Pausen? Fehlanzeige! Auch in der Pandemie laufen die eSports-Wettbewerbe munter weiter. Am letzten Märzwochenende beispielsweise fand das Finale des "VBL Club Championship" statt: die deutsche Klub-Meisterschaft ("Virtuelle Bundesliga") im eFootball. Die acht besten Teams der Saison traten in Fifa 21 gegeneinander an, am Ende hatte der 1. FC Heidenheim 1846 die Nase vorne. Und auch wenn es für Borussia Mönchengladbach nicht für einen der vordersten Plätze reichte, dürfte die Zufriedenheit über die Finalteilnahme bei den "Fohlen" überwogen haben. Und natürlich auch bei ihrem Gesundheitspartner – der AOK Rheinland/Hamburg.
Die Virtuelle Bundesliga ist ein weiterer Beleg für einen schon länger anhaltenden Trend: Krankenkassen und Versicherungen werden im eSports immer sichtbarer. Einer, der diese Entwicklung genau verfolgt, ist Stefan Raake, geschäftsführender Gesellschafter der AMC Finanzmarkt GmbH. Der AMC betreibt ein Netzwerk für Marketing- und Vertriebsverantwortliche der Versicherungsbranche, dem sich knapp 150 Unternehmen angeschlossen haben. Seit 2019 veranstaltet der AMC zudem die Konferenz #nextlevel, die sich mit eSports und Games im Versicherungsmarketing beschäftigt. "Mittlerweile sind über 25 Versicherungen und Krankenkassen im Sponsoring von eSports-Mannschaften und Veranstaltungen aktiv", berichtet Raake. "ESports bietet schon heute die gleichen Möglichkeiten wie etablierte Sportarten." Unternehmensberater MarKo Petersohn kann das bestätigen: "Abgesehen von der absoluten Reichweite und der gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz sehe ich für eSports im Vergleich zum Fußball keine Nachteile. Man hat Stars, Fans und Events, mit denen man Millionen von Zuschauern erreicht. Zuschauer, die man primär digital erreicht. Womit sich für Sponsoren viel mehr Möglichkeiten in der Kommunikation mit Fans bieten."
Seit 2010 berät Petersohn mit seiner Firma As im Ärmel diverse Unternehmen der Versicherungsbranche – und hat auch #nextlevel mitorganisiert. Petersohn ist überzeugt, dass der (physische) König Fußball mit eSports einen ernsthaften Herausforderer bekommen hat: Nicht nur bei der schieren Reichweite, sondern auch in Bezug auf das, was Sponsorenbudgets bewirken können. "Viele Gesellschaften weiten ihre Fußball-Sponsorentätigkeiten einfach auf die eSports-Ableger der Bundesligavereine aus, die sie sowieso schon unterstützen", erläutert Petersohn. Das sei aber nicht der einzige Grund, warum eSports im Versicherungsmarketing zunehmend präsenter werde. "Denn zum einen sind auch immer mehr Gesellschaften aktiv, die zuvor keinen Fußballverein sponserten, wie beispielsweise die ARAG oder Zurich. Zum anderen – und dies ist weitaus bemerkenswerter –, ist es die Art und Weise, wie sich die Versicherer einbringen und das Thema für ihre Kommunikation aufgreifen."
Best Practice TK
Versicherungsgesellschaften begnügen sich nämlich nicht einfach damit, ein Sponsor unter vielen zu sein, so Petersohn. Stattdessen bringen sie sich aktiv ein – oder werden gleich Premium-Partner. Stefan Raake nennt als herausragendes Beispiel die TK: "Seit Juni 2019 ist die Techniker offizieller Gesundheitspartner der ESL, die unter anderem Veranstalter der ‚E-Sport-Bundesliga' ist. Dabei ist die Techniker nicht nur mit ihrem Logo präsent, sondern produziert auch Inhalte für die Zielgruppe, wie bespielsweise den Gamers Guide. ESports steht im Zentrum der Kommunikation."
Catharina Tamm ist eSports-Spezialistin der TK, sie betreut im Team Werbung & HR-Marketing (WHM) das Thema "Gaming". "Unser Fokus bei dieser Partnerschaft liegt auf den Aspekten Aufklärung und Gesundheitsförderung", sagt sie. Eine zentrale Rolle in der Kommunikation der TK spielen die sozialen Netzwerke, denn: "Die eSports-Community ist natürlich ohnehin sehr digitalaffin und daher auch viel online unterwegs". Das Social-Media-Team der TK teilt eSports-Content auf den für sie wichtigsten Plattformen – auf dem TK-Instagram-Account, auf YouTube, Facebook und Twitter. "Auch in Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern nutzen wir diese Kanäle, um unsere Zielgruppe mit dem entsprechenden Content zu erreichen", erläutert Tamm.
In der Social-Media-Strategie der TK spielen InfluencerInnen eine wichtige Rolle – zum Beispiel Melek "M3lly" Balgün. "Die Techniker kooperiert schon seit einigen Jahren mit M3lly", so Tamm. "M3lly arbeitet als Moderatorin, ist eSports-Expertin und hat schon tollen eSports-Content gemeinsam mit uns produziert." Auch in der eingangs erwähnten VBL steht M3lly regelmäßig vor der Kamera – zum Beispiel beim Finale. Für die Influencer-Rolle sei dabei grundsätzlich eine Mischung aus gesundheitsbewusster Hobby-GamerIn und bekannter eSportlerIn optimal. Auf den Social-Media-Kanälen der TK teilt M3lly regelmäßig Ernährungs- und Kochtipps für die Community – und interviewt ExpertInnen zu Dehnungs- und Entspannungsübungen für (angehende) eSportler. "Darüber hinaus haben wir passende Leistungen aus unserem Angebot für Versicherte", berichtet Tamm. "Zum Beispiel das Online-Schlaftraining, die digitale Krankschreibung oder auch die sportmedizinische Untersuchung."
Praktische Tipps zur gesunden Ernährung und ausreichend Bewegung geben
Wider das Klischee
Bekannte eSportler werden laut Catharina Tamm häufig als Vorbilder wahrgenommen. So können sie auch GamerInnen zu einem gesunden Lebenswandel motivieren. Auch MarKo Petersohn ist überzeugt, dass eSports-Profis hier eine Vorbildfunktion haben. Es sei interessant, dass sie auf ihren Social-Meda-Kanälen "entgegen dem gängigen Klischee oft eine gesunde Lebensweise vorleben". Das prädestiniere diese Kanäle für die Platzierung von Gesundheitsthemen.
Nicht nur bei der TK, auch bei anderen Krankenkassen ist Social Media ein wichtiger Baustein der eSports-Strategie. "Um eine gewisse Tiefe und Qualität zu sichern, sind vor allem Instagram und YouTube als Kanäle relevant, da diese uneingeschränkte Videozeiten bzw. Zeichenzahlen zulassen und einen einfachen Zugang zur Zielgruppe ermöglichen", sagt Rolf Buchwitz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg. "Jugendliche und junge Erwachsene verbringen sehr viel Zeit auf diesen Plattformen. Aber auch klassische Medien sind wichtig, um das Thema ‚eSports und Gesundheit' breiter zu platzieren."
Lukas Richter, Head of eSports im Marketing-Team der Bergischen Krankenkasse, sieht Twitch und Youtube als besonders wichtige Kanäle. "Der Vorteil gegenüber anderen Medien liegt auf der Hand: Spiele können live gestreamt werden, und die Akteure stehen in engem Austausch mit der Community, können auf Fragen eingehen oder bekommen ein direktes Feedback", betont Richter. ESports und Gesundheitsthemen ließen sich in diesem emotionalen Umfeld hervorragend vereinen. "Da wird eine Zielgruppe angesprochen, die über herkömmliche Werbekanäle wie TV oder Print kaum noch zu erreichen ist. Das ist für uns als Krankenkasse sehr attraktiv", sagt Richter. Auch Instagram sei für die zielgruppenorientierte Ansprache in Sachen eSports interessant, so der Markting-Experte: "Dort lassen sich hochwertige Fotos und Videos sowie Terminankündigungen super präsentieren. Instagram ist einer unserer wichtigsten Social-Media-Kanäle, den wir natürlich auch für unser eSports-Engagement nutzen."
Die Barmer ist exklusiver Gesundheitspartner in Deutschlands größter eSports-Liga für das Spiel League of Legends: der Prime League. Aus Sicht von Christian Bock, Bereichsleiter für Marke & Marketing, hat das viele Vorteile. "Mit unserem Engagement können wir für das essenzielle Thema Gesundheit in der eSports-Szene werben und praktische Tipps zur gesunden Ernährung und ausreichend Bewegung geben", erläutert Bock. "Denn die körperliche und geistige Fitness ist Grundvoraussetzung für Höchstleistungen." Die Barmer kommuniziert mit ihren eSports-affinen Zielgruppen hauptsächlich über Youtube, Instagram oder Facebook. "Auch auf Twitch und der Liga-Seite der Prime League sind wir natürlich sichtbar, sodass wir insgesamt den eSports-Bereich über diverse Kanäle abgedeckt haben und mit der Zielgruppe gut interagieren können", freut sich Bock. "Mit Mori, einem renommierten Influencer aus der eSports-Szene, veröffentlichen wir regelmäßig Kochvideos." Das Format "Mori kocht" eigne sich hervorragend für die Botschaften der Barmer – zum Beispiel zur gesunden Ernährung.
Wahl der Disziplin
Geeignete InfluencerInnen sind allerdings nur ein Aspekt der Kommunikationsstrategie. Wichtig ist auch, welche eSports-Disziplinen am besten zu Krankenversicherungen passen. "Naheliegend sind natürlich Fifa oder auch League of Legends", sagt MarKo Petersohn. "Und das nicht nur, weil sie von vielen gespielt werden, sondern weil sie gesellschaftlich akzeptiert sind – wie Fifa. Oder zumindest nicht negativ vorbelastet sind – wie LoL." Gerade Krankenkassen sollten diesen Faktor nicht unterschätzen, rät Petersohn. Rein theoretisch sei zwar auch eine Branding-Kampagne über Medipacks, Schutzwesten, Schilde oder ähnliches bei Counter-Strike oder Fortnite denkbar. "Praktisch wäre es jedoch ein sicheres PR-Desaster. Denn dafür haben Ego-Shooter und Battle-Royal-Games – derzeit noch? – einfach ein zu schlechtes Image."
Für Lukas Richter ist die passende eSports-Disziplin recht offensichtlich. "Als regionale Krankenkasse im Bergischen Land haben wir uns schwerpunktmäßig auf Familie und Sport fokussiert", sagt er. "Gewaltverherrlichende Genres wie die First-Person-Shooter mit Titeln wie Call of Duty oder Counter-Strike schließen wir grundsätzlich aus, da sie nicht den Werten der Bergischen Krankenkasse entsprechen." Stattdessen konzentriere man sich darauf, in Fifa umfassend präsent zu sein, so Richter. "Dazu hat die Bergische Krankenkasse sogar eine eigene Bandenpräsenz in der digitalen BayArena in Leverkusen im Titel Fifa 21. Aus sportlicher Sicht verkörpern Sportsimulationen den realen Sport mit allem, was dazu gehört: Team-Spirit, Taktik und Strategie."
Praktisch wäre es ein sicheres PR-Desaster
Haltung kommunizieren
Richter räumt ein, dass Fifa zwar in Deutschland sehr beliebt sei, dass Sportsimulationen auf internationaler eSports-Ebene jedoch keine solch große Bedeutung hätten: "Das erkennt man schon anhand der Preisgelder. Hohe Summen werden für FPS-Titel oder League of Legends, Dota 2 und Fortnite gezahlt. Als regionale Krankenkasse mit Sitz in NRW ist eine internationale Bekanntheit für uns jedoch nicht so wichtig." Derzeit plane die Bergische nicht, ihr eSports-Engagement auf andere Disziplinen auszudehnen. "Wir haben für Fifa viele kreative Ideen, die nur darauf warten, umgesetzt zu werden", betont Richter, schließt weitere eSports-Disziplinen für die Zukunft aber nicht aus, wenn er sagt: "Auf längere Sicht könnten wir unser Engagement aber auf weitere Sportsimulationen oder sportähnliche Titel wie Rocket League ausweiten."
Christian Bock stellt klar, dass für die Barmer bestimmte Disziplinen nicht infrage kommen: "Grundsätzlich unterstützen wir nur Gaming und eSports-Bereiche, die keine (Ego-)Shooterspiele sind beziehungsweise Kampfelemente enthalten." Aktuell habe man sich für LoL entschieden, "weil wir hier gemeinsam mit unserem Kooperationspartner, den Freaks4U, sehr gut unsere Leistungen kommunizieren und unsere Haltung und Verantwortung als Gesundheitspartner gegenüber der Community darstellen können".
Stars, Fans und Events, mit denen man Millionen von Zuschauern erreicht
Die Beispiele zeigen: Krankenversicherungen setzen bei Social Media, InfluencerInnen und eSports-Disziplinen teils unterschiedliche Schwerpunkte. Im Zentrum steht jedoch immer die Gesundheitsbotschaft. Oder wie es Catharina Tamm von der TK formuliert: "ESports verlangt den GamerInnen mental und auch körperlich einiges ab. Wir Techniker wollen ihnen unterstützend zur Seite stehen und dafür sorgen, dass die Gesundheit der eSportlerInnen nicht aus dem Fokus gerät." (Achim Fehrenbach)
In Teil 3 unserer Serie "eSports und Gesundheit" (IGM 06/2021) widmen wir uns verstärkt dem Engagement von Versicherungen. Hier auch schon ein Termin-Tipp für Mai: Am 19.5. veranstaltet der AMC die virtuelle Konferenz #nextlevel: eSports & Games im Versicherungsmarketing. Interessenten können sich unter am-forum.de anmelden.