„Liefere Qualität, dann hast du keine Probleme“: Im Gespräch mit Nacon-CEO Laurent Honoret

Zahlreiche Gaming-Highlights und eine neue Premium-Marke im Racing-Segment: Publisher Nacon hat kürzlich im Rahmen der Bigben Week in Paris sein neues Line-up vorgestellt. Im Interview mit IGM spricht CEO Laurent Honoret über die Neuheiten sowie die teilweise kriselnde Spielebranche.
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Nacon-CEO Laurent Honoret

IGM: In der Spielebranche gab es in letzter Zeit viele Entlassungswellen und Studioschließungen. Bei Nacon blieben solche Hiobsbotschaften aus. Was machen Sie besser?

Laurent Honoret: Wir konzentrieren uns darauf, alles stabil zu halten. Wir haben in den letzten Jahren in einige Studios investiert und befinden uns jetzt in einer Konsolidierungsphase. Wir wissen, dass es in der Branche im Moment viele Probleme gibt. Meiner persönlichen Einschätzung nach hat das auch viel mit der Corona-Krise zu tun. Im Videospielbereich verkaufte sich in dieser Zeit praktisch alles gut, insbesondere im digitalen Vertrieb. Alles schien möglich zu sein, weshalb viel in die Entwicklung investiert wurde. Während Corona legte der Markt um bis zu 45 Prozent zu, im vergangenen Jahr allerdings blieb er zwar stabil, entwickelte sich aber nicht weiter. Daraus resultierten Probleme für einige Studios, da die Absatzzahlen das Investment nicht wieder einbrachten. Die Krise entstand also als Folge dieser Entwicklung. Das ist aus meiner Sicht das größte Problem in der Branche. Einer der Gründe, weshalb bei uns keine so großen Probleme entstanden sind wie bei anderen, hat nicht zuletzt damit zu tun, dass wir versuchen, unseren Status als mittelgroßer Publisher zu bewahren. Das heißt nicht, dass das nicht manchmal kompliziert ist. Aber wir agieren da sehr proaktiv und können als mittelgroße Firma auch frühzeitiger und flexibler die neuen Gegebenheiten auf dem Markt antizipieren und uns anpassen, als das bei größeren Unternehmen vielleicht der Fall ist. Zudem sind wir mit Software-Produkten und Zubehör breiter aufgestellt und wohl auch deshalb besser gerüstet, um am Markt zu bestehen.

 

Wir versuchen, unseren Status als mittelgroßer Publisher zu bewahren

 

IGM: Eines Ihrer beiden Standbeine sind Games. Was erwartet die Spieler in diesem Bereich und was sind die kommenden Highlights?

Honoret: Das für uns wichtigste Spiel in diesem Jahr ist „Test Drive Unlimited Solar Crown“. Es ist unser größtes Investment innerhalb der letzten fünf Jahre und zudem eine bedeutende und heiß begehrte Marke. Sehr wichtig ist für uns auch das Tennisspiel „Tiebreak“. Mit „TopSpin“ wurde erst kürzlich ein anderes großes Tennis-Game veröffentlicht, und wir sind sehr glücklich und stolz auf das, was wir aus „Tiebreak“ gemacht haben. Wir haben zudem Titel wie „Ravenswatch“, das bereits jetzt im Early Access mehr als 600.000 Spieler hat und beim Release im Sommer einen großen Erfolg verspricht. Schon bald startet zudem „Greedfall II“ in den Early Access, dessen Vorgänger sehr gut ankam und sich ebenso gut verkaufte. Wir haben tatsächlich nicht außergewöhnlich viele Spiele in diesem Jahr, aber die Qualität ist abermals gestiegen. Zudem sind wir unserer Strategie treu geblieben, nicht nur ein Segment zu bedienen. Wir haben Sportspiele, Adventures und  Simulationen und versuchen damit auch genau dort abzuliefern, wo es die großen Publisher nicht tun.

IGM: Nacon bleibt bei seinem Double-A-Ansatz, aber gerade „Test Drive Unlimited“ oder „Greedfall II“ wirken eher wie Triple-A-Produktionen ...

Honoret: Es war lange so, dass viele nur über Triple A sprachen und glaubten, Double A sei weniger interessant. Tatsächlich kosten Triple-A-Spiele deutlich mehr. Aber wenn du ein gutes Team hast, eine gute Technologie und die Produktion gut managst, dann kannst du der Triple-A-Grenze sehr nahekommen. Wir haben das auch früher versucht und waren etwas frustriert, dass das nicht immer Früchte trug. Aber wir haben immer stärker und erfolgreicher darauf hingearbeitet, trotz kleinerer Budgets mit unserer Herangehensweise eine immer höhere Qualität zu erreichen. Es ist möglich, das zu schaffen, wenn man etwas Interessantes, etwas Einzigartiges hat. Auch ohne Triple-A-Budgets, die unsere Möglichkeiten übersteigen würden. Wir könnten Triple-A machen, aber auch nur, wenn wir alles in ein Produkt stecken.

 

Der Triple-A-Grenze sehr nahekommen

 

IGM: Viele Ihrer Spiele sind bereits im Early Access, weitere wie „Greedfall II“ folgen. Ist das Teil einer neuen Strategie und was versprechen Sie sich davon?

Honoret: Das ist Teil der Strategie. Es ist eine gute Möglichkeit, um sicherzustellen, dass das Spiel am Ende auch wirklich gut wird und nicht an den Spielern vorbeigeht. Wenn man ein Spiel macht, weiß man nie mit absoluter Sicherheit, ob es gut und erfolgreich sein wird. „Robocop“ hat zum Beispiel bessere Verkaufszahlen erreicht, als wir erwartet hatten – eine äußerst positive Überraschung. Im Early Access haben wir die Möglichkeit, direktes Feedback von der Community zu erhalten und daraufhin Dinge anzupassen, um das Spiel besser zu machen. Man sieht dann viel besser, ob man auf dem richtigen Weg ist oder etwas korrigieren sollte, um die Spieler glücklich zu machen. Und genau das ist ja das Ziel. Absolute Gewissheit, dass der Plan auch aufgeht, hat man nicht. Aber es hilft enorm dabei, zu sehen, ob man auf dem korrekten Pfad ist oder nicht. Das Risiko bei einer Spieleproduktion ist immer groß, aber das Feedback der Community hilft dabei, es zu reduzieren.

IGM: Mit „Ambulance Life“ zählt auch eine Berufssimulation des deutschen Entwicklers Aesir Interactive zum aktuellen Portfolio von Nacon. Ist das speziell etwas für den simulationsaffinen deutschen Markt, der Ihnen ja besonders wichtig ist?

Honoret: Ja, der deutsche Markt ist uns tatsächlich sehr wichtig! Aber der Grund, warum wir das Spiel mit Aesir machen, ist einfach, dass sie einen sehr guten Job machen. Wir haben ein gutes Verhältnis zu ihnen und das Studio hat sich mit Spielen wie dem „Police Simulator“ eine sehr gute Reputation erworben. Sie wissen genau, was sie tun, und haben einen klaren Plan. Bei der Spieleentwicklung ist es manchmal so, dass die beteiligten Entwickler immer mehr reinpacken wollen, dadurch die Zeit wegrennt oder die Produktion immer teurer wird, sodass man irgendwann die Reißleine ziehen muss, da man veröffentlichen muss. Bei Aesir ist alles sehr gut gemanagt, ausgeglichen, zielgerichtet.

Und ja, das Spiel passt sicherlich gut zum deutschen Markt. Besonders wichtig ist dort aber eines unseres Hardware-Produkte. Der aktuelle Revolution-Controller, der mehr als 200 Euro kostet, läuft in Deutschland besonders gut. Die Marke ist dort sehr bekannt, die Kunden sind technikaffin und an hochwertigen Produkten interessiert. Das sieht man deutlich an den Verkaufszahlen. Wenn man die aus ganz Europa miteinander vergleicht, dann steht Deutschland klar an der Spitze. Es braucht Zeit, um den Erwartungen des Markts gerecht zu werden, aber wenn man dieses Level erreicht hat, dann läuft es und man muss nicht mehr so viel ins Marketing investieren, weil die Leute die Marke kennen und schätzen. Diese Geschichte beginnt ja schon mit dem ersten Revolution-Controller, der vor sechs oder sieben Jahren an den Start ging. Als dann der Revolution 5 erschien (Oktober 2023, Anm. d. Red.), konnte man direkt an den Zahlen sehen, dass wir ihn gar nicht mehr groß bewerben müssen, weil sich die Marke bereits etabliert hat.

Es braucht Zeit, um den Erwartungen des Markts gerecht zu werden

 

IGM: Bevor wir uns genauer dem Thema Hardware widmen, noch eine Frage zu Daedalic Entertainment, die seit 2022 zu Nacon gehören. Was ist Ihr Plan mit den Hamburgern?

Honoret: Ich denke, sie machen einen guten Job und werden in der Gruppe bleiben. Die Probleme, die wir bei „Gollum“ hatten, die sehr frustrierend für Carsten Fichtelmann (Geschäftsführer von Daedalic, Anm. d. Red.) und das Team waren, haben wir adjustiert. Sie haben einen guten Ruf als Publisher, weshalb wir entschieden haben, die Arbeit in diesem Bereich fortzuführen und darin zu investieren. Das ist unser Plan für Daedalic. Sie veröffentlichen ungefähr zehn Titel in diesem Jahr. Vor ein paar Monaten haben sie etwa sehr erfolgreich das Strategiespiel „New Cycle“ im Early Access auf Steam veröffentlicht. Carsten und sein Team arbeiten weiterhin daran, neue Partnerschaften mit Studios aufzubauen und als Publisher auf den Weg zu bringen. Da sind natürlich auch ein paar Nischentitel dabei, aber ja, der Plan ist, die gemeinsame Arbeit in dieser Richtung fortzuführen.

IGM: Kommen wir zur Hardware. Was gibt es Neues und was sind die Highlights?

Honoret: Da gibt es gleich mehrere Themen. Zum einen kann ich verkünden, dass wir „Back on the Wheels“ sind. Wir haben eine neue Rennsportabteilung gegründet, die mit ihrer Expertise sowohl für sämtliche Rennspiele als auch für Racing-Peripherie zuständig ist. Zu dieser neuen „Revosim“-Reihe zählt auch der erste Entwurf eines brandneuen Direct Drive Wheels für PC und Konsole, das wir erstmals auf der „Bigben Week 2024“ gezeigt haben. Damit wollen wir, so ähnlich wie beim Revolution-5-Controller, mit hochwertiger Verarbeitung, allgemein hoher Qualität und guter Performance direkt an der Spitze des Segments angreifen. Das erste Feedback ist enorm positiv und ein wichtiges Signal für uns und den Markt. Hinzu kommen rund 20 neue Gaming-Zubehörteile aus verschiedenen Kategorien zwischen zehn und 39 Euro aus Bereichen, die wir in den letzten paar Jahren etwas vernachlässigt hatten. Es gibt zudem neue Farben und Modelle der Headsets der RIG-Reihe wie das RIG 900 MAX und einiges mehr. Aber die größte Neuheit ist das Racing-Wheel, denn da steckt all das Wissen und all die Erfahrung des Teams drin. Wir hatten uns vor etwa 20 Jahren aus dem Bereich zurückgezogen, da andere den Markt bereits ausreichend bedienten. Mit der neuen Direct-Drive-Technologie erneuert sich jedoch der Markt, der seit Covid massiv anzieht, und bietet eine ganz neue Erfahrung. Es ist also genau der richtige Zeitpunkt, sich zurückzumelden. Die Hardware ist nicht ganz billig, aber wenn sie gut ist, kaufen die Leute sie. Nur mit der Qualität, die wir liefern wollen, ergibt unser Wiedereinstieg auch Sinn.

 

Es geht immer auch um Wandel und Anpassung

 

IGM: Abschließend: Wo steht Bigben, wo steht Nacon Ihrer Meinung nach in zehn Jahren?

Honoret: Das ist eine sehr lange Zeit. Das Team ist enorm motiviert, den eingeschlagenen Weg als mittelgroßes Unternehmen weiterzugehen – mit Soft- und Hardware-Entwicklung – und die Qualität kontinuierlich zu steigern. Es geht immer auch um Wandel und Anpassung. Vielleicht sind in zehn Jahren klassische Konsolen verschwunden und dafür spielen die Gamer über eine Box. Aber auch dann brauchen sie immer noch einen Controller, ein Headset oder ein Lenkrad. Unser Ziel ist also, Qualität zu entwickeln und die Marken ins Bewusstsein der Kunden zu bringen. Der Markt verändert sich ständig, und der Schlüssel zum Überleben, was nicht leicht ist, ist eine starke Marke. Wenn du Qualität bietest, sind die Leute auch bereit, dafür zu zahlen. Es reicht nicht, nur Durchschnitt zu liefern. Das können viele, auch Billiganbieter auch China. Bei der Software ist es dasselbe. Wenn du ein gutes Spiels machst, kennen und schätzen die Leute die Marke. Wenn wir das erreichen, erspart es uns einigen Stress beim Release eines Produkts. Unser Hauptziel, um in der Branche zu überleben, verfolgen wir ganz im Sinne unseres Gründers Alain Falc, der sagt: „Liefere Qualität, dann hast du keine Probleme.“ Und so werden wir das auch in Zukunft handhaben. (bb/bpf)

IGM 07/24
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