Made in Germany: Wie schlagen sich deutsche Spiele auf Steam?

Mit knapp 120 Millionen Nutzern pro Monat ist Valves Download-Plattform Steam einer der wichtigsten Tummelplätze für PC-Spiele-Fans in aller Welt. Doch wie erfolgreich sind eigentlich Produktionen "Made in Germany" auf Steam? Welche Titel kommen bei der Community besonders gut an? Wer meidet die Plattform und warum? IGM hat nachgeforscht.
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© Aboltin/stock.adobe.com, © twixx/ stock.adobe.com
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Als Steam am 12. September 2003 offiziell startete, diente es in erster Linie dazu, Update-Prozesse für Valves Multiplayer-Hit "Counter Strike" zu automatisieren. Doch schon bald ging es nicht mehr nur um Patches, sondern auch darum, Spiele digital an Kunden rund um den Globus zu verkaufen. Stand heute ist Steam mit mehr als 62 Millionen Nutzern täglich und einer Bibliothek aus über 50.000 Spielen als Distributionsplattform nicht mehr aus der Spieleindustrie wegzudenken. Schaut man sich auf der Download-Plattform um, sind natürlich auch unzählige Produktionen von deutschen Entwicklern Teil des ständig wachsenden Software-Katalogs.

Wie oft sich ein Spiel verkauft hat, verrät Valve der Öffent­lichkeit nicht

Zu den beliebtesten deutschen Titeln – zumindest gemessen an der Anzahl der Steam-Nutzer-Reviews – zählen dabei interessanterweise zwei Actionspiele, die schon einige Jahre auf dem Buckel haben. Zum einen der im Juni 2012 veröffentlichte Anti-Kriegs-Shooter "Spec Ops: The Line" von Yager Development aus Berlin mit 21.610 Nutzerwertungen (Stand 27. Juni 2021), zum anderen das im Oktober 2014 für PC erschienene "Ryse: Son of Rome" von Crytek aus Frankfurt mit 21.413 Nutzerwertungen. Dicht hinter diesem Duo rangiert außerdem das Stealth-Taktikspiel "Shadow Tactics: Blade of the Shogun" von Mimimi Games aus München. Das Besondere hier: Von 20.995 User-Reviews fallen 96 Prozent positiv aus; die Community hat den Titel also äußerst positiv aufgenommen. Ein Grund hierfür dürfte zweifelsohne auch die Tatsache sein, dass knapp zwei Wochen vor dem Release eine Demo veröffentlicht wurde und das Spiel zum Launch am 6. Dezember 2016 haufenweise positive Kritiken einfuhr (Metacritic-Score: 85 von 100 Punkten).

In der Liste der besonders häufig und sehr positiv bewerteten deutschen Spiele befinden sich darüber hinaus das von "Minecraft" inspirierte "Portal Knights" von Keen Games aus Frankfurt, das Rundenstrategie-Rollenspiel "Battle Brothers" von den Overhype Studios aus Hamburg, "Tropico 6" von Limbic Entertainment aus Langen, "Dungeons 3" von den Realmforge Studios aus München sowie das 2D-Rollenspiel "CrossCode" vom Indie-Studio Radical Fish Games aus Saarbrücken. Letztgenanntem fehlten zu Redaktionsschluss nur noch knapp 700 Nutzerbewertungen, um die Schallmauer von 10.000 Reviews zu durchbrechen.

Aktueller Steam-Publikumsliebling aus Deutschland bleibt allerdings Cryteks "Hunt: Showdown". Der im August 2019 veröffentlichte Multiplayer-Shooter bringt es mittlerweile auf über 71.000 Nutzerbewertungen (83 Prozent davon positiv) und zieht so mit großem Abstand am Rest des Feldes vorbei. Dazu gesellen sich laut SteamSpy knapp 400.000 Follower der Steam-Produktseite sowie laut SteamCharts.com durchschnittlich 9.000 aktive Spieler pro Tag. Konkrete Verkaufszahlen zu "Hunt: Showdown" haben die Frankfurter zwar noch nicht bekanntgegeben, in einem im Februar 2021 veröffentlichen Tweet der Entwickler war jedoch von drei Millionen Spielern die Rede. Dies wiederum würde sich mit den Angaben von SteamSpy decken, dessen Algorithmus zwischen zwei und vier Millionen verkaufte Exemplare errechnet hat.

Weitere Community-Favoriten
Aber auch im Segment zwischen 10.000 und 5.000 Nutzerwertungen tummeln sich viele Games "Made in Germany". Zu denen, die von Steam-Nutzern sehr positiv aufgenommen wurden, zählen unter anderem die Weltraum-Simulation "Avorion" von Boxelware aus Erlangen, das Multiplayer-Versteckspiel "Witch It!" von Barrel Roll Games aus Eilenstedt, das Eisenbahn-Aufbauspiel "Railway Empire" von Gaming Minds aus Gütersloh, das "Destroy All Humans!"-Remake von Black Forest Games aus Offenbach sowie "Cloudpunk" vom Berliner Indie-Studio Ion Lands. "Äußerst positive" Rezensionen sichern sich derweil das ebenfalls in der Hauptstadt entwickelte "Dorfromantik" von Toukana Interactive und der zweite große Hit von Mimimi Games: "Desperados III". Nicht unterschlagen wollen wir zudem die Weltraum-Simulation "X4: Foundations" von Egosoft, das Open-World-Rollenspiel "Elex" von Piranha Bytes, die Weltraum-Roguelike-Mixtur "Everspace" von Rockfish Games sowie das Soulslike "The Surge" von Deck 13. In allen Fällen fällt das Urteil der rezensierenden Käufer "Größtenteils positiv" aus. Gleiches gilt für "Iron Harvest" von King Art aus Bremen. Die Echtzeitstrategie-Überraschung erschien zwar erst am 1. September 2020, ist aber schon jetzt kurz davor, sich in die Riege der Titel mit mehr als 5.000 Bewertungen einzureihen.

Wie oft sich ein Spiel auf Steam tatsächlich verkauft hat, verrät Valve der Öffentlichkeit leider nicht. Diese Information ist lediglich Entwicklern und Publishern vorbehalten. Nichtsdestotrotz gelten möglichst viele Nutzerwertungen als guter Indikator dafür, wie beliebt und erfolgreich ein Titel am Ende ist. Zu diesem Schluss kommt auch Simon Carless, Vizepräsident der Game Developers Conference in einem 2020 veröffentlichten Essay (https://newsletter.gamediscover.co/p/how-that-game-sold-on-steam-using). Das Interessante dabei: Im Rahmen seiner Abhandlung und auf Basis von aufwendig erhobenen Vergleichsdaten leitet Carless eine Formel her, mit der sich Steam-Verkaufszahlen grob überschlagen lassen. Demnach findet bei Spielen, die vor 2017 erschienen sind, durchschnittlich alle 81 Verkäufe eine Nutzerbewertung statt. Für Titel, die nach 2017 veröffentlicht wurden, müsse die Ziffer Jahr für Jahr nach unten korrigiert werden, so Carless. Erschien ein Spiel beispielsweise 2019 auf Steam, setzt seine Berechnung durchschnittlich 57 Verkäufe pro Nutzerbewertung an. Bei Releases von 2020 sind es immerhin noch 41 Verkäufe pro Review. Auf Free-to-Play-Titel lässt sich Carless' Faustregel laut eigener Aussagen allerdings nicht anwenden. Und auch beim Errechnen von Verkaufserlösen mahnt er zu großer Vorsicht, da viele Parameter wie Rabattaktionen, Erstattungen, Umsatzsteuern etc. diesen Wert massiv beeinflussen können.

Behält man diese Informationen im Hinterkopf, schlagen sich zahlreiche deutsche Spiele mit 5.000 bis 2.000 Bewertungen dennoch recht wacker. Hierzu zählen unter anderem "Fernbus Simulator" (4.313 Reviews), "The Surge 2" (3.891 Reviews), die Adventures "The Longing" (3.205 Reviews) und "Ken Folletts: Die Säulen der Erde" (2.716 Reviews) sowie "Suzerain" (2.271 Reviews), ein textlastiges Rollenspiel von Torpor Games aus Berlin, in dem Nutzer in die Rolle von Präsident Rayne aus dem fiktiven Staat Sordland schlüpfen und dessen erste Amtszeit lenken.

Der Epic Store: Eine verlockende Alternative
Dass "Anno 1800" von Ubisoft Blue Byte – einer der aktuell erfolgreichsten Titel aus Deutschland – bisher nicht genannt wurde, liegt hingegen an einer 2019 verkündeten Exklusivvereinbarung zwischen Ubisoft und den Betreibern des Epic Games Stores. Und an der Tatsache, dass Epic in seinem Store lediglich zwölf Prozent Umsatzbeteiligung verlangt. Zum Vergleich: Bei Steam sind es 30 Prozent. Erst wenn die Nettoverkäufe zehn Millionen Dollar erreichen, sinkt die Beteiligung auf 25 Prozent. Durchbricht ein Spiel die 50-Millionen-Dollar-Grenze, werden weitere fünf Prozent abgezogen. Drei vorherige Serienableger – "Anno 1404" aus dem Jahr 2009, "Anno 2070" von 2011 und "Anno 2205" (2015) – sind aber weiterhin auf Steam vertreten und bringen es zusammen mit allen DLC-Inhalten auf knapp über 15.300 Nutzerbewertungen.

Eine weitere Hit-Marke "Made in Germany" mit hohen Popularitätswerten auf Steam ist außerdem "Gothic". Allein die ersten drei Teile knacken kombiniert problemlos die Marke von 16.600 Nutzerbewertungen – die obendrein jeweils "sehr positiv" ausfallen. Da wundert es nicht, dass Publisher THQ Nordic im Rahmen des Steam Summer Sales Vergünstigungen von jeweils 75 Prozent pro Spiel gewährt – nicht zuletzt, um für das bevorstehende Remake von "Gothic I" die Werbetrommel zu rühren und Neueinsteiger auf die Serie aufmerksam zu machen.

Stichwort Steam Summer Sale: Diese alljährliche Rabattschlacht, die 2021 zwischen dem 24. Juni und dem 8. Juli stattfindet, sehen längst auch die meisten deutschen Entwickler und Publisher als bewährten Verkaufsturbo im Sommergeschäft. Das von Daedalic vermarktete "Shadow Tactics: Blades of the Shogun" etwa wurde im Aktionszeitraum von 39,99 auf 3,99 Euro rabattiert – eine Ersparnis von satten 90 Prozent. Viele andere in Deutschland entwickelte Spiele wie "A Year of Rain" (1,49 Euro), "Ryse: Son of Rome" (2,49 Euro), "Sea of Solitude" (4,99 Euro) "Trüberbrook" (7,49 Euro) oder "Dungeons 3" (9,80 Euro) wurden Interessierten beim Steam Summer Sale ebenfalls sprichwörtlich zu unwiderstehlichen Probierpreisen unter die Nase gerieben. Einige deutsche Publisher setzen zudem auf Bündelaktionen, bei denen selbst der größte Sparfuchs schon mal schwach werden kann. Bestes Beispiel ist auch hier wieder Daedalic Entertainment: Wer bei den Hamburgern das "The Daedalic Armageddon Bundle" kauft, zahlt für ein Paket aus elf namhaften Point'n'Click-Adventures – darunter alle "Deponia"-Teile – statt 120,99 nur 12,09 Euro.

Steam Summer Sale: Alljährliche Rabattschlacht als Verkaufs­turbo

Damit solche und andere Aktionen auch die entsprechende Sichtbarkeit und Reichweite erhalten, haben praktisch alle Publisher aus Deutschland (ausländische Publisher mit deutscher Zweigstelle nicht mit eingerechnet) bereits seit Längerem dedizierte Steam-Shop-Kanäle eingerichtet und dafür auch schon fleißig Abonnenten gesammelt. Ganz vorne mit dabei ist aktuell Daedalic Entertainment mit über 33.700 Followern, dicht gefolgt von Kalypso Media mit über 29.500 Followern. Im Vergleich mit anderen etablierten europäischen Publishern sind diese Zahlen allerdings noch deutlich ausbaufähig. Focus Home Interactive etwa bringt es auf über 67.000 Follower, Team 17 Digital auf über 83.200, THQ Nordic auf über 114.100, CD Projekt Red auf rund 337.000 und Schwergewicht Ubisoft sogar auf über 802.000.

Ausblick
Insgesamt gesehen lässt sich festhalten, dass Spiele "Made in Germany" auf Steam aktuell in erfreulich großer Zahl vertreten sind und eine treue und zunehmend wachsende Anhängerschaft um sich scharen. Gemessen an den Nutzerrezensionen der letzten 30 Tage gilt dies derzeit vor allem für Cryteks "Hunt: Showdown", den Indie-Liebling "Dorfromantik" von Toukana Interactive und die Early-Access-Version von "Police Simulator: Patrol Officers". Obwohl erst am 17. Juni 2021 für 19,99 Euro veröffentlicht, wurde Entwickler Aesir Interactive aus München für seine grafisch ansprechende Polizeisimulation bereits mit über 1.500 positiven Bewertungen bedacht – Tendenz stark steigend. Mehr und mehr deutsche Entwickler und Publisher sind jedoch auch dem Epic Games Store nicht abgeneigt und lassen sich streckenweise sogar auf Exklusivdeals ein. Ob Crytek mit "Crysis Remastered", Yager mit "The Cycle" oder Ubisoft Blue Byte mit "Anno 1800" – die deutlich niedrigere Umsatzbeteiligung im Shop der "Fortnite"-Macher dürfte in Zukunft sicherlich noch weitere deutsche Studios dazu bewegen, dasselbe zu tun. Das heiß erwartete "Elex II" von Piranha Bytes scheint dies jedoch – einigen Gerüchten zum Trotz – nicht zu betreffen. Das neue Werk der "Gothic"-Erfinder aus Essen wird auf der Valve-Plattform bereits umfangreich beworben und mit einem "Coming Soon"-Label versehen. Beste Voraussetzungen also für einen weiteren Steam-Hit "Made in Germany". (soe/bpf)

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