Hindernislauf: Wie der Fachkräftemangel deutsche Spielestudios bremst

Die deutsche Games-Branche wächst – nicht zuletzt dank der Bundesförderung (vgl. IGM 01/02 2023). Die einheimischen Studios benötigen denn auch immer mehr Fachkräfte, um ihre Projekte zu verwirklichen. Doch genau daran hapert es erheblich: In nahezu allen Entwicklungsbereichen fehlen ExpertInnen – auch deshalb, weil die Studios mit Firmen aus anderen Branchen konkurrieren. Wie gehen die deutschen Spieleschmieden mit dem Fachkräftemangel um? Und welche Hürden müssen aus ihrer Sicht am dringendsten beseitigt werden? Um das herauszufinden, haben wir uns bei mehreren Studios umgehört.
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©pavel1964 / stock.adobe.com
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Ende März war es soweit: Nach langem Feilschen beschloss das Bundeskabinett den Entwurf für ein neues „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“. Um den Fachkräftemangel in Deutschland zu lindern, sollen qualifizierte Personen aus Drittstaaten (außerhalb der EU) künftig unter erleichterten Bedingungen einwandern können – und zwar mit einer sogenannten „Chancenkarte“. Der Gesetzesentwurf sieht ein Punktesystem vor, das auf verschiedenen Kriterien beruht: Dazu zählen – neben der beruflichen Qualifikation – unter anderem auch Deutsch- oder Englischkenntnisse, die Dauer der Berufserfahrung, das Alter und das Potenzial der mit nach Deutschland ziehenden Angehörigen. Darüber hinaus soll die Einwanderung auch für jene Fachkräfte vereinfacht und entbürokratisiert werden, die wegen eines ganz bestimmten Jobs nach Deutschland ziehen wollen – zum Beispiel für einen Job in der Spielebranche.

Etliche Kritikpunkte
Die Initiative klingt zunächst ganz gut – doch wie so oft gibt es Fallstricke in den Details. In einer Anfang März veröffentlichten Stellungnahme bemängelt der Bundesverband game beispielsweise, dass Zuzugswillige eine mindestens zweijährige Berufserfahrung (binnen der letzten fünf Jahre) vorweisen müssen. Dies verhindere die Rekrutierung von Nachwuchstalenten, so game. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Beschäftigte aus dem Bereich „Informations- und Kommunikationstechnologie“ zwar erleichterte Zuzugsvoraussetzungen haben – dass aber Berufsprofile wie Game-Design, Game Art und Game Producing ganz offiziell nicht in diese Kategorie fallen. Außerdem plädiert game dafür, die erforderliche Gehaltsschwelle herunterzusetzen, weil längst nicht alle deutschen Studios – zumindest nicht in der Anfangsphase – solche Gehälter zahlen könnten. Darüber hinaus fordert der Verband, einwanderungswillige Fachkräfte müssten „auch von staatlichen Institutionen willkommen geheißen und auch damit in ihrer Entscheidung für den Wechsel des Lebensmittelpunktes nach Deutschland bestätigt werden“. Will heißen: Weniger Bürokratie, mehr „Hereinspaziert“.

Angesichts der bestehenden Fallstricke wird das Gesetz der Games-Branche womöglich nicht die erhoffte Entlastung bringen – zumindest nicht in vollem Umfang. (Der Gesetzgebungsprozess ist – das muss man betonen – noch längst nicht abgeschlossen.) Dass der Fachkräftemangel in der Branche enorm ist, hat game im Januar mit einer Mitgliederumfrage (online, 84 teilnehmende Firmen) herausgefunden. „Besonders dramatisch stellt sich die Lage in der Spiele-Programmierung dar“, heißt es in der flankierenden Pressemitteilung. „9 von 10 Games-Unternehmen berichten, dass es schwer ist, entsprechende Fachkräfte einzustellen.“ Als „besonders herausfordernd“ betrachteten die Firmen auch die Rekrutierung in den Bereichen Technical Art (68 Prozent), Game Producing (61 Prozent) und Game-Design (59 Prozent). Die Rekrutierung von Fachkräften könne zur Linderung des Problems beitragen, so game; tatsächlich komme auch schon jeder fünfte Mitarbeitende (21 Prozent) deutscher Spielefirmen aus Drittstaaten. Gleichwohl würden aber erst 42 Prozent der Firmen auf Drittstaaten-Rekrutierung setzen, so das Umfrageergebnis. Für 22 Prozent sei das Procedere „zu teuer“, für 42 Prozent „zu kompliziert“. Zwar könnten deutsche Spieleunternehmen dank der Bundesförderung inzwischen besser um die weltweit begehrten Fachkräfte konkurrieren, kommentiert game-Geschäftsführer Felix Falk. „Häufig ziehen sie aber weiterhin den Kürzeren, da die Regelungen für Deutschland zu kompliziert, zeitaufwändig und teuer sind.“

 

Der deutsche Markt ist leergefegt

 

Umfragen wie die des game haben Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass sie ziemlich schnell ein repräsentatives Stimmungsbild der Branche ermitteln können, das sich dann knackig kommunizieren lässt. Allerdings tragen solche Umfragen eher wenig dazu bei, die Hintergründe und Ursachen eines durchaus komplexen Phänomens zu beleuchten. (Fairerweise sollte man hinzufügen, dass das auch gar nicht ihr Ziel ist.) Jedenfalls haben wir besagte Umfrage als Ausgangspunkt genommen, um inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Um mehr über die Herausforderungen des Fachkräftemangels zu erfahren, haben wir mit den Spitzen mehrerer deutscher Spielefirmen gesprochen. Wir wollten wissen, wo sie den Mangel am stärksten spüren, wie sie ihm aktiv begegnen und welche Hürden – derzeit noch – am höchsten sind.

Viele offene Stellen
Mit mehreren hundert MitarbeiterInnen zählt Ubisoft Blue Byte zu den größten Games-Arbeitgebern Deutschlands. „Wir suchen ständig erfahrene Fachkräfte in verschiedenen Bereichen – für unsere AAA-Entwicklungen und unsere Projekte im Bereich Technologie und Plattformen“, berichtet Managing Director Benedikt Grindel. Aktuell habe Ubisoft für seine drei Standorte Düsseldorf, Berlin und Mainz rund 30 Stellen ausgeschrieben, so Grindel. „Dabei geht es vor allem um neue Teammitglieder in leitenden Positionen oder mit langjähriger Expertise und Erfahrung.“ Der Studio-Manager bezeichnet den deutschen Markt als „leergefegt“ – und bestätigt, dass der Bedarf oft nur durch Zuwanderung aus dem Ausland gedeckt werden kann. Genau da sieht Grindel auch die größten Probleme: „In puncto Bürokratieabbau gibt es in Deutschland noch einige Luft nach oben, da sind die Rahmenbedingungen in anderen Ländern teilweise deutlich attraktiver.“ Neben erfahrenen Fachkräften suche man bei Blue Byte auch guten Nachwuchs, so Grindel. „Hier ist erfreulich zu sehen, dass die Ausbildung in Deutschland inzwischen viel besser geworden ist. Wir kooperieren intensiv mit Hochschulen und bringen auch eigene Initiativen wie den Girls‘ Day und die Ubisoft Gaming School ein.“ Eine weitere Initiative dieser Art sei das „Game Together“: Ein Wettbewerb, an dem Studierende von Games-Fakultäten in DACH teilnehmen können. Ubisoft stellt die drei Erstplatzierten in einer Live-Award-Show vor, zu den Hauptpreisen zählen virtuelle Mentorings.

Dass der Fachkräftemangel dennoch eklatant bleibt, bestätigt Jan Klose, Managing Director von Deck13 Interactive. „In einem mittelgroßen Games-Studio wie unserem benötigen wir eigentlich auf jeder Position SpezialistInnen, damit wir unsere Arbeit stemmen können“, sagt er. Man habe also höhere Anforderungen an neue Mitarbeitende – und diese Profile seien in Deutschland gar nicht so häufig vertreten. „Dadurch haben wir es in allen Bereichen schwer mit der Suche nach Fachkräften“, konstatiert Klose. „Insbesondere im Bereich der Programmierung ist das nochmal verschärft. Als Resultat müssen wir nicht nur in Deutschland, sondern auf dem weltweiten Markt auf die Suche gehen.“ Gerade in Zeiten von New Work und steigenden Lebenshaltungskosten werde es aber schwieriger, Talente von einem Ortswechsel – in diesem Fall nach Frankfurt/Main – zu überzeugen. Deck13 habe mobiles Arbeiten eingeführt, um Fachkräfte aus ganz Deutschland einstellen zu können – und auch bei der Rekrutierung aus dem Ausland mache man Fortschritte.

Klose betont aber, dass die Politik hier noch einiges leisten müsse. „Wir müssen endlich für internationale SpezialistInnen attraktiv werden, denn die kommen nicht nach Deutschland wegen dessen ‚guten Rufs‘“, so der Managing Director. Deutschland sei im Ausland nicht für seine Willkommenskultur bekannt, sondern für „Skepsis gegenüber ausländischen Mitarbeitenden sowie für die wahnsinnigen und völlig aus der Zeit gefallenen bürokratischen Hürden“. Offenbar herrsche noch das Denken vor, dass ausländische Mitarbeitende für einen Job in Deutschland dankbar sein müssten, kritisiert Klose. Dabei könne man doch eigentlich froh über jede ausländische Fachkraft sein, die hierzulande arbeiten wolle. „Hier müssen die Ämter unbürokratisch den Weg frei machen, Abschlüsse einfacher anerkennen und die Einreise erleichtern“, fordert er. „Insbesondere die Zusammenarbeit mit der Ausländerbehörde sorgt bei uns und unseren ausländischen Mitarbeitenden regelmäßig für Kopfschütteln.“

Standort stärken
Ähnlich äußert sich Adrian Goersch, Co-Founder und Managing Director von Black Forest Games. Goersch fordert, den Zuzug und die Erteilung von Arbeitserlaubnissen für ausländische BewerberInnen – inklusive Flüchtlinge – massiv zu erleichtern. Zur Stärkung des Standorts müsse der Staat auch Themen angehen, die unsere gesamte Gesellschaft beträfen – Goersch nennt die Verfügbarkeit von Wohnraum, ärztlicher Versorgung und Kinderbetreuungsmöglichkeiten. All dies zu bekommen, sei für Zuziehende katastrophal schwierig, so der MD – auch und gerade deshalb, weil sie vor Ort zunächst noch nicht auf ein soziales Netzwerk zurückgreifen könnten. Black Forest Games spürt den latenten Fachkräftemangel zum einen bei eher technischen Berufsprofilen wie Programmierung und Technical Art – und zum anderen in nahezu allen spezialisierten Bereichen, beispielsweise bei Lightning und UX. „Die Spieleindustrie hat in den letzten Jahren ein enormes Wachstum hingelegt hat“, sagt Goersch. „Entsprechend werden überall Beschäftigte gesucht, um den Strom an neuem Content zu produzieren.“ Gleichzeitig sie die Industrie noch immer sehr dynamisch und projektfokussiert – nur wenige Studios hätten deshalb die Möglichkeit, langfristig zu planen und zu operieren. „Das heißt, oft ist der Personalbedarf kurzfristig, weil zum Beispiel eine Finanzierung für ein Projekt sichergestellt wurde, ein Spiel sich gut verkauft hat und das nächste nun größer werden soll“, erläutert Goersch. „Dann möchte man erfahrene Leute einstellen, die sofort effektiv arbeiten können.“ Genau diese erfahrenen Arbeitskräfte sind in Deutschland aber rar.

 

Herausragende Leute direkt von den Hochschulen und Akademien

 

Eine weitere Hürde sieht Goersch in der Finanzierung der Fachkräfte. In der Branche gebe es sehr große wirtschaftliche Unterschiede, nur wenige Studios seien kommerziell richtig erfolgreich. Diese Studios können laut Goersch dann auch Gehälter zahlen, die mit den Gehältern in anderen Industriezweigen mithalten. „Die Masse der etablierten Studios muss jedoch muss kostenbewusst wirtschaften“, so der Manager. Gute Gehälter seien aus seiner Erfahrung zwar mittlerweile die Regel. Allerdings könne ein Großteil der deutschen Games-Unternehmen nicht die Spitzengehälter zahlen, die teils in der AutoIndustrie, bei großen Tech-Firmen oder internationalen AAA-Studios üblich seien.

Ausbildung im Wandel
Wie aber steht es eigentlich um die hiesige Ausbildung? Kann sie signifikant dazu beitragen, den Fachkräftemangel deutscher Studios zu reduzieren? „Früher wurden gefühlt vor allem Gründerinnen und Gründer neuer Indie-Studios ausgebildet“, erinnert sich Goersch. „Also Allround-Talente, die in der Lage sind, zu viert ein Spiel zu entwickeln – und jeder kann von allem etwas.“ Mittelgroße Studios wie BFG benötigten jedoch Fachkräfte mit herausragendem Spezial-Know-How. Goersch zieht hier ein durchaus positives Zwischenfazit: Die Ausbildung habe sich mittlerweile an den Bedarf angepasst, „wir bekommen herausragende Leute direkt von den Hochschulen und  Akademien“. BFG baue seine Beziehungen zu den Hochschulen kontinuierlich aus, um AbsolventInnen von einer Mitarbeit zu überzeugen. Grundsätzlich sei man beim Recruiting sehr international orientiert, sagt Goersch (vgl. IGM 03/2022). „Im Bewerbungsprozess stellen wir die speziellen Vorteile unseres Standorts [Offenburg], des Studios und der Einbettung in eine starke Entertainment-Gruppe heraus. Dazu gehört auch der Punkt, dass wir ein Onsite-Work-Studio sind. Tatsächlich ist das für sehr viele Interessierte ein Pluspunkt.“ BFG möchte seinen MitarbeiterInnen viele berufliche und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten bieten, so der Studiochef. Ziel sei, „dass unsere Leute lange bei uns bleiben“.

Jan Theysen, sieht beim Thema „Ausbildung“ noch einigen Nachholbedarf. „Ich denke, es wäre gut, wenn in Hochschulen und Universitäten mehr auf Spitzenleistung gesetzt würde – und weniger auf Massenabfertigung“, sagt der Chef von King Art Games aus Bremen. „Niemand hat etwas davon, wenn ein junger Mensch nach mehreren Jahren Ausbildung nicht gut genug ausgebildet ist, um in der realen Welt Fuß fassen zu können.“ Gerade die allzu offene Ausbildung mit branchenfremden ProfessorInnen ist Theysen ein Dorn im Auge: „Da muss man sich nicht wundern, wenn am Ende niemand mit dem Ergebnis zufrieden ist.“ Games-Entwicklung sei nun mal hart und die Konkurrenz global, so Theysen. Deshalb sei es notwendig, stärker nach Qualität zu sieben – und den wirklich guten Leuten dann alle Unterstützung zukommen zu lassen. „Es gibt einige wenige Hochschulen in Europa, die fast durchgehend gute AbsolventInnen haben“, berichtet der Studiochef. „Das sind die Hochschulen, die harte Aufnahmekriterien haben, viel von ihren Studierenden verlangen – und die auch ProfessorInnen haben, die direkt aus der Branche kommen und aktuelles Branchenwissen mitbringen.“ All das müssen in der deutschen Ausbildung noch verbessert werden. Darüber hinaus wünscht sich Theysen, dass Spielefirmen ihre Nachwuchskräfte einfacher selbst ausbilden können. „Man hört viel davon, dass Unternehmen nicht genug ausbilden“, sagt er. „Wenn man sich dann aber konkret anschaut, was das für ein Games-Unternehmen bedeuten würde, dann wundert man sich nicht mehr, warum das so selten passiert.“ Auch hier stellt die Bürokratie wieder Hürden in den Weg.

Mehrjährige Trainingsprogramme
Ähnlich wie BFG pflegt auch King Art Games den Kontakt zu Hochschulen, um Nachwuchstalente auf sich aufmerksam zu machen. „Wir halten Gastvorlesungen und fahren mindestens einmal im Jahr dorthin, um Studierenden Feedback zu geben und um ihre Fragen zu beantworten“, erzählt Theysen. Man habe auch gar nicht das Ziel, die perfekten KandidatInnen für bestimmte Stellen zu finden. „Stattdessen stellen wir Leute ein, von denen wir glauben, dass sie das Potenzial und den Willen haben, dorthin zu kommen, wo wir sie brauchen.“ King Art Games erarbeitet gemeinsam mit den Nachwuchskräften ein mehrjähriges Trainingsprogramm – das erhöhe die Wahrscheinlichkeit, gute und loyale MitarbeiterInnen zu bekommen. „Der Nachteil ist, dass wir nicht schnell unsere Workforce rauf oder runter skalieren können“, sagt Theysen. „Wenn wir in drei Jahren ein neues Projektteam haben wollen, müssen wir uns jetzt darum kümmern, die Leads von morgen aufzubauen.“ Momentan sucht King Art Games übrigens vor allem ProgrammiererInnen, Tech Artists und Producer. Gerade im Bereich „Programmierung“ spürt auch Theysen die Konkurrenz durch andere Industriezweige: „Wir als Games-Branche können vielleicht die interessanteren und mit Sicherheit die spaßigeren Aufgaben bieten, aber wer rein nach den Gehaltschancen geht, wird nicht in der Games-Branche landen.“

Was einheimische Nachwuchskräfte betrifft, scheint sich die Games-Ausbildung in Deutschland durchaus verbessert zu haben. Deck13-Chef Jan Klose sieht Fortschritte sowohl bei der Quantität als auch bei der Qualität: „Neue Mitarbeitende wissen genauer, was sie im Job erwartet – und sie sind auch besser auf diese Herausforderungen vorbereitet.“ Der Talent-Pool in Deutschland werde durch die zielgerichtete Ausbildung tiefer, „was uns sehr freut“. Natürlich könne aber noch mehr getan werden, sagt der Managing Director: Zum Beispiel, „indem weitere klassische Fachrichtungen eine Spezialisierung auf Games-Themen mit in ihr Angebot aufnehmen“.

 

Jetzt darum kümmern, die Leads von morgen aufzubauen

 

Der Faktor KI
Halten wir fest: Die Rahmenbedingungen für ausländische Fachkräfte sind stark verbesserungswürdig – während die Ausbildung von Fachkräften in Deutschland immer besser wird. Gleichwohl sollte ein Faktor nicht vernachlässigt werden, der gerade allenthalben diskutiert wird. Die „KI-Revolution“ nimmt beständig an Fahrt auf – und erfasst dabei auch kreative Berufe, nicht zuletzt solche aus der Games-Branche. Obwohl derzeit wirklich alles „im KI-Fluss“ ist, haben wir von den Studiochefs Einschätzungen eingeholt, ob KI-Tools den Fachkräftemangel perspektivisch entschärfen können. Jan Klose ist durchaus skeptisch, dass das zu einer grundlegenden Änderung führt. “Ich denke nicht, dass KI-Tools dem Fachkräftemangel etwas entgegensetzen können“, prognostiziert der Studiomanager. „Vielleicht werden sich einige Jobs in ihren Profilen ändern.“ Als Beispiele nennt Klose KI, die AutorInnen beim Texten unterstützt – oder auch arbeitsintensive Schritte in den Bereichen Programmierung, Konzept, Modelling und Texturierung übernimmt. Für die kreative Arbeit brauche man aber auch weiterhin ExpertInnen, betont Klose: „Nur dass sie vielleicht in Zukunft weniger Handarbeit tun werden – und das wird sich wahrscheinlich vor allem in einer höheren Qualität der Spiele bemerkbar machen.“ KI-Tools könnten kleinen und mittelgroßen Entwicklerteams die Chance geben, in puncto Detailvielfalt mit größeren Studios mitzuhalten – ohne dafür das Produktionsbudget vervielfachen zu müssen.

Adrian Goersch glaubt, dass sich die Auswirkungen von KI auf den Fachkräftemangel aktuell noch nicht wirklich absehen lassen. Schon jetzt können man neue KI-Tools allerdings in vielen Bereichen nutzen und dadurch Ressourcen freisetzen, so der BFG-Chef. „Da wir mittlerweile stark mit Outsourcern arbeiten, würde das irgendwann erst mal Kapazitäten betreffen, die wir extern vergeben“, sagt Goersch. Auch sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass KI viele Tätigkeitsfelder verändern oder gar obsolet machen könne. Goersch sieht diese Entwicklung aber keineswegs negativ: „In der Vergangenheit wurden in der Spieleentwicklung neue Tools immer zu einer Verbesserung der Spiele benutzt, um dort die Grenzen des Möglichen auszutesten und zu erweitern. Das hat eher zu mehr Jobs geführt als zu weniger Bedarf. Ich denke, dass wird auch hier passieren.“

Jan Theysen sieht das ähnlich. „Die Erfahrung zeigt, dass durch die Einführung neuer Tools nicht Arbeit oder Kosten gespart werden, sondern die gewonnenen Ressourcen in mehr Qualität oder mehr Umfang gesteckt werden“, so der King-Art-Leiter. „Tools sind heute viel besser als vor 15 Jahren – und trotzdem arbeiten heute sehr viel mehr Menschen an einem Game als damals. Etwas ähnliches könnte wieder passieren.“ Man darf gespannt sein, inwieweit die KI-Revolution die Branche verändert – selbst wenn sie den Fachkräftemangel höchstens mittelfristig reduziert. (Achim Fehrenbach)

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