Wie Branchen-Akteure das Weihnachtsgeschäft sehen

Für die Games-Branche war das Weihnachtsgeschäft lange enorm wichtig. Ein Q4, das so richtig brummte, sorgte bei Publishern, Händlern und Distributoren für positiven Stress und gute Laune. Allerdings hat sich das Games-Geschäft übers Jahr hinweg stark ausdifferenziert, gefühlt gibt es jede Woche irgendwo irgendeinen Sale. Wie wichtig sind da überhaupt noch die Kernmonate in Q4? Und welche Trends lassen sich in diesem Zeitraum beobachten? IGM hat darüber mit zwei Händlern und zwei Publishern gesprochen.
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Mit Consumer-Umfragen ist es immer so eine Sache. Die Auftraggeber kommen oft genau aus der Branche, die etwas davon hat, wenn die Umfrageergebnisse nicht total deprimierend rüberkommen. Ende November letzten Jahres veröffentlichte der game die Ergebnisse einer Umfrage, die er bei YouGov in Auftrag gegeben hatte. „Rund 21 Millionen Deutsche möchten zu Weihnachten Familie und Freunde mit Games oder Games-Artikeln beschenken“, heißt es da. Was natürlich prächtiger klingt, als wenn man Folgendes schreiben würde: „Wir haben im Juli/August eine Online-Befragung von 2.053 Personen durchgeführt, die Ergebnisse gewichtet und das Ganze dann auf die Gesamtbevölkerung ab 16 Jahren hochgerechnet.“ Zudem ist „möchte“ eine Absichtserklärung, der nur im Idealfall Taten folgen. Dazu passt auch die Aussage, „rund 27,5 Millionen Menschen in Deutschland würden sich freuen, wenn sie zu Weihnachten ein Gaming-Geschenk bekommen“. Tja, wer würde das nicht?

Für 2024 hat der game noch keine Weihnachts-Umfrage-Ergebnisse veröffentlicht. Womöglich ist aber Vergleichbares schon in der Mache. Wir möchten das dann auch gerne lesen – und würden uns in jedem Fall darüber freuen.

Unrepräsentative Umfrage
Vorerst haben wir selbst eine unrepräsentative, ungewichtete Umfrage unter exakt vier (!) Branchen-Akteuren veranstaltet. Wir wollten wissen, wie sich das Weihnachtsgeschäft in den letzten Jahren aus ihrer Sicht verändert hat – und welche Strategien sie für die umsatzstarken Christmas-Countdown-Wochen haben. „Auch wenn es im Vergleich zu früher nicht mehr so stark ausgeprägt ist, ist das Weihnachtsgeschäft für uns noch immer die wichtigste Zeit des Jahres“, sagt Axel Florizoone, Managing Director Germany bei Bigben Interactive. Allerdings habe das Ganze vor einigen Jahren deutlich früher angefangen als jetzt. „Heute zentriert es sich sehr auf die beiden Monate November und Dezember“, berichtet Florizoone. Im Mittelpunkt stehen für Bigben Interactive dieses Jahr gleich mehrere Nacon-Titel: das Open-World-Rennspiel Test Drive Unlimited Solar Crown, das Motocross-Game MXGP sowie das Action-Roguelike Ravenswatch. Darüber hinaus setzt Bigben auf vielfältige PS5-Peripherals – zum Beispiel auf den Revolution Controller. „Für unser Zubehör ist der stationäre Handel natürlich unser Hauptaugenmerk“, betont Florizoone.

 

Ab November steigt das Kaufinteresse massiv an

 

Einer der spektakulärsten Orte im stationären deutschen Spielehandel ist das Xperion Hamburg. Nach Köln und Berlin ist es der nunmehr dritte Games-Tempel, den MediaMarktSaturn eröffnet hat – und zwar erst kürzlich, am 5. September. Im vierten Stock der MediaMarkt-Filiale an der Mönckebergstraße bietet das Xperion auf 3.500 Quadratmetern verschiedenste Verlustigungen – unter anderem 130 Anspielstationen und eine E-Sport-Arena mit 199 Sitzplätzen. Sebastian Okun ist im Xperion Hamburg als Koordinator Verkauf tätig und blickt auf fast 20 Jahre Berufserfahrung bei der Unternehmensgruppe zurück. „Das Vorweihnachtsgeschäft startet bei uns üblicherweise schon im Oktober, da viele Kundinnen und Kunden sich schon die ersten Informationen über aktuelle Produkte holen und den Markt beobachten“, sagt Okun. „Ab November steigt das Kaufinteresse massiv an, besonders auch im Rahmen von Black Friday und Cyber Monday.“ In dieser Zeit fahre MediaMarktSaturn schon viele attraktive Aktionen, so der Verkaufsspezialist. Dieses Jahr stehe alles im Zeichen des „Bunten Black November“ – dieser umfasse beispielsweise den Singles Day, die Black Week mit dem Black Friday und auch die Cyber Week: „Wir fokussieren uns in dieser Zeit darauf, dass alle aktuellen Games und Konsolen immer verfügbar sind.“

Etablierte Fangemeinde
Was sind nun aus Sicht von Okun die potenziell stärksten Titel im Weihnachtsgeschäft? Der Experte nennt hier Silent Hill 2, Dragon Ball: Sparking! Zero, CoD: Black Ops 6, EA Sports FC 25, Dragon Age: The Veilguard, Super Mario Party Jamboree sowie Indiana Jones und der große Kreis. „Diese Titel haben eine etablierte Fangemeinde und sind häufig bereits vor dem Release stark nachgefragt, was sie zu Umsatztreibern in unserer Kategorie macht“, erläutert Okun. Auch der Landwirtschafts-Simulator 25 gehöre mittlerweile zu den gefragtesten Produkten im Weihnachtsgeschäft. „Zudem sind limitierte Editionen und exklusive Bundles beliebt, da sie Sammler und Fans gleichermaßen ansprechen“, ergänzt er. Ein weiteres wachsendes Segment seien Multiplayer-Games, speziell die von der familienfreundlichen Sorte: „Sie sind ideal für das gemeinsame Spielen in der Weihnachtszeit.“

Schauen wir von Hamburg nach Trier: Dort gibt es seit 25 Jahren den Fachhändler SK GameNatiX. Geschäftsführer Stefan Kimmlingen bezeichnet November und Dezember als die üblicherweise umsatzstärksten Monate des Jahres: „Neben den dann erscheinenden Neuheiten verkaufen wir in diesem Zeitraum auch vermehrt Bestandsware oder spezielle Kundenbestellungen, die als Weihnachtsgeschenke gedacht sind.“ Kimmlingen bestätigt, dass neben FC 25, CoD und Co. auch familienfreundliche Spiele stark gefragt sind – deshalb versucht SK GameNatiX, das gesamte First-Party-Lineup von Nintendo vorrätig zu haben. Speziell Mario Party Jamboree würden schon früh sehr stark nachgefragt. Konsolen und Hardware seien zwar Umsatzbringer, brächten aber keine Marge, so Kimmlingen: „Natürlich verkaufen wir sie, da wir als Vollsortimentshändler niemanden zur Konkurrenz schicken wollen. Aber sie sind nur wegen der Folgekäufe und der Kundenbindung wirklich wichtig. Sie entscheiden bei den aktuellen EKs nicht über ein erfolgreiches Weihnachtsgeschäft für uns.“

Highlight Halloween?
Wie wichtig sind nun Termine wie der Black Friday oder Halloween für den Games-Handel? Speziell Halloween hat sich ja in den letzten Jahren immer mehr zur einem Umsatztreiber entwickelt – und zwar von Lebensmitteln über Verkleidung bis hin zu Games. Für dieses Jahr rechnete der Handelsverband Deutschland (HDE) denn auch mit Umsätzen von 540 Millionen Euro – gegenüber 480 Millionen Euro im Jahr zuvor. Sebastian Okun sieht in Halloween eine gute Gelegenheit für zielgerichtete Promotions – speziell natürlich mit Titeln, die Horror und Hochspannung bieten. „Das zieht eine spezifische Kundengruppe an und fördert das Interesse an weiteren Käufen“, erläutert Okun. Derweil sei der Black Friday im Vorweihnachtsgeschäft ein absolutes Highlight und  treibe die Nachfrage quer durch alle Kategorien in die Höhe. „Für mich ist es wichtig, diese Termine strategisch zu planen und die Lagerbestände optimal auf die zu erwartende Nachfrage abzustimmen“, bekräftigt Okun. Für SK GameNatiX haben Halloween und der Black Friday eine etwas andere Bedeutung – sie seien vor allem für den Versandhandel interessant, sagt Stefan Kimmlingen. Im Webshop seien die Besucherzahlen zum Black Friday höher als sonst. „Für den stationären Handel in unserem Ladenlokal ist der Termin hingegen ein relativ normaler Tag.“

 

Die meisten unserer KundInnen möchten ein physisches Erlebnis verschenken

 

Der Publisher und Entwickler HandyGames nutzt Termine wie Halloween, um seine Games zu bewerben und die Community gezielt anzusprechen. In diesem Jahr erhielt der Early-Access-Titel Oddsparks: An Automation Adventure von Massive Miniteam (Pulheim) zu Halloween ein kostenloses Content-Update – inklusive Gruselstimmung und digitalen Kürbissen. HandyGames und seine Partnerstudios fahren solche Aktionen aber nicht nur in der Vorweihnachtszeit, sagt CEO Christopher Kassulke. „Irgendwo auf der Welt ist immer ein Sale – egal ob Seasonals oder lokale Events beziehungsweise Feiertage. Diese werden bei uns in einem internationalen Kalender getrackt – und auch die Ausschläge.“

Eisen im Feuer
Eine wirklich ruhige Zeit gebe es im Jahresverlauf nicht mehr, berichtet Kassulke. Die Vorweihnachtszeit sei natürlich ein besonderer Umsatzbringer, allerdings gebe es „kaum ein Game, das zu der Zeit nicht um die Gunst des Kunden kämpft“. Aus strategischen Gründen könne „eine etwas antizyklische Release-Planung sehr sinnvoll sein, um eine bessere Sichtbarkeit zu erlangen.“ In Q4 hat HandyGames laut Kassulke gleich mehrere Eisen im Feuer: Neben Oddsparks seien das bereits erschienene Titel wie Chicken Police – Paint it RED!, One Hand Clapping und We Are Football 2024, aber auch bevorstehende Releases wie Tattoo Tycoon, Lethal Honor – Order of the Apocalypse und A Rat‘s Quest – The Way Back Home. HandyGames fährt in der Vorweihnachtszeit dann auch gezielt Rabattaktionen. „Jedoch sollte man das gut dosieren“, sagt Kassulke, „denn Spiele sind heute schon viel zu billig!“ Auch Bigben Interactive gewährt seinen KundInnen regelmäßig Rabatte – und zwar ebenfalls über das ganze Jahr hinweg. In der Vorweihnachtszeit liege der Fokus klar auf Black Week und Cyber Monday, sagt Axel Florizoone. Halloween sei hingegen deutlich weniger relevant.

Ein besonderes Thema im Vorweihnachtsgeschäft sind Guthabenkarten für Abos, In-Game-Items und DLC. In besagter game-Pressemitteilung von 2023 heißt es beispielsweise, „knapp 7,2 Millionen“ Schenkende setzten bereits auf solche Karten. Wie aber wird das Thema in der Branche wahrgenommen? „Wir spüren einen leichten Anstieg bei Gutscheinkarten, allerdings mehr im Bereich außerhalb der Games“, sagt Stefan Kimmlingen. „Die meisten unserer KundInnen möchten ein physisches Erlebnis verschenken. Der Absatz unserer eigenen Gutscheine für den Laden nimmt allerdings in den letzten drei Monaten des Jahres in der Regel recht stark zu.“ Aus Sicht von Christopher Kassulke sind die Gutscheine ein weiterer Beleg dafür, dass sich das Weihnachtsgeschäft stark auf die großen Holiday Sales und auf die Zeit nach Weihnachten verschoben hat. „Da immer weniger Boxen verkauft sowie verschenkt werden, sind Gutscheine eine Alternative, die natürlich dann ab Weihnachten im Umlauf sind“, sagt Kassulke. Für HandyGames ist das jedoch alles andere als neu, schließlich hat die Firma – der Name sagt es schon – ihre Wurzeln bei Mobilspielen.

 

Früher war irgendwie mehr Lametta

 

Eintauchen am PoS
Was aber ist eigentlich aus dem klassischen Weihnachts-Shopping geworden – dem (mehr oder weniger hektischen) Ladenbesuch mit Geschenkekauf? Gelingt es dem stationären Handel nach wie vor, die KundInnen in die physischen Shops zu locken? Bei Xperion Hamburg jedenfalls setzt man nicht nur vor Weihnachten, sondern das ganze Jahr über auf „erlebnisorientierte PoS-Gestaltung“, wie Sebastian Okun berichtet. Will heißen: Die Gaming-Produkte sollen möglichst immersiv präsentiert werden – eine betont weihnachtliche Atmosphäre braucht es da gar nicht. Als Beispiel nennt Okun den USK-12-Bereich, in dem die BesucherInnen aktuelle Konsolen, PCs und Peripherie direkt ausprobieren können. „Zusätzlich dazu haben wir noch einen USK-18-Bereich mit 99 Gaming-Setups“, so der Verkaufskoordinator. „Hier können BesucherInnen die aktuellen Gaming-Titel in einer immersiven Umgebung ausprobieren – inklusive zehn leistungsstarker Gaming-PCs, auf denen wir in Zusammenarbeit mit Publishern regelmäßig die neuesten Spiele bereitstellen.“

Auch SK GameNatiX verzichtet darauf, bei der Weihnachts-Atmo allzu dick aufzutragen. Zwar dekoriere man entsprechend die Schaufenster, sagt Stefan Kimmlingen. „Im Laden selbst verändern wir aber – außer der weihnachtlichen Preisauszeichnung und den prall gefüllten Regalen – nicht wirklich viel.“ Generell habe sich das Geschäft für den stationären Handel verändert, so Kimmlingen. „Feiertage spielen nicht mehr eine ganz so große Rolle wie noch vor einigen Jahren, da sehr viel online gekauft wird.“ Gelegentlich kämen Kinder mit Eltern oder Großeltern in den Laden, um gemeinsam Weihnachtsgeschenke zu kaufen. „Bei Geschenken ist es aber oft so, dass Erwachsene mit einer Liste zu uns kommen, da die Kinder spezielle Wünsche für das Weihnachtsfest haben. Hier findet man ganz häufig das Nintendo-Lineup.“

Oh Tannenbaum?
Christopher Kassulke wird ein bisschen nostalgisch, wenn er über vergangene Games-Weihnachten spricht. „Es klingt abgedroschen, aber früher war irgendwie mehr Lametta“, sagt er. „Man wollte zu Weihnachten in ein Geschäft und hat ein positives Einkaufsgefühl. Das kommt bei mir aktuell sicherlich nicht mehr rüber.“ Dass der stationäre Handel an Weihnachten weniger relevant sei, habe aber eben auch mit besagten Gutscheinkarten zu tun. Eltern und Großeltern würden immer stärker auf Voucher zurückgreifen, „denn sie kennen sich nicht mehr aus, was die Kinder so alles wollen“. Kassulkes Fazit: „Für uns ist das Weihnachtsgeschäft einer der vielen interessanten Termine im Jahr.“ Für den stationären Handel ist Q4 nach wie vor ein Umsatzbringer – bei dem es dann besonders auf die sofortige Verfügbarkeit der Produkte ankommt. (Achim Fehrenbach)

IGM 13/24
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