Schluss mit lustig? Humor in Videospielen

Der gespielte Witz verkauft sich offenbar nicht: Wieso kommt Humor in Computer- und Videospielen so selten zum Tragen? IGM blickt auf das Stilmittel des Humors – und die Herausforderungen, ihn in Games gewinn­bringend zu platzieren.
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© ArtFamily /elements.envato.com
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Devolver Digital kündigte Anfang April 2022 „Return to Monkey Island“ an. Unter der Leitung von Branchenveteran Ron Gilbert entsteht nach über 30 Jahren der Nachfolger legendärer Point’n’Click-Adventures wie „The Secret of Monkey Island“ und „Monkey Island 2: LeChuck’s Revenge“ und soll noch dieses Jahr erscheinen. Neben den cleveren Rätseln und der liebevollen Grafik bestachen die LucasArts-Originale vor allem durch ihren einzigartigen Humor, der hierzulande dank der famosen deutschen Übersetzung von Boris Schneider-Johne für viele Lacher vor den Bildschirmen sorgte.

Humor in Computer- und Videospielen erlebte seine Hochzeit zweifellos in der Ära der Grafik-Adventures und war damals ein wichtiges Verkaufsargument. Doch mit fortschreitender Hardware und Technik wurde der verspielte Witz zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Moderne Games können lustig sein, rücken aber oft andere Aspekte in den Mittelpunkt. Wieso ist das Geschäft mit dem gespielten Witz derart kompliziert und unattraktiv?

Wie funktioniert Humor?
Doch klären wir erst einmal: Was ist Humor eigentlich? Zunächst einmal ist Humor ein System, in dem Emotionen und Beziehungen in enger Verbindung zueinanderstehen. Er ist psychologisch komplex, denn ein guter Witz spricht verschiedene Hirnregionen an, ehe beispielsweise ein Lachen oder ein Schmunzeln dabei herauskommt. Die Grundlage jedes guten Scherzes ist dabei eine Inkongruenz, also eine Unstimmigkeit oder schlicht eine Überraschung. Beim legendären Beleidigungsduell aus „The Secret of Monkey Island“ besteht der Spaß in dem munteren, aber schlagfertigen Frage-Antwort-Spiel. Wenn der Angreifer „Ich werde jeden Tropfen Blut aus deinem Körper melken“ in den Raum stellt und Protagonist Guybrush Threepwood dies mit „Wie passend, du kämpfst wie eine Kuh“ beantwortet, dann entsteht aus der Absurdität des Augenblicks und der Überraschung ob des Gesagten Humor.

Ein guter Witz spricht verschiedene Hirnregionen an

Da allerdings Lachen oder auch nur Grinsen einen Reflex darstellt, ist Humor ungemein fragil und zugleich persönlich. Wäre Guybrush kein liebenswerter Möchtegern-Pirat, sondern ein unsympathischer Kotzbrocken, fänden die wenigsten seine Sprüche und seine Abenteuer lustig. Doch funktioniert ein Witz, löst das etwas in uns aus: Lachen macht glücklich – dank des ausgeschütteten Hormons Serotonin. Zugleich aber folgt dem Lachen ein Augenblick der Entspannung, und damit sinkt auch die eigene Aufmerksamkeit. In der eher statischen, ja beinahe an eine Theateraufführung erinnernden Inszenierung eines Adventures stört das nicht. In schnellen Ego-Shootern wie „Call of Duty“ und „Battlefield 2042“ oder einem kampflastigen Open-World-Epos à la „Elden Ring“ kann dieser Moment aber schon den Bildschirmtod bedeuten.

Humor ist harte Arbeit

Viel Aufwand, wenig Chancen?
An dieser Stelle erkennt man bereits erste Punkte, wieso sich Humor in der Entwicklung von Spielen als schwieriges Pflaster erweist. Humor ist harte Arbeit und erfordert ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl und Fokus. Einen kleinen Gag zur Auflockerung der Situation mit einzubinden, ist deutlich unkomplizierter als eine „gespielte Komödie“ zu konzipieren und zu schreiben.

Das unterstrich auch Comedian und Autor Tommy Krappweis, Miterfinder der KiKA-Figur Bernd das Brot, im Interview im Vorfeld der Veröffentlichung von „Bernd das Brot und die Unmöglichen“ (2014). „Ich vermisse professionelle Pointen, die funktionieren! Vieles ist auf witzig gemacht. Aber viel zu oft zünden einfach die Ideen nicht oder sind nicht rechtzeitig umgesetzt“, sagte Krappweis. „In den Magazinen steht dann so was wie ‚Humor ist Geschmackssache‘. Natürlich nicht! Man kann und muss nachlesen, wie man eine Pointe schreibt. Wenn ich will, dass die Leute zum Schluss lachen, dann muss das Wort mit dem Witz zum Ende kommen. Nicht in der Mitte oder am Anfang! Ansonsten sitze ich vor dem Bildschirm und habe nichts zu lachen.“

Für Krappweis ist Humor nicht subjektiv, sondern ein Handwerk. Das bedeutet: In die Entwicklung beziehungsweisen in das Schreiben eines gezielt lustigen Skripts muss eine Menge Aufwand und damit auch ein entsprechendes Budget fließen. Wie das funktionieren kann, zeigt beispielsweise die „Portal“-Reihe von US-Entwickler Valve, die in puncto Gameplay in die Kategorie Puzzle-Spiel gehört, aber zugleich mit treffendem Charakterdesign und bitterbösem Humor aufwartet. Krappweis bringt dieses Problem auf den Punkt: „Das liegt einfach daran, weil meistens das verkauft wird, was ‚Tried & Tested‘ ist. Da hat es ein lustiges Spiel schwer. Bei einem Actionspiel brauchst du schönen Eye Candy, für ein lustiges Spiel brauchst du gute Autoren.“

Zugleich war die Erfolgsquote dezidiert lustiger Spiele zuletzt eher schlecht. Siehe etwa das von Crystal Dynamics entwickelte und von Square Enix Ende Oktober 2021 herausgebrachte „Guardians of the Galaxy“: Das Action-Adventure fußt auf der populären Marvel-Lizenz und erhielt für seinen erzählerischen Witz sowie die gelungene Singleplayer-Erfahrung positive Kritik von Fans und Fachpresse. Der große Verkaufserfolg blieb allerdings aus. Laut Square-Enix-Präsident Yosuke Matsuda blieben die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück.

Für ein lustiges Spiel brauchst du gute Autoren

Es gibt doch Grund zu lachen!
Bedeutet das jetzt, dass Computer- und Videospiele eine bierernste Angelegenheit sind, in der Humor schlicht keinen Platz hat? Natürlich nicht! Häufig entsteht der Humor nämlich auch aus den im Spiel präsentierten Möglichkeiten oder schlicht aus dem Szenario.

Rockstars Open-World-Saga „Grand Theft Auto“ bringt gleich mehrere dieser Punkte mit. Die bisherigen Serienteile sind hochgradig politisch und strotzen vor Anspielungen auf die moderne Popkultur. Zugleich aber entstehen aus den spielerischen Möglichkeiten des Genres irrwitzige Situationen, die Spieler überraschen und so für ungewollte Lacher sorgen. Die Tiefe dieser Möglichkeiten zeigt sich beispielsweise auch in Community-Mods wie etwa „GTA Roleplay“, in denen sich Fans kreativ austoben.

In eine ähnliche Kategorie fällt auch die „Hitman“-Reihe: Das vermeintlich ernste Szenario des Auftragskillers wird hier durch teils urkomische Optionen für virtuelle Mordversuche durch den Kakao gezogen. Ähnlich wie in „Grand Theft Auto“ besteht auch im aktuellen „Hitman 3“ der Reiz darin, die Möglichkeiten auszuloten und damit etwas möglichst Witziges oder gar Irrwitziges zu kreieren.

Andere Titel wie beispielsweise „Untitled Goose Game“ glänzen wiederum mit ihrem verrückten Szenario. Wer wollte nicht schon immer einmal als Gans die Nachbarschaft terrorisieren? Ins Reich der humoristischen Absurditäten fallen Spiele wie der „Goat Simulator“, „Octodad: Dadliest Catch“ oder der „Surgeon Simulator“. Hier geht’s in erster Linie um das Austesten der Spielmechanik und der Physik-Technologie in Verbindung mit einem skurrilen Setting.

Ob Humor also Teil des Erfolgsrezepts eines Spiels ist, hängt stark von der Ausrichtung des Produkts ab. Große Einzelspielerproduktionen werden es auch künftig schwer haben, Witz in den Mittelpunkt zu stellen und sich am Markt zu behaupten. Doch als zusätzliches Element innerhalb der Spielwelt selbst ist Humor weiterhin eine wichtige Nuance, die den Unterschied machen und zugleich Emotionen beim Spieler erzeugen kann. In der Nische dagegen finden sich immer wieder obskur-witzige Titel, die mehr als nur einen Lacher wert sind. Und vielleicht schafft es ja Ron Gilbert mit seinem „Monkey Island“-Comeback, dass Humor in Spielen wieder salonfähig wird. Hey! Hinter dir! Ein dreiköpfiger Affe! (ob/bpf)

IGM 06/22
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