Stürmische Zeiten: Die deutsche Games-Branche – eine Momentaufnahme

Keine Frage: Die allgemeine Krise der Games-Branche betrifft auch die hiesige Spieleproduktion. Studios werden geschlossen, Jobs gehen verloren, das Fahrwasser für die aktiven Studios wird rauer. Von einem „dynamischen“ Industriezweig kann aktuell nur noch sehr bedingt die Rede sein. Wir haben mit Branchen-ExpertInnen über die Situation der Spielefirmen, die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Zweckmäßigkeit von Games-Förderung gesprochen.
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Mimimi Games. Flying Sheep. Threaks. Piranha Bytes. Studio Fizbin. Maschinen-Mensch. Gentlymad Studios. Massive Miniteam. Die Zahl der deutschen Spielefirmen, die in den letzten Jahren geschlossen und aufgelöst wurden, ist bedenklich lang – von den Entlassungen bei größeren Firmen wie Wooga und Ubisoft Düsseldorf ganz zu schweigen. Mal musste ein Studio schließen, weil das neueste Projekt am Markt floppte und die laufenden Kosten nicht mehr gedeckt werden konnten; mal war es die unsichere Finanzierung künftiger Projekte; mal wurden Fachkräfte entlassen, weil sie aus Sicht des Unternehmens redundant waren. Die traurige Entwicklung spiegelt sich auf europäischer Ebene, wo 2024/25 immerhin rund 26 Prozent der Games-Schaffenden ihren Job verloren haben. Die Zahl stammt aus dem „Big Games Industry Employment Survey“, den die Karriereplattform InGame Job und die Recruitment-Agentur Values Value im Oktober 2025 veröffentlichten. Die Umfrage fand zwischen März und Juni statt – und in diesem Zeitraum waren immer noch 10,4 Prozent der Entlassenen auf der Suche nach einer neuen Stelle.

Rückläufige Zahlen
Auch der Branchenverband game nimmt die Entwicklung in seinem aktuellen Jahresreport zur Kenntnis. „An der Entwicklung der Beschäftigten- und Unternehmenszahlen werden die Auswirkungen der schwierigen Rahmenbedingungen auf den deutschen Standort deutlich“, heißt es da. „Beide Zahlen sind nach vielen Jahren des teils starken Wachstums rückläufig.“ Laut game ist die Zahl der deutschen Entwicklerstudios und Publisher innerhalb eines Jahres um 4 Prozent auf 910 gesunken. „Damit ist der Boom bei Neugründungen in der deutschen Games-Branche, der durch die Einführung der Games-Förderung 2020 ausgelöst wurde, inzwischen vollständig abgeebbt“, konstatiert der Verband. Auch die Zahl der Beschäftigten sei im Vergleich zum Vorjahr rückläufig, heißt es im Report: „Während 2024 noch 12.408 Menschen bei Entwicklern und Publishern beschäftigt waren, sind es 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur noch 12.134 – das entspricht einem Minus von 2 Prozent.“

Die Zahlen des Reports stammen von gamesmap.de – einem Online-Verzeichnis der Branche, dass der Verband gemeinsam mit dem Berliner Institut für Ludologie und dem Marktforschungsunternehmen Goldmedia betreibt. Spielefirmen können dort via Web-Formular ihre aktuellen Beschäftigtenzahlen melden – was wohl nicht jedes Unternehmen regelmäßig machen wird. Die oben genannten, inzwischen geschlossenen Studios sind auf gamesmap.de tatsächlich nicht mehr zu finden. Ein Ersatz für eine lückenlose Branchenbefragung ist das – an sich löbliche – Portal aber nicht.

Im vorliegenden Artikel soll es nicht darum gehen, sich in apokalyptischen Szenarien zu wälzen – und auch nicht darum, bestimmten Akteuren die alleinige Schuld an der Krise zuzuschieben. Vielmehr soll es darum gehen, den Status Quo so nüchtern wie möglich zu betrachten – was angesichts der individuellen Jobverluste nicht gerade leicht fällt –, und außerdem zu diskutieren, wo es inmitten Krise auch Chancen gibt. Zum Beispiel anhand der Fragen, wo es aktuell überhaupt Branchen-Jobs gibt – und welche Dinge stärker gefördert werden sollten.

Die Krise weiter befeuert

 

Hausgemachte Probleme
Achim Quinke zählt zu den besten Kennern der deutschen Games-Branche. Bereits Anfang des Jahrtausends gründete der Hamburger die Kommunikations- und Recruiting-Agentur Quinke Networks; von 2003 bis 2013 baute er als Founder und Managing Director die Gamecity Hamburg auf. Die Games-Branche stecke weltweit in der Krise, bestätigt Quinke – und die Gründe hierfür seien hinlänglich bekannt: „Marktübersättigung, stagnierende Umsätze, steigende Entwicklungs- und Vertriebskosten etc. führen zu Konsolidierungsmaßnahmen und ziehen Stellenstreichungen nach sich.“ Deutschland sei da keine Ausnahme, so Quinke – im Gegenteil. „Hausgemachte Probleme wie das On und Off der Computerspielförderung haben zusätzliche Verunsicherung geschürt und die Krise weiter befeuert. Die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt sind verheerend.“

Quinke, der seit 2011 das Portal games-career.com betreibt, schätzt die aktuelle Beschäftigungslage etwas anders ein als der game. „Wir gehen davon aus, dass hierzulande aktuell weniger als 9.000 Menschen im Kernmarkt – also in der Entwicklung und im Publishing – tätig sind“, so der Recruiter. „Verglichen mit 2023 sind damit rund 25 Prozent der Jobs in der Branche verloren gegangen.“ Games-Career.com erfasst seit Jahren jeden Monat die Anzahl der Stellenangebote der 50 größten Games-Unternehmen. Vor der Pandemie sei der Wert vierstellig gewesen, so Quinke – dies habe sich jedoch geändert: „Im Oktober 2023 waren es noch rund 500 offene Jobs, aktuell sind es lediglich 250.“ Nur noch sieben Firmen hätten derzeit mehr als zehn Stellen zu vergeben – laut Quinke ein „historischer Tiefststand“. Da zudem nicht jede ausgeschriebene Position auch tatsächlich besetzt werde, schätzt Quinke, „dass alle Publisher und Developer zwischen Flensburg und Garmisch zusammen derzeit maximal 300 Jobs zu vergeben haben“. Da es zeitgleich Abwanderungen und Stellenstreichungen gebe, schrumpfe die Branche also weiter.

Fehlende Daten
In der öffentlichen Wahrnehmung sei die Tragweite der Krise offenbar noch nicht angekommen, so Quinke. „Das könnte daran liegen, dass wir lieber beeindruckende Zahlen zum Markt lesen. Sie sagen jedoch nichts über den Zustand der Branche aus.“ Um die Lage umfassender zu bewerten und Strategien für neues Wachstum zu entwickeln, bedürfe es also einer besseren Datenlage, mahnt der Recruiter. Daten zum Markt würden zwar wie am Fließband produziert, – inklusive detaillierter Studien zur User-Demografie und zu den Milliardenumsätzen mit Games und Gaming. „Angaben zur Branche sind hingegen Mangelware“, beobachtet Quinke. „Mich würde beispielsweise interessieren, wie hoch die Umsätze sind, die Entwickler-Studios und Publisher erzielen, und wie sich diese über die Jahre entwickelt haben.“ Der Anteil deutscher Studios am Games-Markt in Deutschland werde seit fünf Jahren nicht mehr ausgewiesen, kritisiert Quinke: „Ist er gestiegen oder gefallen? Und wie viele Studios gibt es, die aktiv und hauptgeschäftlich Games entwickeln? Ich komme auf nicht mehr als 500.“ Zwischen 2020 und 2023 seien hierzulande 264 Studios gegründet worden – vielfach angeregt durch die Fördertöpfe von Bund und Ländern. Quinke hätte dazu aber gerne eine systematische Auswertung: „Wie viele davon gibt es noch und wie haben sich diese Startups entwickelt? Wer konnte nach drei Jahren am Markt einen Publishing-Deal abschließen oder Venture-Kapital akquirieren? Wie viele können heute ohne Förderung am Markt bestehen? Ich vermute, die Bilanz fällt ernüchternd aus.“ Tatsächlich tauchen in den im Netz verfügbaren Listen der größten deutschen Spielefirmen keine Startups auf. „Keine Neugründung der letzten fünf Jahre beschäftigt aktuell mehr als 30 Mitarbeitende“, sagt Quinke.

Der Mangel an verlässlichen Daten betrifft also vor allem den Werdegang deutscher Spielestudios – inklusive der Startups, die neu hinzugekommen sind. Weitaus besser erkennbar ist dagegen die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Bei den aktuell verfügbaren Vollzeitstellen nennt Tim Plöger ähnliche Zahlen wie Achim Quinke: Im November seien es noch etwa 300 gewesen. Plöger ist hauptamtlich Head of Project Management bei astragon Entertainment und engagiert sich darüber hinaus seit langem in der Jobvermittlung. „Als im Jahre 2017 ein großes deutsches Games-Unternehmen auf einen Schlag mehrere hundert MitarbeiterInnen entlassen hat, habe ich – um den betroffenen BranchenkollegInnen eine Hilfestellung bei der Jobsuche zu bieten –, eine Liste mit Stellenangeboten aus der deutschen Games-Branche zusammengestellt und diese über die sozialen Medien geteilt“, berichtet Plöger. Daraus habe sich kurze Zeit später die gemeinnützige Job-Plattform Games Jobs Germany (GJG) entwickelt, auf der Arbeitgeber kostenlos Stellenangebote listen konnten. „Aufgrund der stark zurückgegangenen Nachfrage seitens der Arbeitgeber wurde GJG  2025 eingestellt“, berichtet der Experte. Er versucht aber weiterhin, die BranchenkollegInnen bei der Jobsuche zu unterstützen – zum einen mit einer wöchentlich aktualisierten Job-Übersicht, zum anderen durch persönlichen Austausch.

Sehr kritisch für den Games-Standort Deutschland

 

Langwierige Jobsuche
Plögers Engagement wird unter anderem auf LinkedIn deutlich: Der astragon-Projektmanager hat dort mehr als 8.000 Follower, die er – teils mehrmals täglich – mit Updates zu offenen Stellen versorgt. Aktuell erhalte er viele Berichte, wie langwierig sich die Jobsuche in der Branche gestalte, berichtet Plöger. Nicht wenige Fachkräfte dächten über einen Branchenwechsel nach oder hätten diesen bereits vollzogen. Plöger sieht diese Abwanderung von Fachpersonal – und den damit verbundenen Verlust an Branchen-Know-how – „sehr kritisch für den Games-Standort Deutschland“ – und hofft, „dass wir als Branche und in Zusammenarbeit mit der Politik hier Wege finden, dem entgegenzuwirken“. Die Situation von Branchenneulingen sieht Plöger als eines der größten Dilemmata auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Zwar gebe es etliche Hochschulen und Bildungsinstitute mit Games-spezifischen Studiengängen – doch die Branche biete viel zu wenige Einstiegsjobs, um die jährlich nachrückende Zahl an AbsolventInnnen auch nur annähernd aufnehmen zu können. Plöger appelliert deshalb an die Spielefirmen, „qualifizierten Newcomern den Einstieg in die Branche zu ermöglichen, um Praxiswissen und Erfahrungen zu sammeln – und auf diesem Wege zu erfahrenen ExpertInnen heranreifen zu können“. Man dürfe einfach nicht vergessen, dass niemand direkt als Senior begonnen habe, so Plöger. „Auch wir haben irgendwann einmal eine Chance bekommen, uns als Newcomer zu beweisen und in der Branche Fuß zu fassen.“

Doch wo werden in der deutschen Games-Branche überhaupt noch Leute eingestellt? Eine der wenigen Firmen, die derzeit nicht nur einzelne Stellen ausschreiben, ist die Firma CipSoft aus Regensburg. „Aktuell suchen wir über zehn neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – so viele wie noch nie“, sagt Mitgründer und Geschäftsführer Stephan Vogler. Dies habe damit zu tun, dass 2025 ein sehr ereignisreiches Jahr für CipSoft sei: „Wir haben fundamentale Neuerungen bei unserem Online-Rollenspiel-Klassiker Tibia eingeführt, entscheidende Meilensteine bei unserem kommenden MMORPG Persist Online erreicht und nicht zuletzt Die Siedler Online von Ubisoft übernommen.“ Da sich CipSoft um alle Aspekte der Entwicklung und des Betriebs von Online-Spielen selbst kümmere, habe man auch in fast allen Bereichen offene Stellen, berichtet Vogler. „Von der Software-Entwicklung über die Grafik bis hin zum Projektmanagement.“ Bei Bewerbungen achtet die bayerische Firma längst nicht nur darauf, ob jemand tolle Abschlüsse vorzuweisen hat. „Wenn die Qualifikationen stimmen, sind Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger absolut willkommen bei uns“, sagt Vogler. Die leidenschaftliche Arbeit an einem Hobbyprojekt könne für CipSoft sogar wertvoller sein als ein Hochschulabschluss, so der Geschäftsführer: „Wir suchen echtes Interesse, Lernbereitschaft und Selbstständigkeit – und haben immer das langfristige Potenzial einer Bewerberin oder eines Bewerbers im Blick.“

Natürlich sieht auch Vogler, dass in der Branche längst nicht alles rund läuft, zeigt sich im Interview aber verhalten optimistisch. „Nach einigen schwierigen Jahren, in denen es aufgrund hoher Zinsen schwierig war, Projekte zu finanzieren, geht es der Games-Branche langsam wieder besser“, sagt er. Seine Firma sei zum Glück finanziell unabhängig und nicht auf Geldgeber angewiesen. „Die letzten Jahre waren die erfolgreichsten in unserer Firmengeschichte, weshalb wir mehr investieren als je zuvor.“

Große Umbrüche
Aus Sicht von Mafalda Duarte hat die aktuelle Branchenkrise viel mit der Corona-Pandemie zu tun. „Das Wachstum jener Zeit war dadurch künstlich aufgebläht, dass die Leute zuhause bleiben mussten – und viele Unternehmen haben übermäßig expandiert“, sagt Duarte, die das Chapter IGDA Berlin leitet und zudem als Ambassador Coordinator der Initiative „Women in Games“ arbeitet. „Steigende Kosten, vorsichtige Investoren, technologische Veränderungen und ein verändertes SpielerInnenverhalten haben zu Marktkorrekturen geführt“, beobachtet Duarte. „Wir sehen nun, wie sich die großen Umbrüche bei den führenden Akteuren auch auf kleinere Teams und Studios auswirken.“ Erfahrene Fachkräfte würden zurück in den Arbeitsmarkt geworfen, wo sie nach neuen Möglichkeiten suchten. „So entsteht einen schwieriger Kreislauf, in dem mehr Menschen nach Jobs suchen, statt dass neue Jobs geschaffen werden.“

 

Für BerufseinsteigerInnen ist es derzeit definitiv schwierig

 

Als Networkerin hat Duarte den Arbeitsmarkt genau im Blick – und sieht, welche Berufsqualifikationen immer noch gefragt sind. „Technisch ausgerichtete Berufe sind nach wie vor sehr wertvoll, besonders an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen – zum Beispiel Technical Art oder UX Design“, berichtet sie. In Stellenanzeigen werde aktuell häufig nach Leuten gesucht, die Erfahrung mit Data- und Life-Services sowie Monetarisierung hätten – und zwar sowohl im Produktions- und Produktmanagement wie auch in Marketing und Design. „Für BerufseinsteigerInnen ist es derzeit definitiv schwierig, in der Branche Fuß zu fassen“, konstatiert Duarte. „Es mangelt an Junior- und Einstiegspositionen.“ Duartes wichtigster Rat für Jobsuchende ist, sich mit den Menschen in der eigenen Umgebung zu vernetzen – etwa über lokale Meetups und Verbände. Als gute Anlaufstellen in ihrer eigenen Berliner Community nennt die Networkerin das Format „Talk & Play“, die Events von medianet berlinbrandenburg – oder eben auch neue Projekte wie das Berliner IGDA-Chapter, bei dem Duarte selbst mitwirkt.

Kampf um Aufmerksamkeit
Speziell bei den vielen deutschen Indie-Studios hat es in letzter Zeit einen Aderlass gegeben. Einer, der die Entwicklung genauestens verfolgt, ist André Bernhardt: Mit seiner Firma The Indie Advisory berät der kleine und mittelgroße Spielefirmen, die auf der Suche nach einem Publisher oder Investor sind. „Wir alle befinden uns im ständigen Kampf um Aufmerksamkeit und müssen uns gegen die Konkurrenz durchsetzen, um unsere Inhalte zu vermarkten“, beschreibt Bernhardt die Situation der Spielefirmen. „Die Konkurrenz besteht dabei nicht nur aus den Vertretern des eigenen Mediums – wie AAA-Publisher, Games-as-a-Service-Anbieter oder Indie-Studios –, sondern auch transmedial aus Streaming-Diensten, Social Media oder Video-Plattformen, um nur ein paar zu nennen.“ Nur wer auf diesem Markt der Aufmerksamkeit erfolgreich sei, könne auch finanziell erfolgreich sein, so Bernhardt. Der sogenannte Mittelmarkt sei schon lange weggebrochen; mit steigenden Kosten werde es für die meisten Studios immer schwieriger, den Betrieb zu finanzieren.

Der Erfolg auf Plattformen wie Steam sei zwar mit Marketing-Geldern in gewissem Maße beeinflussbar, so der Experte. „Das setzt aber voraus, dass man über die entsprechenden Budgets verfügt.“ Selbst große Publisher seien in den letzten Jahren sehr vorsichtig in der Etablierung neuer Marken [vgl. S. 26-31] geworden – denn dies koste einfach eine Menge Geld. „Boutique-Publisher oder Indies verfügen nur in eingeschränktem Maße über jene Mittel und sind auf den Erfolg ihrer Below-the-line- und Community-Aktivitäten angewiesen“, berichtet Bernhardt. Aktuell sei der Markt auch für Venture Capitalists nur bedingt interessant, da viele das Risiko des „The winner takes it all“ scheuten – zumal es in anderen Branchen bessere Renditen gebe. „Kurzum: Die Konkurrenz ist groß, der Kostendruck ist hoch und so schaut man, wo gespart werden kann“, fasst Bernhardt zusammen. Gespart würde dann etwa durch das Einstampfen riskanter Neuentwicklungen, den Stopp kaum rentabler Projekte oder den verstärkten Einsatz von KI. „Der teuerste Faktor in der Spieleentwicklung ist der Mensch“, sagt Bernhardt. „Das Mantra lautet dabei: Gelingt es, die Mitarbeitendenzahlen zu reduzieren, dann besteht die Hoffnung, wieder in die Erfolgsspur zurückzukehren und bessere Renditen zu erzielen.“

Erhebliche Förderung
Welche Rolle kann in dieser schwierigen Lage nun die Games-Förderung spielen? Hier wird schließlich seit mehreren Jahren auf Bundes- und Landesebene einiges in die Branche hineingebuttert. Ob eine solche Förderung sinnvoll ist, hängt laut Bernhardt von den definierten Zielen ab; dazu gehöre – laut der Förderrichtlinie des Bundes – die „internationale Wettbewerbsfähigkeit“. Bernhardt erkennt hier grundlegend gewisse Fortschritte – erkennt aber nicht, dass sich AAA-Studios in Deutschland ansiedeln, weil der Standort so attraktiv sei. „Aber das kann alles noch kommen, wenn man weiterhin an der Förderung arbeitet und die Bedarfe kontinuierlich auslotet“, ist Bernhardt optimistisch. „Am Geld mangelt es aktuell nicht, wenn man sich anschaut, wie viel Geld in den Fördertöpfen noch jeweils steckt.“ Ganz klassisch gebe es ja den Wunsch nach Steuererleichterungen und weniger Bürokratie – Dinge, die auch der game seit Jahren fordert. Laut Bernhardt sollte man auch verstärkt darüber nachdenken, „wie man die Exzellenz der einzelnen Studios erhöhen oder die nationalen Hubs stärken kann“. Denn dies fördere die Zusammenarbeit innerhalb der Branche besonders stark.

Tim Plöger lobt, die Games-Förderung in Deutschland habe bereits viele positive Effekte erzielt. „Allerdings bot sie in der Vergangenheit nicht immer ausreichend Planungssicherheit – Stichwort: Antragsstopp – und ist darüber hinaus von politischen Schwankungen abhängig“, kritisiert er. Auch aus seiner Sicht könnte eine steuerbasierte Förderung – siehe Frankreich, Kanada und UK – mehr Planungssicherheit schaffen und zusätzliche Investitionen, Steuereinnahmen und Wertschöpfung anstoßen. „Eine Kombination beider Modelle würde den Games-Standort Deutschland langfristig stärken“, glaubt Plöger. Auch Mafalda Duarte lobt grundsätzlich die bereits existierende Games-Förderung in Deutschland – vor allem hinsichtlich ihrer Unterstützung für Startups und neue Projekte. Allerdings biete die hiesige Förderung noch zu wenig Wachstumschancen, kritisiert Duarte: „In Berlin beispielsweise gibt es kein echtes Inkubationsprogramm für die Games-Entwicklung.“ Öffentliches Funding sei natürlich unerlässlich, um neuen Studios bei der Gründung zu helfen, Unternehmertum zu fördern und neuen Idee auf dem Markt eine Stimme zu geben. „Aber wir brauchen auch Verbesserungen für Wachstum und Expansion“, betont die IGDA-Berlin-Vorsitzende. Vereinfachte Prozesse und mehr Unterstützung in der Prototyp-Phase wären aus ihrer Sicht wichtig, um die Förderung noch zu verbessern. Auch Duarte plädiert für die (rechtlich allerdings nicht triviale) Einführung steuerlicher Anreize à la Kanada und Frankreich: „Dies würde Investitionen anziehen und langfristiges Studiowachstum fördern. Die Grundlagen sind vorhanden – es fehlt nur an besserer Skalierbarkeit.“

 

Steam und die App-Stores platzen aus allen Nähten

 

Mehr Differenzierung
Achim Quinke plädiert dafür, die staatlichen Fördermaßnahmen fortlaufend zu hinterfragen – und ihre Wirkung auf den Prüfstand zu stellen. „Immerhin haben Bund und Länder die Entwicklung von Games und Prototypen schon jetzt mit über 250 Millionen Euro gefördert“, sagt Quinke. Grundsätzlich sei er durchaus ein Befürworter staatlicher Förderung, so der Branchenexperte. Er wünscht sich aber, dass bei der Bewertung der Förderung nach Studiogrößen unterschieden wird. „Für größere, etablierte Studios, die bereits erfolgreich Spiele entwickelt haben, kann die Förderung ein sinnvoller ‚Rettungsring‘ sein“, erläutert Quinke. „Sie erhöht ihre Wettbewerbsfähigkeit und hält sie in einer schwierigen Marktlage buchstäblich über Wasser.“ Allerdings würden im Bund zumeist Förderanträge von Klein- und Kleinststudios bewilligt – darunter seien „viele Startups, die nicht wachsen und dauerhaft auf Förderungen angewiesen bleiben“. Die Chancen dieser Studios, sich am Markt zu behaupten, sei insgesamt deutlich geringer, gibt der Agenturchef zu bedenken. „Steam und die App-Stores platzen aus allen Nähten. Um Sichtbarkeit zu erzielen, braucht es Geld und Know-how.“ Beides fehle diesen Studios aber häufig, weil die Förderung auf die Spieleentwicklung beschränkt sei und die Vermarktung ausschließe. „Offensichtlich hofft man, dass zwischen den vielen geförderten Indie-Games das nächste Minecraft hervorgeht – was bislang nicht so gut geklappt hat“, sagt Quinke. Wachstum in der Branche entstehe nun mal nicht durch vereinzelte Spiele-Hits, „sondern durch Startups und Innovationen in der Breite“.

Dabei helfen könnten laut Quinke neue Geschäftsmodelle und Vertriebskanäle, insbesondere aber der Einsatz neuer Technologien, etwa von Künstlicher Intelligenz. „Wir brauchen also Strategien und Instrumente, um Innovationen und Entrepreneurship zu befördern“, fordert er – und bezweifelt, „dass die Aufstockung der Fördermittel im Bund 2026 Wachstum anregt. Hoffentlich liege ich damit falsch“. Quinke erinnert sich an die Situation in Hamburg, wo 2006 Deutschlands erste dedizierte Prototypenförderung auf Landesebene etabliert worden sei. Dadurch seien viele Studios entstanden, von denen auch viele ihre Fördergelder zurückzahlen konnten.

„Im Unterschied zu heute haben wir damals nicht in eine schrumpfende Industrie, sondern in eine boomende Branche hinein gefördert“, sagt Quinke. Weitsichtige Gründerteams hätten damals nicht nur Spiele entwickeln, sondern zugleich erfolgreiche Startups aufbauen wollen. „Genau das würde ich mir heute auch vermehrt wünschen.“ (Achim Fehrenbach)

IGM 13/25
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