Anschubarbeit: Wie wichtig Half-Life: Alyx für VR ist

Der 23. März war für Virtual-Reality-Fans ein ganz besonderer Tag: Die Valve Corporation veröffentlichte mit Half-Life: Alyx das mit Abstand aufwändigste aller bisherigen VR-Spiele. Kann es VR aus der Nische in den Mainstream katapultieren? Wir haben mehrere Experten befragt.
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Nun ist es endlich da. 13 Jahre nach dem letzten Half-Life-Titel (Episode Two) hat Valve nachgelegt – mit einem Game, das allerdings ausschließlich in VR läuft. Half-Life: Alyx ist ein klares Zeichen, das Valve dem Medium VR immer noch eine große Zukunft zutraut. Dafür waren Gabe Newell und Co. auch bereit, die vielen HL-Fans zu verärgern, die auf eine Flachbildschirm-Fortsetzung des Klassikers gehofft hatten. Die Fach- und GI-Presse jedenfalls scheint Newell recht zu geben: GameStar nennt Alyx "das Nonplusultra der VR-Spiele, daran werden sich noch viele Titel abarbeiten müssen". 4players urteilt, der VR-Shooter spiele "nicht nur grafisch in seiner eigenen Liga". The Guardian lobt, Alyx biete eine "meisterhaft gestaltete Half-Life-Geschichte in einer umwerfenden VR-Erfahrung". Auch der Autor dieser Zeilen ist von dem Spiel begeistert: Mit seinen spektakulären Schauplätzen, den vielfältigen Interaktionsmöglichkeiten und den charismatischen Figuren macht Alyx so ziemlich alles richtig. Und das über eine Spielzeit von 12 bis 15 Stunden.
Nischendasein

Für seinen Mut verdient Valve definitiv Respekt. Aber ist Alyx auch wirklich der Blockbuster, der VR aus der Randexistenz in den Mainstream befördert? Verglichen mit anderen Spieleplattformen fristen VR-Brillen immer noch ein Nischendasein. Schauen wir uns die Verkaufszahlen für Q 4 2019 an, die das Marktforschungsunternehmen SuperData zusammengetragen hat: Am besten hat sich im vierten Quartal die PlayStation VR von Sony verkauft (338.000 Exemplare). Die Oculus Quest landete – als erste wirklich gute VR-Brille ohne Kabelanbindung – mit 317.000 Exemplaren auf Platz 2. Platz 3 erreichte die Valve Index (103.000), die damit seit ihrem Start im Juni 2019 auf insgesamt 149.000 Exemplare kam. Zum Vergleich: Die PS4 hat sich als Plattform mittlerweile deutlich über 100 Millionen Mal verkauft. Der Vergleich mag etwas unfair erscheinen, zeigt aber, dass VR – auf die gesamte Gamer-Basis bezogen – nur eine verschwindend geringe Reichweite hat. (Von den Mobile Games ganz zu schweigen).

Dennoch hat Virtual Reality durch Alyx einen deutlichen Schub erhalten: Als das Release-Datum im November bekanntgegeben wurde, stiegen die Verkaufszahlen der Index auf mehr als das Doppelte. Beim Release am 23. März verzeichnete Alyx 43.000 gleichzeitig zockende User auf Steam (Quelle: Niko Partners), hinzu kamen rund 300.000 Zuschauer auf Twitch. Selbst Spieler, die bislang noch kaum etwas mit VR am Hut hatten, wurden durch Berichte in GI-Medien (ZDF, SPON etc.) auf das Spiel aufmerksam gemacht. "Für unser Medium ist es sehr wichtig, dass solche Spiele-Blockbuster nur für VR entwickelt werden", sagt Ioulia Isserlis. "Das bringt die Massen dazu, dieses Medium auszuprobieren."

VR hat einen deutlichen Schub erhalten

Als CEO der AnotherWorld GmbH in Berlin hat Isserlis ein originäres Interesse daran, dass es mit VR vorangeht. Die Firma hat unter anderem die vielbeachteten VR-Experiences Kobold und Pagan Peak VR (Vive, Steam, Oculus) entwickelt. Isserlis freut sich, dass Alyx inzwischen alle Verkaufsrekorde bricht. Weniger begeistert ist sie von der Tatsache, dass die passenden Headsets derzeit kaum verfügbar sind. Die Valve Index beispielsweise ist derzeit ausverkauft, was einerseits mit dem Enthusiasmus der User zu tun haben dürfte, andererseits aber auch mit den reduzierten Produktionskapazitäten durch die Coronavirus-Krise. Um Alyx auf der Oculus Quest zu spielen, benötigen User ein Kabel und einen Hochleistungs-PC. Leider ist auch die Quest derzeit kaum erhältlich – immerhin bot MediaMarkt sie bei Redaktionsschluss (30.3.) in seinem Online-Shop an. Auch auf anderen VR-Brillen wie der Vive Cosmos lässt sich Alyx spielen – weil Valve hier bewusst auf Kompatibilität geachtet hat.

Neue IPs im Anmarsch?
Thomas Bedenk ist Director Immersive Media bei der Berliner Firma Exozet – und zudem freiberuflicher Berater. "Ich würde noch nicht von Mainstream sprechen, aber der Markt entwickelt sich stetig weiter", lautet sein Zwischenfazit zu VR. "Blockbuster wie Alyx sind sehr wichtig für sich entwickelnde Plattformen", findet auch Bedenk. "Qualitativ ist es absolut ein Blockbuster, aber ob man das auch für die Verkaufszahlen sagen kann, muss sich erst zeigen." Der Berliner hofft, dass wir bald mehr Titel dieser Qualitätsstufe erleben: "Ich denke, dass Publisher wie Valve und Ubisoft nochmal mit richtig großen IPs nachlegen werden."

Blockbuster sind sehr wichtig für sich entwickelnde Plattformen

Auch Joost van Dreunen stimmt der Release des "Nischen-Blockbusters" optimistisch: "Alyx hat das Interesse an VR neu belebt, weil Valve sehr profiliert ist", so der Experte, der einst SuperData gründete und inzwischen als Start-up-Berater und Investor bei New Breukelen tätig ist. Alyx sei ein Paradebeispiel für die Möglichkeiten von VR, so van Dreunen: "Immersive Umgebungen, die Interaktivität und Handlungsfähigkeit bieten, sind ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal von VR." Gleichwohl glaubt van Dreunen nicht, dass Alyx ein wirklicher System Seller ist. "Es ist ein stabileres Ökosystem von Content Creatorn nötig, damit mehr Konsumenten in diese Technologie investieren." Immerhin hat Alyx hier viel Anschubarbeit geleistet. (Achim Fehrenbach)

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