Wandlungsfähig: Spielefirmen auf Cosplay Conventions

Von Zelda bis Fallout, von Dragonball bis League of Legends: Cosplay erfreut sich auch in Deutschland immer größerer Beliebtheit – und hat bereits etliche Conventions hervorgebracht. DoKomi, Connichi und Co. bieten Spielefirmen eine lohnende Bühne für ihre Produkte. Doch worauf kommt es beim Convention-Auftritt besonders an? Das haben wir sowohl Publisher als auch Veranstalter gefragt.
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Quelle: Bethesda
Quelle: Bethesda

Ob gamescom, GDC oder Tokyo Game Show: In diesem Jahr ist der Event-Kalender der Games-Branche schon wieder rappelvoll. Nach rund zweijähriger Corona-Durststrecke setzen die meisten Veranstalter wieder auf physische Events – mit dem Resultat, dass Branchenangehörige ihr Business-Jahr präzise durchtakten müssen, falls sie bei allen wichtigen Events dabei sein wollen (vgl. die Liste in IGM 02/2023). Doch neben diesen klassischen Branchen-Events rücken auch andere Veranstaltungen immer stärker in den Fokus – nämlich Cosplay Conventions. Von denen gibt es in DACH eine ganze Reihe – und es werden immer mehr. Was Spielefirmen dort hinzieht? Nun, die Schnittmenge zwischen Gaming- und Cosplay-Fans ist bekanntlich hoch – und damit auch die potenzielle KäuferInnenschaft. Zwar stehen bei den meisten Conventions nach wie vor die Bereiche Manga und Anime im Vordergrund. Doch Games holen auf – auch deshalb, weil mit der Bekanntheit vieler Spiele ihre Attraktivität als Cosplay-Vorlage wächst.

Zielgruppe erweitern
Dennoch stellt sich die Frage, ob Spielefirmen wirklich schon das Potenzial von Cosplay Conventions ausschöpfen – oder ob sie bei diesen Events nicht noch viel präsenter sein könnten – Stichwort: Erweiterung der Zielgruppe. Denn wenn Cosplay-Events immer mehr in Richtung Mainstream gehen und dort auch Laien aus reiner Neugier vorbeischauen, dann ist das ein Publikum, das man besser nicht ignorieren sollte. Worauf sich gleich die Frage stellt, wie Spielefirmen Convention-BesucherInnen am besten abholen können. Um das herauszufinden, haben wir mit mehreren Veranstaltern gesprochen – und natürlich auch mit dem einen oder anderen Publisher.

Doch was sind eigentlich die wichtigsten Cosplay Conventions in Deutschland? Zu den klassischen Groß-Events zählen in jedem Fall die DoKomi in Düsseldorf (30.6. bis 2.7.), die Connichi in Wiesbaden (1. bis 3.9.) und die AnimagiC in Mannheim (4. bis 6.8.). Darüber hinaus gibt es Cosplay-Events, die in verwandte Veranstaltungen eingebettet sind – zum Beispiel die Deutsche Cosplay Meisterschaft (DCM), deren Finale im Rahmen der Frankfurter Buchmesse (18. bis 22.10.) stattfindet. Ein weiteres Event mit „Literaturrahmen“ ist die Manga-Comic-Con während der Leipziger Buchmesse (27. bis 30.4.). Außerdem gibt es natürlich noch Veranstaltungen, die von vornh­erein als Mischform aus Gaming-, Cosplay-, Manga- und Anime-Event angelegt sind, zum Beispiel die MAG-C in Erfurt (Februar) und die Polaris Convention in Hamburg (13. bis 15.10.). Vergessen wir auch nicht das Cosplay Village, das in diesem Jahr erneut Teil der gamescom sein wird – voraussichtlich mit gut 2000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Diese ist nur eine kleine Auswahl der vielen, oft auch sehr regionalen Cosplay-Events, die alljährlich in Deutschland stattfinden – eine ausführliche Liste gibt es unter https://www.cosplay-fan.de/conventions.

Kreativer Freiraum
Schauen wir uns nun an, wie bekannte Spiele-Publisher mit dem Thema „Cosplay“ umgehen. Bethesda beispielsweise bezieht seit vielen Jahren Cosplay-Fans in seine Aktivitäten ein. „Generell sind wir immer begeistert davon, wie unsere einzigartigen Communities sich Cosplays zu allen unseren Spielen ausdenken und in die Tat umsetzen“, schwärmt Franziska Lehnert, Senior Communications Manager bei ZeniMax Germany. „Unsere Rollenspiel-Marken The Elder Scrolls und Fallout ziehen seit fast 30 Jahren unzählige Fans in ihren Bann und bieten unendlich großen kreativen Freiraum, was natürlich besonders für CosplayerInnen ein Paradies ist.“ Um diese direkt anzusprechen, ist Bethesda auf klassischen Gaming-Veranstaltungen unterwegs – natürlich auf der gamescom, aber beispielsweise auch bei der GameCity Wien oder der EGX. Darüber hinaus zeigt der Publisher auch bei Veranstaltungen wie der Fantasy-Basel und der TwitchCon Präsenz – schließlich stehen dort ebenfalls Cosplay-Themen auf dem Programm.

Bethesda veranstaltet zum Thema „Cosplay“ aber auch eigene Events. „Mittlerweile hat sich unser jährliches Cosplay-Fotoshooting mit Branchengröße eosAndy etabliert“, berichtet Lehnert. „Letztes Jahr waren wir beispielsweise im Landschaftspark Duisburg und haben dort herausragende Kreationen bewundern dürfen.“ Als weiteres Beispiel nennt Lehnert die „Elder-Scrolls-Online-Taverne“, zu der jährlich rund 500 Gäste kommen – inklusive vieler CosplayerInnen. „2022 haben wir die Messlatte mit einem gemeinsamen Auftritt von Saltatio Mortis und Cristina Scabbia von Lacuna Coil auch noch einmal um einiges nach oben bewegt“, freut sich Lehnert. „Mittlerweile hat sich die Taverne zum größten ESO-Community-Event der Welt entwickelt.“ Seit 2019 setzt Bethesda verstärkt auf Streaming-Events, um eine noch größere Zielgruppe zu erreichen – etwa mit dem hauseigenen „Bethesda MainStream“. Auf der letztjährigen gamescom hatte der Publisher zum Beispiel Maja und Ben von „Maul Cosplay“ im Livestream zu Gast – was Einblicke in die Arbeit an Roboter-Companion Vaso aus Starfield ermöglichte.

Cosplay-Wettbewerbe mit Sachpreisen unterstützt

 

Anspielstationen im Gamesroom
Neben Bethesda engagieren sich auch andere Publisher bei Cosplay. „In den letzten Jahren waren Nintendo, Bandai Namco, Square Enix, Konami und Plaion bei uns vertreten“, berichtet Kerstin Krämer, Projektdirektion „Bildung, Kinder und Jugend“ bei der Manga-Comic-Con in Leipzig. Einige der Publisher hätten einen eigenen Messestand gehabt, weitere Firmen – zum Beispiel Capcom – hätten ihre neuesten Titel im sogenannten Gamesroom präsentiert, so Krämer. „Darüber hinaus haben die Gaming-Unternehmen auch unsere Cosplay-Wettbewerbe mit Sachpreisen unterstützt und auf der Großen Bühne sowie im Anime-Kino mit Trailern geworben“, erläutert die Projektleiterin. Dass sich die Convention-Teilnahme für Publisher lohnt, steht für Krämer außer Frage: „Die Manga-Comic-Con ist gelebte Vielfalt. Durch die Verbindung mit der Leipziger Buchmesse ist eine enorm vielfältige Zielgruppe vor Ort, die sich auf anderen Conventions nicht finden lässt.“ 2019 – also vor der Corona-Zwangspause – seien mehr als 200.000 Menschen auf das Leipziger Messegelände geströmt, so Krämer. Speziell die Cosplay-Community sei „jung und gaming-affin und mit den Protagonisten der Geschichten und natürlich auch der Games bestens vertraut und verbandelt“, betont Krämer. Direkte Anspielmöglichkeiten auf der Convention seien „natürlich das beste Verkaufsargument“.

Bandai Namco ist ein weiterer Publisher, der stark auf Cosplay-Events setzt. „Was speziell den Anime-Bereich angeht, sind wir physisch fest auf der AnimagiC sowie auf der Manga-Comic-Con vertreten“, sagt Marco Süß, Senior PR Manager bei Bandai Namco Entertainment Germany. Hin und wieder habe man auch eine Präsenz auf der DoKomi, die man nun „postpandemisch“ weiter ausbauen wolle. Schon auf der diesjährigen Mag-C in Erfurt (4./5.2.) war der Publisher mit einer Trailer-Show vertreten. „Unser Leitmotto lautet ‚Connect with Fans‘“, sagt Süß. „Das geht natürlich am besten auf Messen und Conventions.“  Dort könne man direkt mit den Fans interagieren und auf ihre Fragen und Wünsche eingehen, so der PR-Experte. Dieser Austausch sei sehr wichtig – schließlich wolle man als Publisher nahbar sein und „Sorgen, Wünsche und das Feedback auch direkt von unseren Fans abholen“. Auf Cosplay Conventions könne Bandai Namco ein breites und buntes Portfolio präsentieren, freut sich Süß. „Sehr stark sind vor allem Anime-Lizenzen wie Dragon Ball, One Piece und Naruto vertreten, aber auch die Tales-of- und die Sword-Art-Online Reihe.“

Kratos regiert
Auch andere Publisher waren in den letzten Jahren bei Cosplay keineswegs untätig. Ein besonders spektakuläres Beispiel war eine Kooperation, die Sony 2022 einging: Anlässlich des Launches von God of War Ragnarök ließ der Publisher den niederländischen 2-Meter-18-Mann Olivier Richters („The Dutch Giant“) in die Rolle des Kratos schlüpfen – was im öffentlichen Raum für einige Verblüffung sorgte.

 

Nicht einfach nur am Stand vorbeigehen

Auch die Veranstalter von Cosplay Conventions machen sich Gedanken, wie sie die Publisher ins rechte Licht rücken können – ein Beispiel ist die DoKomi in Düsseldorf. „Im Gegensatz zu einem ausstellerstand- beziehungsweise produktorientierten Konzept versuchen wir unsere Aussteller zu beraten, wie diese sich auf der DoKomi präsentieren können – und wie wir diese ins Gesamtkonzept integrieren können“, betont Pressesprecher Niklas Hawlitschek. Als Beispiel nennt er den „Community-Pass“, der quasi ein kleines Quest-Buch für BesucherInnen sei. Damit lasse sich beispielsweise eine Quest nach dem Motto „Spiel das folgende Spiel bei dem und dem Publisher“ integrieren – oder auch das Bühnenprogramm einbinden. „Durch den generellen Fokus auf die Community anstelle des Produktes haben Aussteller bei uns ein wesentlich größeres Erfolgserlebnis als bei der normalen standardisierten Produktpräsentation“, sagt Hawlitschek. Bei mehr also 75.000 DoKomi-BesucherInnen kann das durchaus Wirkung zeigen.

Großes Dorf
Angesichts der wachsenden Beliebtheit von Cosplay baut auch die gamescom ihr Engagement aus: Das Cosplay Village hatte im vergangenen Jahr immerhin eine Ausstellungsfläche von 2100 Quadratmetern. Eine wichtige Rolle spielt hier Sven Vößing, der das Cosplay Village seit 2017 über die Firma bumm film gemeinsam mit Tommy Krappweiss organisiert. Vößing ist für die Planung des gesamten Bereichs und auch für die Programmplanung zuständig – zuvor war er mehrere Jahre in ähnlicher Funktion bei der German Comic-Con tätig. Bei einem Auftritt im Cosplay Village seien vor allem Interaktionsmöglichkeiten für die BesucherInnen wichtig, so der Experte. „Wenn die also nicht einfach nur am Stand vorbeigehen und einen Flyer mitnehmen, sondern wenn sie Fotos machen oder Videos drehen, die dann in den Social-Media-Kanälen auftauchen.“ 2022 konnten BesucherInnen unter anderem am Stand von Return to Monkey Island aktiv werden: Die Organisatoren hatten dafür einen Torbogen aus dem Spiel und auch mehrere Figuren nachgebaut. „Die Leute konnten sich da hinstellen und Fotos machen, die dann ausgedruckt wurden“, erläutert Vößing.

Für 2K wiederum baute bumm film ein Diner aus Tales from the Borderlands nach – dort konnte man bei Minispielen beispielsweise T-Shirts gewinnen. Vößing empfiehlt Publishern, auch auf regulären Cosplay-Events für ausreichend Interaktion zu sorgen: „Bei manchen Events fällt das einfach so ein bisschen hinten runter.“ Ende März organisiert Vößing übrigens den Retro-Gaming-Bereich auf der Proud Nerd Convention, die erstmals in Trier stattfindet. Neben Arcade-Automaten und einer Brettspiel-Area wird es dort auch Einiges an Gaming-Merch geben – gleich neben dem Manga- und Anime-Merch.

Werbeplattform Cosplay
Björn Sandner ist einer der besten Kenner der Cosplay-Szene im deutschsprachigen Raum. Seit 2017 ist er Hauptorganisator der Deutschen Cosplay Meisterschaft, zudem ist Sandner Aktivenratssprecher beim größten deutschen Anime- und Manga-Verein, dem Animexx e.V.. „In der Vergangenheit hatten wir sehr viel Kontakt zu Publishern wie Nintendo – vor allem im Bereich Sponsoring“, berichtet Sandner. „Auch für dieses Jahr gibt es bereits einige Sponsoring-Anfragen.“ Generell würden mittlerweile einige Spiele-Publisher auch selbst mit CosplayerInnen werben, so der Organisator: „Kamui-Cosplay, die zu den bekanntesten deutschen Cosplayerinnen zählt, hat beispielsweise schon Werbung für Monster Hunter gemacht hat. Und tatsächlich auch als Werbeträger, zumindest in deutschen Magazinen.“ Der bereits erwähnte „Maul Cosplay“ habe derweil mit seinem Geralt-of-Rivia-Kostüm für die Witcher-Reihe von CD Projekt Red geworben – und sogar einen offiziell autorisierten Kalender herausgebracht. „Blizzard wirbt im großen Stil mit Cosplay“, ergänzt Sandner. „Die haben auf der BlizzCon auch ihren eigenen Cosplay-Wettbewerb. Das lohnt sich einfach, weil die Qualität der Kostüme sehr hoch ist.“

 

In meinen Augen wird das noch viel zu wenig genutzt

 

Nachholbedarf
Sandner hofft, dass sich Spiele-Publisher künftig noch stärker bei Cosplay Conventions engagieren. „In meinen Augen wird das noch viel zu wenig genutzt. Conventions sind eine super Gelegenheit, mit CosplayerInnen zu werben“, betont er. Die Kostüme seien mittlerweile sehr hochwertig, viele DCM-Gewinner trügen Kostüme aus Games. „Ich denke, dass man damit unheimlich viel machen könnte“, so der DCM-Organisator. „Die Schwierigkeit ist wahrscheinlich eher die, dass das gar nicht zu den Publishern durchdringt.“

Sven Vößing glaubt, dass Cosplay Conventions auf dem Vormarsch sind. „In der Corona-Zeit wurde ziemlich viel ganz schön schwarz gemalt. Natürlich werden Events eingestellt, aber es entstehen auch neue.“ Das seien dann teilweise auch kleinere Veranstaltungen, die mit unter 10.000 BesucherInnen auskämen, so der Experte. „Da gehen CosplayerInnen hin, aber auch normale BesucherInnen – vielleicht, weil sie in der Zeitung gelesen haben, dass da ihr Lieblingsspiel oder ihre Lieblingsserie vorkommen.“ Vößing geht davon aus, dass die Popularität solcher Conventions in den nächsten Jahren noch weiter steigen wird. Das dürfte sie für Spiele-Publisher noch relevanter machen, als sie es ohnehin schon sind. (Achim Fehrenbach)

IGM 04/23
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