IGM: Jennifer, Björn, mit eurer Erfahrung hättet ihr auch bei einem anderen Studio unterkommen können. Warum habt ihr euch entschieden, mit Pithead eine eigene Firma zu gründen?
Jennifer Pankratz: Wir legen nach allem Für und Wider in eine Neugründung die meisten Hoffnungen. Dass die Branche in einer tiefen Krise steckt und seit letztem Jahr weltweit Tausende von Spieleentwicklern ihren Job verloren haben, hat uns sehr getroffen. Da die Krise auch jetzt noch nicht überwunden ist und wir durch unsere Kinder und die Verbundenheit zum Ruhrgebiet auch nicht fortziehen wollen, kristallisierte sich heraus, dass wir versuchen wollen, unser Schicksal selbst in die Hände zu nehmen. Ein gutes Netzwerk, viel Erfahrung und jede Menge Ideen haben wir bereits, also wagen wir den Schritt und sind mutig.
Björn Pankratz: Als wir Ende letzten Jahres erfahren haben, dass es mit Piranha Bytes nicht weitergeht, waren wir zunächst sehr enttäuscht, da wir zu diesem Zeitpunkt ja bereits mehrere Jahre an einem neuen Projekt gearbeitet haben. Also haben wir uns darum bemüht, eine neue Perspektive zu entwickeln und sind zu vielen Veranstaltungen gegangen, haben uns andere Projekte angeschaut und mit vielen Menschen aus der Branche gesprochen. Dabei wurde schnell klar, dass jede Krise auch ihre Chancen bietet und es nicht hilft, den Kopf in den Sand zu stecken. Also haben wir uns für die Flucht nach vorne entschieden, frei nach dem Motto: Den Mutigen gehört die Welt.
IGM: Bei Piranha Bytes habt ihr bisher ausnahmslos an 3D-Action-RPGs gearbeitet. Welche Games möchtet ihr bei Pithead entwickeln? Wo werden sie euren bisherigen Spielen ähneln, wo werden sie sich vielleicht stärker von ihnen unterscheiden?
Björn Pankratz: Wir wechseln vom AA-Bereich in die Indie-Sparte. Dadurch werden die Spiele kompakter, bieten aber in der Entwicklung auch mehr Freiheiten. Darüber hinaus werden wir auch in Zukunft unseren Stärken treu bleiben und weiterhin RPG- und Action-Adventure-Elemente in die Spiele einbauen.
Jennifer Pankratz: Wir fokussieren uns aber auch auf Elemente aus dem Adventure- und Gruselspielbereich. Es wird also ein Genre-Mix werden.
IGM: Ihr seid beide schon lange in der Spielebranche, habt Erfahrung und ein gutes Netzwerk. Inwiefern hilft euch das beim weiteren Aufbau von Pithead und bei der Umsetzung eurer Projekte?
Jennifer Pankratz: Das hilft uns gerade sehr, insbesondere, weil es uns erleichtert, ins Gespräch zu kommen oder an Veranstaltungen teilzunehmen, auf denen wir zukünftig unsere Spiele präsentieren können.
Björn Pankratz: Wir werden in den kommenden Monaten sicher noch viele Gespräche führen und schauen, welche Optionen es für uns gibt, unsere Spieleidee möglichst sichtbar auf den Markt zu bringen. Dabei freuen wir uns über jeden, der uns dabei begleitet und unterstützt.
IGM: Wie weit ist euer Projekt bereits fortgeschritten? Ist es noch in der Konzeptphase oder seid ihr bereits weiter? Gibt es gleich mehrere Ideen oder nur dieses „eine Ding“, das ihr gerade machen möchtet?
Björn Pankratz: Das Konzept haben wir als erstes gemacht, um eine Vision des Spiels zu definieren und einen Überblick darüber zu bekommen, wie viele Ressourcen wir dafür benötigen. Aktuell haben wir begonnen, einen Prototyp zu bauen, den wir in Zukunft dann hoffentlich auch einem größeren Publikum zeigen können. Bis dieser fertig ist, dauert es aber noch eine Weile.
Jennifer Pankratz: Für alle Neugierigen finden sich aktuelle News immer auf unseren Social-Media-Kanälen und auf Discord.
IGM: Eure künftigen Spiele sollen kompakter werden. Könnt ihr näher beschreiben, welcher Scope euch für das erste Spiel von Pithead vorschwebt?
Jennifer Pankratz: Einer, der vor allem Immersion zulässt und die Spieler eine dichte, spannende Geschichte erleben lässt. Der Vorteil bei Indie-Spielen ist, dass man hier unkonventionell sein darf und unterschiedliche Ideen ins Spiel hineinfließen. Bei einer großen Produktion ist es hingegen etwas schwieriger, innovativ zu sein. Die Inhalte sind uns hierbei wichtiger als die Größe.
Die Inhalte sind uns wichtiger als die Größe
IGM: Für „Risen 3“ war zeitweise ein Episoden-Format angedacht. Käme das für Pithead-Spiele eventuell auch in Frage?
Björn Pankratz: Nach den Erfolgen von Telltale zu dieser Zeit haben viele Leute über Episoden diskutiert. Das Spielerlebnis von „Risen 3“ wäre dadurch aber sehr viel linearer geworden und daher war es wahrscheinlich keine gute Idee. Für unser aktuelles Projekt ist das auch nicht geplant. Wir konzentrieren uns derzeit hingegen darauf, mit unserem Spiel eine bestimmte Geschichte zu erzählen.
IGM: Könnt ihr euch denn vorstellen, den Early-Access-Weg zu gehen? Das haben ja schon viele kleinere Indie-Studios und auch größere unabhängige Entwickler wie etwa Larian bei „Baldur‘s Gate 3“ mit großem Erfolg getan.
Jennifer Pankratz: Wie und wann wir das Spiel veröffentlichen, steht noch nicht fest. Vorstellen können wir uns vieles, geplant ist ein Early Access derzeit jedoch nicht. Zunächst konzentrieren wir uns auf die Vorbereitungen für das Announcement.
IGM: Eure letzten Spiele sind alle für PC und Konsole erschienen. Ist Multiplattform euer Plan für die Pithead-Spiele?
Jennifer Pankratz: Wir entwickeln derzeit auf PC und peilen hier die gängigen Plattformen an. Ob sich eine Portierung anbietet, entscheidet vermutlich auch ein wenig die Nachfrage.
IGM: Bei Piranha Bytes habt ihr lange Zeit die hauseigene Genome-Engine genutzt. Werdet ihr diese auch bei Pithead verwenden können oder greift ihr auf eine andere Engine zurück?
Björn Pankratz: Wir arbeiten jetzt mit der Unreal Engine 5. Im Zuge unserer Recherche haben wir uns mehrere Engines angeschaut. Jede hat sicher ihre Stärken und Schwächen. Unreal erscheint uns bislang optimal für unser Vorhaben.
Die Unreal Engine 5 erscheint uns bislang optimal für unser Vorhaben
IGM: Spieleentwicklung ist teuer. Habt ihr schon einen konkreten Plan, wie ihr die Finanzierung sicherstellen wollt?
Jennifer Pankratz: Wir investieren zunächst das Geld, das wir aus dem Verkauf der Markenrechte an THQ Nordic 2019 bekommen haben, in unsere neue Firma. Ob wir in Zukunft neben dem Eigenkapital noch weitere Finanzierungsmöglichkeiten hinzunehmen, wird sich dann später entscheiden.
IGM: Ihr habt ein gewisses Faible für Piraten. Ist das etwas, auf das ihr gerne zurückkommen möchtet?
Björn Pankratz: Für das erste Projekt sind keine Piraten geplant. Hinweise zum Setting geben wir regelmäßig auf unseren Social-Media-Kanälen.
IGM: Euer Logo zeigt den Förderturm eines Bergwerks und zeigt damit indirekt eure Heimatverbundenheit. Wie wird sich die Ruhrpott-Mentalität in den Pithead-Spielen bemerkbar machen?
Björn Pankratz: Das Ruhrgebiet ist unsere Wahlheimat und fand schon immer Einzug in unsere Projekte, sowohl in Form von Sprache und Mentalität als auch durch Geschichten, Easter Eggs oder auch Bilder und Objekte, wie zum Beispiel dem Nachbau der Zeche Zollverein in „Elex“. Auch in unseren zukünftigen Spielen wird unsere Heimat eine Rolle spielen.
Jennifer Pankratz: Wir lieben alte Industrieruinen und wie die Natur sich alles zurückholt. Auf der Route der Industriekultur kann man viele Orte mit ihrer ganz eigenen Ruhrpott-Romantik kennenlernen. Das erzeugt eine ganz eigene Stimmung. Dieses Gefühl möchten wir auch gerne ins Digitale transportieren.
Auch in unseren zukünftigen Spielen wird unsere Heimat eine Rolle spielen
IGM: Aktuell seid ihr zu zweit. Wie stehen die Chancen, dass weitere Ex-Kollegen von Piranha Bytes zu euch stoßen? Sind überhaupt Festanstellungen geplant oder wird es eher ein Konzept mit externen Dienstleistern?
Björn Pankratz: Ganz ohne Hilfe geht es nicht, daher starten wir erst mal zu zweit und planen für bestimmte Bereiche vor allem Dienstleistungen, Freelancing oder auch Partnerschaften mit ein. In welchem Umfang wird sich dann zeigen, wenn es so weit ist.
IGM: Piranha Bytes wirkte immer sehr familiär. Ist eine solche Firmenstruktur auch euer Ziel für Pithead?
Jennifer Pankratz: Wir glauben seit jeher, dass ein Spiel, welches den Entwicklern während der Produktion Spaß macht und ein Spiel ist, welches wir selber gerne spielen würden, auch ein Publikum findet, welches denselben Spaß dabei empfindet. Familiäres Arbeiten und kreative Freiheit unterstützen diesen Prozess ungemein und sind deshalb für uns auch in Zukunft wichtige Bestandteile der Entwicklung.
IGM: Seit der Gründung von Pithead seid ihr auf Social Media sehr aktiv. Wie wichtig ist dieser direkte Draht zu euren Fans und Spielern, die es vielleicht noch werden könnten?
Björn Pankratz: Wir haben immer viel Spaß daran gehabt, im Rahmen unserer Möglichkeiten direkt Kontakt zur Community zu halten, Fragen zu beantworten und die Menschen an unseren Erlebnissen und Gedanken rund um die Computerspieleentwicklung teilhaben zu lassen. Deshalb sind wir auch auf vielen Messen unterwegs, reden mit vielen Leuten und planen das auch in Zukunft ein, wenn es vom Spiel etwas zu sehen gibt.
Jennifer Pankratz: Auch dieses Jahr sind wir schon unterwegs und planen zum Beispiel ein Meet & Greet auf der gamescom am Freitag um 14 Uhr beim „Games Ahead“-Verband in der „gamescom indie area“, bei dem alle willkommen sind.
IGM: Wie lange werden die Spieler auf euren Debüt-Titel noch warten müssen?
Björn Pankratz: Da wir aktuell erst einmal am Prototypen arbeiten und auch das Announcement noch aussteht, wird das wohl noch viele Monate dauern. Ein Release-Datum haben wir entsprechend noch nicht. Aber wir werden euch stetig auf dem Laufenden halten und freuen uns über alle, die uns dabei begleiten wollen. (bb/bpf)