Ganz Ohr: Wie Gaming-Podcasts ihr Publikum erreichen

Ob beim Joggen oder auf dem Weg zur Arbeit, ob im Wartesaal, beim Putzen oder abends gemütlich auf dem Sofa: Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit. Besonders umfangreich ist das Angebot bei Gaming-Podcasts, die neben aktuellen Spielen, Retro-Games und Branchen-Trends auch viele andere Aspekte der Games-Kultur beleuchten. Worauf kommt es an, wenn man als Podcaster dauerhaft am Markt erfolgreich sein will? Was sind die Zielgruppen, die Formate und die inhaltlichen Schwerpunkte? Darüber haben wir mit den Betreibern von drei bekannten deutschen Gaming-Podcasts gesprochen.
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Podcasts sind erfolgreicher denn je. Laut einer Bitkom-Studie von 2024 hört fast die Hälfte aller Deutschen zumindest hin und wieder rein – genauer gesagt 45 Prozent aller Deutschen ab 16 Jahren. Ebenfalls bemerkenswert: 72 Prozent bevorzugen Podcasts gegenüber Texten zum selben Thema, 61 Prozent bevorzugen Podcasts gegenüber Videos – und immer noch 44 Prozent ziehen sie dem aktuellen Radioprogramm vor. Bei Podcast-Präferenzen herrscht eine große Bandbreite: Am beliebtesten sind Nachrichten, die von 74 Prozent aller Befragten konsumiert werden; auf der Beliebtheitsskala folgen Podcasts zu Musik, Politik, Interviews, Finanzen, Wirtschaft, Medizin, Geschichte und Zeitgeschehen. Während 24 Prozent Podcasts zu Film und Fernsehen hören, sind es bei Gaming-Podcasts – laut Bitkom-Studie – 8 Prozent. Das klingt zunächst einmal nach Nische. Rechnet man es aber aus (8 Prozent von 45 Prozent von 70 Millionen Deutschen über 16 Jahre), dann kommt man auf 2,5 Millionen deutsche Podcast-HörerInnen. Das mag zwar nur grob geschätzt sein und auf Selbstauskünften beruhen. Doch es klingt definitiv nach einem lohnenden Markt.

Anfänge in den Nullerjahren
Dass dieser Markt sehr wuselig ist, zeigen Chart-Seiten wie podwatch.io oder rephonic.com. Bei podwatch.io werden die Top 100 aufgelistet, bei rephonic.com kann man bis Position 250 weiter­scrollen – das Ende der Fahnenstange scheint da noch lange nicht erreicht zu sein. Die Charts beziehen sich meist auf eine oder mehrere Plattformen, zum Beispiel Spotify oder iTunes; manche Anbieter tauchen schlichtweg nicht auf, weil sie „nur“ auf anderen Plattformen unterwegs sind. Generell sind Gaming-Podcasts in Deutschland kein neues Phänomen: Die ersten tauchten bereits Mitte der Nullerjahre auf. Seitdem hat sich das Angebot stark ausdifferenziert – und es kommen immer wieder neue hinzu. Um den Markt besser kennenzulernen, haben wir uns mit drei Anbietern unterhalten, die schon lange dabei sind und in den Charts stets weit vorne sind. Wir wollten wissen, welche Formate sie bieten, welche Schwerpunkte sie setzen, wie sie sich finanzieren – und auch, was sie als ihr Erfolgsrezept sehen. Befragt haben wir dafür die Pod­caster von Insert Moin, Stay Forever und Hooked FM. Allerdings ließe sich die Liste reichweitenstarker Gaming-Podcasts noch eine Weile fortsetzen. Etwa mit den Spieleveteranen, dem GameStar Pod­cast, PietCast, OK Cool, Games und so, Plauschangriff, Radio Nukular und Auf ein Bier – um nur einige zu nennen.

 

Abteilungsleiter der Liebe

 

Einer der beliebtesten und langlebigsten deutschen Gaming-Podcasts ist Insert Moin. 2010 von Manuel Fritsch gegründet, bietet Insert Moin seit Jahr und Tag kenntnisreiche Gespräche über Spiele und die Branche. Das Team ist mittlerweile auf sechs Hosts angewachsen, es besteht aktuell aus Manuel Fritsch, Michael Cherdchupan, Nina Kiel, Anne Wernicke, Michael Wieczorek und Sebastian Tyzak. Im IGM-Interview beschreibt der Gründer, was den Reiz von Gaming-Podcasts ausmacht. „Das Audioformat bringt für mich im Vergleich zu Text noch mal eine ganze Ebene mehr dazu“, sagt Fritsch. „Vor allem in der Dialogform bekommt man sehr viel über die Stimme und den Austausch mit, den man so schlecht in der Schriftform einfangen könnte.“ Fritsch zufolge geht die Persönlichkeit der PodcasterInnen wortwörtlich ins Ohr: „Man hat irgendwann das Gefühl, dass man die sprechenden Personen ‚kennt‘, ihre Vorlieben und Macken kennt.“ Daraus könne man ganz gut ableiten, ob das besprochene Spiel für einen selbst geeignet sei – eben weil man die Hosts und ihre Geschmäcker einzuschätzen wisse. Die primäre Zielgruppe von Insert Moin beschreibt Manuel Fritsch als „erwachsene Gamer Ü30, die schon sehr lange das Hobby Spielen haben und auf der Suche nach einer gemütlichen Community-Ecke – in Abgrenzung zur anstrengenden, lauten Social-Media-Welt – sind. Und die sich auch als erwachsene, erfahrene Menschen angesprochen fühlen wollen.“ Insert Moin habe den Anspruch, „alle aktuellen Game-Releases, so sie uns ansprechen, abzudecken, und tiefgehend und analytisch zu durchleuchten“. Die Hosts verstehen sich als KuratorInnen; sie wollen dem Publikum Orientierung geben, für welche Games sich die kostbare Freizeit zu opfern lohnt. „Aber auch wenn man ein Spiel nicht spielen will und nur den Podcast hört, hat man alles Wesentliche über das Thema mitgenommen und fühlt sich informiert“, sagt Fritsch. „Außerdem verstehen wir uns auch als ‚Abteilungsleiter der Liebe‘: Wir lieben Spielkultur und verzichten auf Clickbait, Ragebait und ‚zerreißen‘ keine Spiele für Aufmerksamkeit oder schnelle Klicks.“ Man sei kritisch, aber den MacherInnen der Spiele gegenüber immer auch respektvoll.

Brunch am Sonntag
Insert Moin produziert seine Podcasts mit außerordentlicher Kon­stanz – und in bemerkenswerter Frequenz. Je nach Themenlage veröffentlicht das Team drei bis vier Episoden pro Woche; jeden Sonntag gibt es den „Brunch“ mit den wichtigsten Wochen-News, der aktuelle Themen einordnet und auch „Was haben wir gespielt“-Häppchen enthält. „Unter der Woche gibt es für SupporterInnen meistens ein bis zwei große Review-Folgen zu aktuellen Releases und Sonderformaten“, berichtet Fritsch. Zu diesen Sonderformaten zählen unter anderem „Random Encounters“, in dem es um Liebe und Sexualität in Videospielen geht, des Weiteren das Spoilercast-Format „Nachschlag“ und auch „Retrospektiven“, bei denen die Hosts Deep Dives in Themen wie FMV oder PlayStation-Klassiker unternehmen. Schon 2022 knackte Insert Moin die Marke von 3000 Folgen – und es geht munter weiter.

Ein weiteres Dickschiff der deutschen Gaming-Podcast-Szene ist Stay Forever. Gunnar Lott und Christian Schmidt gründeten das Projekt bereits 2011, seitdem ist das Redaktions- und Host-Team auf sechs Personen angewachsen: Neben Lott und Schmidt zählen auch Fabian Käufer, Henner Thomsen, Rahel Schmitz und Christian Beuster dazu. Die Redaktion wird von einem größeren Team unterstützt, das sich unter anderem um die Community, um Web-Development und Audiobearbeitung kümmert; hinzu kommen unregelmäßige Kooperationen mit weiteren ExpertInnen. „Podcasts bieten eine flexible, nebenbei konsumierbare Form der Information und Unterhaltung“, fasst Lott den Reiz des Mediums zusammen. „Sie ermöglichen es, komplexe Themen ausführlich zu behandeln.“ Ähnlich wie Manuel Fritsch sieht auch Lott einen Vorteil in der persönlichen Note: Die Stimmen der Hosts sorgten für eine enge Verbindung zum Publikum. Inhaltlicher Schwerpunkt von Stay Forever – der Titel lässt es schon vermuten – sind Retro-Games. Diese haben laut Lott oft einen besonderen künstlerischen oder spielmechanischen Wert, der heute noch relevant sei: „Es ist eine Mischung aus nostalgischer Faszination und der Auseinandersetzung mit der Historie eines Mediums.“ In Gaming-Podcasts wie Stay Forever sei zudem eine tiefgehende Auseinandersetzung mit Games möglich – ein Mehrwert gegenüber vergleichsweise oberflächlichen Reviews.

 

Komplexe Themen ausführlich behandeln

 

Starke Diversifizierung
Das Team setzt beim weitläufigen Oberthema „Retro-Games“ ganz unterschiedliche Schwerpunkte. Dazu zählen detaillierte Analysen klassischer Spiele aus verschiedenen Epochen, Hintergrundgeschichten zu Entwicklern und Studios, Deep Dives zu spielerischen und gestalterischen Entscheidungen, subjektive Spielerfahrungen und auch externe ExpertInnenmeinungen und Interviews. Als Zielgruppen von Stay Forever nennt Gunnar Lott Retro-Gaming-Enthusiasten, „die mit klassischen Spielen aufgewachsen sind und nostalgische Erinnerungen teilen“, aber zum Beispiel auch jüngere Leute, „die alte Spiele aus heutiger Perspektive entdecken und verstehen möchten“. Die einzelnen Formate erscheinen dabei in unterschiedlichen Rhythmen: Stay-Forever-Folgen (alte Computerspiele) sowie Super-Stay-For­ever-Folgen (alte Konsolenspiele) erscheinen monatlich, spezielle Technikfolgen gibt es alle drei Monate, dazu kommen fünf bis acht zusätzliche monatliche Folgen in diversen Formaten, die Unterstützern und Abonnenten vorbehalten sind.

Wieder einen anderen Schwerpunkt setzt das Podcast-Angebot Hooked FM, das 2014 von Robin Schweiger und Thomas Goik ins Leben gerufen wurde. „Wir haben große Freude daran, über die aktuellen Themen innerhalb der Videospiele-Industrie zu reden und unsere Meinungen zu neuen wie alten Spielen zu teilen“, sagt Thomas Goik. „Das Podcast-Format gibt dabei den Raum, auch tiefer in die Materie einzusteigen und etwa Spieleeindrücke über mehrere Folgen hinweg zu formen.“ Man lege auch großen Wert darauf, einen kritischen Blick auf die Games-Industrie zu werfen, betont Goik: „Etwa im Hinblick auf Missmanagement großer und kleiner Studios, den fragwürdigen Einsatz von KI oder die Entlassungswelle der letzten Jahre.“ Im Mittelpunkt der Podcasts stehen Videospiele, die Hosts sprechen aber auch über Filme und Anime. Als primäre Zielgruppe nennt Goik „erwachsene Videospiel-Enthusiasten“. Neue Folgen des Podcasts Hooked FM veröffentlichen die Macher jeden Montagabend; der Podcast Hooked on Topic, der Patreon- und Steady-exklusiv ist, erscheint alle zwei Wochen samstags. Darüber hinaus produzieren Schweiger und Goik auch unregelmäßige Formate, etwa eine Podcast-Reihe in Kooperation mit Ink Ribbon Radio. Hinzu kommen Videos wie die jährlichen „Spiele des Jahres“: Hier stimmt die Community über ihre Favoriten ab und kommentiert diese dann zusammen mit wechselnden Gästen. „Davon gibt es jeden Sommer auch eine Retro-Version mit den besten Spielen von vor 20 Jahren“, berichtet Goik. „Außerdem machen wir Reviews, Quizzes, schauen verrückte Spiele-Werbung und sind regelmäßig live auf Twitch, etwa mit einem wöchentlichen Stream, in dem aktuelle Titel vorgestellt werden, oder mit Reaction-Streams auf Events wie Nintendo Directs oder State of Plays.“ Auf dem Kanal „Time to Drei“ erscheinen zudem regelmäßig neue Let‘s Plays.

 

Jede Folge darf so lange dauern, wie es das Thema verlangt

 

Unterschiede bei der Dauer
Podcasts können sehr kompakt sein – oder mehrere Stunden dauern. Wir wollten von den drei Anbietern wissen, welche Beitragsdauer sie bevorzugen – und warum. „Podcasts brauchen keine feste Länge, da sie jederzeit pausierbar sind und das persönliche Nutzungsverhalten – Pendler etc. – sehr unterschiedlich ist“, sagt Manuel Fritsch. „Jede Folge darf so lange dauern, wie es das Thema verlangt.“ Stay Forever setzt derweil auf die Longform. „Die meisten monothematischen Folgen laufen zwei bis drei Stunden, darunter sind die Sujets nicht zu behandeln, wenn man sie als Kulturform ernst nimmt und alle Aspekte beleuchten will“, berichtet Gunnar Lott. Kleinere Formate – zu enger umgrenzten Themen – seien immer noch meist 60 bis 90 Minuten lang. Bei Hooked FM richtet sich die Beitragsdauer nach Format und Themenauswahl. „Der Podcast Hooked FM kann etwa je nach News-Woche zwischen 1,5 und 3 Stunden lang sein“, berichtet Thomas Goik. „Videoformate wie die ‚Spiele des Jahres‘, ‚Verrückte Spiele-Werbung‘ oder auch Let‘s Plays landen eher bei ungefähr 40 Minuten.“

Die drei Podcast-Anbieter unterscheiden sich nicht nur bei Themenschwerpunkten und Beitragsdauer – auch die Finanzierung ist unterschiedlich gestaffelt. Insert Moin beispielsweise finanziert sich über Crowdfunding via Patreon und Steady. Stay Forever nutzt ebenfalls diese Funding-Plattformen, verdient aber zusätzlich Geld mit YouTube-Werbung, Live-Auftritten und Cons. Hooked FM wiederum nutzt neben Patreon und Steady auch Sponsorings, YouTube-Werbung und Twitch-Abos. Auch Merchandise-Produkte – etwa T-Shirts – spielen bei den drei Anbietern eine gewisse Rolle.

 

Genaue Recherche, klare Meinungsvermittlung und Spaß an der Sache

 

Wachsende Konkurrenz
Alle drei Interviewees können bestätigen, dass die Konkurrenz bei Gaming-Podcasts in den letzten Jahren merklich zugenommen hat. „Es gibt so viele Angebote wie noch nie – und auch wenn wir die Ersten waren, die Patreon und Steady in Deutschland gestartet haben, gibt es inzwischen fast gar keine Podcasts mehr, die dieses Werkzeug nicht nutzen“, sagt Manuel Fritsch. „Man buhlt also sowohl um Geld, aber vor allem um Zeit.“ Gunnar Lottt beobachtet ein stetiges Wachstum bei Game- und Retrogame-Podcasts – dies wirke sich aber nicht negativ auf die Reichweiten von Anbietern wie Stay Forever oder The Pod aus. Thomas Goik sieht am Markt durchaus große Konkurrenz, betont aber, dass man selbst nicht von Konkurrenzgedanken getrieben sei – im Gegenteil: „Wir arbeiten sehr gerne und regelmäßig mit unseren Kollegen von OK Cool, The Pod, Ink Ribbon Radio oder etwa Insert Moin zusammen.“

Gibt es so etwas wie ein Rezept, um am Podcast-Markt bestehen zu können? Für Gunnar Lott sind gut recherchierte und strukturierte Inhalte eine Grundvoraussetzung; besonders wichtig findet er auch die Community-Bindung und die Erkenntnis, dass ein Podcast-Wachstum Zeit brauche. „Kontinuität und eine starke inhaltliche Ausrichtung sind wichtiger als kurzfristige Trends“, sagt er. „Konsistenz und Transparenz“ nennt Thomas Goik als wichtige Zutaten – diese seien „genauso wichtig wie genaue Recherche, klare Meinungsvermittlung und Spaß an der Sache“. Erst kürzlich habe man mit Hooked FM die 500. Folge gefeiert und sei der Community für die Unterstützung sehr dankbar. Manuel Fritsch nennt Ausdauer als Erfolgsrezept: „Eine Community braucht Zeit, wenn sie gesund wachsen soll. Und wer schon mehr als zehn Folgen veröffentlicht hat und dann ‚dran‘ bleibt, gehört im Endeffekt schon zu den oberen 10 Prozent aller Podcasts – laut der Statistik auf Spotify.“ Ausdauer zahle sich irgendwann aus, so der Insert-Moin-Gründer. Man müsse seine Nische finden, sich immer wieder selbst hinterfragen, Anpassungen vornehmen – und dabei nie stillstehen. (Achim Fehrenbach)

IGM 03/25
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