Gaming-Tempel für die Massen: Über die Kunst der Messestand-Konzeption

Bei der gamescom gibt es in diesem Jahr gleich zwei Auszeichnungen für die „best booth“: Einer wird von der Jury des gamescom award verliehen – und einer vom Publikum selbst. Grund genug, sich genauer anzuschauen, wie die großen Spielefirmen ihre B2C-Messestände verwirklichen: Worauf kommt es bei der Planung und Umsetzung an? Welche Botschaften sollen die Stände dem gamescom-Publikum vermitteln? Und welche Trends sind in letzter Zeit erkennbar? Darüber haben wir mit Publishern, Branchen-Experten und der Koelnmesse gesprochen.
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Anspielstationen so weit das Auge reicht: der AC-Shadows-Stand von 2024
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Manche von ihnen sehen tempelartig aus, andere wie Festungen, wieder andere wie Kirmes-Fahrgeschäfte oder Freizeitpark-Attraktionen: Die Stände in der Entertainment Area der gamescom sollen Publikumsmagnete sein – und setzen dafür auf spektakuläre Inszenierung. Wie viel Grips und Fleiß in den gigantischen B2C-Arenen steckt, können die gamescom-BesucherInnen nur erahnen.

Originalität und Fanbindung
Dass diese Entertainment-Trutzburgen für Erfolg oder Misserfolg eines Messeauftritts zumindest mitentscheidend sind, macht der gamescom award in diesem Jahr besonders deutlich: Auszeichnungen für die „best booth“ werden sowohl von einer Fachjury wie auch vom Messepublikum selbst verliehen. „Ausgezeichnet wird der Stand, der durch Originalität, Innovation und Liebe zum Detail überzeugt“, heißt es beispielsweise zum Jury-Award. „Prämiert wird ein Stand, der im Zusammenspiel von Konzept, Gestaltung und kreativer Umsetzung besonders heraussticht.“ Und weiter: „Auch die Nachhaltigkeit als Kriterium kann mit einfließen.“ Ähnlich klingt die Beschreibung des Publikums-Awards, nur dass hier zusätzlich Faktoren wie „Größe“ und „Fanbindung“genannt werden – und dafür Kriterien wie „Nachhaltigkeit“ nicht vorkommen.

Nun, im allgemeinen gamescom-Trubel werden BesucherInnen wohl kaum mit Notizblock und Voice-Recorder durch die Gegend tigern, um sich akribisch die Vor- und Nachteile einer jeden AAA-Booth zu notieren. Die meisten von ihnen werden sich im Flow durch die Hallen schieben und darauf hoffen, an die begehrten Anspielstationen zu gelangen, ohne dafür stundenlang anstehen zu müssen. Gleichwohl bleiben am Ende jeder gamescom Erinnerungen an besonders imposante Messeauftritte zurück – und auch an die Details eines jeden Booth-Besuchs.

 

Weit mehr als nur ein paar Spielstationen mit Bannern

 

Gewaltiger Aufwand
Genau diese bleibenden Erinnerungen sind es, auf die Publisher und Entwickler abzielen. Die Firmen betreiben gewaltigen Aufwand, um ihre Neuerscheinungen und Dauerbrenner in den Hirnen der BesucherInnen zu verankern. Um aber einen solchen Auftritt planen zu können, ist dessen Basis-Definition ganz hilfreich. „Ein AAA-Messestand auf der gamescom ist weit mehr als nur ein paar Spielstationen mit Bannern“, sagt Marcel Jung, Director Marketing & Communication CEE bei ZeniMax / Bethesda Softworks. Der Stand müsse in erster Linie die Marke erlebbar machen: visuell, atmosphärisch und interaktiv. „Das bedeutet: Er soll auffallen, Emotionen wecken und den Besucher wortwörtlich in die Spielwelt eintauchen lassen“, erläutert Jung. „Gleichzeitig muss er aber auch ganz praktische Dinge leisten, etwa einen reibungslosen Spielbetrieb, gute Besucherführung und natürlich Sicherheit bei großem Andrang. Wenn man so will, ist ein guter Messestand ein Mix aus Freizeitpark, Filmkulisse und professionellem Showroom.“

Wie genau der oder die ZeniMax-Stände auf der gamescom 2025 aussehen, ist natürlich ein streng gehütetes Geheimnis – schließlich gehört es mit zum Messe-Brimborium, die Spannung und Vorfreude bei den Fans zu schüren. Laut Vorankündigung wird Bethesda dieses Jahr im Xbox-Bereich mit Indiana Jones und der Große Kreis vertreten sein – und da ganz konkret mit dem DLC The Order of Giants. Dass man sich dabei präsentationstechnisch nicht lumpen lassen wird, ist naheliegend – schließlich hat ZeniMax auch im vergangenen Jahr ordentlich was aufgefahren, unter anderem mit gigantischen Ständen zu Indiana Jones und zur Starfield-Erweiterung Shattered Space. Worauf aber kommt es bei der Konzeption eines solchen Messestands an? „Es beginnt mit einer klaren Zielsetzung“, berichtet Marcel Jung: „Was wollen wir erreichen? Größte Aufmerksamkeit für unsere neuen Titel? Community-Bindung? Medienpräsenz? Strahlkraft nach außen? Davon hängt ab, wie wir den Stand konzipieren und welche Elemente eingebunden werden.“ Ganz wichtig sei auch das Storytelling, so der Marketing-Experte: Der Stand solle nicht einfach nur nach Spiel XY aussehen, sondern sich anfühlen wie ein echtes Level aus dem jeweiligen Spiel. „Und dabei denken wir gleich mit, wie das Ganze auf Social Media wirkt, denn viral ist heute fast genauso wichtig wie vor Ort“, ergänzt Jung.

Schritt für Schritt
Bei der konkreten Umsetzung gibt es dann bestimmte Etappenziele, die sich im Lauf der Jahre bewährt haben. „Das Allererste, was wir angehen, ist die Buchung unseres Hotelkontingents für das folgende Jahr“, sagt Jung. „Da haben wir gleich nach der Abreise schon die Konditionsgespräche.“ Die eigentliche Planung des Messestands beginne meist ein halbes Jahr vor dem Event: Zu diesem Zeitpunkt habe man bereits eine Vorstellung davon, welche Titel zur Messe vorgestellt würden – und wie viel Budget man dafür einplanen könne. „In Koordination mit den KollegInnen von Xbox und den Partnern schauen wir, wo und wie wir die Titel gemäß unserer Zielsetzung am besten eingebunden bekommen“, erläutert Jung. „Der beauftragte Messebauer beziehungsweise die Event-Agentur startet dann in die Konzeption.“ Die Freigaben aller Stakeholder lägen meist bis Mai vor – was aber nicht bedeute, dass es nicht noch bis zur letzten Minute Änderungswünsche geben könne. „Am Ende fließt alles in einen detaillierten Ablaufplan – vom Aufbau bis zur letzten Schraube“, berichtet der Experte. „Und man glaubt kaum, wie viel Logistik und Organisation hinter so einem Stand und jeder einzelnen Person, die hier arbeitet, steckt – da darf nichts schiefgehen.“ Es helfe einfach sehr, ein eingespieltes Team hinter sich zu haben.

Über die Jahre hinweg eingespielt ist auch das, was die Koelnmesse den gamescom-Ausstellern an Services zur Verfügung stellt. Man biete umfassende Unterstützung bei der Standplanung und -gestaltung, sagt Christoph Werner, Mitglied der Geschäftsleitung / Geschäftsbereichsleiter Messemanagement. Das Angebot reiche von der individuellen Beratung über die Auswahl geeigneter Flächen bis hin zur Bereitstellung technischer und infrastruktureller Lösungen. „So stellen wir etwa maßgeschneiderte Dienstleistungen wie Standbaupakte, Technik und Medientechnik sowie Unterstützung bei Genehmigungen bereit“, sagt Werner. „Zudem können Ausstellende von unserem breiten Partnernetzwerk profitieren, das spezialisierte Unternehmen für alle Aspekte des Standbaus umfasst.“

Komplexe Logistik
Einer der Services ist das sogenannte eSlot-System, das die Anlieferlogistik auf dem Messegelände optimiert. „Speditionen und Ausstellende buchen vorab feste Zeitfenster für Anlieferungen, wodurch Staus, Wartezeiten und Überlastungen an den Toren vermieden werden“, preist Werner das System. So ermögliche eSlot eine geregelte, planbare Zufahrt, erhöhe die Sicherheit auf dem Gelände und verbessere die Effizienz der Auf- und Abbauprozesse. „Es entlastet nicht nur die Verkehrsinfrastruktur“, wirbt der Messe-Manager, „sondern trägt auch zur Nachhaltigkeit durch geringeren Leerlauf von Lkw bei“. Weil das Logistiksystem so komplex ist, hat die Koelnmesse unter anderem Kurzdokumentation produziert – sie ist auf Youtube unter „Koelnmesse eSlot Erklärfilm“ zu finden.

 

Steigungen nicht über zehn Prozent

 

 

Ähnlich komplex wie die Logistik sind die Guidelines und Vorschriften, die es für den eigentlichen Standbau gibt. Bekanntlich dürfen auf der gamescom die USK-18-Inhalte nur volljährigen BesucherInnen gezeigt werden: Die Stände müssen folglich so konstruiert sein, dass nicht zufällig ein minderjähriger Spielefan einen Blick auf die „erwachsenen“ Inhalte erhascht ...

Klare Regeln gibt es auch beim Thema Barrierefreiheit. „Mit der Anmeldung verpflichten sich alle Ausstellenden beispielsweise dazu, einen stufenlosen Zugang zur Standfläche zu schaffen und Steigungen nicht über zehn Prozent anzulegen“, erläutert Christoph Werner. Beim Thema Warteschlangen-Management greift die Koelnmesse den Standbetreibern derweil unter die Arme – nämlich mit dem „digitalen Warteschlangensystem“. Mit dem System können Fans laut Werner bequem einen Slot einer Anspielstation buchen. Ziel sei, die Qualität des Besuches auf der gamescom für die Community „noch weiter“ zu erhöhen.

Eine Platzfrage
Das Crowd Management ist auf der gamescom durchaus noch optimierbar – dies zeigen die Erfahrungen der letzten Jahre (vgl. IGM 10/2024). Dabei geht es nicht nur darum, die Besuchermassen reibungsarm durch die Gänge und Hallen zu schleusen – sondern eben auch darum, die Wartezeiten an den Messeständen selbst zu reduzieren. Branchenkenner und Spielefachmann Joachim „Onkel Jo“ Hesse findet es wichtig, dass einem ganz bestimmten Trend entgegengewirkt wird: „Dass es immer voller und enger wird.“ Das zu verhindern sei natürlich vorwiegend die Aufgabe einer ordentlichen Messeplanung mit sinnvoller Besucherführung, betont Hesse. „Aber auch Standbetreiber sollten berücksichtigen, dass die Menschen sich nicht in Luft auflösen – und dass sie an einem Samstag mehr sehen möchten als die verschwitzten Rücken anderer Besucherinnen und Besucher.“ Ein absolutes No-go ist für Hesse, wenn Standbetreiber die Lautstärke nicht unter Kontrolle haben. „Ein zu lauter Stand, an dem man sein eigenes Wort nicht mehr versteht, fällt zwar auf“, sagt Hesse. „Am Ende bleibt er aber negativ in der Erinnerung hängen. Respekt vor Besuchenden und umliegenden Ständen sollte groß geschrieben werden.“

Im vergangenen Jahr hielt sich Hesse vor allem in Halle 10 auf: Logisch, denn dort kümmerte er sich um den Messestand von BASF Gaming. „Dort haben mir einige Stände gut gefallen“, so der Experte. „Meistens lag das an netten Präsentatoren, interessanten Spielen und Aktionen vor Ort.“ Er selbst habe auch an ein paar Wettbewerben teilgenommen und am Ende bei einem Flipper einen Mini-Pokal gewonnen – und bei einem Indie-Spiel ein „lustiges Handtuch“. BASF Gaming habe auch einigen Indie-Entwicklern die Möglichkeit gegeben, ihre aktuellen Werke vorzuführen, berichtet Hesse. „Dass man sich dabei auf Hockern ausruhen konnte, mag vielleicht nur als kleines Detail erscheinen. Doch ich finde,  gerade solche Kleinigkeiten sind für den Gesamterfolg eines Stands wichtig.“

Viele Details
Was die Firmen grundsätzlich mit ihren gamescom-Ständen erreichen wollen, kann laut Hesse variieren. „Das kann zum Beispiel sein, ein bestimmtes Spiel bekannt zu machen oder Besucherinnen und Besuchern generell eine Marke näher zu bringen.“ Aus seiner Sicht kommt es meist darauf an, für alle ein angenehmes Erlebnis zu schaffen. „Das geht durch tausend Sachen“, erläutert „Onkel Jo“: „Auf einer Messe sind plakative Aktionen und kleine Bestechungen am Ende vermutlich nachhaltiger als der Versuch, tiefgreifende Gespräche zu führen.“ Die Anbieter müssten für ihre Inhalte schlichtweg Aufmerksamkeit erzeugen, so der Branchen-Beobachter. „Dafür sollten alle Zahnräder sinnvoll ineinander greifen. Wenn das gelingt, hast du gewonnen. Falls du nichts bietest, war dein Stand am Ende nutzlos.“

Wie man einen spektakulären Auftritt gestaltet, hat im vergangenen Jahr Ubisoft gezeigt: Der knallrote, haushohe Messestand zu Assassin’s Creed Shadows war einer der Blickfänger der gamescom 2024. „Ein starker Auftritt beginnt mit einem klaren und wiedererkennbaren Branding“, sagt Niko Meves, Senior Project Manager, Central Europe Ubisoft. „Für uns als Publisher ist es entscheidend, dass Fans schon von Weitem erkennen, wo sie ihr Lieblingsspiel erleben können. Doch ein Messestand ist weit mehr als ein Ort der Präsentation – er ist eine Erlebniswelt.“  Ziel von Ubisoft sei es, die BesucherInnen vollständig in die Welt des Spiels eintauchen zu lassen. „Das gelingt durch detailverliebtes Stand-Design, eine immersive Klangkulisse, stimmige Promotor-Outfits und kreative, hochwertige Give-aways“, erläutert Meves. Idealerweise erzeuge ein solches Goodie Begehrlichkeit, so der Projekt-Manager: „Es soll andere BesucherInnen dazu bringen zu fragen: ‚Wo hast du das her?‘“

Hands-on enorm wichtig
Neben der Inszenierung hält Meves auch ein effizientes Besucher-Management für unabdingbar. Ubisoft stelle etliche Anspielstationen zur Verfügung, um möglichst vielen BesucherInnen einen echten Kontakt mit dem Spiel zu ermöglichen. Nicht zuletzt spiele der Content eine zentrale Rolle, betont Meves: „Eine spielbare Demo hinterlässt in der Regel einen nachhaltigeren Eindruck als eine passive Präsentation. Ist Letzteres die einzige Option, sollte diese unbedingt live und idealerweise von den Entwicklern selbst begleitet werden – so entsteht Nähe und Glaubwürdigkeit.“ Man darf davon ausgehen, dass Ubisoft das unter anderem auch beim diesjährigen gamescom-Titel Anno 117: Pax Romana so handhaben wird.

Am Beginn der Planungsphase steht bei Ubisoft eine klare Fragestellung: „Was möchten wir zeigen – und welche Erinnerung sollen BesucherInnen mit nach Hause nehmen?“ Aus diesen Inhalten ergebe sich dann alles Weitere, so Meves. „Ob Neuheiten mit USK-Freigabe, Hands-On-Demo oder Kino-Präsentation – jede Option bringt eigene Anforderungen mit sich“, berichtet der Ubisoft-Mann. „Gerade bei Inhalten ab USK 16 oder 18 ist etwa ein Sichtschutz unerlässlich. Zudem beeinflussen Aspekte wie Geräuschpegel, Besucherführung, Wärmeentwicklung, Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit das Gesamtkonzept.“ Diese Faktoren seien maßgeblich dafür, wie ein Stand am Ende aussehe und funktioniere. Doch wie sehen bei Ubisoft die konkreten Umsetzungsschritte aus? „Der Satz mag abgedroschen klingen, trifft aber den Kern: Nach der Messe ist vor der Messe“, sagt Meves. Eine erfolgreiche Planung beginne mit einem klaren Zeitplan, nämlich idealerweise direkt nach der letzten Veranstaltung. Rückblick und Selbstkritik sind dabei essenziell, betont Meves: „Was hat gut funktioniert? Wo gab es Schwachstellen? Was war bei anderen besonders innovativ?“ In nächsten Schritt folgen dann bei Ubisoft interne Abstimmungen; besonders intensiv tausche man sich mit den Entwicklerstudios über Content, Timings und Zielgruppen aus. „Parallel beginnt die Auswahl passender Dienstleister: von der Kreativagentur über Standbauer bis zu technischen Gewerken“, berichtet Meves. „Ein strukturierter Ablaufplan mit klaren Deadlines, regelmäßigen Status-Meetings und transparentem Projektmanagement ist Voraussetzung dafür, dass alle Beteiligten effizient zusammenarbeiten können.“

Mehr Interaktivität
Bei der Gestaltung der Messestände hat Meves mehrere Trends ausgemacht. Einer davon sei der Wechsel von reinen Show-Bühnen hin zu interaktiven Erlebnissen. „Fans wollen spielen, nicht nur zuschauen“, so der Experte. „Hands-On steht im Vordergrund – klassische Bühnenshows verlieren an Bedeutung, wenn sie kein exklusives Erlebnis bieten.“ Zudem rücke Social Media immer stärker in den Fokus, beobachtet Meves: „Hashtag-Walls, TikTok-Spots und inszenierte Photo-Opportunities sind längst integraler Bestandteil eines durchdachten Standkonzepts. Sichtbarkeit endet nicht am Hallenrand – sie beginnt dort erst richtig.“ Als wichtigen Trend sieht der Ubisoft-Planer auch das Thema Nachhaltigkeit. Wiederverwendbare Bauelemente, modulare Systeme und klimafreundliche Materialien seien heute genauso relevant wie etwa Barrierefreiheit und Inklusion. Auch diese würden in der Standplanung zunehmend mitgedacht, etwa durch barrierefreie Pod-Konstruktionen, adaptive Controller oder Dolmetsch-Services. „Ein weiteres zentrales Thema ist Security und Crowd Management“, berichtet Meves. „Bei wachsenden Besucherzahlen wird es immer wichtiger, smarte Wegeführung, Wartebereiche und Exit-Strategien mitzudenken – möglichst so, dass BesucherInnen davon gar nichts merken.“

Marcel Jung von ZeniMax sieht als Haupttrend der letzten Jahre das immersive Erlebnis. Messestände seien nicht nur eine Spielstation, „sondern eine ganze Spielwelt zum Anfassen“. Dafür, sagt Jung, kämen mittlerweile sehr aufwendige Kulissen, Sounds und Licht zum Einsatz. „Ein anderer Trend ist klar der Fokus auf Creator“, so der Experte. „Viele Publisher bauen eigene Bereiche für Streamer oder integrieren Live-Studios direkt in den Stand, um die Reichweite der Messe auch nach außen zu verlängern.“ Ähnlich wie Branchenkollege Meves sieht auch Jung die Nachhaltigkeit als einen der wichtigsten Trends: Bethesda beispielsweise nutze wiederverwendbare Bauelemente und modulare Systeme – und betreibe CO2-Ausgleich mit seiner Doom-Wood-Kampagne.

 

Eine ganze Spielwelt zum Anfassen

 

Roundtables mit Entwicklern
Fragt man ihn nach besonders denkwürdigen und spektakulären Messeauftritten der letzten Jahre, hat Marcel Jung einige Beispiele parat. „Wir freuen uns immer, auf der gamescom mit unseren Spielern zusammenzukommen, daher haben wir immer schon einen großen Fokus darauf gesetzt, Kontaktschwellen abzubauen“, sagt er. Dafür biete man auch im B2C-Bereich Roundtables mit den Entwicklern an – vor allem für Elder Scrolls Online, das eine sehr engagierten Community habe. „Auch unser Livestream-Programm mit dem ‚Bethesda Mainstream‘ ist schon seit vielen Jahren auf der gamescom zu Gast“, freut sich Jung. „Wir haben auch in den Corona-Jahren den Kanal weiter genutzt, um in Kontakt zu bleiben und die Messe virtuell zu repräsentieren.“ Immer wieder habe man spannende Gäste vor Ort, die auch mal hinter die Kulissen der Spieleentwicklung blicken ließen. „Oder wir lassen die SpielerInnen selbst zu Wort kommen und ihre Projekte innerhalb unserer Spielwelten vorstellen“, berichtet Jung. „Sei es Cosplay, Modding oder auch mal einen Speedrun in Doom.“ Als besonderes Highlight nennt Jung den Besuch der ISS-Kommandantin Samantha Cristoforetti auf dem Starfield-Stand der gamescom 2023. „Samantha konnte unserem Starfield-Publikum die Faszination des Weltalls hautnah vermitteln.“

Hands-On-Sessions oder Kino-Präsentationen zählen für Jung zu den weiteren Highlights am Messestand. Das Anstehen lohne sich immer, „nicht nur, weil es tolle Eindrücke zu neuen Titeln gibt, sondern auch, weil wir uns gerne noch ein schönes Geschenk für die Besucher ausdenken“. Der ZeniMax-Manager findet es „beeindruckend, wenn einem auf der Messe sehr viele Indiana-Jones-Fans im Fedora begegnen oder Fallout-Spieler mit einer VaultBoy-Maske“. Als „berühmt-berüchtigt“ bezeichnet er das Meet & Greet, das ZeniMax in den vergangenen Jahren gemeinsam mit Gronkh und seiner Community ausgerichtet hat. „Ganz am Anfang wurden wir hier noch überrannt und waren vom Enthusiasmus der Fans überwältigt“, erzählt Jung amüsiert. „Doch mit den Jahren hatten wir den Dreh raus und eine perfekte Ablauforganisation choreographiert – bis hin zu Verpflegung, Sonnencreme oder Regenschirmen für diejenigen, die teilweise bis zu sechs Stunden anstanden, um ihrem Idol nahe zu sein.“

Wartezeiten überbrücken
Niko Meves von Ubisoft hat ebenfalls tolle Erinnerungen an die letzten gamescom-Jahre parat. „2022, beim ersten physischen Auftritt nach der Corona-Pause, haben wir einen eigenen Community-Bereich geschaffen – einen Ort für Meet & Greets und direkten Austausch“, erzählt er. „Die Resonanz war überwältigend, der Bereich war stets gut besucht.“ 2024 habe man mit Star Wars Outlaws erstmals eine klassische Hands-On-Zone mit einer dedizierten Zuschauerfläche kombiniert, berichtet Meves. Auf diesem Weg hätten die BesucherInnen das Spiel erleben könnten, ohne selbst zu spielen: „Eine elegante Lösung, um Wartezeiten zu überbrücken und trotzdem Teil der Experience zu sein.“ Als weiteres Highlight nennt der Ubisoft-Mitarbeiter den Fotospot im vergangenen Jahr: „Ein ikonischer Rooftop-Nachbau aus Assassin‘s Creed Shadows, der nicht nur Cosplayer magisch anzog, sondern auch durch die Zusammenarbeit mit dem bekannten Cosplay-Fotografen eOS Andy eine große digitale Reichweite erzielte.“

Ein Auftritt auf der gamescom ist für Meves immer ein Highlight. Wenn am Sonntagabend nach Hallenschluss der Abbau starte, sei man immer wieder stolz, was das Team hier erreicht habe – „und gleichzeitig fasziniert, welche Menschenmassen über die Messetage diesen Stand besucht haben“. Wir dürfen gespannt sein, welche Gaming-Tempel die Spielefirmen für die diesjährige gamescom errichten. (Achim Fehrenbach)

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