
Es gehört zu den erfolgreichsten deutschen Switch-Games überhaupt: Lonely Mountains: Downhill, ein Mountainbike-Game von Megagon Industrie aus Berlin. Das Spiel erschien 2019 zunächst auf PC, PS4 und Xbox One – und im Folgejahr auch auf der Switch. Fachmedien und Spielefans waren von dem Titel gleichermaßen begeistert: Auf Metacritic erreichte die Switch-Fassung einen Durchschnittswert von 84; Ende 2021 hatten bereits 2,5 Millionen SpielerInnen das Game ausprobiert. Plattformübergreifend, wohlgemerkt.
Große Hoffnungen
Das Sequel Lonely Mountains: Snow Riders ist im Januar 2025 „nur“ für PC und Game Pass erschienen – ganz offensichtlich hatte Microsoft großes Interesse daran, sich das Spiel teilexklusiv zu sichern. Dennoch bleibt die Switch für Entwickler Megagon ein ausgesprochen interessantes Umfeld. „Was das User-Feedback und den kommerziellen Erfolg angeht, war die Switch für Lonely Mountains: Downhill die erfolgreichste Plattform“, sagt Megagon-Mitgründer Daniel Helbig. „Daher verbinden wir natürlich große Hoffnungen mit der nächsten Konsolengeneration.“ Den ersten Eindruck von der neuen Hardware beschreibt Helbig als „sehr positiv“. Ihn freut, dass „Nintendo dem Kernkonzept der Switch treu geblieben ist und eher in allen Bereichen die Qualität erhöht, als das Rad neu zu erfinden“. Helbig hofft, dass Nintendo erneut die Spielenden für sich gewinnen kann, die „nicht so hardcore-gaming-affin sind“ wie die Stammkundschaft der anderen Konsolen und PC-Handhelds (vgl. IGM 02/2025). Lonely Mountains: Downhill käme das zugute: Das Spiel ist – wie man so schön sagt – „easy to learn, hard to master“. Und es lässt sich hervorragend auch unterwegs und in kurzen Sessions zocken.
Eher in allen Bereichen die Qualität erhöht, als das Rad neu zu erfinden
Die Abwärtskompatibilität der Switch 2 sorgt dafür, dass zum Launch bereits hinreichende Auswahl herrscht. Die größte Aufmerksamkeit der User wird anfangs natürlich dem First-Party-Kracher Mario Kart World, den aufgemotzten Zelda-Spielen und einigen großen Third-Party-Titeln wie Fortnite, Cyberpunk 2077, Split Fiction und Rune Factory: Guardians of Azuma (vgl. S. 23ff. in diesem Heft) gelten. Rund 20 Launch-Titel hat Nintendo bisher bestätigt, einige First-Party-Games wie Donkey Kong Bananza oder Kirby Air Riders werden aber erst in den Folgemonaten erscheinen. Für „aufwärtskompatible“ Third-Party-Titel – zum Beispiel aus Deutschland – ist das eine gute Gelegenheit, bereits frühzeitig im Nintendo eShop zu punkten. Zwar hat der vergleichsweise hohe Hardware-Preis (Basis-Version: 469,99 Euro; Bundle mit Mario Kart World: 510 Euro) bei vielen Consumern für erhebliches Stirnrunzeln und Unmutsbekundungen im Netz gesorgt – und auch der Preis von Top-Titel wie eben Mario Kart World (digital: 79,99 Euro, physisch 89,99 Euro) stößt etlichen Endkunden sauer auf. Dennoch könnte sich die Konsole verkaufen wie geschnitten Brot: Die Prognosen der Marktforscher schwanken zwischen 14 und 20 Millionen verkauften Exemplaren im ersten Jahr – vorausgesetzt natürlich, es kommt in den USA wegen der Unberechenbarkeit der Zölle nicht zu größeren Verwerfungen im Einzelhandel.
Chat als Booster
Das spannendste Feature der neuen Konsole ist – aus Sicht von Daniel Helbig – der angekündigte GameChat. Wer es noch nicht kennt: Über den neuen C-Button auf dem rechten Joy-Con können Spielende einen Voice-Chat für bis zu zwölf Personen aktivieren; bis zu vier Personen können – via Webcam – an einem Video-Chat teilnehmen. Benutzer von PC, PlayStation und Xbox werden über dieses „neue“ Feature nur müde lächeln, schließlich nutzen sie es auf ihren Plattformen seit Jahr und Tag. Dennoch sollte man nicht unterschätzen, welchen Impuls der GameChat der Switch 2 geben könnte – eben weil er ausgezeichnet zur Multiplayer-Ausrichtung von Nintendo passt. Julia Pfiffer, Co-CEO von astragon Entertainment, sieht den Voice- und Video-Chat als klaren Pluspunkt. „Gerade für unsere Simulationsspiele, die sich auch an eine jüngere Zielgruppe richten, sind solche zugänglichen Social-Features ein wichtiger Aspekt“, so Pfiffer. „Schließlich sind intuitive Kommunikationsmöglichkeiten wie ein unkomplizierter GameChat für viele SpielerInnen heute selbstverständlich.“ Etliche astragon-Simulationen lassen sich bereits auf anderen Plattformen im Online-Koop-Modus spielen – wenn das schon bald auch auf der Switch möglich ist, profitieren die Games davon ganz erheblich.
Neue Spielräume bei künftigen Multiplatform-Releases
Auch sonst sieht Pfiffer bei der Switch 2 „spürbare Verbesserungen in zentralen Bereichen“ gegenüber dem Vorgängermodell. „Die gesteigerte Leistung der neuen Konsole und die damit einhergehende verbesserte Grafikqualität kommen unseren Simulationsspielen natürlich sehr entgegen“, sagt sie. Ziel der astragon-Titel sei es, realitätsnahe Spielwelten zu schaffen – von detaillierten Fahrzeugmodellen bis hin zu authentischen Szenarien. Insofern freue man sich über jede technische Neuerung, die dieses Ziel unterstütze. Dass die Switch 2 deutlich leistungsfähiger sei als die Vorgängerkonsole, könnte laut Pfiffer auch „neue Spielräume bei künftigen Multiplatform-Releases eröffnen“. So könnten die zunächst für PC, PS5 und Xbox Series X/S entwickelten Titel womöglich „zeitnäher oder sogar parallel“ auf die Switch 2 gebracht werden: Ein klarer Vorteil bei Produktion und Vermarktung dieser Games.
Strategisch wichtig
Das Ökosystem der Switch spielt für astragon eine „zentrale Rolle im Plattform-Mix“, betont Pfiffer. So sei die Zielgruppe der Konsole und die der astragon-Simulationen sehr ähnlich: „Jüngere SpielerInnen und Familien, die gewaltfreie und kooperative Spielerlebnisse suchen.“ Generell habe sich astragon bei Simulationsspielen eine starke Marktposition erarbeitet und etliche Marken fest etabliert, so die Co-Geschäftsführerin. Im Vergleich zu anderen Plattformen sei die Switch deshalb „nicht nur inhaltlich, sondern auch strategisch“ eine spannende Bühne. Zu den aktuell wichtigsten astragon-Titeln im Nintendo eShop zählt Pfiffer Police Simulator: Patrol Officers, das im Herbst 2024 auf der Switch herauskam. Bereits zuvor habe man auf der Nintendo-Plattform optimierte Versionen von Bau-Simulator 4, Firefighting Simulator: The Squad sowie Bus Simulator: City Ride veröffentlicht. Dass die Switch 2 mit ihren vielseitig einsetzbaren Joy-Cons nun auch eine Art Mouse-Steuerung bietet, sieht Pfiffer als zusätzlichen Pluspunkt. „Unsere Spiele sind bereits auf verschiedene Steuerungsarten ausgelegt – entsprechend gespannt sind wir, wie sich dieses neue Feature im praktischen Einsatz bewährt.“ Man setze zudem weiterhin stark auch auf physische Produkte, betont Pfiffer. Ein Vertriebskanal, den Nintendo mit den neuen Cartridges offenhält.
Julian Brockmann ist Marketing Manager bei der Aerosoft GmbH. Der Entwickler und Publisher aus Büren (Westfalen) ist für Titel wie Notruf 112 – Die Feuerwehr Simulation, den Autobahn Polizei Simulator oder auch den Trucks & Logistics Simulator bekannt. In puncto Switch 2 sieht Brockmann viele neue Chancen. „Vor allem durch die im Vergleich zum Vorgänger verbesserte Leistungsfähigkeit haben wir in Zukunft die Möglichkeit, eine noch bessere Qualität bei der Entwicklung beziehungsweise Portierung unserer Titel anzubieten“, sagt er. Mit der Switch und der Switch 2 könne Aerosoft eine völlig andere Zielgruppe erreichen als auf Plattformen wie Steam, PSN oder Xbox. „Hier sind vergleichsweise mehr Familien und jüngere SpielerInnen aktiv – eine Zielgruppe, die sich oft mit der unserer Simulationstitel überschneidet“, so der Marketing-Spezialist. „Außerdem können wir mit unseren Titeln das derzeit noch recht überschaubare Angebot an Verkehrssimulatoren auf der Switch gut ergänzen und Simulationsfans so eine größere Auswahl bieten.“
Passendes Publikum
Auch für den bayerischen Solo-Entwickler Christoph Minnameier ist die Switch-Zielgruppe höchst relevant. Auf Steam sei die Konkurrenz besonders groß, Xbox und PSN seien stark auf Core Gamer ausgerichtet, so Minnameier, dessen laufende Dungeons-of-Dreadrock-Trilogie viele Lorbeeren einheimst. „Aber auf der Switch finde ich genau mein Publikum: Familien, Kinder, SpielerInnen, die etwas Emotionales, Charmantes, vielleicht auch Nostalgisches suchen“, betont Minnameier. So wie eben auch das Couch-Coop-Game, dass er gerade unter dem Projekttitel „Avocado“ entwickelt und das vom bayerischen FilmFernsehFonds gefördert wird. Rein leistungsmäßig sei die erste Switch für seine bisherigen 2D-Spiele völlig ausreichend gewesen, sagt Minnameier. „Aber auch wenn man es als Laie nicht vermuten würde, war es auf aktuellen Handys einfacher, Ladezeiten oder Performance zu optimieren als auf der Switch.“ Ein (noch unbetiteltes) 3D-Spiel, das Minnameier ebenfalls gerade entwickelt, werde sowohl auf der Switch als auch auf Xbox und PlayStation erscheinen. Vor diesem Hintergrund ist Minnameier „gerade als Solo-Dev froh, wenn ich während oder nach der Entwicklung nicht endlos profilen und optimieren muss“.
Auf der Switch finde ich genau mein Publikum
Insgesamt hat Minnameier von der Switch 2 einen positiven ersten Eindruck. „Ja, es ist more of the same“, räumt er ein. „Aber was hätte man auch erwarten sollen, eine Innovation wie die erste Switch ist schwer reproduzierbar.“ Nintendo scheine mit der Switch 2 das richtige Maß gefunden zu haben, so der Entwickler. Und zwar „mehr Leistung, ohne den Charakter der ursprünglichen Switch aufzugeben“. Für Minnameier wirkt die neue Konsole „wie eine liebevoll weiter gedachte Version der Switch – und ich denke, das passt gut, um der Zielgruppe treu zu bleiben“.
Wohlwollende Skepsis
Christopher Kassulke beobachtet den bevorstehenden Launch der neuen Konsole mit wohlwollender Skepsis. „Die Switch 2 ist eine Verbesserung zu der mit über acht Jahren betagten Switch“, sagt der HandyGames-CEO. Der technische Aufwand, die ältere Switch zu unterstützen, habe auch in keinerlei Verhältnis mehr zum möglichen Markt gestanden. Eine direkte Konkurrenz für PS5 und Xbox Series X/S sieht Kassulke in der neuen Konsole nicht: Nicht von der primären Zielgruppen her, aber auch nicht bei den Hardware-Specs. „Die ‚Mouse‘-Steuerung ist sicherlich ein tolles Feature“, sagt er. „Jedoch sehe ich nicht, dass sie sich langfristig für die Konsole durchsetzen wird, da es eben ein Handheld ist.“ Wenn er selbst auf der Couch sitze und mit angedockter Konsole am Fernseher spiele, bevorzuge er schlichtweg keine Mouse-Steuerung, sondern einen Controller, so Kassulke. Auch als Steam-Deck-Konkurrent sieht er die Switch 2 im persönlichen Gebrauch eher nicht. Stattdessen prognostiziert er bei dem neuen Feature vor allem „Mehrarbeit für die Entwickler, wenn sie beide Steuerungen anbieten möchten“.
Nachholbedarf sieht Kassulke auch beim Digitalvertrieb. „Der eShop bietet leider auch nicht aktuelle Features an, die man auf anderen Plattformen gewohnt ist“, kritisiert er. „Ich gehe davon aus, dass auch der eShop neu gedacht werden wird.“ In den letzten Jahren habe HandyGames auch nur wenige neue Titel auf die Switch gebracht, so der Firmenchef. Die Switch-Dauerbrenner seien deshalb immer noch Titel wie Townsmen, Endling, Giana Sisters – und auch Lizenzprodukte wie Are You Smarter Than A 5th Grader. „Wir werden sehen, wie Nintendo an den großen Erfolg der Switch 1 andocken möchte“, sagt Kassulke. Wichtig sei auch, dass die Konsole in den USA auf den Markt komme: Angesichts der aktuellen Handelsbedingungen sieht er hier allerdings „ein potenzielles Risiko für Hardware, aber auch für Box-Produkte“. Kassulke bezweifelt, dass US-Consumer 130 US-Dollar für ein Box-Spiel ausgeben wollen. „Aber wenn es jemand hinbekommen kann, dann unsere Freunde von Nintendo.“
Fazit: Der 5. Juni dürfte ein ziemlich turbulenter Tag werden. Die Chancen stehen gut, dass auch deutsche Firmen signifikant von der neuen Nintendo-Konsole profitieren werden. (Achim Fehrenbach)