IGM: Herr Üslük, Logitech wird noch in diesem Jahr die CO2-Bilanz auf Produkten – beginnend mit Gaming-Peripherie – ausweisen. Was genau bedeutet das für den Verbraucher?
Rico Üslük: Logitech geht mit der Ausweisung des CO2-Fußabdrucks einen großen Schritt, um das Pariser Abkommen und das ehrgeizige 1,5-Grad-Ziel zu unterstützen. Damit ermöglicht Logitech Kundinnen und Kunden eine nachhaltig-orientierte Kaufentscheidung, in die der Kohlenstoffausstoß des Produktes während seiner gesamten Lebensdauer einfließt. Dazu finden Kundinnen und Kunden auf der jeweiligen Produktverpackung ein Label mit der Angabe des CO2-Ausstoßes in Kilogramm, das die Bilanz von der Materialbeschaffung über die Herstellung, den Vertrieb bis hin zur Verwendung und dem Ende des Produktlebenszyklus ausweist. Unser Gaming-Portfolio macht zwar den Anfang, bis 2025 werden aber all unsere Produkte mit der CO2-Bilanz auf der Verpackung und auf der Website versehen sein.
Das Thema Nachhaltigkeit in die Kaufentscheidung einfließen lassen
IGM: Kann diese Art von Transparenz nicht auch negative Auswirkungen haben – etwa, wenn der Kunde den CO2-Fußabdruck als zu groß erachtet und das Produkt dementsprechend nicht kauft?
Rico Üslük: Genau das ist einer der Gründe, warum wir das "Carbon Impact"-Label auf unseren Verpackungen einführen. Wir wollen auf der einen Seite informieren und Transparenz schaffen, aber wir wollen Verbrauchern auch die Möglichkeit geben, das Thema der Nachhaltigkeit in ihre Kaufentscheidung einfließen zu lassen.
IGM: Wie wird die Bilanz optisch dargestellt? Eine Art Ampel würde sich ja anbieten …?
Rico Üslük: Unser Label ist schlicht gehalten und zeigt in der Mitte den Buchstaben "C" für "Carbon" und visualisiert einen Kreislauf, um die Angabe über die gesamte Lebensdauer des Produktes zu unterstreichen. Als wichtigste Information aber finden Kundinnen und Kunden schnell die Angabe über die Kohlenstoffbilanz über die gesamte Lebensdauer des Produktes hinweg, angefangen bei der Materialbeschaffung. Eine Ampel war aus unserer Sicht nicht das geeignetste Mittel, da ein "guter" Wert nicht absolut zu sehen ist, sondern abhängig vom jeweiligen Produkt ist und immer im Verhältnis zur Frage steht, wie aufwändig die Materialbeschaffung und die Herstellung sind. Wenn man die Werte beispielsweise mit unserem Alltag verknüpft und weiß, dass etwa die Produktion von einem Kilogramm Schokolade ca. 19 Kilogramm CO2 freisetzt, können Verbraucher diese Werte in Relation setzen.
IGM: Letztlich wollen Sie aber vor allem Ihr Produkt verkaufen und die Verkaufsargumente in den Vordergrund stellen. Muss man die CO2-Bilanz ergo mit der Lupe suchen?
Rico Üslük: Wenn es uns nur um Verkaufszahlen ginge, hätten wir diese ganzen Maßnahmen nicht ergriffen. Seit vielen Jahren intensivieren wir unsere Nachhaltigkeitsbemühungen – Nachhaltigkeit, globales Recycling, Materialauswahl, Energie- und Klimamaßnahmen sind schon lange ein wichtiger Teil unseres Design-Prozesses bei neuen Produkten – wie auch bei schon verfügbaren Produkten.
IGM: Das heißt im Detail?
Rico Üslük: Im vergangenen Jahr haben wir unsere Unterstützung für das Pariser Abkommen angekündigt und uns verpflichtet, unseren betrieblichen CO2-Fußabdruck zu begrenzen, um das 1,5-Grad-Ziel zu unterstützen. Bis 2030 werden wir ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien verwenden. Im letzten Jahr schon haben wir eine neutrale Kohlenstoff-Bilanz für unseres gesamtes Gaming-Portfolios erreicht, und jetzt bemühen wir uns mit dem "Carbon Impact"-Label um Transparenz bei CO2-Emissionen. Logitech wird das erste Unternehmen der Consumer Electronics-Branche sein, das detaillierte Angaben zum Kohlenstoffausstoß auf der Produktverpackung für das gesamte Portfolio bereitstellen wird.
IGM: Was genau ist unter "neutrale Kohlenstoff-Bilanz" zu verstehen?
Rico Üslük: Wir haben das gesamte Gaming-Portfolio im Rahmen einer aufwendigen Analyse als CO2-neutral zertifizieren lassen. Dies ist auch der Grund, warum unsere Gaming-Produkte im Laufe dieses Jahres als erstes Segment mit dem "Carbon Impact"-Label ausgestattet werden. Die entsprechenden Daten liegen bereits vor. Dafür haben wir unter anderem den Einsatz von Plastik reduziert und so die durch unser Gaming-Portfolio entstandenen CO2-Emissionen neutralisieren können.
Wenn es uns nur um Verkaufszahlen ginge, hätten wir diese ganzen Maßnahmen nicht ergriffen
IGM: Konkretisieren Sie bitte, was Logitech innerhalb der eigenen Produktlinie genau unternimmt, um Auswirkungen auf die Umwelt generell gering zu halten. Stichwort Strom, Transportwege etc.
Rico Üslük: Logitech ist bereits seit vielen Jahren darum bemüht, als Unternehmen nachhaltiger zu werden. Hierfür unterstützen wir beispielsweise Recyclingprogramme auf der ganzen Welt. Dazu kommt, dass wir aktiv an der Abfallvermeidung und dem Recycling von eigenen Produkten arbeiten. Wir haben das Post-Consumer Recycled (PCR)-Kunststoffprogramm ins Leben gerufen, um die Verwendung von PCR-Kunststoff als Alternative zu Neukunststoff in elektronischen Geräten zu evaluieren. Im letzten Jahr haben wir zudem drei neue recycelte Kunststoffharze entwickelt. Um unseren Ausstoß an Treibhausgasen zu neutralisieren, arbeiten wir mit Natural Capital Partners zusammen. Unter anderem haben wir in Wälder und einen 100-MW-Windpark (in China) investiert, um die Nachfrage nach grüner Energie zu steigern.
IGM: Bracken P. Darrell, President and CEO von Logitech, sagte jüngst: "Unser Engagement für die Gestaltung einer besseren Welt ist ein zentraler Wert, der uns sehr am Herzen liegt". Ist das nicht etwas hochgestochen? Letztlich informiert Logitech ja "nur" über den Grad des Kohlenstoffdioxidausstoßes …?
Rico Üslük: Transparenz zum CO2-Fußabdruck unserer Produkte zu schaffen ist – wie zuvor ausgeführt – nur eine von vielen Maßnahmen und Engagements, an denen wir arbeiten. Zunächst mal sollte man den Aufwand für die Berechnung und Validierung der CO2-Bilanz über den gesamten Produktlebenszyklus bei so vielen Produkten nicht unterschätzen. Zum anderen informieren wir nicht nur, Nachhaltigkeit und die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks sind in der Produktentwicklung für neue und bereits existierende Produkte ein wichtiger Baustein für uns, um die Auswirkungen auf die Umwelt so gering wie möglich zu halten. Bei Gelegenheiten wie diesem Gespräch wollen wir die Möglichkeit ergreifen, unsere Maßnahmen zu erklären und andere Unternehmen einladen, einen ähnlichen Weg einzuschlagen.
IGM: Sie sprachen es an: Sie wollen mit der Ausweisung der CO2-Bilanz auch eine Art Vorbildfunktion einnehmen. Welche Resonanz haben Sie bis dato etwa von konkurrierenden Unternehmen erfahren?
Rico Üslük: Wir hoffen, andere Unternehmen mit diesem Vorstoß inspirieren zu können und laden daher dazu ein, sich uns anzuschließen und die Transparenz für Verbraucher voranzubringen. Denn klar ist: Um wirklich etwas bewirken zu können, bedarf es branchenweiter Bemühungen.
IGM: Sports Interactive hat die Unterhaltungsindustrie unlängst dazu aufgerufen, in Zukunft komplett auf Plastikverpackungen zu verzichten und auf nachhaltigere Verpackungslösungen bestehend aus 100% recyceltem Karton, biologischer Tinte und recycelbarer Schrumpffolie umzusteigen. Ein gangbarer Weg?
Rico Üslük: Definitiv! Deshalb sind wir auch bereits dabei, den Plastikanteil in Verpackungen und auch die Gesamtmenge an Verpackungsmaterial gezielt zu reduzieren. Mit diesen Maßnahmen konnten wir etwa bei dem G935 Headset den CO2-Fußabdruck der Verpackung um 54% reduzieren. Dabei verwenden wir hauptsächlich wiederverwertbare und bereits recycelte Materialien, wodurch wir im letzten Jahr sogar unser erstes Produkt mit FSC (Forest Stewardship Council)-zertifizierter Verpackung auf den Markt bringen konnten.
IGM: Die Verpackung ist das eine, der Inhalt das andere. Ganz wird Logitech nicht auf Plastik verzichten können …
Rico Üslük: Unsere Branche ist zwar auf Plastik angewiesen – nichtsdestotrotz werden wir auch in diesem Bereich nachhaltiger. Die drei neuen Kunststoffharze, die ich erwähnte, ersetzen den herkömmlichen Kunststoff. Unser Produktportfolio wird dadurch insgesamt recyclebarer. Aus dem Material dreier alter Produkte können wir so zwei neue fertigen. Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Inhaltsstoffen, die unseren Kohlenstoffausstoß weiter senken.
Aus dem Material dreier alter Produkte können wir zwei neue fertigen
IGM: Das 1,5-Grad-Ziel, also den menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, ist für Sie also realisierbar?
Rico Üslük: Der Klimawandel betrifft uns alle. Dementsprechend werden wir ihn auch nur gemeinsam bewältigen können. Es ist wichtig, dass Unternehmen wie Logitech mit gutem Beispiel vorangehen und Mitbewerber wie Privatpersonen dazu inspirieren, an einem Strang zu ziehen. Das 1,5-Grad-Ziel liegt nicht nur in der Hand von Logitech, aber wir müssen unseren Teil dazu beitragen. (Marius Hopp)