IGM: Herzlichen Glückwunsch, Tobias. Ihr habt es geschafft, die Demoszene als immaterielles Kulturgut von der deutschen Unesco anerkennen zu lassen – nach dem Erfolg in Finnland letztes Jahr. Aber was genau ist eigentlich die Demoszene?
Tobias Kopka: Demoszene-Mitglieder programmieren Demos, also Software, die komplett in Echtzeit Musikvideos generiert – und das oft auf sehr begrenztem Speicherplatz. Oft sind das kleine synästhetische Gesamtkunstwerke aus Grafik, Musik, Effekten und Sound. Die Demoszene, englisch: "Demoscene", hat sich Ende der achtziger Jahre aus der Cracker-Szene gebildet. Zu Zeiten von Amiga und C64 haben Leute den Kopierschutz von Spielen entfernt und ihre Namen vor diese geknackten Spiele gesetzt. Das wurde immer aufwendiger. Erst war es der Name, dann ein Logo, dann ein Effekt. Und auch diese programmierten Special Effects sind immer aufwendiger geworden. Irgendwann reichte der Platz vor dem geknackten Spiel dafür nicht mehr aus, die Effekte vereinnahmten eine ganze Diskette. Das war die Geburtsstunde der Demoszene: Der Moment, in dem es nicht mehr um das geknackte Spiel ging, sondern um diese kleinen Musikvideos, die komplett durch Software generiert sind. Es ging darum zu demonstrieren, was man selbst mit dem Computer machen kann. Daher der Name "Demo".
IGM: Wie groß ist die Demoszene?
Kopka: Das ist schwierig zu beantworten. Letztlich kann jeder Teil davon sein, der Demos erschafft und sich dieser Kultur zugehörig fühlt. In unserem Unesco-Antrag haben wir klargestellt, dass die Demoszene dezentral, selbstorganisiert und teilweise auch anarchisch strukturiert ist – also auf vielen Plattformen und Kanälen stattfindet, die nicht immer über das WWW gefunden werden. Eine wichtige Plattform ist pouet.net – das ist einerseits eine Community-Plattform, andererseits ein File-Archiv. Auf pouet.net sind rund 25.000 User registriert, die Plattform hat knapp 85.000 Produktionen. Da ist nicht alles drin, was in der Demoszene jemals produziert wurde. Unzählige Inhalte schlummern auf Privatdisketten, viele Entrys in Musik, Grafik und weiteren Kategorien wurden nie hochgeladen, aber es gibt ein Gefühl von der Größenordnung. Wir gehen von rund 10.000 aktiven Demoszene-Mitgliedern aus.
IGM: Im Vergleich zur Gamer-Szene ist das überschaubar ...
Kopka: Ja, aber von der Demoszene werden viel mehr Menschen beeinflusst als sie aktive Mitglieder hat. Über die Jahrzehnte dürfte das in die Millionen gehen. So wurde beispielsweise unsere Mitteilung zur Aufnahme ins deutsche Unesco-Kulturerbe sehr früh von "Hacker News" aufgegriffen. Deren Foren zeigen, wie viele Menschen sich durch die Demoszene beeinflusst fühlen – zum Beispiel bei ihrer Entscheidung, einen Job in der Netzwerk- und Security-IT, der Grafikprogrammierung, der Engine- oder de Games-Entwicklung anzunehmen.
IGM: Warum ist die Demoszene aus eurer Sicht schützenswert? Ist sie vom Aussterben bedroht?
Kopka: Zuerst einmal ist die Demoszene lebendig und aktiv, es geht ihr auch ohne offizielle Anerkennung gut. Richtig ist aber auch: Die Demoszene entstand in den Achtzigern. Damals war sie eine Jugendkultur, die sich seitdem einen gewissen Underground-Charakter bewahrt hat – und bewahren wollte. Man kann sie mit der Graffiti-Szene vergleichen, die auch an der Grenze zur Illegalität entlangsurfte. Man legte in der Demoszene keinen besonders großen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit. Stattdessen haben Leute die Demoszene im Lauf der Zeit selbst für sich entdeckt. In diesem informellen Charakter liegt auch eine ihrer Schwächen. Diejenigen, die in den Achtzigern und Neunzigern in die Demoszene fanden, werden älter, verlieren vielleicht das Interesse und produzieren keine Demos mehr. Der wachsende Altersdurchschnitt und der Nachwuchsmangel sind allerdings schon lange ein Thema. Schon als ich 1991 in die Szene kam, hieß es: "Die Szene ist tot." Das ist eine Art Mantra, das immer wieder spielerisch aufgegriffen wird. Bis heute haben aber tatsächlich immer wieder neue Leute die Szene für sich entdeckt. Und sie ist auch diverser geworden – der Frauenanteil hat in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen, aber es bleibt viel zu tun.
IGM: Ok, aber was genau ist aus eurer Sicht schützenswert?
Kopka: Es gibt viele Aspekte. Demos als eigene, oft wunderschöne, ästhetische Form wären das erste, aber das haben wir noch nicht mal aufgegriffen, denn es ging ja in den Anträgen um die Kulturpraktiken. Wir konnten die Unesco davon überzeugen, dass die Demoszene eigene Brauchtümer hat. Es geht also nicht um materielle Dinge wie Stonehenge oder eine Altstadt mit Fachwerkhäusern. Mit dem Schutz von immateriellem Kulturerbe will die Unesco Brauchtümer, Rituale und Feste schützen und bewahren. Es geht um Praktiken, die über mehrere Generationen weitergegeben werden. Wir finden absolut schützenswert, was in der Demoszene weitergegeben wird: Der Anspruch, sich selbst Grenzen zu setzen oder von der Hardware setzen zu lassen – und innerhalb dieser Grenzen immer wieder neue Ausdrucksformen zu finden. Die technische Exzellenz des Size-Codings, von ANSI-, von ASCII-Grafik und vielem mehr. Das ähnelt der Motivation hinter anderen Kulturprodukten, zum Beispiel Origami, Haikus oder Sonetten, aber auch Graffiti.
IGM: Was bedeutet die Entscheidung der Unesco ganz konkret für euch – auch in finanzieller Hinsicht?
Kopka: In finanzieller Hinsicht resultiert daraus zunächst einmal nichts. Wir haben uns mehrere Ziele gesetzt. Das erste ist mehr Öffentlichkeit – auch, um neue Mitglieder anzuziehen, die beispielsweise ihre Kenntnisse in der Shader-Programmierung oder Musikproduktion einbringen wollen. Das zweite Ziel ist die Bewahrung der Demoszene. Dank der Unesco-Entscheidung können sich Archive, Museen und andere Institutionen stärker mit ihr auseinandersetzen – und dafür leichter Ressourcen akquirieren. Das passiert zwar schon jetzt, aber es ist natürlich mit dem Stempel "erstes digitale Kulturerbe in Deutschland" einfacher geworden. Einfacher wird auch, Türen für den weiteren Diskurs zu öffnen.In der Hoffnung, dass Phänomene wie Games, Open Source oder die Hacker-Kultur künftig ebenfalls einbezogen werden – falls gewünscht.
IGM: Winken denn keine staatlichen Fördergelder?
Kopka: Zunächst nicht. Aber es lohnt sich ein Blick in die Unesco-Konvention. In den Artikeln 13 und 14 steht, wozu sich die Staaten verpflichten, die ein immaterielles Kulturerbe anerkennen. Artikel 13 betrifft in erster Linie die Bewahrung dieses Kulturerbes – indem man zum Beispiel Institutionen und rechtliche Rahmenbedingungen schafft. In Artikel 14 geht es mehr um Fortbildung, Weiterbildung, das Aktivhalten – also darum, die jeweilige Kultur in ihrem Fortbestand zu unterstützen. Dieser Bereich ist seitens der deutschen Unesco noch in der Ausgestaltung. Wir werden mit ihr darüber in einen Dialog treten, wie virtuelle Kulturen ihren Ort finden können. Was wir schon jetzt wissen, ist: Es wird mit Sicherheit leichter werden, wenn wir zum Beispiel Ideen für ein Demoszene-Museum lancieren wollen. Oder wenn wir Projekte auf den Weg bringen wollen, die die Demoszene unterstützen. Im April wird es erste Telefonate geben und im Mai sind wir zu einem Seminar bei der Unesco in NRW eingeladen. Danach wissen wir mehr.
IGM: Hat eure Kampagne Unterstützung von Politik und Interessenverbänden erhalten?
Kopka: Nein, danach haben wir aber auch nicht gefragt. Wir wollten unabhängig bleiben, denn sonst wäre uns die Szene auf die Füße gestiegen. Außerdem nimmt die Unesco nur Kulturen auf, die ein Interesse haben, sich für sich selbst einzusetzen. Der Antrag muss also über Mitglieder der jeweiligen Kultur laufen – und nicht über andere Verbände oder Institutionen. Allerdings wurden wir von Institutionen in NRW ausgezeichnet zu den Anträgen beraten.
IGM: Was sind eure nächsten Schritte in Deutschland?
Kopka: Momentan geht es uns um die Bewahrung, Anerkennung und Weiterentwicklung der Demoszene. Zum Beispiel können wir – zusammen mit Museen – Ausstellungen organisieren. Eine unserer Partnerorganisationen für die gesamte Kampagne ist EFGAMP, also die "European Federation of Video Game Archives, Museums and Preservation Projects". Da ist Andreas Lange federführend, der Gründer und langjährige Leiter des Computerspielemuseums Berlin, mit dem ich die Demoszene-Kampagne initiiert habe. Bei EFGAMP sind Institutionen wie die Royal Danish Library oder auch das Finnish Museum of Games dabei.
Zuerst liegt es an jedem und jeder in der Szene selbst, wie die Anerkennung als Kulturerbe aufgegriffen wird. Wir als Verein Digitale Kultur e.V. werden noch entscheiden, welche Projekte wir vorantreiben wollen – zum Beispiel Fortbildungen oder Ausstellungen. Ziel ist, Leute an die Szene heranzuführen und zu zeigen, wie faszinierend Demos sein können. Ein weiteres Ziel ist, dass DemoszenerInnen Fundraising für ihre eigenen Initiativen betreiben können. Demoszene-Plattformen wie pouet.net oder scene.org werden seit den achtziger Jahren von Freiwilligen betrieben. Das Ethos der Demoszene ist, kein Geld damit zu verdienen, was man für die Szene tut. Allerdings ist es hilfreich, wenn man für solche Archive Gelder akquirieren kann. Oder auch für die Veranstaltung unserer zentralen Zusammenkünfte, der Demo-Partys.
IGM: Was ist da die wichtigste?
Kopka: Die größte Veranstaltung der Szene ist die Revision, die traditionell an Ostern stattfindet – in diesem Jahr vom 2. bis 4. April. Mit der Unesco-Entscheidung wird es für die Veranstalter solcher Events einfacher, eine Förderung von der jeweiligen Stadt oder Region zu erhalten – so dass sie bei Großveranstaltungen weniger Risiko auf sich nehmen müssen. Wobei eine "Großveranstaltung" vielleicht 500 bis 800 Leute umfasst, manchmal auch 1500.
Mischung aus Community und Competition
IGM: Du warst selbst lange in der Demoszene aktiv. Was waren da deine Aufgaben?
Kopka: Ich habe in der Cracker-Gruppe Agnostic Front angefangen. Das war zwischen 1991 und 1994, als das Programmieren von Demos noch Teil der illegalen Szene war. Da ging es vor allem um Modem-Trading – also darum, sich weltweit zu vernetzen und Daten auszutauschen. Das hat sich ab 1994 aber geändert, als wir die Demo-Gruppe Haujobb gegründet haben. Haujobb gibt es bis heute, wir haben im Lauf der Jahrzehnte über 100 Demos veröffentlicht und auch viele Wettbewerbe gewonnen. Im Kern ist Haujobb eine Gruppe, die hauptsächlich aus Deutschen und Finnen bestand, aber auch Mitglieder aus Ungarn und vielen anderen Ländern hatte. In Spitzenzeiten hatten wir weltweit fast 100 Mitglieder, was für eine Demo-Gruppe ziemlich groß ist. Auch deswegen war es naheliegend, mit der Unesco-Initiative in Deutschland und Finnland zu starten.Dort waren das persönliche Netzwerk und die Anknüpfungspunkte, um den Rest der Szene zu überzeugen, am stärksten.
IGM: Was fasziniert dich persönlich an der Demoszene?
Kopka: Etwas, das auch in der Games-Branche stark ausgeprägt ist: die Mischung aus Community und Competition. Und die Mischung aus Technik, Kunst und Chaos. In den Achtzigern und Neunzigern war die Demoszene eine Jugendkultur, wie sie im Buche steht. Die Gruppen haben sich in adoleszenter Form voneinander abgegrenzt und versucht, besser zu sein als die anderen. Diesen Wettbewerb hat aber immer ein gemeinsamer Vorwärtsdrang ausgezeichnet – in technologischer, kreativer und spielerischer Hinsicht. Was mich auch fasziniert: In der Demoszene zählt nur das, was man macht. Es war immer unerheblich, wie man aussieht und welchen persönlichen Hintergrund man hat. Zum Beispiel gibt es einige herausragende DemoszenerInnen, die aus dem stark autistischen Spektrum kommen. Das war aber tatsächlich nie ein Thema. Im Zentrum standen immer die Fragen: Was kann man machen? Wie kann man das machen? Wie kann man die Grenzen verschieben? Man grenzte sich damals ein bisschen durch Coolness ab. Aber sobald eine Frage aufkam, wurde die auch beantwortet – und man hat dann wahrscheinlich stundenlange Gespräche geführt.
IGM: Wie stark hat das alles deine heutige Arbeit beeinflusst?
Kopka: Sehr stark! Im Grunde genommen ist meine Demoszene-Tätigkeit nahtlos in das übergegangen, was ich seit zwölf Jahren betreibe: Konferenzen ausrichten und kreative Leute zusammenbringen. Und das mit der gleichen Haltung, diesem Mix aus Community und Competition. Für Leute, die neu in der Games-Branche sind, ist das manchmal nur schwer zu verstehen. In der Film- und Schauspielszene beispielsweise herrschen ganz andere Dynamiken. Aber wer wie ich mit Communitys sozialisiert ist, versteht: Auch in der Games-Branche geht es eigentlich immer um Gemeinsamkeiten. In der Demoszene kann man kaum etwas alleine erreichen. Es geht immer darum, etwas in der Gruppe zu erschaffen – in einem Team aus ProgrammiererInnen, GrafikerInnen und MusikerInnen. Ein Thema, das ebenfalls Welten verbindet und mich schon lange beschäftigt, ist Diversity in Tech, in Games und der Demoszene.
IGM: Lässt sich ein Demo eigentlich stilistisch eingrenzen?
Kopka: Demos sind so vielfältig wie kreativer Ausdruck sein kann. Stilistisch lassen sie sich genauso wenig eingrenzen wie zum Beispiel Videos. Ganz klar lässt sich aber eingrenzen, wie ein Demo generiert wird. Demos treten in bestimmten Gewichtsklassen gegeneinander an, ähnlich wie beim Boxen. Das Bantamgewicht ist die Kategorie "4K". Die Software, die das Musikvideo generiert, darf also nicht größer als vier Kilobyte sein. Die Extremkategorie begrenzt den Code sogar auf 256 Byte. Die Kategorien 256 Byte, 4K und 64 KB nennen sich "Intros", alles über 64 KB nennt sich "Demo". Das Intro ist so ein bisschen aus der Cracker-Szene zurückgekommen. Das hat man im Bootblock vor dem geknackten Spiel abgelegt – sobald es aber die gesamte Diskette einnahm und kein Spiel mehr dabei war, war es ein Demo. Diese Kategorien bestehen seit Anfang der Neunziger, als Computerspiele auf den PC übergingen – ab da gab es keine Hardware-Begrenzung mehr. Wenn der PC für einen bestimmten Effekt zu langsam war, hat man eine bessere Grafikkarte reingeschraubt – dann lief der Effekt flüssig. Das ging auf C64 und Amiga nicht – da war die Hardware fix. Auch heute noch gibt es bei Partys Demo- Wettbewerbe auf dem C64. Auf dem PC hat man sich aber selbst die Grenzen von 4K, von 256 Byte und so weiter gesetzt.
Demos treten in bestimmten Gewichtsklassen gegeneinander an
IGM: Wie stark war eigentlich in den Anfangszeiten das Verhältnis zur Games-Industrie belastet? Immerhin hat sich die Demoszene aus der Cracker-Szene heraus entwickelt.
Kopka: Das Verhältnis war sogar in doppelter Weise belastet. Die Leute haben nicht nur den Kopierschutz entfernt – häufig waren sogar Spiele-Entwickler oder Leute aus dem Spielevertrieb Mitglieder der Cracker-Szene. Eine besonders wichtige Person in der Cracker-Szene war der sogenannte Supplier, also derjenige, der an das Original herankam – idealerweise schon vor der Veröffentlichung des Spiels. Das ist natürlich doppelt schwierig. Von den Leuten, die damals in der Cracker-Szene waren und heute in der Games-Branche arbeiten, ist auch nach 30 Jahren längst nicht jeder bereit zu sagen: "Ja, ich war dabei."
IGM: Wie hat die Demoszene die Games-Branche in Deutschland beeinflusst?
Kopka: Lange war das, was die Demoszene gemacht hat, grafisch und technisch herausragender als das, was innerhalb von Games möglich war. Viele DemoszenerInnen sind in die Engine-Entwicklung gegangen – und waren dort immer begehrte Arbeitskräfte. Entwicklerstudios haben immer schon sehr gerne Demo-Partys gesponsert – in der Hoffnung, dass sie dort Grafik-ProrgrammiererInnen anwerben können. In Deutschland ist das Berliner Studio Yager von Demoszene-Mitgliedern gegründet worden. Oder auch Factor 5 in Köln, die Klassiker wie Katakis und Turrican entwickelt haben. Viele Mitglieder der Demo-Gruppe Farbrausch haben ebenfalls in der Games-Entwicklung gearbeitet. Es gibt unzählige weitere Beispiele, die sich auf Rückfrage leicht finden lassen.
IGM: Speziell die skandinavische Games-Branche hat starke Wurzeln in der Demoszene ...
Kopka: Genau. Herausragendes Beispiel ist Remedy in Finnland, die von Mitgliedern der Demo-Gruppe Future Crew gegründet wurden. Die haben "Second Reality" gemacht, die bekannteste PC-Demo überhaupt. Das finnische Studio Housemarque wurde von dem früheren Demoszenern gegründet. Ähnlich war das auch bei vielen Mitgliedern von Supercell und den Gründern von DICE.
IGM: Setzen sich bestimmte Demo-Ästhetiken dann auch in Computerspielen fort?
Kopka: Es gibt einen Stil, den man klar als Demoszene-Stil einordnen kann. Nämlich dann, wenn viele Würfel, Tunnel und Grautöne verwendet werden – so etwas liebt die Szene. Ein perfektes Beispiel ist Control von Remedy. Wenn sich Voxel verschieben, wenn sich Tunnel anordnen, durch die man teilweise hindurchfällt – das wirkt das wie 1:1 aus einem Demo. Ein anderes Beispiel ist Mirror's Edge von DICE mit seinem minimalistischen Farbspektrum und seiner flächigen Ästhetik. Oder auch Housemarque-Spiele wie Super Stardust, Resogun und Nex Machina.
IGM: Skandinavien und Deutschland sind Schwerpunkte der Demoszene. Wie international ist die Szene?
Kopka: Die Demoszene ist auch stark in Ungarn, Polen, Frankreich und UK vertreten. Und in viel mehr Ländern gibt es heute noch aktive Gruppen und Demoszene-Partys, wie man auf demoparty.net sehen kann. An den Demos steht aber nicht dran, aus welchem Land sie kommen. Außerdem waren die Teams immer schon sehr international, deshalb kann man viele Gruppen nicht immer klar bestimmten Ländern zuordnen. Schon in den Achtzigern und Neunzigern besaß die Demoszene eine europäische Identität, darum geht es auch in unserer Kampagne. Wir sind ins deutsche Unesco-Kulturerbe aufgenommen worden – aber unser Ziel ist natürlich die Anerkennung als immaterielles Weltkulturerbe.
IGM: Was sind die nächsten Schritte auf dem Weg dorthin?
Kopka: In Polen, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz sind Anträge in Vorbereitung. Unser Ziel ist, in möglichst vielen Ländern solche Kampagnen zu fahren. In zwei bis drei Jahren werden wir dann alle bis dahin erfolgreichen Anträge bündeln, um die Anerkennung auf internationaler Ebene zu erreichen.
IGM: Abschließende Frage: Welche drei Demos sollte man auf jeden Fall gesehen haben, wenn man sich für die Demoszene interessiert?
Kopka: Bei 89.000 Releases ist das nicht ganz einfach (lacht). Auf unserer Website "Demoscene - The Art of Coding" haben wir drei Demos verlinkt: Das erste "Eon" von The Black Lotus – eine Amiga-500-Demo mit einem großartigen Soundtrack. Ein Klassiker der deutschen Szene und eines der meistgesehenen Demos überhaupt ist "Debris" von der Gruppe Farbrausch. 2007 war das ein Meilenstein dafür, was mit wenig Speicher – nämlich nur 177 KB – möglich ist. Wer sehen will, was in 4 Kilobyte möglich ist, dem empfehle ich "Elevated" der Gruppe RGBA. (Achim Fehrenbach)