Paderborn E-Sports e.V.: Volle Hasenkraft voraus!

Zwischen 200 und 250 Vereine beschäftigen sich in Deutschland mit kompetitivem Gaming.
Das können reine eSports-Vereine sein – oder auch klassische Sportvereine mit eSports-Ableger. Doch so unterschiedlich Umfang, Schwerpunkte und Organisationsgrad des digitalen Breitensports auch sein mögen: Bestimmte Themen – zum Beispiel Gemeinnützigkeit und Gesundheit – betreffen tatsächlich alle eSports-Vereine. In IGM 06/2021 hatten wir dazu ein Doppelinterview mit Chris Flato und Martin Müller geführt, die den Breitensport beim eSport-Bund Deutschland (ESBD) vernetzen. Nun stellen wir in einem mehrteiligen Special deutsche eSports-Vereine vor. Für Teil 1 blicken wir nach Nordrhein-Westfalen – und porträtieren den Paderborn E-Sports e.V..
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Der Herbst 2019 ist die Initialzündung für organisierten eSports in Paderborn. Zwischen dem 7. September und dem 30. November finden dort insgesamt 15 lokale eSoccer-Turniere statt, bei denen mehr als 500 GamerInnen mitmachen und 60 Vereine und Unternehmen unterstützend dabei sind. Die "1. E-Sport Stadtmeisterschaft", so der Name der Turnierserie, wird von drei Akteuren organisiert: der Wirtschaftsförderung Paderborn, der Studierendeninitiative Paderborn eSports und dem Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen (FLVW). Die Stadmeisterschaft wird ein voller Erfolg – und findet beim Finale am 30. November einen würdigen Abschluss: Mit einem begeisterten Publikum vor Ort – und 20.000 ZuschauerInnen auf der Streaming-Plattform Twitch.

Mümmel-Maskottchen
"Bei der Stadtmeisterschaft haben wir gesehen, wie erfolgreich eSports in Paderborn sein kann", sagt Lucas Quehl heute. Er ist 2. Vorsitzender von Paderborn E-Sports e.V. – des Vereins also, der als Reaktion auf den überwältigenden Erfolg der Stadtmeisterschaft gegründet wurde. Die Gründung fand in der Corona-Pandemie statt, genauer gesagt am 28. Juli 2020. Heute hat der Verein knapp 100 Mitglieder – und residiert im Technologiepark nahe der Universität. Die Mitglieder sind im Durchschnitt etwa 25 Jahre alt und zu 80 Prozent männlichen Geschlechts. Maskottchen des Vereins ist ein roter, grimmig dreinblickender Hase mit drei (!) Ohren: Eine Anspielung auf das berühmte Drei-Hasen-Fenster des Paderborner Doms, dessen Sandsteinfassung zu Beginn des 16. Jahrhunderts gemeißelt wurde – und in der sich drei rundum hoppelnde Mümmelmänner insgesamt drei Ohren teilen. "Die Schnelligkeit und Wachsamkeit des Hasen muss die Menschen des Altertums beeindruckt haben", heißt es auf der Tourismus-Seite der Stadt Paderborn. Was vielleicht mit ein Grund war, warum der eSports-Verein ihn als Maskottchen wählte.

Dass die Vereinsgründung nicht schon früher stattfand, hat unter anderem mit Covid-19 zu tun. "Die Gründung wurde durch die Pandemie verzögert, da wir abwarten wollten, bis die Einschränkungen aufgehoben werden", erzählt der Vereinsvorsitzende Jürgen Janke. "Nach der Entscheidung, nun doch in der Pandemie zu gründen, mussten wir fast den gesamten Gründungsprozess ins Digitale überführen." Ein weiterer Grund für die Verzögerung war, dass man alle Interessenten mit ins Boot holen wollte – und auch den Möglichmachern der Stadtmeisterschaft genug Zeit gab, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Eine der Grundfragen war die nach einer möglichen Gemeinnützigkeit, berichtet Janke: "Versucht man sie über Umwege zu erreichen – zum Beispiel mit dem Schwerpunkt Jugendarbeit? Oder konzentriert man sich in der Vereinssatzung auf reinen eSports?" Die Paderborner haben sich für Letzteres entschieden – "und hoffen, gemeinnützig zu werden, sobald eSports als Ganzes gemeinnützig wird". Dazu später mehr ...

Etliche Disziplinen
Der Start mag pandemiebedingt eine besondere Herausforderung gewesen sein. Doch inzwischen gedeiht das Vereinsleben prächtig, wenn auch primär auf der Kommunikationsplattform Discord. Zum jetzigen Zeitpunkt hat Paderborn E-Sports Teams in den Disziplinen League of Legends, Fifa, Counter Strike: Global Offensive, Rocket League, Rainbow Six Siege und Hearthstone. "Diese Teams bestanden zu Teilen schon vor Gründung des Vereins", so Janke. Hier arbeitet der Verein eng mit der Initiative der Studierendenschaft der Uni Paderborn zusammen, die schon ab März 2018 erste Teams zusammengestellt hatte. "Teams für Overwatch und Valorant sind aktuell im Aufbau, hier sind wir aktiv auf SpielerInnensuche", berichtet Janke. "Generell versuchen wir, jedem kompetitiv spielbaren Titel eine Chance zu geben. Und wir sind stets bereit, neue Teams aufzustellen, wenn sich Mitglieder dazu organisieren." Ohnehin würden in der Community viele kompetitive Games gespielt – ohne dass es dazu zwangsläufig immer ein eigenständiges Team geben müsse. Für die wettbewerbsorientierten Mitglieder wird es im Vereinsheim unter anderem einen eigenen, 130 Quadratmeter großen Fitnessbereich geben, so Janke. Momentan befindet sich das Vereinsheim im Technologiepark noch im Aufbau. Die insgesamt 300 Quadratmeter großen Räumlichkeiten wird sich der Verein mit zwei Partner teilen. Geplant sind – neben Trainingsbereichen – auch ein Streaming-Raum, ein Besprechungsraum, eine Küche und eine Gemeinschaftsfläche. Schon jetzt verfügt der Verein über zehn Leih-PCs. Bald sollen – über ein Projekt mit der Sportjugend NRW – auch fünf neue PlayStations hinzukommen.
 

Stets bereit, neue Teams aufzustellen, wenn sich Mitglieder dazu organisieren
 

Doch was sind nun die größten Herausforderungen für den noch jungen Verein? Dem Paderborn E-Sports e.V. stehen zahlreiche freiwillige und ehrenamtliche HelferInnen zur Verfügung – deren Arbeitskraft aber gut koordiniert sein will. "Neben dem Trainingsbetrieb ist es gerade für uns als eSports-Verein wichtig, medial kompetent und professionell aufzutreten – und gleichzeitig offene Türen für alle Interessierten zu schaffen", sagt Lucas Quehl. Finanzen seien dabei stets ein Thema, "denn gute Hardware und eine Location bzw. ein Vereinsheim für eSports sind ein großer Kostenfaktor". Mit der Hilfe der Partner wolle man aber den Traum vom eSports im eigenen Vereinsheim für die ganze Region schon jetzt verwirklichen, so Quehl. "Maximal herausfordernd" nennt er bürokratische Aspekte des Vereinsbetriebs – etwa die Buchführung oder die Einhaltung von Vereinsrecht. "Das sind Dinge, auf die man weniger Energie verwenden möchte als auf die übergeordneten Ziele – aber eben muss", sagt Quehl. "Finanziell sind wir aber – dank des großen Vertrauens unserer Unterstützer – recht gut aufgestellt und machen uns aktuell wenig Sorgen." Man finanziere sich vor allem durch Sponsoren, berichtet Schatzmeister Lukas Schuster. "Darüber hinaus aber auch über Mitgliedsbeiträge und durch Kooperationen mit verschiedenen regionalen Partnern."

Tech-Zentrum
Doch wer sind sie denn nun, die Sponsoren des Vereins? Schon im ESBD-Doppelinterview (IGM 06/2021) ging es ja darum, inwieweit der Breitensport für Geldgeber interessant ist. ("Ein Verein kann einem lokalen Sponsor eine starke Lokalbindung bieten", sagte dazu Martin Müller.) Der Paderborn E-Sports e.V. wird vorwiegend von Tech-Firmen gesponsert – das passt auch zum Image von Paderborn als dem "Silicon Valley von Ostwestfalen", das Firmensitz der Nixdorf AG war. Paderborn E-Sports wird derzeit von den Firmen Unilab AG, W-AYS, CampusConsult und TMC gefördert – und dazu auch vom Einkaufszentrum SüdringCenter. "Die Sponsoren unterstützen uns zum einen finanziell, stehen uns darüber hinaus aber auch teils aktiv zur Seite und unterstützen unsere Arbeit", freut sich Jürgen Janke. Paderborn E-Sports hat allerdings auch noch weitere, enge Kooperationspartner – zum Beispiel den SC Paderborn 07. "Wir unterstützen ihn mit Know-how und WoManPower", sagt Janke, "und bekommen dafür Reichweite, aber auch Know-how in den Bereichen Training und Ernährung".

Grundsätzlich ist es dem Verein die geistige und körperliche Fitness seiner Mitglieder sehr wichtig. "Wir versuchen, das Vorurteil von den ungesunden eSportlerInnen zu entkräften", betont Lucas Quehl. "Beispielsweise, indem wir – im Rahmen unserer Veranstaltungen – aktiv auf Sportvereine oder Verbände wie den FLVW zugehen und mit ihnen zusammenarbeiten, um stets die Nähe zum regulären Sport zu halten." Zudem hat der Verein einen fachkundigen Gesundheitspartner – nämlich die Techniker Krankenkasse. "Wir arbeiten seit Januar 2021 zusammen und wollen das Thema Gesundheit  – also Bewegung, Entspannung, Ernährung – in das sportaffine Umfeld der eSportlerInnen aus Paderborn bringen", erläutert Karl-Julius Sänger, Leiter des Kundenteams der TK Paderborn. "So hat Sascha Gutmann, TK-Präventionsberater, beispielsweise in einem Live-Stream Fragen der eSportlerInnen beantwortet und Impulse für die psychische und physische Gesundheit gegeben – und auch die virtuellen TK-Angebote angeteasert", so Sänger. Das Online-Portfolio der TK umfasst unter anderem einen eCoach und virtuelle Gesundheitskurse zu Themen wie Aufmerksamkeitsbasiertes Stressmanagement (ABSM). Qualifizierte Kurse – etwa zu "Ergonomie am Arbeitsplatz" – werden zu 100 Prozent erstattet. In besagtem Workshop – das Video ist auf Youtube abrufbar – ging Sascha Gutmann auf eine Vielzahl konkreter Fragen ein. Zum Beispiel, wie man seinen Gaming-Platz ergonomisch einrichtet, wie man sich richtig ernährt, wie man ein Wassertrinkprotokoll führt – und wann welche Pausen sinnvoll sind. "Dass bei den eSportlerInnen Bedarf ist, zeigten die vielen Fragen", freut sich Sänger. "Für dieses Jahr sind weitere Impulse geplant." Gerade jetzt sei die Zusammenarbeit sehr hilfreich: "Insbesondere in Zeiten der Pandemie ist Präsenzsport fast gar nicht im Verein möglich. Daher ist es gerade jetzt umso wichtiger, das Thema Gesundheit auch in die virtuelle Sportwelt zu bringen. ESports ist dafür eine ideale Plattform."
Gegen Diskriminierung

Nicht nur beim Thema Gesundheit versucht der Verein, mit gutem Beispiel voranzugehen. Auch Integration, Inklusion und Gleichberechtigung sind ganz weit oben auf der Agenda. "An erster Stelle steht für uns im Verein, Diskriminierung, egal in welcher Form, keinen Zentimeter Raum zu gewähren", sagt Jürgen Janke. "In unserer Community setzen wir dabei klare Regeln und Grenzen, die sonst in der Anonymität des Internets leider häufig vernachlässigt werden." Momentan sucht der Verein auch nach einer unabhängigen Anlaufstelle für mögliche Konfliktfälle, so Janke. "Wir gehen davon aus, dass wir zeitnah eine Kooperation mit der ADA – der Servicestelle Antidiskriminierungsarbeit der Caritas – schließen werden."
 

Das Vorurteil von den ungesunden eSportlerInnen entkräften
 

Auch sonst ist Paderborn E-Sports bereits sehr gut vernetzt: unter anderem als Mitglied des ESBD und des E-Sport Netzwerks DACH (END). Man wolle die Vernetzung der eSports-Szene auf regionaler Ebene sowie Landes- und Bundesebene nach allen Kräften fördern, sagt Janke. "Auf regionaler Ebene haben wir beispielsweise guten Kontakt zu OWL-eSports e.V. und Bielefeld eSports e.V.." Auf überregionaler Ebene pflege man – im universitären eSports – sehr gute Kontakte zu Teams wie den Hamburger Haien und anderen Parteien aus der Uniliga. Lukas Schuster betont, dass Breiten- und Spitzensport in Deutschland stark voneinander profitieren können. "Im Verein versuchen wir, vor allem den Aspekt des Breitensports aufleben zu lassen und darüber Menschen zu verbinden", sagt er. "Wo es im Sport eine umfangreiche Amateurszene gibt, ist diese im eSports gerade regional oft noch sehr unterentwickelt. Das gibt uns dabei die Möglichkeit, für vieles das Fundament zu schaffen." Auch für die Profi-Szene habe der Breitensport große Bedeutung, so Schuster: "Wo können besser die Profis von morgen gefunden werden als im regionalen Breitensportverein?" Als Beispiel nennt er die Fifa-Profis des SC Paderborn 07, von denen sich einige bei der Stadtmeisterschaft 2019 profilieren konnten.

Kooperationsvorteile
Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit (vgl. IGM 06/2021) bleibt für eSports-Vereine ein zentrales Thema. Schuster glaubt, dass eine solche Anerkennung "dem gesamten Image der Szene enorm helfen und die Wahrnehmung von uns als Verein damit verbessern würde". Zum einen würde das die Kooperation mit Institutionen (Schulen, Gemeinden) erleichtern, die – von sich aus – oft nur mit gemeinnützigen Vereinen zusammenarbeiten dürfen. "Zum anderen würde es unsere Sponsoren entlasten und es und leichter machen, neue Partner und Unterstützer zu finden", sagt Schuster.

Inwieweit das Thema "eSports und Gemeinnützigkeit" seinen Weg in die Superwahljahrprogramme der Parteien finden wird, bleibt abzuwarten. Paderborn E-Sports jedenfalls brennt darauf, sein Vereinsleben noch weiter auszubauen – und eSports insgesamt nach vorne zu bringen. Genügend Herzblut ist fraglos vorhanden. (Achim Fehrenbach)

IGM 07/21
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