Reece Brown, Twitter: „Wir richten uns sehr stark nach dem Publikum“

Der Social-Media-Dienst Twitter ist in der Games-Branche überaus beliebt: Gefühlt hat so ziemlich jeder dort einen Account. Reece Brown ist Head of Global Content Partnerships for Gaming in EMEA bei Twitter: Er hilft jenen, die ihre Inhalte möglichst wirkungsvoll auf der Plattform platzieren wollen. Ein Interview über neue Formate, Sponsorings und virtuelle Stadionatmosphäre.
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Reece Brown von Twitter

IGM: Reece, wie arbeitet ihr mit Gaming-Firmen zusammen – und mit wem zum Beispiel?

Reece Brown: Bei uns dreht sich alles um die Arbeit mit professionellen Content-Partnern. Unser Ziel ist, dass sie das Beste aus Twitter herausholen können. Einer unserer Schlüsselpartner ist Riot Games – und zwar deshalb, weil die Twitter-Community deren Inhalte so sehr liebt. Wir richten uns also sehr stark nach dem Publikum. Twitter ist so etwas wie die Heimat der Gaming-Gespräche – deshalb ist eine der Hauptaufgaben unseres Teams, zusammen mit unseren Schlüsselpartnern Content bereitzustellen, der einen Mehrwert für die User Experience bietet.

IGM: Ein Beispiel?

Brown: Angenommen, du bist ein deutscher E-Sport-Fan und Fan der ESL. Dann ist es unsere Aufgabe, eine enge Partnerschaft mit der ESL zu knüpfen, um anregende Inhalte in Kurzform bereitzustellen, die deine bereits existierenden Twitter-Unterhaltungen anreichern. Das kann Video-Content sein – aber weil wir unsere Produkte weiterentwickeln, kann der Content auch andere Formen annehmen, zum Beispiel Audio in „Twitter Spaces“. Wir pflegen also Partnerschaften aus den Bereichen Gaming und E-Sport – und dort vor allem mit Firmen und Organisationen, die Premium-Content produzieren. Meistens sind das Broadcaster. Es können aber auch einzelne Content Creator sein.

IGM: Gibt Riot Games euch Geld, damit ihr deren Inhalte prominent in den User-Timelines platziert?

Brown: Firmen wie Riot – mit denen wir in Europa rund um die LEC zusammenarbeiten – produzieren mit ihren Broadcasts brillante Inhalte. Diese Broadcasts finden als Live-Stream womöglich woanders statt. Aber die Firmen posten ihre Inhalte organisch auf Twitter, weil sie wissen, dass dort ihre Zielgruppe ist – ohne dass wir sie dafür bezahlen, oder sie uns. Wir helfen ihnen, dass sie ihre Zielgruppe möglichst gut erreichen und bedienen. Das kann zum Beispiel in Form von Event-Pages sein, die alle Videos an einem Ort zusammenfassen, so dass sie leichter zu finden sind. Oder sie können „Twitter Moments“ kreieren, wo alles zusammengefasst wird, was bei einem bestimmten League-of-Legends-Turnier an einem Wochenende passiert ist. Wir erleichtern vor allem das, was die Firmen schon organisch tun. Andererseits geht es auch darum, die Einnahmen aus diesen Inhalten zu steigern. Deshalb ermöglichen wir unseren Schlüsselpartnern, rund um ihre Twitter-Inhalte Sponsoren zu finden. Das bedeutet: Eine Marke geht eine Partnerschaft mit ihnen ein, um diesen Video-Content auf eine spezifische Zielgruppe auszudehnen.

 

So etwas wie die Heimat der Gaming-Gespräche

IGM: Angenommen, Epic Games will in Fortnite ein großes Event veranstalten – zum Beispiel ein virtuelles Konzert – und das unter anderem auf Twitter präsentieren. Wie läuft das konkret ab?

Brown: Ein Beispiel: Ende letzten Jahres brachte Epic Games ein neues Chapter heraus, bei dem die Welt – in Anspielung an Stranger Things – auf den Kopf gestellt wurde. Wir haben mit Epic zusammengearbeitet und mehrere Hashtags erschaffen, die sie auf Twitter verwenden konnten. Wenn ihr Publikum die Hashtags benutzte, wurde ihr Twitter-Profil dann tatsächlich auf den Kopf gestellt. Es geht also um Einfallsreichtum, Spaß – und darum, die User Experience anzureichern. Klar, die großen Content Experiences finden vielleicht nicht auf Twitter selbst statt, sondern zum Beispiel in Fortnite. Aber Twitter ist der Ort, an dem das Ganze dann diskutiert wird – und es ist auch der Ort für den Second Screen. Wir wollen, dass die Menschen auf Twitter diskutieren, während sie Broadcasts und längere Inhalte verfolgen, womöglich direkt in einem Spiel. Fortnite ist dafür das perfekte Beispiel.

IGM: Ein Standard-Tweet ist auf 280 Zeichen begrenzt. Habt ihr schon darüber nachgedacht, dieses Format zu erweitern – damit tiefgründiger über bestimmte Themen diskutiert werden kann?

Brown: Das Geniale an Twitter ist doch: Wir suchen immer wieder nach neuen Wegen, wie man seine Community erreichen und einbinden kann. Ein Tweet mag auf 280 Zeichen begrenzt sein, aber es gibt auf Twitter noch viele andere Möglichkeiten, wie man ins Gespräch kommen kann. Gamer zählen wahrscheinlich zu den Menschen, die das am meisten nutzen! Ich erwähnte bereits „Twitter Spaces“, unser neues Audio-Feature. Es ermöglicht Leuten, sich als Community in einem Audio-Room auf Twitter zu treffen – und genau darüber zu sprechen, worüber sie normalerweise twittern. Wir sind damit sehr erfolgreich, besonders bei E-Sport und Gaming. Für die gamescom beispielsweise haben wir uns mit den Veranstaltern zusammengetan und im Anschluss an die Opening Night einen „Space“ – also einen Audio-Room eingerichtet. Die Gamer konnten dort auf die Trailer und Ankündigungen reagieren.

IGM: Ist „Twitter Spaces“ noch in der Experimentierphase?

Brown: Wir bauen es kontinuierlich aus. Deshalb suchen wir nach ganz besonderen Wegen, wie wir das „Spaces“-Erlebnis weiter aufwerten können. Erst kürzlich haben wir „Ticketed Spaces“ gestartet, bei dem man Tickets für einen „Space“ kaufen kann – das hilft Content Creatorn und Organisationen, ihren Umsatz mit Content zu steigern. Twitter ist aber nicht nur die Heimat der Gaming-Debatten – sondern auch der Debatten über Sport, Musik, Popkultur, News und Politik. „Spaces“ macht also aus unserer Sicht sehr viel Sinn, weil es eine zusätzliche Ebene bietet, um die höchst engagierte Community einzubinden.

IGM: Im E-Sport wird Twitter besonders stark genutzt. Warum?

Brown: Wir haben das besonders während der Pandemie erlebt, als die Menschen nicht ins Stadion gehen konnten. Twitter wird oft als das virtuelle Pendant zu einem Stadionbesuch bezeichnet, bei dem die Community per Second Screen zusammenkommen kann. In der präpandemischen Welt konnte man das im Stadion tun. Ab 2020 haben die Menschen dann Twitter genutzt, um mit ihrer Community in Kontakt zu bleiben – und um ihre Lieblingsteams zusätzlich anzufeuern. Wir haben auch mehrere Produkte, die sie dabei unterstützen. Zum Beispiel kann man bestimmte Hashtags nutzen, um die Debatte anzufachen – und um den Fans das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihr Team wirklich anfeuern. Unsere Kooperationen mit Teams wie G2, Fnatic und Faze sind tolle Beispiele dafür, wie wir mit E-Sport-Teams zusammenarbeiten – und wie wir ihre Fans näher an ihre geliebten Teams heranbringen.

IGM: Kürzlich habt ihr neue Nutzungsstatistiken veröffentlicht. Was waren da die zentralen Erkenntnisse?

Brown: Am wichtigsten und aufregendsten ist: Wir hatten – was Gaming-Konversation auf Twitter angeht – ein Rekordhalbjahr. Zwischen Januar und Juni dieses Jahres gab es so viele Tweets wie nie zuvor – nämlich über 1,5 Milliarden! Das ist aus unserer Sicht die herausragende Erkenntnis: Dass Konversationen auf Twitter weiter wachsen – und dass die Gaming-Fans dafür auf unsere Plattform kommen. Zu den Momenten, die das mit angeschoben haben, gehören beispielsweise der Release von Elden Ring, der Xbox & Bethesda Games Showcase und das Summer Game Fest. Wann immer also diese großen Events stattfinden, kommen die Menschen auf unsere Plattform, um darüber zu reden. Uns ermutigt außerordentlich, wenn wir dieses Wachstum sehen: Dass unsere Arbeit einem klaren Zweck dient und unsere Vision voranbringt.

IGM: Kommen wir zurück zu „Twitter Amplify“? Wie genau funktioniert das?

Brown: Auch hier verfolgen wir den zweiteiligen Ansatz. Einerseits helfen wir unseren Partnern bei organischen Neuerungen, mit denen sie ihren Content an die Zielgruppe bringen. Und andererseits helfen wir ihnen, mit dem Content ihre Einnahmen zu steigern. Die Einnahmen erzielen sie entweder mit bestehenden Sponsoren – oder mit neuen Sponsoren, die sie an Bord holen. Eine Marke wird also mit einem Publisher kooperieren, um ganz bestimmte Inhalte zu promoten. Ein Beispiel: Wenn ESL während der ESL One Cologne kurzformatige Inhalte veröffentlicht und HP die leidenschaftlichen E-Sport-Fans erreichen will, kann es mit uns eine Partnerschaft via „Twitter Amplify“ eingehen. Das ist für Marken eine tolle Möglichkeit, bestimmte Zielgruppen unaufdringlich zu erreichen – und zwar so, dass deren Twitter-Diskussionen einen Mehrwert erhalten.

 

Tolle Möglichkeit, bestimmte Zielgruppen unaufdringlich zu erreichen

 

IGM: Wie läuft das dann genau, wenn HP bei der ESL One Cologne aktiv werden will?

Brown: Sie könnten dann entweder mit dem Sales-Team von Twitter oder mit dem Sales-Team von ESL zusammenarbeiten. Zunächst sollte man sich klar darüber werden, wen man erreichen will – und wie. Anschließend kann man dann „Amplify“ bestmöglich dafür nutzen. Einerseits haben wir das nichtautomatisierte Produkt „Amplify Sponsorship“ – und andererseits das automatisierte „Amplify Pre-Roll“. Letzteres kann man zum Beispiel nutzen, wenn man eine eher offene Herangehensweise hat: Wenn man die Zielgruppe also über unterschiedlichen Gaming-Content erreichen will – und nicht über spezifischen Content wie etwa bei ESL One Cologne.

IGM: Wie wichtig sind Influencer für das Wachstum von Twitter? Und wie arbeitet ihr mit ihnen zusammen?

Brown: Wir arbeiten mit Premium-Content-Partnern zusammen. Und Premium Content kann heutzutage ganz unterschiedliche Formen haben. Im E-Sport stehen wir mit einigen Teams und Ligen in Kontakt – und im Gaming-Bereich arbeiten wir mit Publishern zusammen. Content Creator erschaffen großartige Inhalte, mit denen sich Fans liebend gern beschäftigen – genau deshalb sind sie für uns natürliche Partner. Wir haben Partnerschaften mit Content Creatorn, bei denen diese ihren Premium-Video-Content monetarisieren können. Das funktioniert entweder über die Teilnahme an „Amplify Pre-Roll“ oder über „Amplify“-Sponsorings. Einige Marken haben bereits solche Partnerschaften, andere können neue Partnerschaften über ihren Premium-Content knüpfen. Darüber hinaus haben wir einige neue Produkte, mit denen Content Creator Einnahmen aus ihren engagierten und zahlreichen Twitter-Communities erzielen können. Erst kürzlich haben wir „Super Follows“ gestartet, bei dem man bestimmten Personen folgen und sie für bestimmte Inhalte bezahlen kann. „Tip Jar“ ist eine Gelegenheit für Creator, auf Twitter Trinkgelder einzusammeln. Und dann haben wir noch das bereits erwähnte „Twitter Ticketed Spaces“ für Audio. Also: Ja, Creator sind für unsere Arbeit bei Twitter absolut wichtig! Und wir erweitern kontinuierlich unsere Möglichkeiten der Zusammenarbeit.

IGM: TikTok wird in der Gaming-Community immer beliebter. Ist das für Twitter eine Bedrohung?

Brown: Wir bei Twitter konzentrieren uns sehr stark auf unsere eigenen Aktivitäten. Also darauf, Konversationen anzureichern, gewissermaßen die Heimat des Dialogs zu sein. Denn wie ich schon sagte: Die Menschen konsumieren Inhalte auf ihrem Fernseher, ihrem Computer-Monitor oder ihrem Smartphone – aber sie diskutieren darüber auf Twitter. Wir konzentrieren uns also sehr stark auf unsere Rolle in diesem Ökosystem. Das ist für uns am wichtigsten.

 

Ganz klare Regeln gegen Belästigung und Missbrauch

 

IGM: Manche Gaming-Communities können ziemlich toxisch sein. Was unternehmt ihr gegen Toxicity und Hate Speech?

Brown: Das Wichtigste ist für uns eine gesunde Debatte. Unser Ziel ist, dass die Menschen sich dabei sicher fühlen und an den Gesprächen teilnehmen wollen. Wir haben auf unserer Plattform ganz klare Regeln gegen Belästigung und Missbrauch – und wir geben unser Bestes, damit die Menschen sicher sind. Sprich, wir investieren in Personal und Technologie, um unsere Regeln und Richtlinien durchzusetzen. Zusätzlich arbeiten wir in diesem Bereich auch mit Partnern zusammen. Falls es Probleme gibt, falls also jemand unter Missbrauch zu leiden hat, dann gibt es Stellen, an die man sich wenden kann. Wir prüfen kontinuierlich, wie wir das noch stärker unterstützen können.

IGM: Opfer von Toxicity und Hate Speech müssen sich also selbst an Twitter wenden, damit die Täter von der Plattform verbannt werden?

Brown: Wir müssen da von Fall zu Fall entscheiden, nicht pauschal. Eine gesunde Debatte ist für uns am wichtigsten – und wird auch weiter unser Hauptaugenmerk bleiben.

IGM: Was sind eure Ziele – in puncto Gaming – für die nächsten Jahre?

Brown: Wir freuen uns sehr, dass Gaming-Konversationen auf Twitter weiter wachsen. Wir sind sehr daran interessiert, diesen Gesprächen einen Mehrwert zu geben – und auch neue Zielgruppen zu erreichen. Wir wollen, dass Gamer auf der Plattform ein Business aufbauen können. Die bereits erwähnten Tools – also „Spaces“, „Tip Jar“, „Super Follows“ und „Amplify“ – werden ihnen das ermöglichen. (Achim Fehrenbach)

IGM 12/22
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