Mut zur Freizeit: Die Viertagewoche in der Games-Branche, Teil 2

Weniger arbeiten, dafür effizienter sein – und die gewonnene Zeit fürs Privatleben nutzen: Das ist die Grundidee der Viertagewoche. Auch in der Games-Branche wird sie eifrig diskutiert – und teilweise bereits angewandt. In einer zweiteiligen Serie beleuchten wir, welche Erfahrungen Spielefirmen mit diesem Arbeitszeitmodell gemacht haben. Teil 1 (IGM 06/2023) beschäftigte sich mit Theorie und ersten Testläufen – unter anderem bei großen Firmen wie Eidos Montreal. Für den vorliegenden zweiten Teil haben wir mit deutschen Studios gesprochen, die das Viertagemodell als Basis für eigene, flexible Arbeitszeitregelungen nutzen.
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Die einen halten sie für die Zukunft, die anderen schlicht für eine Utopie: Die Viertagewoche wird hierzulande mit viel Leidenschaft diskutiert. Laut einer aktuellen Umfrage der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung befürworten immerhin 73 Prozent aller Deutschen eine solche Arbeitszeitverkürzung – aber nur bei vollem Lohnausgleich. Acht Prozent der Befragten würden auch dann weniger arbeiten, wenn ihr Gehalt dadurch geringer wäre, so die Studie. Bemerkenswert: Nur 17 Prozent der insgesamt 2.575 Befragten (sozialversicherungspflichtig beschäftigt, in Vollzeit) lehnen eine Viertagewoche grundsätzlich ab. Und gerade mal zwei Prozent arbeiten bereits nach diesem Modell.

Wunsch nach Freizeit
Ob ein voller Lohnausgleich flächendeckend funktionieren kann, sei dahingestellt – genau wie die Frage, was das Ganze mit der volkswirtschaftlichen Produktivität macht. Völlig legitim sind in jedem Fall die Gründe, aus denen sich die Befragten eine Viertagewoche wünschen: Die allermeisten hätten gerne mehr Zeit für sich selbst und für ihre Familie, drei Viertel wollen ihre Arbeitsbelastung reduzieren. Wer die Viertagewoche ablehnt, begründet das (in der Studie) häufig mit „Spaß an der Arbeit“ – oder auch mit der Befürchtung, das Arbeitspensum nicht an vier Wochentagen erledigen zu können. Ganz nach dem Motto: Warum soll ich mich stressen – nur um mich anschließend davon entspannen zu können?

Zu welcher Position man in dieser Frage auch immer tendieren mag: Die gesamtgesellschaftliche Diskussion über die Viertagewoche wird weitergehen – und hoffentlich auch neue Erkenntnisse bringen. In der Games-Branche jedenfalls kommt das Modell verstärkt zum Einsatz – unter anderem in Kanada (vgl. IGM 06/2023), aber auch immer häufiger in Deutschland. Eine wichtige Erkenntnis aus Teil 1 unseres Specials ist: Ein striktes Festhalten an der Viertagewoche – also zum Beispiel mit einem kategorisch freien Freitag – kann durchaus Sinn machen, wird aber längst nicht bei allen Games-Firmen funktionieren, weil sie schlichtweg zu unterschiedlich sind. Sehr sinnvoll kann aber auch sein, die Arbeitszeitverkürzung an den zu leistenden Wochenstunden festzumachen – zum Beispiel mit einer 30- oder 32-Stunden-Woche. Das Ganze sollte übrigens nicht mit gängigen Teilzeitmodellen in einen Topf geworfen werden – weil die ja eben auch nur funktionieren, wenn ein Teil der Belegschaft weiter volle Pulle arbeitet. Eine Viertagewoche (bzw. 32-Stunden-Woche) soll jedoch für alle Angestellten funktionieren – was deutlich andere Anforderungen an die Gesamtorganisation stellt.

Testballon
Schauen wir uns also an, wie einige deutsche Spielefirmen die Sache handhaben. Studio Fizbin (20 Angestellte, Sitz: Ludwigsburg/Berlin) hat die 32-Stunden-Woche Mitte vergangenen Jahres als Testballon steigen lassen. „Die Idee war, die Produktionszeit unseres aktuellen Spiels mit dem Arbeitstitel ‚Projekt Kokidon‘ als Testzeitraum zu nehmen“, berichtet Studiochef Alexander Pieper. Vorab habe Fizbin bestimmte Zeiträume definiert, um mögliche negative Einflüsse auf die Projektplanung auch messen zu können. Die Kopplung an das neue Projekt bezeichnet Pieper als günstig: Das Studio habe sich voll auf Projekt Kokidon konzentrieren können – ohne den sonst üblichen Abstimmungsbedarf zwischen kleineren Projektteams.

 

Wir haben im Vorfeld für jegliche Details Umfragen erstellt

Tatsächlich beschäftigt sich Studio Fizbin schon seit 2017 mit dem Thema Arbeitszeitverkürzung. „Nach unserem zweiten eigenem Release The Inner World 2 haben wir gemerkt, dass die intensive Arbeit an Herzensprojekten ihren Tribut zollt“, erzählt Pieper. „Durchgängig mit 110 Prozent acht Stunden und mehr pro Tag zu arbeiten funktioniert nur für eine gewisse Zeit – ohne dass die Gesundheit und dadurch auch der kreative Output leiden“, so der CEO. „Hinzu kommt, dass wir als Studio erwachsener geworden sind. Familienplanung wurde zum Thema – und die klassische 40-Stunden-Woche ist damit aus unserer Sicht nur schwer kompatibel.“ Fizbin verfolgte denn auch sehr genau die Pilotprojekte, die es zu diesem Zeitpunkt bereits in einigen Agenturen gab. Die Umsetzung der eigenen 32-Stunden-Woche hat Fizbin schließlich sehr gründlich vorbereitet: „Wir haben im Vorfeld für jegliche Details Umfragen erstellt und versucht, einen für unsere MitarbeiterInnen und für unsere Planung befriedigenden Kompromiss in der Umsetzung zu finden“, erläutert Pieper. Das Ergebnis war keine Viertagewoche – sondern eine Woche, bei der die 32 Stunden auf fünf Tage verteilt sind. „Wir haben eine Kernarbeitszeit von 9:30 bis 15 Uhr und einen Mittagspausen-Slot von 12:30 bis 14 Uhr, in dem die Mittagspause zu nehmen ist“, berichtet Pieper. „Wir haben hier zusammen mit unserem Team versucht, den besten Kompromiss zwischen Flexibilität und gemeinsamer Arbeitszeit zu finden.“

Koordinierungsbedarf
Als eine der größten Herausforderungen nennt Pieper die Handhabung von Meetings. „In einem Games-Studio arbeiten sehr viele verschiedene Disziplinen zusammen, um ein kreatives Werk zu erschaffen, das seine SpielerInnen begeistert“, so der CEO. „Es entsteht dadurch ein hoher Abstimmungsbedarf, weil wir zwischen Art, Game Design, Tech, VFX, Sound, Producing, Game Direction und Geschäftsführung wie ein synchronisiertes Uhrwerk arbeiten müssen.“ Weniger Arbeitsstunden pro Tag bedeuten folglich auch weniger Zeiträume für Meetings, so Pieper. „Gleichzeitig möchte man auch nicht einen ganzen Tag back to back in Meetings verbringen – und stattdessen den Teams Fokuszeit ermöglichen.“ Was also tun? Die Verantwortlichen versuchten zunächst, eine „meetingfreie“ Zeit zu etablieren – merkten aber schnell, dass das die Arbeit verschiedener Abteilungen blockierte, weil sie zu lang auf Feedback warten mussten. Fizbin behielt bestimmte Meeting-Kernzeiten deshalb bei, so Pieper. Die Umstellung der Zeiterfassung und die Einführung von Gleitzeit seien dagegen recht geschmeidig verlaufen.

Fizbins Testballon fliegt mittlerweile fast ein Jahr – und Pieper zieht ein positives Zwischenfazit. „Die 32 Stunden haben für mehr Zufriedenheit beim Team gesorgt, Familientätigkeiten können besser wahrgenommen werden“, sagt er. „Die Flexibilität inspiriert und ermöglicht andere Aktivitäten außerhalb der Arbeit – wovon wiederum die Kreativität profitiert.“ Generell seien die MitarbeiterInnen nun seltener erschöpft, zudem würden zahlreiche Arbeitsprozesse verschlankt und beschleunigt – „und das alles bei aktuell gleichbleibender Effektivität“, freut sich Pieper. In puncto Effektivität habe Fizbin „aktuell immer noch grob den Output, den wir vor der Umstellung hatten“. Pieper überrascht das nicht wirklich – schließlich habe man immer an diese Lösung geglaubt.

Inspiration UK
Fein Games aus Berlin hat das neue Arbeitszeitmodell direkt bei seiner Gründung eingeführt – nämlich im Februar 2020. Das Berliner Independent-Studio hat sich auf Spiele „für Frauen von Frauen“ spezialisiert, sagt Co-Geschäftsführerin und Co-Gründerin Lea Schönfelder. Das erste Spiel von Fein Games, Finding Hannah, dreht sich um eine Großstädterin in der Midlife-Crisis, die zu sich selbst findet; es ist für Steam, Android und iOS erschienen und war dieses Jahr auch für den DCP nominiert. Lea Schönfelder kam erstmals mit der Viertagewoche in Berührung, als sie noch bei ustwo games in Großbritannien arbeitete. „Meine Tochter war damals ein Jahr alt“, erzählt sie. „Ich bin wieder arbeiten gegangen und habe die Arbeitszeit auf 80 Prozent reduziert. Ich hatte also einen Tag in der Woche frei und fand das total toll.“ Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland gründete Schönfelder dann – gemeinsam mit Franziska Zeiner – ihr eigenes Studio. „Franziska ist politisch sehr engagiert und hat außerhalb der Arbeit noch viele Aktivitäten, denen sie nachgehen will“, erzählt Schönfelder. „Deshalb haben wir gesagt: Lasst uns doch mal die 32-Stunden-Woche ausprobieren!“ Fein Games verteilt dieses Kontingent – ähnlich wie Studio Fizbin – auf fünf Wochentage; auch hier weicht man also vom starren Gerüst der Viertagewoche ab. Das Mehr an Freizeit hat aus Schönfelders Sicht eine Menge Vorteile: Es kommt nicht nur der Kinderbetreuung zugute, sondern auch Sport, Entspannung und ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Fein Games hat allerdings eine etwas andere Ausgangsposition als Fizbin. Zum einen ist das Studio etwas kleiner: Es beschäftigt fünf Angestellte und vier Freelancer. Zum anderen arbeitet das Fein-Games-Team weitestgehend remote – die Team-Mitglieder sitzen in verschiedenen Städten. Flexibel sei man auch bei den Arbeitszeiten, betont Schönfelder: „Die 32 Wochenstunden sind also im Prinzip nur ein Richtwert.“ Mehrstunden, die innerhalb einer Woche anfallen, werden in der Folgewoche ausgeglichen. „Wir haben jeden Tag um 10 Uhr ein kurzes Team-Meeting“, berichtet die Entwicklerin. „Ansonsten planen wir die Arbeit für die MitarbeiterInnen so, dass sie mit ihren 32 Stunden hinkommen. Aber es kann durchaus vorkommen, dass jemand am Montag nur bis 15 Uhr arbeitet – und am Dienstag dann bis 17 Uhr.“

 

Die 32 Wochenstunden sind also im Prinzip nur ein Richtwert

 

Workflow verschlanken
Schönfelder glaubt nicht, dass die 40-Stunden-Woche zu Kreativberufen passt. „Ich finde es total unrealistisch, wirklich acht Stunden täglich produktiv vor dem Rechner zu sitzen“, sagt sie. „Bei einem Bürojob macht man das ja auch nicht – da finden ja auch Gespräche in der Kaffeeküche statt.“ Schönfelder hat allerdings auch Verständnis für Unternehmen, die sich – angesichts einer Arbeitszeitverkürzung – um ihren bisherigen Output sorgen. Dass die Produktivität hier leiden könne, sei durchaus denkbar, so Schönfelder: „Zum Beispiel in der Buchhaltung oder wenn man als Artist Computerspielfiguren kreiert. Also dort, wo man eine ganz bestimmte Zeit für einen ganz bestimmten Task braucht.“ Generell rät sie aber Unternehmen, ihren Workflow zu verschlanken – zum Beispiel durch weniger Meetings. Den mancherorts praktizierten Crunch sieht Schönfelder als grundsätzliche Fehlplanung: „Ich glaube, diese Crunch-Kultur ist mittlerweile schon sehr verpönt – und das zurecht.“

Schönfelder sieht die Vorteile kürzerer Arbeitszeiten auch in der längerfristigen Perspektive. Viele Games-Firmen hätten beim Personal eine hohe Fluktuation – die Angestellten blieben der Firma ein paar Jahre treu, hätten dann aber keine Lust mehr und zögen weiter. Um diese Fluktuation zu reduzieren, brauchen ArbeitnehmerInnen laut Schönfelder eine klare Karriereperspektive innerhalb der Firma. „Außerdem wird eine ausgewogene Work-Life-Balance als immer wichtiger angesehen. Weniger Stunden bei gleichem Gehalt können ein Grund sein, weshalb man einen neuen Job annimmt.“ Schönfelder zufolge kann eine verkürzte Arbeitswoche ein immenser Wettbewerbsvorteil sein. Als kleines Indie-Studio könne Fein Games zwar marktübliche Löhne zahlen – aber auch nicht mehr. Um für sich zu werben, habe man die Regelung mit der 32-Stunden-Woche öffentlich gemacht. Trotz des latenten Fachkräftemangels in der Games-Branche (vgl. IGM 05/2023) habe man derzeit keine Probleme, Talente zu akquirieren, freut sich Schönfelder. Auch Retention-Probleme habe das Studio derzeit keine. Schönfelder hält das für einen wirtschaftlichen Vorteil, weil die personelle Fluktuation stets auch mit Zusatzkosten verbunden sei. „Der andere, weichere Faktor ist die Resilienz, die man aufbaut“, sagt sie. „Gerade in digitalen Berufen herrscht oft eine mentale Belastung, die hin und wieder zum Burnout führt.“ Firmen sollte daran gelegen sein, ihre Workforce längerfristig zu halten, betont die Spielemacherin: „Das macht ökonomisch durchaus Sinn, weil man ja mehrere Monate braucht, um neue Leute einzuarbeiten. Bei reduzierter Arbeitszeit erhält man tendenziell auch mehr gute Bewerbungen.“

Säulenmodell
Toukana Interactive ist ein weiteres deutsches Entwicklerstudio, das mit verkürzten Arbeitszeiten experimentiert. Die in Berlin ansässige Firma hat mit Dorfromantik einen veritablen Indie-Hit gelandet, der 2021 mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet wurde. Gleich bei der Firmengründung habe man eine nachhaltige Arbeitsumgebung schaffen wollen, berichtet Mitbegründer und Geschäftsführer Sandro Heuberger. Als Vorbild hätten die „Drei Säulen der Nachhaltigkeit“ gedient –  ein Arbeitsmodell, das die gleichzeitige und gleichberechtigte Umsetzung von umweltbezogenen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen propagiert. „Neben dem ökologischen Bereich wollen wir sehr bewusst auch die soziale und ökonomische Säule fest in unseren Strukturen verankern“, betont Heuberger. „Ein wichtiger Aspekt dafür ist die Wertschätzung der MitarbeiterInnen – und der Zeit, die sie für Toukana aufbringen.“ Man sei davon überzeugt, gemeinsam eine produktive Win-Win-Situation schaffen können – und zwar durch flexible, hybride und verkürzte Arbeitszeiten. „Dafür erleben wir als Resonanz ein hochmotiviertes Team, das gerne zur Arbeit kommt und in diesem Zeitfenster sehr produktiv und effizient agiert“, berichtet Heuberger.

Toukana Interactive setzt auf eine 30-Stunden-Woche – und verteilt diese Stunden ebenfalls auf fünf Tage. „Eine Person mit Vollzeitstelle arbeitet bei uns sechs Stunden pro Tag – von Montag bis Freitag“, erklärt Heuberger. „Dafür verwenden wir aktuell ein Gleitzeitmodell mit Kernarbeitszeiten, in denen wir die Verfügbarkeit von allen MitarbeiterInnen gewährleisten möchten.“ Davor und danach gibt es Gleitzeitphasen, in denen jeder selbstständig seine Arbeitszeit einteilen kann. Momentan prüft das Studio, ob es Sinn macht, zusätzlich auch eine Viertagewoche anzubieten – die dann mit 7,5-Stunden-Tagen funktionieren würde. Gerade in der aktuellen Skalierungsphase der Firma sei das eine naheliegende Option.
Schmaler Grat

Die größte Herausforderung bei kürzeren Arbeitszeiten sieht Heuberger in der Umstellung. „Ich nehme häufig wahr, dass es gerade neuen MitarbeiterInnen zunächst schwerer fällt, sich wirklich auf die Sechsstundentage einzulassen“, sagt er. Häufig müsse man eher zu Feierabend und Wochenende ermutigen, statt beispielsweise Überstunden einzufordern. Heuberger ist sich dieser Gratwanderung bewusst: „Es liegt in meiner Verantwortung, ein System dieser Nachhaltigkeit auch so aufrechtzuerhalten, dass kein impliziter sozialer Druck auf die Mitarbeitenden entsteht, wie ich es in früheren Erfahrungen als Arbeitnehmer häufiger erlebt habe.“ Die Umsetzung der kürzeren Arbeitszeiten will also immer auch geschickt moderiert und kommuniziert sein.

Welches Zwischenfazit zieht Heuberger nun aus den bisherigen Erfahrungen? Hat sich die Verkürzung der Arbeitszeit wirklich gelohnt? „Den konkreten Effekt der 30-Stunden-Woche zu evaluieren ist für uns schwierig, da wir keine vorherigen internen Vergleichswerte haben“, räumt der CEO ein. „Unabhängig von Toukana – und im Vergleich zu vorherigen Arbeitsverhältnissen – konnten wir aber feststellen, dass sich unser Privatleben mit diesem Modell viel besser mit den intensiven Arbeitsphasen in der Entwicklung verbinden lässt.“ Man habe auch den Willen, die verbleibenden gemeinsamen Arbeitsstunden möglichst produktiv zu nutzen, so Heuberger. „Das regt automatisch dazu an, Arbeitsabläufe, Meetings oder Kommunikationsflüsse allen Teilnehmenden gegenüber stets möglichst schlank, effizient und damit wertschätzend zu gestalten.“ Heuberger glaubt jedoch nicht, dass sich die Erfahrungen 1:1 auf andere Studios übertragen lassen. „Jedes Unternehmen hat seine ganz eigenen Erfahrungswerte und individuellen Hürden vor sich, die vielleicht andere Umstände erfordern“, betont der CEO. Toukana jedenfalls habe auch mit der 30-Stunden-Woche „eine sehr zufriedenstellende Produktivität“ vorzuweisen. Das Vertrauen in die Mitarbeitenden habe sich hier durchgängig bewährt.
Mehr Diversität

Auch Alexander Pieper zieht ein positives Zwischenfazit. „Es gibt mehrere Gründe, warum ich glaube, dass unsere Branche von einer 32-Stunden-Woche profitieren kann“, fasst er zusammen. „Einer ist auf jeden Fall die Unterstützung der Diversität der Teams.“ Bei einer 40-Stunden-Woche sei die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sich ein Elternteil viel stärker um die Kindererziehung kümmern müsse als das andere, voll berufstätige. „Wenn wir unsere Branche so inklusiv wie möglich gestalten möchten, dann müssen wir auch jenen Menschen die Teilhabe ermöglichen, die sich um den Nachwuchs kümmern“, fordert Pieper. Die 32-Stunden-Woche mache genau das sehr viel einfacher. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Team-Mitglieder viel seltener unter Überarbeitung litten. „Viele von uns arbeiten in ihrem Traumberuf“, gibt Pieper zu bedenken. „Das sorgt häufig dafür, dass wir dann doch mehr Arbeit in die Projekte stecken, als wir eigentlich geplant haben.“ Eine 32-Stunden-Woche verhindere, dass das Arbeitspensum ausarte – selbst wenn man mal ein paar Stunden dranhängen müsse. Auch wenn Games-Entwicklung ein Traumberuf ist, plädiert Pieper für Ausgleich, denn: „Es bleibt ein Beruf – und wir sollten uns auch Zeit für alles andere im Leben nehmen. Gesunde und erfüllte EntwicklerInnen machen meiner Meinung nach die besseren Spiele.“

Lea Schönfelder glaubt, dass der Trend zu kürzeren Arbeitszeiten weitergehen wird. „Momentan ist die reduzierte Arbeitszeit noch ein Wettbewerbsvorteil“, sagt sie. Dies könne sich aber ändern, wenn mehr Firmen diesen Weg beschritten. Die 32-Stunden-Woche sieht Schönfelder jedenfalls als klaren Gewinn für die Branche: „Die Vorteile einer nachhaltigen Unternehmenskultur überwiegen die Nachteile von kurzfristigen vermeintlichen Leistungseinbußen.“ Fazit: Wer über die Einführung kürzerer Arbeitszeiten nachdenkt – ob das nun vier Wochentage oder 32 Wochenstunden sind –, der sollte dabei auf jeden Fall auch langfristig denken. (Achim Fehrenbach)

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