IGM: Bei eSports gibt es eine Kluft zwischen Profisport und Breitensport. Wie lässt sich die überbrücken?
Chris Flato: Profi-eSports und Breitensport werden diametral zueinander wahrgenommen und repräsentieren teils unterschiedliche Communities. Dennoch sind sie voneinander abhängig. Es kann keinen Breitensport ohne Leistungssport geben – und umgekehrt. Das ist einer der Gründe, weshalb wir seinerzeit den ESBD gegründet haben – damit man gemeinsam an eSports in Deutschland arbeiten kann und die Szene voranbringt. Als Veranstalter ist ESL auf den Breitensport angewiesen, etwa bei der Nachwuchsförderung und der Flächenwirkung. Der Breitensport geht in die Gemeinden, zu den Kids und Erwachsenen nach Hause. Das ist einfach sehr hilfreich.
Martin Müller: Der Profisport ist das, was man auf den großen Bühnen sieht. Dahinter stehen aber viele Millionen Menschen, die sich ehrenamtlich mit dem Thema beschäftigen. Das ist ganz ähnlich wie bei klassischen Sportstrukturen, etwa im Fußball. Wie Chris schon sagte, ist der Breitensport besonders gut in der Nachwuchsförderung. Nicht nur in Bezug auf Spieler, Trainer und Teams, sondern auch auf technisches Wissen. Das betrifft Projektmanagement, das betrifft Social Media, da kann man auf kleiner Ebene üben und sich weiterentwickeln. Und im allerbesten Fall dann auch Fachkräfte für die den Profi-eSports ausbilden. Man erwirbt nicht nur Kompetenzen für den Job, sondern für das ganze Leben. Das ist der große Vorzug des Breitensports: Dass wir in der Fläche viele Menschen organisieren und weiterbilden.
Gemeinsam die Szene voranbringen
IGM: Wie viele eSports-Vereine gibt es eigentlich in Deutschland? Und wo liegen die regionalen Schwerpunkte?
Müller: Wir zählen aktuell etwa 200 bis 250 Vereine, die sich mit eSports beschäftigen. Das können reine eSports-Vereine sein, ganz kleine Sportvereine wie die TSV Hamelspringe aus einem Dorf mit 800 Einwohnern – oder große Vereine wie Eintracht Frankfurt, die auch im eSports Breitensport betreiben. In Schleswig-Holstein gibt es – im Bundesländervergleich – überproportional viele Vereine, was mit der dortigen eSports-Förderung zu tun hat. Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es mit dem Sportjugendprojekt des Landessportbundes NRW entsprechende Förderungen. Dadurch werden Barrieren abgebaut und die Vereine beginnen, sich mit dem Thema eSports zu beschäftigen.
IGM: Wie viele Mitglieder haben die deutschen eSports-Vereine?
Müller: Ich schätze, dass das in den Vereinen eine niedrige fünfstellige Zahl ist. Allerdings bilden die Vereine bisher nur einen Teil des Breitensport ab – das entwickelt sich gerade erst. Ich schätze, dass es im organisierten und im nichtorganisierten Breitensport eine niedrige siebenstellige Zahl Spieler gibt, also bis zu vier Millionen Menschen, die sich für eSports interessieren.
Flato: Dazu habe ich auch eine ganz interessante Zahl. Wir haben auf ESL Play – wo sich ja auch viele eSports-Amateure tummeln – ungefähr drei Millionen Teilnehmer aus der DACH-Region. Das hat natürlich damit zu tun, dass ESL ursprünglich aus dieser Region kommt. Aber es gibt auch eine Menge Leute, die nicht auf ESL Play registriert sind – die sehr casual nur die Spiele selbst spielen, zum Beispiel über Matchmaking in Counter-Strike oder League of Legends.
IGM: Zu eurer Tätigkeit: Wie arbeitet ihr als ESL und ESBD konkret zusammen?
Flato: ESL ist Gründungsmitglied des ESBD. Wir haben den Bedarf gesehen, im deutschen Bereich einen Verband zu etablieren, der alle Akteure an einen Tisch bringt und das Thema eSports weiter vorantreibt. Ich selbst bin als erster Vizepräsident des ESBD ins Tagesgeschehen involviert und kümmere mich um übergreifende Themen. Wobei die eSports-Szene grundsätzlich stark vernetzt ist. Man pflegt den Kontakt, üblicherweise auf Veranstaltungen wie der gamescom oder ESL One. Diese finden aktuell leider gerade weniger statt, deshalb gibt es viele andere Versuche, sich miteinander zu vernetzen. Es passiert viel im Hintergrund, was öffentlich vielleicht gar nicht so stark wahrgenommen wird.
IGM: Du sprichst von übergeordneten Themen. Welche sind das zum Beispiel?
Flato: Das beste Beispiel ist das eSports-Visum, das vor einigen Monaten gesetzlich verankert wurde. Es erlaubt eSportlerInnen, über ein Kurzvisum hinaus im Land zu bleiben, um ihrer Tätigkeit nachzugehen. Wir haben das in Zusammenarbeit mit Veranstaltern und Leistungsteams, aber auch mit dem game und der Politik erreicht. Das gab es vorher nur für traditionelle Sportler. Ein weiteres Beispiel: Seit einigen Monaten trifft sich die Veranstalterabteilung mit der Leistungssportabteilung des ESBD, um Standards für die deutsche Szene zu entwickeln. Da geht es um Themen wie ein abgestimmtes Catering, Reisebestimmungen und Unterbringungsnormen. Diese Standards sollen für alle ESBD-Mitglieder etabliert werden.
Müller: Oder nehmen wir als weiteres Beispiel die Trainerausbildung des ESBD. Wir haben aus dem Breitensport heraus eine Trainerausbildung aufgebaut, die mittlerweile auch von den Profi-Teams genutzt und von den Veranstaltern durch öffentlichkeitswirksame Aktionen unterstützt wird. Man sieht, dass die verschiedenen Ebenen – Breitensport, Leistungssport und Veranstalter – immer besser zusammenarbeiten. Das ist ganz wichtig. Schade ist allerdings, dass wir momentan keine physischen Events haben, bei denen man auf Augenhöhe zusammenkommt. In den vergangenen Jahren saßen beim German eSports Summit Vertreter der TSV Hamelspringe direkt neben dem ESL-Vorstand. Das waren sehr schöne Events, bei denen die ganze Welt des eSports zusammenkam.
IGM: Dennoch bemängeln Kritiker, dass der ESBD nicht die großen eSports-Firmen vertritt – und dass ESL wenig mit der Basisarbeit in den Vereinen zu tun hat. Was sagt ihr dazu?
Flato: Kritik ist prinzipiell gut. Wir freuen uns, wenn eSports-Themen öffentlich diskutiert werden – und je mehr Leute an dem Diskurs teilnehmen, desto besser. Was den ESL-Basisbezug betrifft, ist die Kritik sicher subjektiv. Wir haben die ESL-Play-Plattform eingerichtet, wir haben eSports in mehr als zwanzig Jahren großgezogen und sind aus dem Breitensport auf die großen Bühnen der Welt gegangen. Dass ESL nicht mehr auf jeden der unzähligen Vereine in Deutschland zugehen kann, stimmt natürlich. Als Unternehmen haben wir ein eigenes Portfolio, das unsere volle Aufmerksamkeit braucht. Aber das ist ja auch einer der Gründe, warum der ESBD gegründet wurde – und weshalb wir dort auch Mitglied sind: Um kleinere Vereine und Casual Gamer in ihrer Organisation zu unterstützen – und um entsprechendes Know-How weiterzugeben.
Wir freuen uns, wenn eSports-Themen öffentlich diskutiert werden
IGM: Im ESBD fehlen allerdings auch einige große Player ...
Flato: Einige große deutsche Teams sind dem ESBD bisher noch nicht beigetreten – zum Beispiel SK Gaming oder mousesports. Abgesehen davon bildet der ESBD die deutsche eSports-Landschaft aber recht gut ab. Wir haben Veranstalter, Leistungssportler und Breitensportler als Mitglieder. Und in all diesen Abteilungen gibt es sowohl große als auch kleine Player. Dass noch nicht alle Organisationen ESBD-Mitglied sind, ist für uns Anreiz, unser Angebot noch attraktiver zu machen. Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Player sich mit uns an einen Tisch setzen. In zwei Jahren werden wir eine gänzlich andere Ausgangslage haben.
Müller: Wir stehen auch mit den Nicht-ESBD-Mitgliedern in regem Austausch. Man muss da die unterschiedlichen Sachzwänge und Interessen berücksichtigen. Vielleicht wird ein Bundesligist, der LEC spielt, nicht direkt ESBD-Mitglied, weil er bereits anderen Verbänden angehört. Aber nach und nach entwickelt sich das. Sowohl im Breiten- als auch im Profisport sind die Strukturen in den letzten Jahren gut gewachsen. In zwei Jahren wird das noch ganz anders aussehen. Zur Basisarbeit von ESL kann ich sagen: Wir arbeiten auf verschiedenen Ebenen gut zusammen, auch im Breitensport. Ein Beispiel ist die ESL-Dachliga: Da ist der Projektmanager gut mit einigen Vereinen vernetzt und bindet sie in die Arbeit mit ein.
IGM: Der ESBD ist jetzt dreieinhalb Jahre alt. Was ist das Wichtigste, das ihr seit der Gründung erreicht habt?
Flato: Wir haben es zum Beispiel geschafft, eine ESBD-Vereinsliga aus dem Boden zu stampfen. Da werden aktuell StarCraft II, Rocket League, League of Legends und Counter-Strike gespielt. Außerdem haben wir mit der ESBD Akademie einen verbandlichen Bildungsträger ins Leben gerufen, der demnächst auch C-Trainer-Lizenzen verleihen wird – und dazu auch ein eigenes Buch herausbringt, voraussichtlich am Ende von Quartal 2. Auch mit dem game, der sich primär als Publisher-Verband sieht, arbeiten wir sehr gut zusammen. Ich glaube, wir haben mit dem ESBD einen wichtigen Stakeholder im eSports geschaffen, der all die unterschiedlichen Beteiligten – Breitensportvereine, Leistungssportvereine, Veranstalter – an einen Tisch bringt. Und der es wirklich schafft, für sie mit einer Stimme zu sprechen. Das ist in einer fragmentierten Welt wie dem eSports enorm wichtig.
Müller: Für unsere Mitglieder ist es sehr wichtig, dass wir uns sportlich aneinander messen können, auf Amateur- und Breitensportniveau. Wichtig ist auch, dass wir ein zentraler Ansprechpartner sind. Wir haben Anfragen von 250 Vereinen bekommen, die sich mit eSports beschäftigen wollen, die wissen wollen, wie das eigentlich geht. Diesen Vereinen können wir weiterhelfen – wir können Kontakte herstellen und sie begleiten. Außerdem können wir zum ersten Mal auch die Interessen der gemeinwohlorientierten Organisationen öffentlich kommunizieren. Als einzelner Verein hat man ja sonst kaum die Möglichkeit, im Bundestag seine Interessen vorzubringen. Das ist ein ganz großer Vorteil des Verbandes: Wir können zeigen, dass eSports aus so viel mehr besteht als aus großen Turnieren und hohen Preisgeldern. Es besteht aus ganz viel ehrenamtlichem Engagement und Kompetenzaufbau.
IGM: Euer Ziel ist, dass die Gemeinnützigkeit von eSports-Vereinen anerkannt wird. Welche Chancen bietet da das Superwahljahr?
Flato: Das ist definitiv eines unserer Hauptanliegen. Wir sehen, dass das Thema auch von der Politik wahrgenommen wird. Unter anderem die FDP hat diesbezüglich gerade ein sehr interessantes Programm veröffentlicht. Was sicherlich damit zusammenhängt, dass die Jungwähler immer stärker als Zielgruppe wahrgenommen werden. In unserer bevorstehenden Präsidiumsklausur werden wir einige Themen besprechen, die uns im während des Wahlkampfs besonders wichtig sind. Und anschließend werden wir direkt mit den Parteien darüber sprechen.
Müller: Im Sommer 2020 hat unsere Breitensportabteilung die sogenannten Sommerbesuche auf den Weg gebracht. Einige unserer Mitgliedsvereine haben die Bundestagsabgeordneten ihrer Wahlkreise eingeladen – in Magdeburg hatten wir sieben Abgeordnete zu Gast. Denen haben wir gezeigt, was wir eigentlich machen, welche unterschiedlichen Ebenen der Vereinstätigkeit es gibt. Im Vorwahlkampf wollen wir das natürlich auch wieder aufgreifen. Wir wollen zeigen, was ehrenamtlicher eSports ist – und warum unsere Gemeinwohlorientierung auch gemeinnützig sein sollte.
IGM: ESports-Vereine sind auch auf andere Finanzierungsquellen angewiesen. Wie interessant ist beispielsweise lokales oder regionales Sponsoring?
Müller: Die Finanzierungsquellen sind bei klassischen Sportvereinen und eSports-Vereinen relativ ähnlich. Das sind zum einen die Mitgliedsbeiträge – und zum anderen das Sponsoring. Ein Verein kann einem lokalen Sponsor eine starke Lokalbindung bieten. Ein Beispiel: Mein Verein Magdeburg eSports e.V. hat mittlerweile ein Vereinsheim mit 150 Quadratmetern. Das wird von einer örtlichen Wohnungsbaugesellschaft, einem örtlichen Internetdienstleister, einer Volksbank und einem Eigenheimunternehmen unterstützt. Das sind Organisationen, denen die Greifbarkeit beim eSports wichtig ist. Die interessieren sich nicht für eine deutsche Meisterschaft, weil die als Veranstaltung viel zu groß ist. Auch hier kann Breitensport übrigens einiges leisten: Wir können nicht-endemische Sponsoren dem eSports näherbringen – über kleine Aktionen, kleine Sponsorings. Wir können Ideen entwickeln. Und damit Türen öffnen, die dann auch dem professionellen eSports zur Verfügung stehen, wenn das Unternehmen zwar in Magdeburg sitzt, aber eine deutschlandweite Ausrichtung hat.
IGM: Stichwort "nicht-endemische Sponsoren": Wie groß sind da noch die Vorurteile gegenüber eSports?
Müller: Die gibt es noch, ja. Ich glaube, das ist eine Sache, die wir nach und nach erklären müssen – so, wie wir das auch mit Erziehungsberechtigten und Schulen machen. Dieser Vermittlungsprozess ist aber in den letzten Jahren wesentlich angenehmer geworden. Noch vor zehn Jahren war es schlicht unmöglich, über die Gemeinnützigkeit von eSports zu diskutieren. Aber schon vor zwei, drei Jahren konnten wir darüber im Bundestag mit Abgeordneten diskutieren – auch über Spiele wie Counter-Strike. Mit dieser Überzeugungsarbeit wird es in den nächsten Jahren weitergehen – auch gegenüber möglichen Sponsoren.
Flato: Auch wir von ESL bemerken diesen Wandel. Vor fünf Jahren war das Thema "Sponsoring" noch fast ausschließlich von Firmen wie Intel, Asus, Nvidia oder Logitech besetzt. Seitdem hat sich aber eine ganze Menge getan. Wir haben mittlerweile auch einige große nicht-endemische Sponsoren begleiten dürfen, zum Beispiel DHL, Mercedes-Benz, Wüstenrot und McDonald's. Seitdem diese Leuchtturm-Sponsoren aktiv sind, hat sich die Wahrnehmung nicht-endemischer Sponsoren gegenüber eSports und Gaming deutlich erhöht. Natürlich gibt es hier und da immer noch Berührungsängste, was bei einer neuen und dynamischen Branche wie eSports nur selbstverständlich ist. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir die größten Hürden da schon hinter uns haben.
Benefits für beiden Seiten
IGM: Welche Chancen ergeben sich daraus, dass traditionelle Sportvereine verstärkt im eSports mitmischen?
Flato: Sportvereine wie Schalke oder Eintracht Frankfurt haben inzwischen eigene eSports-Teams auf die Beine gestellt. ESL und DFL richten gemeinsam die Virtual Bundesliga aus – mit insgesamt 26 Erst- und Zweitligisten, die das Thema sehr ernst nehmen. Diese Kooperation von traditionellem Sport und eSports ist eine Win-win-Situation. Der traditionelle Sport kann vom eSports bei Mitgliedergewinnung, Massenbekanntheit und Image-Bildung profitieren. Schalke beispielsweise ist durch sein LoL-Team in osteuropäischen Ländern noch bekannter geworden. Auf der anderen Seite kann eSports noch viel vom traditionellen Sport lernen. Gerade was Trainingsmethoden betrifft, die der traditionelle Sport bereits vor Jahrzehnten oder Jahrhunderten entwickelt und inzwischen perfektioniert hat. Dementsprechend gibt es Benefits für beide Seiten.
Müller: Der klassische Sport – also das Engagement von Großsportvereinen wie Schalke oder Eintracht – hat auch geholfen, eSports besser zu erklären. Dass das eben nicht nur Daddler sind, sondern dass es auch professionelles Training geben kann, dass Themen wie Ergonomie und Ausgleichssport wichtig sind. Das zeigt Schalke übrigens sehr schön – oder auch SK Gaming, die mit dem 1. FC Köln zusammenarbeiten. Das wirkt auch in den Breitensport hinein. Eintracht Frankfurt hat beispielsweise einen hauptamtlichen Koordinator für eSports. Daraus ergeben sich Vorbilder für kleinere Vereine – rund um Frankfurt gibt es beispielsweise lokale Cluster von eSports-Vereinen. Das lässt sich runterbrechen bis auf den kleinen Dorfverein, der mit eSports ein attraktives Angebot für junge Menschen schaffen kann. Dort werden Kompetenzen ausgebildet, die der Verein gut gebrauchen kann, zum Beispiel Social-Media-Management oder Live-Streaming-Kenntnisse. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sportvereine – egal welcher Größe – von der Beschäftigung mit eSports profitieren können. Im allerbesten Fall wachsen so die Ebenen zusammen.
IGM: Hast du da ein konkretes Beispiel?
Müller: Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in eSports-Vereinen beispielsweise über Anbieter wie das eCycling-Unternehmen Zwift mittelfristig auch Sportangebote aufbauen können – weil das einfach gut zusammenpasst. Da gibt es noch sehr viel Potenzial. Das Wissen ist mittlerweile vorhanden, aber es gibt noch gewisse Berührungsängste bei den Vereinen. Außerdem haben wir das große Problem der ungeklärten Gemeinnützigkeitsfrage, die viele Sportvereine daran hindert, das Ganze wirklich aktiv zu betreiben.
IGM: Wie lässt sich die eSports-Basis institutionell besser fördern?
Müller: In Schleswig-Holstein gibt es die Grundförderung vom Land, in Nordrhein-Westfalen das Sportjugendprojekt des Landessportbundes. Da werden Modellstandorte mit Technik ausgestattet, es gibt einen zentralen Ansprechpartner, ganz ähnlich wie in Schleswig-Holstein. Das ist ein guter Weg, um eSports in der Fläche zu ermöglichen. Anschließend muss man darüber nachdenken, wo fachkundiges Personal herkommt, um das zu betreiben. Also Trainerausbildung, Trainerförderung und Trainerbindung. Auch hier stellt sich wieder die Frage der Gemeinnützigkeit. Denn ein nicht gemeinnütziger eSports-Verein kann nicht einfach so eine Ehrenamtspauschale ausschütten. Ich glaube, wenn man die Flächenförderung angeht und die Gemeinnützigkeit klärt – dann sind alle wichtigen Voraussetzungen für eSports als Breitensport erfüllt. Und dann werden wir auch sehr schnell erleben, wie sich immer mehr Vereine mit eSports beschäftigen – auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
IGM: Was kann Deutschland bei der Breitensportförderung von anderen Ländern lernen?
Müller: Skandinavien ist da schon weiter, speziell Dänemark. Dort können sich Sportvereine, Schulen und Bibliotheken mit eSports beschäftigen, ohne rechtliche Probleme zu bekommen. ESports ist institutionell anerkannt, es gibt eine Trainerausbildung und eSports-Angebote an Schulen. Dabei geht es geht nicht in erster Linie darum, Profisportler hervorzubringen – sondern darum, Persönlichkeiten herauszubilden, Teams zu bilden, Soft Skills zu fördern. Die Talente, die es dort gibt, werden dann allerdings in eine Spitzensportförderung übernommen. Deswegen gibt es in Dänemark auch so viele gute Counter-Strike- und League-of-Legends-SpielerInnen. Da wollen wir in Deutschland auch hin – dass wir eine flächendeckende Infrastruktur haben, die auch dem Profisport zugute kommt.
IGM: Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf die Vereinsarbeit?
Müller: Die Pandemie trifft vor allem die lokalen Vereine. Reine Online-Clans sind in einer entspannteren Situation, weil sie schon immer online gearbeitet haben. Aber wenn ich ein Vereinsheim habe und mich dort treffen möchte, dann habe ich seit einem Jahr ein echtes Problem. Das merken wir auch an einer gewissen Erosion der Mitgliederzahlen. Als eSports kommen wir zwar immer noch besser durch die Pandemie als manch anderer Sport. Aber es tut uns trotzdem weh.
Flato: Auch im professionellen Bereich gibt es natürlich Pandemieeffekte – allen voran bei den Veranstaltern. Es gibt keine großen Bühnen und damit auch keine tollen Bilder. Die euphorischen Momente in der Arena wünschen wir uns als ESL genauso zurück wie die Fans, die seit über einem Jahr darauf verzichten müssen. Dennoch hat eSports einen empirischen digitalen Vorsprung, den andere Entertainment- oder Sportsegmente erst entwickeln müssen. Mit einem signifikanten Anstieg bei den Zuschauerzahlen befinden wir uns daher in einer akzeptablen Lage.
IGM: Ein Ausblick: Was sind eure nächsten Schritte in der Verbandsarbeit?
Müller: Wir wollen wachsen – und werden dieses Jahr die ersten Landesverbände für eSports gründen. Dann wird sich, glaube ich, vieles nach und nach in diesem Jahr finden. Das Fundament ist gelegt. Jetzt geht es darum, das Ganze sinnvoll und flächendeckend weiterzuentwickeln. (Achim Fehrenbach)