In der Krise: Ist das Problem von Electronic Arts hausgemacht?

Electronic Arts stolperte zuletzt ausgerechnet über zu hohe Erwartungen an „EA Sports FC 25“ und „Dragon Age: The Veilguard“. Echtes Problem oder hausgemachte Folge der vergangenen Jahre? IGM geht auf Spurensuche.
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„Als Marktführer im globalen Entertainment wissen wir, dass große Spiele – selbst, wenn sie mit viel Sorgfalt entwickelt und ausgeliefert wurden – manchmal unsere finanziellen Erwartungen verfehlen können“, fasste Andrew Wilson, CEO von Electronic Arts, die Anfang Februar 2025 veröffentlichten Geschäftszahlen für das dritte Quartal 2024 zusammen.

Die beiden „Sorgenkinder“ wurden bereits im Vorfeld ausgemacht: „Dragon Age: The Veilguard“, das am 31. Oktober 2024 veröffentlicht wurde, verkaufte sich in den ersten zwei Monaten weltweit 1,5 Millionen Mal. Die Erwartungen an das AAA-Rollenspiel waren mit drei Millionen Einheiten jedoch deutlich höher. Nach einem starken Launch gelang es dem Spiel laut Wilson jedoch nicht, „in diesem hart umkämpften Markt bei einem ausreichend breiten Publikum“ Anklang zu finden. Überraschender: Auch „EA Sports FC 25“, sonst eine sichere Bank im EA-Portfolio, performte nicht wie erwartet. Die Folge: Ende Januar 2025 gab Electronic Arts eine Gewinnwarnung heraus. Diese traf den Kurs der EA-Aktie hart. Kurz nachdem der erwartete Nettogewinn für das dritte Quartal 2024 von 2,4 bis 2,6 Milliarden US-Dollar auf 2,2 Milliarden US-Dollar und der Umsatz für das Gesamtjahr 2024 von 7,5 bis 7,8 Milliarden US-Dollar auf 7,0 bis 7,2 Milliarden US-Dollar gesenkt wurden, brach die Aktie an der NASDAQ um mehr als 15 Prozent ein. Doch was sind die Hintergründe?

 

Von Anfang an zu hoch gepokert?

 

Der Fall Dragon Age
„Dragon Age: The Veilguard“ und „EA Sports FC 25“ wurden zwar als Schuldige ausgemacht. Doch ganz so einfach ist die Schlussfolgerung nicht. Es stellt sich die Frage, ob Electronic Arts nicht von Anfang an zu hoch gepokert und die Erwartungen zu hoch angesetzt hat.
Die Rollenspielreihe „Dragon Age“ des kanadischen Entwicklers Bioware erblickte 2009 mit „Dragon Age: Origins“ das Licht der Welt und wurde zunächst für PC, PlayStation 3 und Xbox 360 veröffentlicht. „Dragon Age: Origins“ erreichte im Winter 2009/10 das für „The Veilguard“ angestrebte Ziel: In den ersten drei Monaten verkaufte sich das Rollenspiel weltweit 3,2 Millionen Mal. „Dragon Age 2“ hingegen wurde im Frühling 2011 innerhalb der ersten zwei Monate rund zwei Millionen Mal abgesetzt „Dragon Age: Inquisition“ feierte EA 2014/15 als den sich am schnellsten verkaufenden Serienableger, konkrete Zahlen für die ersten Monate veröffentlichte das Unternehmen jedoch nicht.

Was hat sich verändert? Zunächst einmal sind zehn Jahre vergangen. In dieser Zeit hat sich der Markt verändert und Bioware massiv an Reputation eingebüßt. Titel wie „Mass Effect: Andromeda“ (2017) und „Anthem“ (2019) floppten und kratzten merklich am guten Ruf des einstigen Kultstudios. Erst das 2021 erschienene „Mass Effect: Legendary Edition“ konnte sowohl die Fachpresse als auch die Community überzeugen. Das Spiel übertraf die Erwartungen von Elec­tronic Arts. Der nostalgische Trip in ferne und doch vertraute Galaxien kam inmitten der Corona-Pandemie für viele gerade recht.

„Dragon Age: The Veilguard“ hingegen hatte mit einer turbulenten Entwicklung zu kämpfen: Die Arbeiten an dem Spiel begannen bereits 2015, das ursprüngliche Konzept eines Service-Games wurde jedoch später verworfen. Sowohl die Pandemie als auch die erwähnten anderen Bioware-Titel hatten einen großen Einfluss auf die Entwicklung. „Dragon Age: The Veilguard“ ist nicht in einem Fluss entstanden, was sich auch im fertigen Produkt widerspiegelt. Schon vor der Veröffentlichung blies dem Spiel ein eisiger Gegenwind aus der eingefleischten Community entgegen. Viele mochten weder den veränderten Artstyle noch die Dialoge und warfen dem Spiel eine „woke“ Agenda vor. Zum Release erhielt „Dragon Age: The Veilguard“ überwiegend positive Pressestimmen, während die User-Bewertungen auf Online-Portalen wie Metacritic oder OpenCritic überwiegend negativ ausfielen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass das Rollenspiel ausschließlich für die aktuelle Konsolengeneration und nicht für die breite Hardware-Basis von PlayStation 4 und Xbox One veröffentlicht wurde. Auch das überraschend starke und in den USA enorm erfolgreiche „Call of Duty: Black Ops 6“ könnte den Erfolg von „Dragon Age: The Veilguard“ beeinflusst haben.

 

Ein eisiger Gegenwind aus der eingefleischten Community

 

Ist EA Sports FC das wahre Problem?
Wie entscheidend sind die Verkaufszahlen von „Dragon Age“ für Electronic Arts? Mit Blick auf die Bilanz 2024 lässt sich sagen: schmerzhaft, aber verkraftbar. Denn das Unternehmen macht seinen Hauptumsatz seit Jahren nicht mit Vollpreisspielen, sondern mit Live-Services. 2023 setzte EA 2,054 Milliarden mit Vollpreistiteln um, 2024 waren es mit 1,898 Milliarden US-Dollar nur rund sieben Prozent weniger. Live-Services haben inzwischen einen deutlich größeren Einfluss: 2023 setzte Electronic Arts 5,603 Milliarden US-Dollar mit Online-Diensten um, 2024 waren es 5,449 Milliarden US-Dollar. Diese Entwicklung lässt aufhorchen, schließlich stiegen die Einnahmen aus Live-Services in den vergangenen Jahren kontinuierlich an und waren damit der wichtigste Baustein in den EA-Bilanzen.

Was ist also mit „EA Sports FC“? Im Jahr 2023 vollzog Electronic Arts den Wechsel: Aus „FIFA“ wurde das neue „EA Sports FC“. Dem Erfolg tat dies zunächst keinen Abbruch. Dass die Fußballspielreihe in diesem Jahr dennoch stärker ins Kreuzfeuer der Kritik gerät, scheint zunächst überraschend. Schließlich war „EA Sports FC 25“ das meistverkaufte Spiel des Jahres 2024 in Europa und verkaufte sich auch in Deutschland über 600.000 Mal. Weltweit gingen die Verkaufszahlen nach Angaben von Games Sales Data (GSD) jedoch um etwa rund fünf Prozent zurück. Fünf Prozent weniger Verkäufe wären unter normalen Umständen ärgerlich, bedeuten bei einem Spiel wie „EA Sports FC 25“ aber auch: Fünf Prozent weniger Menschen, die potenziell auf Mikrotransaktionen und andere Live-Services zurückgreifen können.

Auch wenn die Rezensionen zu „EA Sports FC 25“ noch immer solide waren, mehrten sich die Stimmen, die neben dem jährlichen Erscheinungsrhythmus als Vollpreisspiel auch die Forcierung von Mikrotransaktionen kritisierten. Weitere Faktoren für die Probleme hinter „EA Sports FC 25“: Die weltweit stagnierende Popularität des Fußballs sowie die im Zuge der Wirtschaftskrise gestiegenen Lebenshaltungskosten. Electronic Arts steuerte gegen und veröffentlichte im Januar 2025 das bisher größte Update. „Diesen Monat lieferten unsere Teams zusätzlich zu unserem jährlichen Update Team des Jahres in ‚FC 25‘ eine umfassende Gameplay-Aktualisierung. Das positive Feedback der Spieler und die ersten Ergebnisse sind ermutigend. Wir bleiben von unserer langfristigen Strategie überzeugt und erwarten im Geschäftsjahr 2026 eine Rückkehr zum Wachstum, wenn wir unsere Pipeline umsetzen“, verspricht Wilson. Die zunehmende Abhängigkeit von Live-Services und Ingame-Zahlungsoptionen, gepaart mit dem Anspruch eines börsennotierten Unternehmens auf stetiges Wachstum, stellt Electronic Arts vor Probleme.

 

Ein erster Warnschuss

Zukunftsaussichten
Für Electronic Arts waren die jüngsten Zahlen ein erster Warnschuss. Sie zeigen, dass auch etablierte Franchises in der aktuellen Marktsituation ins Straucheln geraten können. „Das dritte Quartal war nicht das Quartal, das wir erwartet hatten, aber trotz der Auswirkungen auf unsere kurzfristigen Ergebnisse bleibt unser langfristiger Ausblick unverändert. Unsere Teams konzentrieren sich weiterhin auf das Feedback der Spieler, passen unsere Spiele und Dienste kontinuierlich an die sich verändernden Vorlieben der Spieler an und verfeinern unser Portfolio, um nachhaltiges Wachstum zu ermöglichen“, blickt Stuart Canfield, Chief Financial Officer von Electronic Arts, in die Zukunft. Mit starken Titeln wie „EA Sports College Football 26“, „Battlefield“ und „Skate“ soll das Unternehmen im Geschäftsjahr 2026 wieder auf Wachstumskurs gebracht werden.

Für das kommende „Battlefield“ arbeitet Electronic Arts an umfangreichen Testprogrammen, um das Spiel – nach dem ungeliebten „Battlefield 2042“ – wieder stärker an den Wünschen der Community auszurichten. Auch bei der Lebenssimulation „Die Sims“ geht man künftig andere Wege: Statt eines fünften Teils arbeiten EA und Maxis mit „Project Rene“ an einer Erweiterung des „Die Sims“-Universums. Auch hier wurde kürzlich ein Playtest angekündigt. Der Free2Play-Shooter „Apex Legends“ soll, wie zuletzt „EA Sports FC 25“, weitere große Updates erhalten. Auch „Nebenbaustellen“ wie die EA Sports App sowie Werbe- und Sponsoringmöglichkeiten sollen weiter ausgebaut werden. Die jüngsten Rückschläge sind (noch) zu verkraften. Entscheidender wird sein, wie die mittlerweile sehr kritische Community mit den kommenden EA-Produkten umgehen wird. (ob/bpf)

IGM 03/25
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