Interview mit Konstantin Suvorov von CobraTekku Games

Für Steam-Nutzer ist sie ein besserer Merkzettel, für Entwickler und Publisher ein wichtiges Marketing-Werkzeug: die Steam-Wishlist. Ein Platz in den Wishlist-Charts generiert Aufmerksamkeit, ein Platz auf dem virtuellen Wunschzettel erinnert die Nutzer an den Release des Spiels oder an aktuelle Angebote. Konstantin Suvorov, Project Marketing Manager bei CobraTekku Games, spricht im Interview mit IGM über die Bedeutung der Steam-Wishlist unter anderem für das kommende Indie-Rollenspiel „The Edge of Allegoria“.
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Konstantin Suvorov (Quelle: CobraTekku Games)
Konstantin Suvorov (Quelle: CobraTekku Games)

IGM: Welche Bedeutung hat das Wishlist-Feature inzwischen für Entwickler? Und seit wann spielt die Wishlist überhaupt eine Rolle?

Konstantin Suvorov: Wishlists haben schon immer eine wichtige Rolle gespielt, jedoch haben besonders in den letzten Jahren mehr Entwickler und Publisher über ihren tatsächlichen Nutzen gelernt und können somit ihre Aktivitäten – also etwa Influencer-Kooperationen, Events, Berichterstattung in der Presse – besser planen und bewerten. Die Anzahl der Wishlists erfüllt mehrere Aufgaben: Zum einen hilft es dabei einzuschätzen, wie viele potenzielle Käufer man mit dem Spiel angezogen hat beziehungsweise, wie groß der „Hype“ ist. Zum anderen werden User, die gewishlistet haben, in den Kommunikations-Funnel aufgenommen: Sie werden über den Release oder über „>20%-Sales“ informiert, wodurch sich die Chance auf Verkäufe und Erfolg stark erhöht.

IGM: Inwiefern sind die Wishlist und die damit verbundenen Aktivitäten gerade für kleinere Publisher eine Chance?

Konstantin Suvorov: Publishern wie uns, die keine riesigen Budgets wie AAA-Studios haben, helfen Wishlists dabei, durch gezielte Aktivitäten potenzielle Spieler beim Release besser zu erreichen. Wir müssen nicht durch große Plakate oder mehrere Influencer-Deals nonstop bis um Release präsent sein. Beispielsweise nutzen wir aktuell unterschiedliche Events wie das „Six One Indie Showcase“ und Werbeschaltungen auf passenden Subreddits, um Spieler auf unseren neusten Titel „The Edge of Allegoria“ aufmerksam zu machen. Obwohl wir noch etwas vom Release entfernt sind, können wir durch diese gezielten Marketing-Aktivitäten Wishlists sammeln, uns auf den Release vorbereiten und gleichzeitig Spieler-Reaktionen analysieren.

 

Durch gezielte Aktivitäten potenzielle Spieler beim Release besser erreichen

 

IGM: Inwiefern zeigt die Wishlist bereits vor dem Release das grundsätzliche Interesse an einem Spiel und inwieweit fließt dies etwa in die Marketing-Aktivitäten mit hinein?

Konstantin Suvorov: Eine hundertprozentige sichere Aussage geben uns Wishlists nicht. Man weiß nicht, ob es sich der potenzielle Spieler zum Release doch noch anders überlegt und die Wishlists löscht. Jedoch kann man mit unterschiedlichen Best- und Worst-Case-Szenarien spielen und vorab schon sagen, ob der Release gut oder schlecht verlaufen wird. Ein Titel mit nur 1.000 Wishlists wird höchstwahrscheinlich kein Erfolg, einer mit 100.000 wird natürlich ganz anders aussehen. Außerdem helfen Wishlists besonders Indie-Studios und Publishern wie uns dabei, die Marketing-Aktivitäten zu bewerten. Wie viele Wishlists haben uns dieser Artikel oder dieses Video gebracht? Sollten wir das wiederholen oder andere Ansätze ausprobieren? Kommunizieren wir die Stärken des Genres richtig? All das fragen wir uns tagtäglich, und Wishlists sind dabei eines der besten Bewertungskriterien.

IGM: Wie kann man als Publisher die Community zum „Wishlisten“ motivieren? Was kann man tun, damit der eigene Titel weiter oben in den Charts steht?

Konstantin Suvorov: Hier gibt es viele Möglichkeiten, aber die Beste ist es, eine Call-to-Action so oft wie möglich einzubauen: auf der Steam-Seite des Spiels, in den Werbemitteln auf Social Media, als letzte Aussage bei Social-Media-Videos oder man bittet Influencer, am Ende ihres Contents die Community darauf aufmerksam zu machen. Wir glauben, dass man durch verschiedene Berührungspunkte Spieler besser dazu bewegen kann, dann doch auf den Wishlist-Knopf zu drücken. Natürlich muss ein grundsätzliches Interesse für den Titel bestehen. Aber bei so vielen großartigen Spielen, die heutzutage rauskommen, muss man versuchen, so oft wie möglich die Spieler an sich und den Titel zu erinnern. Gleichzeitig muss man seine Community kennen: Bei „The Edge of Allegoria“ haben wir einen Mix aus Game-Boy-inspiriertem RPG-Gameplay und schwarzem Humor, jedoch ist nicht jeder Aspekt für jeden Spieler gleich wichtig. Für manche muss man mehr über das Mastery- und Skill-System reden und bei anderen ist es wichtiger, den Fokus auf die Story und den Humor zu legen. Kommuniziert man die richtigen Dinge, so kann man Spieler weitaus besser mit der Call-to-Action zum Wishlisten überzeugen.

 

Natürlich muss ein grundsätzliches Interesse für den Titel bestehen

 

IGM: Kannst du diesen Punkt bitte weiter ausführen?

Konstantin Suvorov: Wishlists helfen, bei Marketing-Aktivitäten einen Snowball-Effekt und Ranking-Platzierungen auszulösen:

    1) Durch Aussagen wie „wir haben X Wishlists erzielt“ können andere Devs, Journalisten aber auch Influencer auf das Spiel aufmerksam gemacht werden. Das Spiel wirkt schon vor dem Release erfolgreich und interessant.

    2) Wenn man eine bestimmte Anzahl beziehungsweise einen Anstieg der Wishlists in einer kurzen Zeit erreicht, kommt man so bei Steam auf das „Popular Upcoming“-Ranking, wodurch wiederum noch mehr User auf das Spiel aufmerksam werden.

    3) Wie vorhin erwähnt, werden die User beim Release informiert und kaufen dadurch das Spiel. Das hat zur Folge, dass man bei genug Einnahmen auf ein weiteres Ranking bei Steam kommt: „New & Trending“. Dies sorgt wieder für mehr Aufmerksamkeit und potenzielle Käufer.

    4) Eine der neusten Änderungen betrifft Demos. Diese können nun eine eigene Steam-Page haben und alle Spieler, die das Hauptspiel gewishlistet haben, werden über den Release der Demo informiert. Das ist eine weitere Marketing-Aktivität, die Valve uns bietet und mit Wishlists zusammenhängt.

IGM: Welche Rolle spielen dabei beispielsweise Kooperationen mit Influencern oder auch die Berichterstattung in den Medien?

Konstantin Suvorov: Das hängt immer ganz von der Community beziehungsweise den Lesern ab. Da es so viele unterschiedliche Genres gibt, sollte man sich nicht auf jeden x-beliebigen Journalisten oder Influencer stürzen und ihn oder sie mit E-Mails bombardieren. Der Titel soll alle Beteiligten interessieren, denn erst so erreicht man die Spieler, die wirklich Freude an deinem Titel haben werden. Hat man aber dann die richtige Person erreicht, kann ein Content-Piece abhängig von der Reichweite enorme Erfolge bringen. Nicht selten bringen Influencer-Videos bei Indies mehrere tausenden Wishlists, wodurch sich leichter ein Snowball-Effekt erzeugen lassen kann. Solche Content-Pieces haben häufig eine Ausstrahlwirkung auf andere Influencer und Journalisten, die erst dadurch auf das Spiel aufmerksam werden.

IGM: Können Veranstaltungen wie die Gamescom noch einmal Einfluss auf das „Wishlisten“ haben?

Konstantin Suvorov: Events haben viele Vorteile und darunter zählt auch der Anstieg von Wishlists. Tatsächlich erhält man aber nicht von den Leuten vor Ort die meisten Wishlists, sondern von den Online-Komponenten, wie beispielsweise der eigenen Steam-Event-Page. Diese erreicht ein großes internationales Publikum und bringt einen weitaus größeren Teil an Wishlists als nur die reine Vor-Ort Aktivität. Man sollte also auf Steam-Event-Page-Integrationen achten, aber auch nicht alle anderen Vorteile solcher Events (Networking, Feedback, positive Energie tanken, etc.) außen vor lassen.

 

Man sollte auf Steam-Event-Page-Integrationen achten

 

IGM: Wirken sich Release-Verschiebungen negativ auf die Wishlist-Zugriffe aus?

Konstantin Suvorov: Das kann es, muss es aber nicht haben – wenn es gut und frühzeitig kommuniziert wurde. Wird der Release zu lange verschoben, könnten Spieler die Vorfreude verlieren und sich bei der Release-Benachrichtigung durch deren Wishlists tatsächlich gegen den Kauf des Titels entscheiden. Das ist jedoch selten der Fall. Wenn eine Verschiebung nötig ist, sollte man dies tun – Spieler heutzutage verstehen das und freuen sich mehr über ein gutes und fertiges Spiel als über einen früheren Release mit Bugs und Fehlern. Ein guter Discord-Server hilft dabei sehr, solche Informationen zu teilen. Zwar müssen wir bei unserem neusten Titel keine Release-Verschiebung kommunizieren, jedoch hilft es sehr, alle Neuigkeiten und Feedback-Runden mit der Community auf dem Server gemeinsam zu besprechen, da dies schon vor dem Release eine positive Interaktion mit unserem Spiel erzeugt.

IGM: Gibt es so etwas wie eine durchschnittliche Conversion, mit der man als Publisher rechnet?

Konstantin Suvorov: Leider gibt es keinen festen Wert, mit dem man arbeiten kann. Von Release zu Release kann die Conversion ganz anders aussehen. Aber basierend auf Umfragen liegt die Median-Conversion-Rate in der ersten Woche bei ca. 20 Prozent – das wären bei 100.000 Wishlists etwa 20.000 Verkäufe. Wir nutzen diese Werte als grobe Richtlinie, wohlwissend, dass es ganz anders aussehen kann.

IGM: Also sind Wishlist ein wertvolles, aber nicht absolut verlässliches Tool auf dem Weg zum Release …

Konstantin Suvorov: Wishlists sind nicht immer gleich von der Qualität. Es gab schon Titel von anderen Studios, die mit mehreren tausend Wishlists in den Release gegangen sind, jedoch nur einen kleinen Bruchteil in Verkäufe umwandeln konnten. Der Grund dafür: Es macht einen großen Unterschied, ob hinter der Wishlist ein Fan steht, der dein Spiel auf jedem Event gespielt hat oder ob es jemand ist, der eine Werbung auf TikTok gesehen hat und sich dachte: „Ach, ich wishliste mal und behalte das im Auge.“ Wir als Publisher können uns nie sicher sein, wie gut die Qualität der Wishlists ist, weswegen es aber umso mehr Sinn macht, so viele Wishlists wie möglich zu sammeln. Je größer die Anzahl, desto größer ist die Chance, „gute“ Wishlists zu haben. Und selbst wenn man eine grausige Conversion-Rate von beispielsweise drei Prozent hat – wenn die Gesamtsumme der Wishlists hoch ist, erzielt man trotzdem gute Verkäufe. (ob/bpf)

IGM 13/24
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