der Kontext wichtig an.“ Phillips erklärte in diesem Zusammenhang weiter, dass gerade die Steigerung der Musik bedeutsam für die Stimmung und die Atmosphäre sei und die Musik auch zunehmend dynamischer und komplexer wird, je weiter man voranschreitet. „Wenn man Musik für solche Spiele macht, muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass es viele ruhige Passagen geben wird. Man möchte nicht, dass die Musik die ganze Zeit über dominiert. Das würde sich unnatürlich anfühlen. Also entwickelten wir ein System mit vielen kurzen Ambient-Musikstücken, die rein- und rausflossen. Es gab über 30 davon für jede Ebene“, führte sie diesen Punkt weiter aus.
 
Auf ein Spiel zugeschnitten
Komponisten und Entwickler arbeiten daher eng zusammen, um Musik und Gameplay möglichst stimmig miteinander zu verzahnen. „Manchmal bittet mich das Team, die Musik in vielen Stems einzureichen – das sind die einzelnen Instrumente, die separat aufgenommen wurden. (…) Manchmal, wenn ich die Musik für ein Spiel erstelle, ist das Musikdesign noch nicht vollständig ausgearbeitet – weil das Spiel selbst noch nicht fertig ist. (…) Die Idee ist, die Musik zu nehmen und sie als eine Reihe von Werkzeugen zu betrachten, die implementiert werden können, um den Bedürfnissen des Spiels gerecht zu werden, während es sich noch in der Entwicklung befindet“, so die Komponistin, die in der Vergangenheit unter anderem an Projekten wie „Assassin’s Creed III: Liberation“ oder „LittleBigPlanet 3“ mitgewirkt hat.

Der für ein Spiel passende Soundtrack ist also weitaus mehr als nur bloße Hintergrundbeschallung. Die richtige Musik erfordert auf der einen Seite die Expertise und das Fingerspitzengefühl des Komponierenden. Auf der anderen Seite allerdings steckt gerade in dynamischen Gaming-Genres hinter der Implementierung eine Menge Technik und Know-how, die dafür sorgen, dass Geschehen und Musik auch wirklich Hand in Hand gehen und so zu einer Einheit verschmelzen. (ob/bpf)

IGM 04/23
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