Am 5. Juni 2023 war es endlich soweit und Apple-Fans bekamen einen neuen „One-more-thing“-Moment: Am Ende der Keynote zur Entwicklerkonferenz WWDC stellte Tim Cook die Apple Vision Pro vor. Nur wenige Tage zuvor reagierte Meta auf die bereits durchgesickerten Ankündigungspläne des iPhone-Konzerns und CEO Mark Zuckerberg zeigte völlig überraschend die neue Meta Quest 3. Damit war klar: Der Platzhirsch sieht eine neue Bedrohung am VR-Horizont. Im Gegensatz zu Meta verzichtet Apple allerdings komplett auf Begriffe wie „Virtual Reality“ oder „VR-Brille“. Stattdessen spricht man in Cupertino von „Spatial Computing“ und der Vision Pro als räumlichem Computer. Die beiden Tech-Giganten verfolgen zwar unterschiedliche Ansätze, die Anwendungsfelder ihrer Geräte sind jedoch ähnlich.
Der Platzhirsch sieht eine neue Bedrohung am VR-Horizont
Teure Konkurrenz für den Marktführer
Beide Geräte sind genau genommen Mixed-Reality-Headsets oder VR/AR-Brillen. Sie können Virtual Reality, Augmented Reality und Mischungen daraus (Mixed Reality) darstellen. Mixed Reality wird sowohl bei Apple als auch bei Meta in Zukunft ein zentrales Thema sein, da es zwei große Probleme der Virtual Reality löst: die Gefahr der Motion Sickness (Bewegungsübelkeit) und die Isolation von der Außenwelt. Bei Mixed-Reality-Brillen wird die reale Umgebung über RGB-Sensoren an der Vorderseite der Brille gescannt, in Echtzeit auf das Display übertragen und kann dort durch digitale Objekte ergänzt werden. So können beispielsweise große virtuelle Bildschirme auf einem in der Realität leeren Schreibtisch angezeigt werden.
Meta ist derzeit der führende und erfahrenste Hersteller von VR/AR-Brillen. Mit rund 18 Millionen verkauften Exemplaren ist die Meta Quest 2 die meistverkaufte VR-Brille der Welt. Nach knapp vier Jahren soll sie nun als Flaggschiffmodell von der Meta Quest 3 abgelöst werden. Kunden dürfen also ein ausgereiftes Stück Hardware erwarten. Apple hingegen betritt Neuland und bringt mit der Vision Pro die erste eigene VR/AR-Brille auf den Markt. Preislich hinterlässt der Erstling allerdings eine ordentliche Duftmarke: 3.499 US-Dollar verlangt Apple für die Vision Pro, die Anfang 2024 zunächst nur in den USA erhältlich sein wird. Metas Quest 3 soll ab Herbst 2023 weltweit verkauft werden und in Deutschland ab 569,99 Euro über die Ladentheke gehen.
Pragmatismus vs. Luxus
Noch sind nicht alle technischen Details bekannt, aber die Apple Vision Pro dürfte der Meta Quest 3 in Sachen Leistung und Bildschärfe deutlich überlegen sein – zumindest auf dem Papier. Zwei Micro-OLED-Displays sollen eine Auflösung von mehr als 4K auf jedes Auge bringen, während die Quest 3 ein LC-Display mit einer Auflösung von 2.064 x 2.208 Pixeln haben soll. Apple verwendet den hauseigenen M2-Chip, der seit Mitte 2022 auch MacBooks antreibt. Meta setzt auf einen speziell entwickelten Snapdragon Mobile-Chip von Qualcomm und ein verbessertes Kühlsystem, das zusätzliche Leistungsreserven freisetzen soll.
Neben der Technik dürfte auch das verwendete Material zum deutlichen Preisunterschied zwischen Quest 3 und Vision Pro beitragen. Die Quest 3 ist eine schlanke VR-Brille aus Kunststoff mit unauffälligem Design. Kopfband und Stirnpolster bestehen aus einfachem Stoff und Schaumstoff. Das ist zwar günstig in der Herstellung, hat sich aber schon beim Vorgänger negativ auf den Tragekomfort ausgewirkt. Wer hochwertigere und vor allem komfortablere Komponenten verwenden möchte, muss optionales Zubehör kaufen. Immerhin wird die Quest 3 ein um 40 Prozent schlankeres Profil haben als ihr Vorgänger und dürfte sowohl leichter als auch kleiner ausfallen als die Vision Pro.
Apple verspricht ausschließlich hochwertige Materialien und verwendet für das Gehäuse Glas und Aluminium. Das sieht zwar schick aus, führt aber zu einem deutlich höheren Gewicht. Rund 500 Gramm soll die Vision Pro auf die Waage bringen. Erste Tester klagten über unangenehme Druckstellen im Gesicht und Kopfschmerzen bei längerer Nutzung. Ein optional erhältliches Kopfband soll Abhilfe schaffen, wird aber den ohnehin saftigen Preis weiter in die Höhe treiben.
Deutlicher Preisunterschied
Apple Vision Pro: Der räumliche High-end-Computer
Für die Vision Pro sind vor allem Bildschärfe und Rechenleistung wichtig, denn Apple vermarktet das Gerät als leistungsfähigen räumlichen Computer. Bisher waren die Auflösungen von VR-Brillen nicht hoch genug, um damit komfortabel arbeiten zu können. Das will Apple mit seinem virtuellen Büro ändern und eine theoretisch unendliche Arbeitsfläche für jeden noch so kleinen Raum schaffen. Dabei können unzählige virtuelle Bildschirme in der realen Umgebung verankert oder Browserfenster frei im Raum angeordnet werden. Die nahtlose Integration in das Apple-Ökosystem, der Zugriff auf bewährte Apps und die Synchronisation mit iPhone, Mac oder iPad sind zentrale Verkaufsargumente.
Hinzu kommen Unterhaltungsmedien wie eine virtuelle Leinwand, die mit Streamingdiensten wie Apple TV+ und Disney+ ein Kinoerlebnis auf der heimischen Couch ermöglichen soll. Gesteuert wird Apple Vision Pro ausschließlich über Fingergesten, Blickrichtung oder Sprachbefehle. Controller oder eine Fernbedienung wird es nicht geben. Für produktives Arbeiten im virtuellen Büro können aber Bluetooth-Tastaturen angeschlossen werden.
Das alles ist nicht neu und viele dieser Anwendungsfelder sind in ähnlicher Form bereits heute für Metas Quest 2 und Quest Pro verfügbar, wenn auch teilweise über Apps von Drittanbietern und in geringerer Auflösung. Eine verbesserte immersive Arbeitsumgebung wird es auch für Quest 3 geben. Meta und Microsoft haben bereits angekündigt, Office-Produkte auf die Quest-Plattform bringen zu wollen.
Eine theoretisch unendliche Arbeitsfläche
Technische Spielereien vs. vollwertiges VR-Gaming
Apple Vision Pro bietet jedoch einige technische Gimmicks, die sie von der Quest 3 abheben. So lässt sich über einen Drehregler am Gehäuse der Grad der Virtualität und der Durchsicht in die reale Umgebung stufenlos einstellen. Sitzt man beispielsweise mit Vision Pro auf dem Sofa und schaut einen Film auf der virtuellen Leinwand, kann auf Wunsch eine virtuelle Umgebung wie eine beispielsweise eine Winterlandschaft oder ein Sternenhimmel eingeblendet werden, die entweder komplett immersiv oder transparent ist.
Darüber hinaus scannt Vision Pro die Augen des Nutzers und überträgt sie auf ein zusätzliches Display an der Außenseite des Gehäuses. Dank Eye-Tracking und KI bewegen sich die digitalen Augen entsprechend den realen Augen. Das erweckt den Eindruck einer transparenten VR-Brille und soll es angenehmer machen, sich mit Menschen ohne VR-Headset zu unterhalten – Stichwort: Augenkontakt. Die Vision Pro verfügt außerdem über eine integrierte Kamera, die räumliche Bilder aufnehmen kann.
Vor allem für Gaming-Fans interessant
Quest 3 dürfte hingegen vor allem für Gaming-Fans interessant sein, da Meta seit jeher ein breites Angebot an VR-Spielen anbietet. Mit Asgards Wrath 2 wurde bereits ein erstes Rollenspiel im Tripple-A-Gewand angekündigt. Außerdem sind ein VR-Ableger der Assassin’s-Creed-Reihe und eine exklusive VR-Version von GTA 3: San Andreas in Arbeit. Zum Start sollen rund vierzig neue Inhalte zur Verfügung stehen. Zudem ist Quest 3 abwärtskompatibel und spielt alle VR-Spiele und Apps ab, die auf den Vorgängern erschienen sind. Damit stehen bereits zum Launch weit über 500 Apps und Spiele zur Verfügung. Durch die Kooperation mit Microsoft soll künftig auch der Cloud-Dienst des Xbox Game Pass auf Quest-Geräten verfügbar sein.
Apple hingegen verzichtet auf räumliche VR-Spiele – zumindest vorerst. Wer mit der Apple Vision Pro spielen möchte, muss sich mit einer flachen, virtuellen Leinwand begnügen. Über den hauseigenen Spiele-Abo-Dienst Apple Arcade können rund 100 „normale“ Videospiele gespielt werden. Dazu lässt sich die Apple Vision Pro mit gängigen Gamecontrollern wie dem Dual Sense Controller von Sony verbinden. [Josef Maria Erl]