
Die Empörung war gewaltig: Am 19. Juni erschien die mit Spannung erwartete Fußballsimulation Rematch für PS5, Xbox Series X/S und PC. Doch das Crossplay-Feature, das vom Entwicklerstudio Sloclap versprochen worden war, fehlte zum Start des Early Access – wobei Sloclap das Fehlen erst wenige Stunden vor dem Spielstart kommunizierte. In den Foren schäumten die User, auf Steam hagelte es Daumen-runter-Reviews, und das Magazin Polygon schrieb: „Da Rematch ein Online-Team-Erlebnis ist, ist es nur natürlich, dass Spieler Crossplay erwarten, um sich mit ihren Freunden plattformübergreifend zusammenzuschließen.“ Schlimmer noch: Es gebe aktuell keinen konkreten Termin, an dem das Feature nachgereicht werde.
Öffentlicher Kniefall
Sloclap streute sich derweil Asche aufs Haupt: „Wir verstehen, dass viele von euch sich darauf gefreut haben, Rematch von Anfang an plattformübergreifend spielen zu können“, hieß es im Firmenblog. „Wir haben unser Bestes getan, um Crossplay direkt zum Start zu ermöglichen, aber Rematch ist der erste Titel unseres Studios mit Crossplay, und wir sind auf unvorhergesehene technische Herausforderungen gestoßen, die es uns unmöglich gemacht haben, diese Funktion rechtzeitig fertigzustellen.“ Sloclap schrieb weiter, man hätte das Ganze sofort kommunizieren sollen, als es absehbar gewesen sei. „Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten und die Frustration, die dies bei einigen unserer Spieler verursacht hat.“
Inzwischen hat sich Rematch weit über eine Million Mal verkauft. Und – dank der Präsenz im Xbox Game Pass – mehr als drei Millionen SpielerInnen angezogen. Ganz so schlimm kann das Fehlen des Crossplay-Features also nicht sein, möchte man denken. Doch wie beliebt wäre Rematch wohl geworden, wenn User schon ab Day One plattformübergreifend hätten spielen können? Sloclap hat mittlerweile angekündigt, das Feature „spätestens im September“ nachreichen zu wollen. Womöglich lässt sich der Image-Schaden also noch reparieren. Das Beispiel zeigt: Bei klar auf Online-Multiplayer ausgerichteten Titeln wird Crossplay heutzutage von den Fans meist erwartet. Bei vielen AAA-Titeln ist Crossplay längst Standard: Es gibt das Feature unter anderem bei EA Sports FC, Split Fiction, Rainbow Six Siege, Minecraft, Fortnite, Apex Legends, Diablo IV, Helldivers 2, Call of Duty und For Honor. Wer diese Spiele besitzt, kann mit Freunden und Unbekannten häufig plattformübergreifend zwischen PC, PS5 und Xbox Series X/S zocken, teilweise sogar mit Leuten, die auf Mobilplattformen unterwegs sind. Nintendo kocht meist noch sein eigenes Süppchen, allerdings gibt es auch auf den Switch-Konsolen einige Crossplay-Titel, etwa Fortnite, Rocket League und Minecraft. Wird Crossplay also immer mehr zum Must-have?
Technische, logistische und monetäre Hürden
Hürden vorhanden
Die Antwort auf diese Frage ist dann doch deutlich komplexer, als es auf den ersten Blick scheint. Nach wie vor gibt es technische, logistische und monetäre Hürden, und längst nicht jedes Multiplayer-Game eignet sich – Stichwort: Steuerung – für ausgeglichenes Crossplay. Wir haben mit mehreren Entwicklern gesprochen, warum sie sich für Crossplay entschieden haben und welche Hindernisse es dabei zu überwinden galt. Zunächst aber wollten wir von einem Multiplayer-Experten wissen, wie er die Entwicklung des Crossplay-Features in den letzten Jahren sieht. Nicholas Puleo betreibt das Online-Portal co-optimus.com, auf dem er tausende Koop-Games vorstellt und bewertet. „Etwas mehr als ein Drittel der Games unterstützt plattformübergreifendes Spielen“, sagt Puleo mit Blick in seine Datenbank. „Der Großteil dieser Titel stammt aus den letzten fünf Jahren.“ 2017 sei allerdings das stärkste Jahr gewesen, damals seien mehr als 400 Games mit Crossplay erschienen. „Leider scheint der Trend inzwischen etwas abzunehmen“, beobachtet Puleo. Besonders überzeugt haben ihn zuletzt die Crossplay-Titel Monster Hunter Wilds und Warhammer: 40K Space Marine 2. „Games, bei denen man kaum merkt, dass man mit jemandem auf einer anderen Plattform spielt, machen das in der Regel am besten“, so der Experte. Dank leicht zugänglicher Engines wie Unity und Unreal sollte Crossplay heute eigentlich selbstverständlich sein, sagt Puleo. „Diese Engines unterstützen die Funktionalität nativ, mit nur moderatem Zusatzaufwand. Die größten Herausforderungen liegen meist in der Logistik – also darin, sicherzustellen, dass Updates nach dem Launch plattformübergreifend kompatibel bleiben.“
Einen gewissen Zusatzaufwand bringt Crossplay also durchaus mit sich – aber es hat auch klare Vorteile, sonst würden die Firmen es ja nicht anbieten. „Der Nutzen von Crossplay zeigt sich besonders, wenn die User Base langsam zurückgeht“, sagt Puleo. „Durch die gebündelte Nutzerbasis mehrerer Plattformen bleibt der Multiplayer-Modus in solchen Fällen länger am Leben.“ Gerade für Indie-Games mit Online-Funktion ist es auch wichtig, überhaupt genügend User hinter dem Spiel zu vereinen. „Crossplay ist von großer Bedeutung für uns“, sagt Jan Bubenik, Co-Founder und Co-CEO des Berliner Studios Megagon Industries. Die Firma landete 2019 mit Lonely Mountains: Downhill einen Indie-Hit; Anfang 2025 veröffentliche sie mit Lonely Mountains: Snow Riders ein Sequel mit Crossplay-Funktion. „Lonely Mountains: Snow Riders kann mit bis zu acht SpielerInnen online gespielt werden“, erläutert Bubenik. „Für eine optimale Spielerfahrung sollten also zu jedem Zeitpunkt des Tages mindestens acht SpielerInnen eine neue Tour starten wollen.“ Dafür wiederum brauche es eine riesige Menge an Usern – was besonders für ein Indie-Game eine große Herausforderung sei. „Hier ist Crossplay natürlich eine immense Hilfe, weil so beispielsweise auch Steam-SpielerInnen von der großen Community auf Xbox Game Pass profitieren“, betont Bubenik. „Da Snow Riders auch gemeinsam im Team gespielt werden kann, war es uns auch wichtig, dass Freundesgruppen über verschiedene Plattformen hinweg zusammen spielen können.“
Simultan-Simulation
Bubenik erzählt, worauf es bei der Umsetzung von Crossplay ankam. „Die eigentliche Netzwerk- beziehungsweise Multiplayer-Logik ist plattformunabhängig“, sagt er. „Es ist aber wichtig, dass alle Plattformen dieselbe Anzahl an Simulationsschritten pro Sekunde berechnen können, um lokal die gleichen Ergebnisse zu erhalten.“ Jede Plattform habe spezifische Anforderungen, die man als Entwickler einhalten müsse, so der Experte. Viele dieser Vorgaben seien für Snow Riders aber irrelevant gewesen, weil das Spiel weder Ingame-Käufe noch einen Voice- oder Text-Chat biete. (Die Spielenden kommunizieren über Emotes.) Eine der größten Herausforderungen sei gewesen, den Aufwand in der Umsetzung überschaubar zu halten, so Bubenik. „Vor allem im Hinblick auf eine langfristige Weiterentwicklung des Spiels auf allen Plattformen – sowie auf deren Dokumentation für die Zertifizierungsprozesse der Plattformen.“
Dieselbe Anzahl an Simulationsschritten pro Sekunde
Ob ein Spiel Crossplay anbieten kann, hängt logischerweise zunächst von seiner Multiplatform-Tauglichkeit ab. Kaum jemand kennt sich mit diesem Thema besser aus als Christof Wegmann, Gründer und CTO von Photon Engine aus Hamburg. „Photon Engine ist die weltweit führende unabhängige Realtime-Multiplayer-Lösung für Online-Spiele – von Indie-Projekten bis zu AAA-Blockbustern“, sagt er. „Unsere Technologie unterstützt alle gängigen Genres und Plattformen und ermöglicht Entwicklern, Multiplayer-Features schnell, skalierbar und zuverlässig umzusetzen.“ Wegmann zufolge erreichen die Photon-Engine-Kunden mit ihren Spielen derzeit mehr als 1,5 Milliarden monatlich aktive SpielerInnen weltweit; mehr als eine Millionen Entwickler seien inzwischen bei Photon registriert. Die SDKs unterstützen laut Wegmann Exports auf alle gängigen Plattformen (PC, Konsole, Mobile, Web, VR, XR AR) – und auch das Crossplay zwischen diesen Plattformen.
Unterschiede zu Mobile
Dass Spiele portiert werden, ist quasi die Grundvoraussetzung für Crossplay. Doch zwischen welchen Plattformen ist eine Portierung überhaupt machbar und sinnvoll? Zwischen PC und Konsole sieht Wegmann keine großen Hindernisse: „Die technischen Anforderungen sind hier oft ähnlich.“ Allerdings gebe es durchaus Unterschiede bei der Hardware, den Plattform-Richtlinien (Xbox, PlayStation, Nintendo) und den Zertifizierungsprozessen. Bei Portierungen zwischen PC/Konsole auf der einen und Mobile-Plattformen auf der anderen Seite sei die Sache schon etwas komplexer, so Wegmann. Denn: „Für Mobile Games sind meist eine andere Steuerung, gezielte Performance-Optimierungen und oft auch ein anderes Geschäftsmodell nötig – zum Beispiel dominiert dort Free2Play.“ Ein direkter Port von PC/Konsole auf Mobile sei selten erfolgreich, so der CTO. „Meist braucht es Anpassungen oder sogar ein eigenständiges Konzept.“ Beim Multiplayer-Hit Stumble Guys, der mit Photon läuft, wurde beispielsweise ein Mobile-First-Ansatz gewählt. Ein Spiel, das auf PC/Konsole und im Web erscheinen solle, sei nur mit einem Web-First-Ansatz realisierbar, so Wegmann.
Viele technische Crossplay-Hindernisse würden von den Photo-SDKs bereits „out of the box“ überwunden, berichtet der CTO. Photon biete State-of-the-Art-Netcode und moderne Multiplayer-Technologien, die von allen gängigen Plattformen unterstützt würden. Nicht alle Herausforderungen seien jedoch rein technisch lösbar: „Was sich mit Software nicht ausgleichen lässt, sind die teils gravierenden Unterschiede bei Hardware-Leistung – zum Beispiel Mobile vs. PC vs. Browser – sowie bei der Bedienung, also mit Controller, Tastatur beziehungseise Maus oder Touchscreen. Hier müssen Gameplay-Design und Balancing jeweils individuell angepasst werden.“ Ziel seiner Firma ist laut Wegmann, alle technischen Hürden für Crossplay zu minimieren, um Entwicklern die volle Konzentration auf das Spielkonzept zu ermöglichen. „Die Unterschiede zwischen den Plattformen selbst erfordern aber weiterhin kluge Design-Entscheidungen.“
Kluge Design-Entscheidungen
Mit Crossplay gegen Brände
Eine Firma, die konsequent auf Crossplay setzt, ist astragon Entertainment aus Düsseldorf. Am 9. September wird sie das Spiel Firefighting Simulator: Ignite veröffentlichen – und zwar mit Crossplay zwischen PS5, Xbox Series X|S und PC. Bis zu vier SpielerInnen können dann im Crossplay gemeinsam Bränden bekämpfen, dabei lassen sich alle Plattformen frei kombinieren. „Es ist uns ein zentrales Anliegen, Spielerinnen und Spieler in unseren Simulationsspielen zusammenzuführen und ihnen gemeinsame Spielerlebnisse zu ermöglichen“, sagt Co-CEO Tim Schmitz. Aus diesem Grund besäßen nahezu alle astragon-Titel neben einem Multiplayer-Modus auch Crossplay oder andere plattformübergreifende Funktionen. „Gerade bei einem kooperativen Titel wie Firefighting Simulator: Ignite, bei dem die Zusammenarbeit innerhalb des Teams entscheidend ist, ist Crossplay eine ideale Ergänzung“, betont Schmitz. „Es eröffnet uns die Möglichkeit, noch mehr Menschen aus unserer Community miteinander zu verbinden, unabhängig von der Plattform.“
Das gilt wie gesagt auch für andere astragon-Titel. Zu den Crossplay-Games des Publishers zählen neben Ignite auch sein Vorgänger, Firefighting Simulator: The Squad, sowie der Bau-Simulator, Bus Simulator 21 Next Stop und auch Police Simulator: Patrol Officers. „Die konstant positiven Rückmeldungen aus der Community zeigen uns, dass Crossplay unsere Simulationen bereichert und das gemeinsame Spielerlebnis erweitert“, freut sich Schmitz. „Dieses Feedback bestärkt uns darin, Crossplay auch in Zukunft weiter in unsere Titel zu integrieren.“
Immer häufiger als Standard wahrgenommen
Eine Frage des Timings
Beim neuen Titel Firefighting Simulator: Ignite ist das Crossplay durchaus eine technische Herausforderung. Dies hänge damit zusammen, dass das Timing in dem Spiel ein besonders wichtiger Faktor sei, so Schmitz: „Personen müssen schnell gerettet und Brände rasch unter Kontrolle gebracht werden.“ Das Spiel simuliere komplex und detailliert Flammen, Rauch und Hitzeverteilung, was nicht nur optisch ansprechend sei, sondern auch zentral für das Gameplay. Den Entwicklern sei es besonders wichtig gewesen, „dass Multiplayer-Sitzungen sowohl plattformintern als auch plattformübergreifend jederzeit synchron laufen“, sagt Schmitz. „Dadurch lassen sich spielerische Nachteile vermeiden.“ Firefighting Simulator: Ignite bietet zudem die Möglichkeit, auf Steam und in der Epic-Games-Store-Version eigene Missionen zu modden und via mod.io plattformübergreifend mit anderen zu teilen. „Ein wichtiges Entwicklungsziel war es daher, sicherzustellen, dass die von der Community erstellten Mods auf allen Plattformen reibungslos laufen“, erläutert Schmitz. „Egal, welche Plattformen dabei kombiniert werden.“
Ist Crossplay also inzwischen ein Must-have, wie so mancher Spielefan das fordert? Aus Sicht von Schmitz sollte nach wie vor fallbezogen entschieden werden, ob Crossplay Sinn macht oder nicht. Speziell die Unterschiede in der Steuerung – per Maus/Tastatur oder per Controller – könnten zu sehr unterschiedlichen Spielerlebnissen führen. „Das Shooter-Genre ist hierfür ein typisches Beispiel, bei dem Crossplay unter Umständen weniger geeignet sein kann“, sagt Schmitz. „Gleichzeitig erwarten viele Spielerinnen und Spieler heute, dass Titel plattformübergreifend verfügbar sind – und dass sie diese unabhängig von ihrer Hardware gemeinsam spielen können.“ Mit der Weiterentwicklung der Plattformen rückt dieser Anspruch immer mehr in den Fokus, so Schmitz: „Plattformübergreifende Funktionen werden immer häufiger als Standard wahrgenommen.“ Für Jan Bubenik von Megagon Industries ist Crossplay bei Snow Riders „ganz klar ein Must-have – und wir werden auch in Zukunft versuchen, Crossplay in unsere Spiele einzubauen“. (Achim Fehrenbach)