Fan-Service: IGM-Serie „Merch“, Teil 1

Ob Plüschfiguren, Tassen, Lampen oder Caps: Gaming-Merch bietet so ziemlich alles, was das Herz des Spielefans begehrt. Doch welche Merch-Artikel liegen gerade besonders im Trend? Und welche Hürden müssen Anbieter und Händler nehmen, wenn sie up to date bleiben wollen? In einer zweiteiligen Serie beleuchten wir die verschiedenen Facetten der Merchandise-Welt. Teil 1 dreht sich um Bestseller, Trends und logistische Herausforderungen.
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© rob z /stock.adobe.com
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Die Computerspielgeschichte hat viel skurriles Merch hervorgebracht. Beispiele gefällig? Nun, da hätten wir zum Beispiel Frühstücksflocken von Nintendo, Motto: „We rescued breakfast!“ Oder auch ein Ganzkörperkostüm für Leute, die in ihrer Freizeit Sonic the Hedgehog mimen wollen. Auch schön: Ein Resident-Evil-Parfüm mit stylischem Umbrella-Corp-Flakon. Und wo wir schon dabei sind: Auch der Angry-Birds-Bra und die Plants vs Zombies Peashooter Slippers waren gewiss schnell ausverkauft.

Merchandise-Produkte sind aus der Gaming-Welt nicht wegzudenken. In den offiziellen Statistiken der Games-Branche tauchen sie allerdings nur selten auf. Vor Urzeiten (2016) meldete der Bundesverband game (aka BIU), Fan-Artikel seien „bei Gamern in Deutschland sehr beliebt“. Immerhin 30 Prozent der deutschen Spielefans hätten sich irgendwann schon Merch gekauft. Seitdem scheint Merch beim game allerdings nicht mehr so sehr im Fokus gestanden zu haben, jedenfalls verschickte der Verband keine weitere PM zum Thema. (Auch im Jahresbericht 2021 taucht Merch nicht auf.) Dass Merch eher selten Gegenstand umfassender Marktanalysen ist, hat womöglich mit Abgrenzungsschwierigkeiten zu tun: Erstens ist der Merch-Markt schier unüberschaubar – und zweitens zerfließen die Grenzen zwischen Merch, Games und Toys zunehmend. Und das nicht erst seit den berühmt-berüchtigten Skylanders ...

Bestseller Plüsch
Wo auch immer man genau die Grenze zieht: Fakt ist, dass sich Merch enormer Beliebtheit erfreut – das zeigt schon die wachsende Zahl unterschiedlicher Produkte. Doch was sind eigentlich die beliebtesten Merch-Kategorien? Was sind die Dauerbrenner und Bestseller? „Das stärkste Produkt-Item ist klar das Plüsch“, sagt Peter Schroer, Geschäftsführer von ak tronic. „Gerade bei Pokémon ist es unglaublich, was der Markt an Stückzahlen verlangt. Danach kommen Battle-Figuren, Tassen, Caps und Textil. Aber auch das ganze Thema ‚Trading-Cards‘ läuft sehr stark. Speziell Pokémon und Animal Crossing.“ Bei Merch arbeitet ak tronic mit einer Reihe großer Lieferanten zusammen, zum Beispiel Jazwares, Pyramid, Difuzed und Joojee. Darüber hinaus kooperiert die Firma mit vielen kleineren Anbietern, die in einzelnen Produktgruppen stark sind. „Wir bestellen aber auch viel direkt in China Free on Board“, so Schroer. Im sogenannten FOB-Geschäft kümmert sich der Besteller selbst um Transport, Container, Verzollung und Abwicklung. Im Lizenzbereich laufen laut Schroer „die alten Verdächtigen“ am besten: Also alle Nintendo-IPs, Pokémon und Minecraft. Allerdings sieht Schroer auch einen Trend zu sehr hochwertigem Plush – beispielsweise Mocchi Mocchi von Tomy oder Squishmallows von Jazwares. „Hier werden im Laden Preise von bis zu 100 Euro aufgerufen“, berichtet Schroer.

 

Hier werden im Laden Preise von bis zu 100 Euro aufgerufen

 

Auch für Flashpoint ist Gaming-Merch ein wichtiger Geschäftszweig. „Über die Jahre haben sich ein paar Kategorien als erfolgreich herauskristallisiert“, sagt Markus Blumenberg, Head of Sales & Buying. „Dazu gehören vor allem Tassen, Becher und Gläser, Lampen beziehungsweise Leuchten, Plüsch und Caps. Je nach Lizenz oder Jahreszeit gibt es aber auch immer wieder Ergänzungen und Einzelartikel, die herausstechen.“ Dass neue Merchandise-Trends den Markt aufrollen, sieht Blumenberg nicht: „Es ist nicht einfach, neben den bereits bekannten Kategorien neue Dinge im Handel zu etablieren. Oftmals gibt es leider noch das Abteilungsdenken bei den Kunden – und auch der Platzmangel in den Abteilungen erlaubt wenig Spielraum.“ AAA-Releases seien weniger geworden, konstatiert Blumenberg. Und stellt fest, „dass die zeitlosen und release-unabhängigen Themen auch weiterhin dominant sind“.

Beliebte Lizenzprodukte
NBG-Geschäftsführer Markus Biehl bezeichnet Plüsch als „Klassiker“ des Merch-Portfolios. Natürlich passe Plüsch nicht zu jedem Produkt, dennoch sei diese Kategorie oftmals führend. NBG arbeitet bei Merch mit verschiedenen Herstellern zusammen: Zu den wichtigsten Partnern zähle die Firma Exquisite Gaming mit ihrer Cable-Guys-Reihe sowie die Firma San-ei, über die NBG Lizenzprodukte von Nintendo bezieht. „Aber auch andere Partner – wie zum Beispiel Razer – haben Produkte mit Games-Lizenzen“, ergänzt Biehl. Die Cable Guys seien allerdings ein besonders gutes Beispiel für eine neue Kategorie von Merch: „Sie sind nicht nur zum Sammeln – man kann sie auch als Halter für die unterschiedlichsten Gegenstände verwenden.“ Neben den Cable Guys habe Exquisite Gaming eine ganze Reihe weiterer Lizenzen – sehr viel von Disney, aber auch von Call of Duty, Crash Bandicoot und Borderlands. „Exquisite Gaming hat jetzt eine neue IP namens ‚Ikon‘“, so Biehl. „Sie verbinden die Cable Guys mit den Ikon Lights, die es bereits gibt – basierend auf Lizenzen wie PlayStation oder Xbox. Diese Produkte sollen 2022 erscheinen.“

Dass NBG Plüsch von Nintendo im Portfolio hat, bezeichnet Biehl als „Riesenglück“. Sobald ein neues Nintendo-Spiel erscheine, steigt auch schon die Nachfrage nach der jeweiligen Merch-Kategorie. „Ich wusste zuerst gar nicht, dass es ein neues Kirby-Spiel gibt“, erzählt Biehl schmunzelnd. „Dann habe ich mir bei uns ein paar Zahlen angeschaut – und gemerkt, dass da irgendwas mit Kirby sein muss. Die Plüsch-Verkäufe haben sich automatisch verfünffacht.“ Vom Lizenznehmer San-ei bezieht NBG Plüschfiguren wie Yoshi, Mario und Kirby. „Unsere bestverkaufte Plüschfigur ist ein Klassiker, der grüne Yoshi“, so Biehl. „Und das seit drei Jahren! Offenbar gibt es immer noch Kinder, die den nicht haben.“

Besonders nah am Endkunden

Reichweitenskalierung
Die Firma Koch Media setzt ebenfalls stark auf Gaming-Merch. Erst Mitte März übernahm sie die US-amerikanischen Custom-Merchandise-Spezialisten Development Plus Inc. und DPI Logistics LLC. Im IGM-Interview beschreibt Simon Banzhaf, Director International Commercial Operations, welche Vorteile die Übernahme bringt. So verfüge DPI über fundiertes Know-How im Bereich E-Commerce und verstehe es, besonders nah am Endkunden zu sein. „Das ist einer der Schlüssel für zukünftigen Erfolg im Bereich des Entertainment“, erläutert Banzhaf. „Diesen Marktzugang und diese Kundennähe haben wir mit der Übernahme von DPI jetzt auch in Nordamerika geschaffen. Als Merchandise-Partner für globale Publisher skalieren wir so unsere Reichweite und unser Marktgewicht im Bereich der physischen Fan-Artikel noch einmal deutlich.“ Jetzt nämlich könne Koch Media eine lizenzbasierte One-Stop-Solution sowohl für Amerika als auch für Europa anbieten – „inklusive Design, Manufacturing, Shop-Solution, Logistik und Customer Service“.

Bereits 2019 hatte Koch Media einen führenden europäischen Merchandise-Anbieter übernommen, nämlich Gaya Entertainment. „Ebenso wie DPI verfügt auch Gaya Entertainment über einen Fokus auf das direkte Endkundengeschäft“, freut sich Banzhaf. Die Frage nach der derzeit wichtigsten Merch-Kategorie lässt sich laut Banzhaf nicht pauschal beantworten: „Das variiert stark je nach der zugrunde liegenden Lizenz. Bei einigen Brands stellen wir einen stärkeren Fokus der Kunden auf Bekleidung oder auch Caps und Accessoires fest – andere Marken generieren eher ein erhöhtes Interesse an spezielleren Artikeln, wie etwa Figuren. Ein allgemeiner Trend ist hier also gar nicht so leicht abzulesen.“ Gleichwohl könne man „eine Tendenz zu höherpreisigen und limitierten Collectibles“ erkennen.

So beliebt Merch auch sein mag: Natürlich ist Corona auch an dieser Produktsparte nicht spurlos vorübergegangen. „Die Corona-Pandemie hat den Trend hin zu mehr Online-Geschäft verstärkt“, sagt Peter Schroer. „Wir wachsen online und verlieren im Retail.“ Markus Blumenberg verweist darauf, dass das Merch-Sortiment im stationären Handel vor allem von der Kundenfrequenz lebe. „Da haben die Lockdowns der letzten zwei Jahre und das veränderte Kaufverhalten der Kunden schon einen massiven Einfluss auf das Geschäft gehabt“, so Blumenberg. „Auch wenn der Online-Bereich dafür stärker geworden ist, kann man festhalten, dass Impulsartikel und Spontankäufe deutlich abgenommen haben.“

 

Wenn der Transport mehr kostet als das Produkt, wird es kritisch

 

Logistische Herausforderungen
Die weltweiten Krisen stellen auch die Merch-Logistik vor neue Herausforderungen. Der Großteil der Merch-Produkte komme „leider aus China“, sagt Markus Blumenberg. Das Geschäft sei deshalb stark von den extrem gestiegenen Frachtraten und Produktionskosten betroffen. „Der logistische Vorlauf in der Beschaffung und damit die Mengenplanung für die Saison sind ebenfalls oft eine Herausforderung, da die Vorlaufzeiten sehr lang sind – auch ohne die Verzögerungen, die dann immer noch erschwerend hinzukommen.“ Ganz grundsätzlich sei auch der Transport bestimmter Merch-Kategorien knifflig, so Blumenberg: „Zerbrechliche Ware wie Keramik und Glas muss gesondert und aufwändig verpackt werden.“ Auch Peter Schroer bedauert, dass die Merchandise-Artikel fast ausschließlich in Asien hergestellt werden: „Das zu ändern ist leider nicht leicht – und das kann noch zu großen Problemen führen. Wir versuchen, durch eine größere Lagerbevorratung lieferfähig zu bleiben.“ Durch die hohen Container-Preise mache der Import von großen und günstigen Items immer weniger Sinn, so Schroer. „Wenn der Transport mehr kostet als das Produkt, wird es kritisch.“ Bei Plüsch setze ak tronic vermehrt auf Vakuumtransporte. „Die armen Tiere werden in Polybeuteln vakuumiert und schrumpfen vom Volumen auf 25 bis 30 Prozent. Bei uns im Lager erwachen sie dann zu neuem voluminösen Leben.“ Allerdings müsse man sie anschließend teilweise aufbereiten, so Schroer: „Dazu stecken wir sie für 15 Minuten in den Trockner. Kuscheltiere haben es auch nicht leicht.“

Auch NBG bezieht seinen Merch fast ausschließlich aus Asien, wie Markus Biehl berichtet. „Das war in den letzten beiden Jahren ein ganz großes Problem, was sich aktuell gerade wieder verschärft. Jeder hat ja mittlerweile mitbekommen, wie sich die Transportkosten entwickelt haben. Und als man dachte, es relativiert sich wieder, kam der Krieg in der Ukraine.“ Die größten Herausforderungen sind laut Biehl die Transportkosten, die Lieferzeiten, die Rohstoffkosten und etwaige Lockdowns. „Eine verlässliche Planung, wie sie früher möglich war, ist leider überhaupt nicht mehr sicherzustellen“, bedauert der NBG-Chef. „In China werden teilweise die Häfen in den Lockdown geschickt – und das kann man nicht voraussehen. Früher dauerte es von der Bestellung bis zur Anlieferung des Containers ca. 4 bis 5 Monate. Heute kann es vorkommen, dass man mit 9 bis 12 Monate rechnen muss. Und das zu Kosten, die massiv gestiegen sind.“ Man müsse also quasi schon im Januar wissen, was Ende des Jahres unter dem Weihnachtsbaum liegen solle, betont Biehl. „Wenn es denn keinen Engpass bei Weihnachtsbäumen gibt.“

Steigende Kosten
Wegen der steigenden Kosten hat sich NBG von einigen Produkten verabschiedet, die einfach zu groß gewesen seien. „Wir hatten einen sehr großen Kirby im Programm, von dem nur wenige in einen Container gepasst haben“, verrät Biehl. „Das heißt, die Plüschfigur hätte 100 statt wie bisher 40 Euro kosten müssen. Pro Stück kostet der Transport dann ungefähr 20 Euro! Und wir müssen das Produkt ja auch noch zum Handel bringen.“ Solche Ware könne nur palettiert verschickt werden – und da passten dann eben nur zehn Stück auf eine Palette drauf. Damit koste der Transport vom NBG-Lager zum deutschen Händler zusätzliche 4-5 Euro pro Stück, so Biehl. Bei der Kooperation mit Exquisite Gaming setzt NBG übrigens ebenfalls auf FOB. „Exquisite Gaming übernimmt die Produktion – und für die Lieferung beziehungsweise Abholung sorgen wir selbst“, erläutert Biehl. „Wir haben also grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Wir können die Ware entweder direkt in Asien abholen – oder sie via UK hierher importieren.“

Gaming-Merch mag überaus beliebt sein – doch die Herausforderungen für Anbieter und Händler werden auf absehbare Zeit nicht sinken. (Achim Fehrenbach)

In Teil 2 unseres Merch-Specials (IGM 07/2022) widmen wir uns den Teilaspekten Lizenzbeschaffung, medienübergreifende IPs, Bekleidung und Präsentation am PoS.

IGM 06/22
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