Trier hat 110.000 Einwohner und jede Menge Kultur: Seine römischen Baudenkmäler zählen seit 1986 zum Unesco-Weltkulturerbe, darunter das Amphitheater, eine antike Brot-und-Spiele-Location. Für zeitgenössische Unterhaltung hat Trier gleich mehrere Anlaufstellen: Es gibt einen MediaMarkt, einen Saturn und den Fachhändler SK GameNatiX, der – nur wenige Schritte von der berühmten Porta Nigra entfernt – in der Fußgängerzone sitzt. Ab Mitte März war der Laden allerdings dicht – so wie die meisten anderen Geschäfte in Rheinland-Pfalz: Die Lockdown-Regeln sorgten dafür, dass sämtliche (nicht systemrelevanten) stationären Händler wochenlang auf physische Kundschaft verzichten mussten. Brot: Ja, im Supermarkt. Spiele: vorerst nicht.
Den Laden irgendwie am Laufen halten
Sorgfältige Vorbereitung
Wie geht man als Händler mit einer solch existenzbedrohenden Situation um? Mit einer Situation, die noch wenige Wochen vorher nicht mehr war als der klischeebeladene Plot eines dystopischen Science-Fiction-Streifens? Für ihn sei der Lockdown nicht wirklich überraschend gekommen, sagt Stefan Kimmlingen. "Uns war relativ früh klar, dass Deutschland nicht an gravierenden Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vorbeikommt." Bis zur Schließung des Einzelhandels sei es nur eine Frage der Zeit gewesen. "Also bestand die erste Phase darin, sich mental darauf vorzubereiten. Gleichzeitig haben wir nach Wegen gesucht, unsere Kunden ständig über den Stand der Dinge zu informieren." Will heißen: SK GameNatiX baute seine Social Media-Aktivitäten schon im Vorfeld stark aus – und gab nahezu täglich Interviews in klassischen Medien wie dem Trierer Lokalradio. In einer zweiten Phase kümmerte sich Kimmlingen um eine Kurzarbeitregelung für die Mitarbeiter, führte Gespräche mit den Behörden und mit dem Steuerberater. "Hier war es mir persönlich wichtig, so früh wie möglich Klarheit zu haben, um mich voll und ganz darauf zu konzentrieren, den Laden irgendwie am Laufen zu halten", sagt Kimmlingen.
Damit das klappen konnte, musste der Händler allerdings viele Dinge anpassen. SK GameNatiX erwirtschaftet im Normalfall rund 70 Prozent seines Umsatzes mit Ladenkunden. "Uns war klar, dass durch den Lockdown der Verkauf, ganz besonders aber der Ankauf von Gebrauchtartikeln, nun erst einmal extrem erschwert wird", sagt Kimmlingen. "Deshab haben wir unsere restlichen Verkaufskanäle gestärkt." Zum Glück sei SK GameNatiX online sehr gut aufgestellt, so Kimmlingen: "Unser Webshop ist weit über die Grenzen von Trier bekannt und wurde schon vor Corona gut genutzt. Gleichzeitig haben wir mehr als 15 Jahre Erfahrung mit anderen Marktplätzen. Dies hat uns natürlich in der Zeit enorm geholfen." Neben gamenatix.de betreibt die Firma auch Shops auf Ebay und auf dem Amazon Marketplace.
Vertrieb umgestellt
Das Vertriebssystem stellte SK GameNatiX – in Absprache mit den Behörden – auf Pick-up und Lieferung um. Kunden konnten ihre Bestellungen im Webshop oder telefonisch aufgeben, bezahlt wurde vorab. Anschließend kamen die Kunden zum Ladengeschäft in der Paulinstraße 1-3, klopften an die Tür und erhielten die bestellte Ware. Als Paketshop hätte SK GameNatiX theoretisch sogar im Lockdown funktionieren können. Dann allerdings hätte man die Laufwege der Kunden vom üblichen Sortiment abtrennen müssen. Kimmlingen entschied sich dagegen, weil er das Kundenaufkommen bewusst niedrig halten wollte. "In Absprache mit unserer Gewerbeaufsicht hier vor Ort hat das auch optimal funktioniert", sagt er. Die Umstellung des Vertriebssystems sei zwar mit erheblichen Zusatzkosten verbunden gewesen. "Unterm Strich hat es sich aber gelohnt", konstatiert Kimmlingen. "Wir mussten außer der Kurzarbeit für unsere Mitarbeiter keine sonstigen staatlichen Förderungen in Anspruch nehmen." Mittlerweile ist das Team nicht mehr zu dritt, sondern zu zweit. Im Lockdown arbeitete der festangestellte Mitarbeiter täglich zwei Stunden im Versand, die restliche Arbeit übernahm Kimmlingen allein. Wobei der Laden auch nur bis 17 statt bis 19:30 Uhr geöffnet hatte.
Ganz massive Nachschubprobleme
Eine der größten Herausforderungen der Krise ist für SK GameNatiX die Verfügbarkeit der Waren. "Im Bereich Hardware gab und gibt es ganz massive Nachschubprobleme", klagt Kimmlingen. "Vor allen Dingen bei Nintendo ist das auch jetzt noch zu spüren. Die Nachfrage nach Switch-Geräten war enorm, die Preise sind geradezu explodiert. Wir haben in der Zeit des Lockdowns gerade mal eine Handvoll Geräte bekommen können – und diese waren dann innerhalb von wenigen Minuten wieder verkauft." Auch PS4-Konsolen seien stark nachgefragt worden und nach einer Weile nicht mehr verfügbar gewesen. "Eigentlich war und ist so gut wie keine Konsole auf normalem Weg zu bekommen", so Kimmlingen. Das sei auch Anfang Mai noch nicht grundlegend anders. Schwierigkeiten habe es beispielsweise auch bei der Beschaffung von Final Fantasy VII Remake (Standard-Edition) und von Animal Crossing: New Horizons gegeben. Bei beiden Titeln habe sich die Lage aber inzwischen entspannt.
Geänderte Kundenwünsche
Kimmlingen konnte beobachten, wie sich die Kundenvorlieben im Lockdown änderten. "Wir haben bemerkt, dass die Kunden durch die Ausgangsbeschränkung dazu gezwungen waren, sich daheim sportlich zu betätigen", sagte er. Die Folge war ein Run auf Sport- und Fitness-Games. Ring Fit Adventure, einer der heiß begehrten Titel, war allerdings nicht lieferbar. Stark nachgefragt wurde auch Just Dance 2020 von Ubisoft. Für den Handel mit Download-Karten war der Lockdown allerdings keine gute Zeit. Kimmlingen verkauft die Karten fast ausschließlich im Laden – und der war ja geschlossen. Immerhin konnte SK GameNatiX noch über die Schaufenster mit den Kunden kommunizieren: Auf riesigen Postern begründete man die vorübergehende Schließung und verwies auf den versandkostenfreien 24-Stunden-Service im Webshop. Online informierte der Händler seine Kunden täglich via Instagram und Facebook über das verfügbare Angebot, eintreffende Neuheiten und die erweiterten Service-Leistungen im Lockdown – zum Beispiel die stadtweite Lieferung am selben Tag. "Der Verkauf über unsere Online-Kanäle ist für uns extrem wichtig und in der Zeit des Lockdowns hat er uns praktisch gerettet", sagt Kimmlingen. "Wir haben es geschafft, unsere Umsätze mehr oder weniger auf dem Niveau des Vorjahres zu halten, was aber mit sehr viel Arbeit verbunden war." Man habe praktisch ununterbrochen nach besonders begehrten Produkten recherchiert, um diese dann sofort anzubieten.
Der Monat Mai fing sehr stark an
Mit der Lockerung der Corona-Bestimmungen kamen neue Herausforderungen auf den Händler zu. Zunächst informierte SK GameNatiX seine Kunden online über die Auflagen, die ab dem 20.4. zu erfüllen waren. Dazu zählt die Maskenpflicht – und die Regelung, dass sich nicht mehr als fünf Kunden gleichzeitig im Laden aufhalten dürfen. SK GameNatiX hat Desinfektionsmittelspender aufgestellt und vor dem Verkaufstresen Plexiglasscheiben angebracht. Anfangs hielt sich die Kauflaune auch noch in Grenzen, so dass es keinen übermäßigen Andrang im Laden gab – nur gelegentlich musste Kimmlingen Kunden bitten, kurz draußen vor der Tür zu warten. Auch intensive Beratungsgespräche werden verständlicherweise seltener gewünscht als in Vor-Corona-Zeiten. Immerhin kehrt inzwischen wieder ein Stück weit Normalität ein. "Der Monat Mai fing sehr stark an, was uns nach dem mauen Start nach dem Lockdown sehr gefreut hat", sagt Kimmlingen. "Am ersten Samstag im Mai hatten wir tatsächlich unseren bis dato umsatzstärksten Tag des Jahres – wenn man den reinen Ladenverkauf betrachtet." Außerdem freut sich Kimmlingen über eine deutliche Steigerung beim Ankauf von Gebrauchtwaren. Denn der war – siehe oben – zu Lockdown-Zeiten sehr stark eingeschränkt.
Abläufe optimiert
Kimmlingen hat sich von Corona definitiv nicht unterkriegen lassen. "Auf jeden Fall haben wir in den vergangenen Wochen viel über unsere Abläufe gelernt und diese – so weit wir konnten – optimiert", sagt er. Die Situation sei zwar mental sehr anstrengend, aber auch sehr interessant. "Gerade im Games-Handel wird es spannend zu beobachten sein, wie die großen nationalen und internationalen Mitbewerber das wegstecken", sagt Kimmlingen. "Ich glaube, wir als relativ flexibler Indie-Händler sind hier in der besseren Position als die Großen. Ich sehe für Läden wie meinen eine Chance, wenn wir es auch weiterhin schaffen, kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren. Und unseren Kunden das Gefühl geben, für sie da zu sein."
Fazit: Corona ist für den Handel eine riesige Herausforderung. Doch mit der richtigen Einstellung lässt sich einiges bewegen. (Achim Fehrenbach)