Neue Rollen: Wie CosplayerInnen Marken unterstützen

Auf Messen wie der gamescom trifft man sie überall: Leute in prächtigen Kostümen, die ihre Lieblings-Charaktere aus Games, Filmen und Comics verkörpern. Die meisten CosplayerInnen betreiben das kostümierte Rollenspiel als Hobby. Allerdings wächst auch im Marketing die Bedeutung von Cosplay – ob nun bei endemischen oder nicht-endemischen Marken. Wir haben mit mehreren Firmen gesprochen, die mit CosplayerInnen zusammenarbeiten.
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Copyright: Nekodanshi
Cosplay-Unterstützung: Kooperation von Volkswagen und Disney
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Blau-türkisfarbene Haare, pinkfarbener Rucksack und Gürtel, außerdem Kopfhörer mit Katzenohren – so ist Paysafe Chan auf der gamescom unterwegs. In Köln wirbt die Fantasy-Helden für den Bezahldienstleister PaySafe Card – wobei „werben“ das Ganze nur unzureichend beschreibt: Es fühlt sich im gamescom-Umfeld ganz natürlich an, wenn Paysafe Chan mit Spielefans plaudert, sich mit ihnen fotografieren lässt oder Goodies verteilt. „Cosplay macht die Faszination für eine Marke sichtbar, transportiert Emotionen und verstärkt die Identifikation mit Figuren und Geschichten“, sagt Nastassja Köhler, deren Firma Creative Exhibition Promotions GmbH (Crexpro) den Auftritt organisiert hat. Der Schlüssel sei immer die HeldInnengeschichte, so Köhler weiter: „Wir schaffen eine narrative Brücke, die Cosplay und Gaming-Kultur mit der Marke verknüpft – ob durch Fantasy-Elemente, kreative Storylines oder markenbezogene Charakter-Designs.“

Angebot ausgeweitet
Die Crexpro GmbH aus Berlin ist eine von mehreren deutschen Agenturen, die Cosplay mit Marken zusammenbringen. Die Firmen haben ihr Angebot in den letzten Jahren deutlich ausgeweitet – und probieren auch kontinuierlich Neues aus. „Crexpro ist eine Agentur für Popkultur mit Fokus auf Games, Anime, Manga und BookTok – also alles, was das Nerd-Herz höher schlagen lässt“, erläutert Köhler. „Wir veranstalten eigene Events oder entwickeln für unsere Kunden immersive Konzepte: von Kampagnen über Bühnenshows bis hin zu kompletten Event-Produktionen.“ Dabei arbeite man sowohl mit endemischen Marken aus Gaming und Popkultur als auch mit nicht-endemischen Unternehmen zusammen.

Zu den Crexpro-Kunden zählen neben PaysafeCard unter anderem auch Faber-Castell, instax, Mercedes und Jägermeister. „CosplayerInnen werden bei uns vor allem für Gaming-Events oder entsprechende Kampagnen gebucht“, berichtet Köhler. „Darüber hinaus haben wir mit unserem eigenen Konzept der ‚Costessen‘ ein einzigartiges Format entwickelt: Maßgeschneiderte Heldenfiguren, die wir für nicht-endemische Player erschaffen und durch Cosplayer zum Leben erwecken.“ Dies ermögliche Firmen einen authentischen und nahbaren Zugang zur Gaming-Community, betont Köhler. Auf der diesjährigen gamescom organisierte Crexpro gleich mehrere Auftritte. „Wir verantworteten die Stage beim Genshin Impact Game, richteten die legendäre Dosenbeatz-Party der Rocket Beans aus und stellten fünf CosplayerInnen sowie mehrere Costessen für Publisher und nicht-endemische Marken wie PaysafeCard oder Duplo“, sagt Köhler. Mit einem 17-köpfigen Team habe man „ein breites Spektrum an Popkultur-Inszenierungen“ umgesetzt.

 

Wir schaffen eine narrative Brücke

 

Cosplay und Gamification
Eine weitere Agentur auf diesem Gebiet ist Nekodanshi aus Nürnberg. Gründer und CEO der Firma ist Max Wellner, der als Cosplay-Charaker Harukyu häufig gemeinsam mit seiner Freundin und Partnerin Serina Violet auftritt. Nekodanshi ist als „Cosplay-, Event- und Gamification-Agentur“ wiederum Teil von Nakaryu, einer Marketing- und Web-Agentur. Mit Nekodanshi bringe man „Figuren so glaubwürdig in den Raum, dass Menschen kurz vergessen, dass sie auf einer Messe stehen“, sagt Wellner. „Und wir sind nicht ‚nur‘ für atemberaubende Walk Acts da, sondern arbeiten an der Wurzel: Charakterentwicklung, Kostümbau, Commissions, Panels, Talks, Workshops, Moderation – auf Wunsch auch Jury-Tätigkeiten als Cosplay Judges.“

Selbst einen animierten, reitbaren Drachen hat Nekodanshi in petto – das Wesen namens Ryu ist ein Hingucker auf Events aller Art. Am häufigsten werden die Nekodanshi-Services für Messestände und Conventions, Filmpremieren und öffentliche Veranstaltungen gebucht, berichtet CEO Wellner. „Also überall dort, wo Welten ‚zum Anfassen‘ gebraucht werden.“ Manchmal sei das ein lebendiger Fotospot am Rand des Stands, manchmal auch ein Programmpunkt mit Moderation oder Kurz-Panel. „Wir treten auch mit eigenen Ständen bei Conventions auf,  bauen Kostüme, übernehmen Commissions und entwickeln Charakter-Konzepte für neue Figuren, die sich organisch zur Marke anfühlen“, ergänzt Wellner. 

Technologiedienstleister als Kunde
Beim Zusammenspiel von Cosplay und Marken hat Nekodanshi bereits etliche Referenzen. Im Rahmen der gamescom 2024 entwickelte die Agentur eine Charakter-Kampagne für den Technologie-Dienstleister Ferchau. „In Co-Creation entstanden eigenständige Figuren mit Design, Backstory und Persönlichkeit, die wir in aufwendig gebauten Kostümen verkörperten“, berichtet Wellner. Vor Ort traten die CosplayerInnen dann als Markenbotschafter auf: Sie sprachen mit gamescom-BesucherInnen, erklärten komplexe Technikthemen und lenkten die Aufmerksamkeit auf den Ferchau-Stand. Teil der Aktion war auch eine Challenge, bei der BesucherInnen ein Goodie Bag erhielten, wenn sie ein Foto mit den Charakteren auf Instagram posteten. „Das verstärkte die Reichweite direkt auf der Messe“, freut sich Wellner. „Das Ergebnis war spürbar mehr Sichtbarkeit, Andrang und Engagement – ein Beispiel dafür, wie Cosplay, Design und Event-Marketing technologische Inhalte emotional und zugänglich erzählen können.“

Einen weiteren Cosplay-Auftrag hatte Nekodanshi 2023 anlässlich des Kinostarts von Miraculous: Ladybug & Cat Noir. Die Agentur durfte eine Kooperation von Volkswagen und Disney begleiten, und zwar sowohl bei der Filmpremiere in Berlin wie auch bei der IAA in München. Als Walk Acts waren Wellner und seine Partnerin an beiden Orten präsent – und hatten dafür hochwertige Kostüme und präzise In-Character-Interaktionen vorbereitet. „Am Stand von VW entstanden zusätzlich Polaroid-Momente als haptisches Souvenir, zusammen mit dem Ladybug E-Beetle als perfekter Kulisse“, so der Nekodanshi-CEO. „Direkt daneben gab es außerdem für die Kleinen ein Mini-Kino mit Trailer und Popcorn und Kinderschminken im Marienkäfer- oder Katzen-Style.“ Das Ergebnis bezeichnet Wellner als eine „sehr zugängliche, emotionale Markeninszenierung, die Automotive, Filmkultur und Familienerlebnis charmant verbindet“. Auch online habe dies sehr viel Resonanz erfahren: Der Auftritt im Berliner Zoopalast ging auf TikTok mit über 3 Millionen Views viral.

 

Emotionale Markeninszenierung

 

„Cosplayer holen Fantasiewelten in den Alltag – live, mitten im Fluss eines Events“, sagt Max Wellner. Ein guter Walk Act sei nie nur schön anzusehen: „Er hört zu, antwortet in Character, kennt Insider, hat Gesten, die Fans als ‚echt‘ empfinden.“ Aus einem zufälligen Blick werde ein Gespräch, aus dem Gespräch ein Foto, aus dem Foto ein Post – und von dem Post sei es dann oft nur ein weiterer Schritt „zur Demo, zum Signup, zur Marke“. Wellner ist überzeugt, dass sich das nicht nach Werbung anfühlt, „sondern nach einer echten Begegnung“: „Genau diese Authentizität macht Cosplayer zu idealen Brückenbauern zwischen Lore und Menschen – und damit zu einem starken Hebel für Awareness, Engagement und am Ende auch Conversion.“

Vertrauen schaffen
Dieser Hebel lässt sich auch in ganz anderen Branchen ansetzen als bei Games oder Filmen. Nekodanshi erhielt in den letzten Jahren auch Aufträge von Cyber-Security-Firmen – also aus einem Wirtschaftszweig, den man jetzt nicht unbedingt mit Cosplay in Verbindung bringen würde. Schauplatz war die Fachmesse IT-SA in Nürnberg, bei der Nekodanshi mit Anbietern wie CrowdStrike und Enginsight kooperierte. „Im Sicherheitsumfeld funktioniert die Brücke über Schutz- und Wächter-Narrative“, erläutert Wellner. „Die Figur verkörpert die Sicherheit, die beworben wird, schafft Vertrauen – und macht abstrakte Begriffe wie Threat Intelligence oder Resilienz emotional visuell, während die Marke den fachlichen Kontext liefert.“

Die gamescom 2025 nutzte Nekodanshi vor allem für Networking. „Es kamen sehr viele Anfragen für gamescom-Stände rein, was uns riesig freut“, berichtet Wellner. „Aber fast alle waren deutlich zu kurzfristig – teilweise nur zwei Wochen vor Messebeginn.“ Für eine wirklich professionelle Umsetzung reiche das nicht aus, so der Cosplay-Experte: Man brauche genügend Zeit für Konzept-Feinschliff, Kostümbau und -anpassungen, für Anproben, Proben im Kostüm, Team- und Reise-Logistik sowie für den Social- beziehungsweise Content-Rhythmus. Als Richtwert nennt Wellner acht bis 12 Wochen für kompaktere Setups. „Für größere Aktivierungen mit Kostümbau, Charakterentwicklung und Content-Maschine eher drei bis sechs Monate.“

Versicherung am Start
Dass Cosplay und nicht-endemische Marken zusammen funktionieren, will auch BreachBunny unter Beweis stellen: Die Firma geht am 1. Oktober als digitaler Versicherungsanbieter an den Start – mit einem coolen Hasen als Maskottchen (siehe Grafik S. xy). „Gemeinsam mit einer renommierten deutschen Versicherung haben wir Produkte entwickelt, die dort greifen, wo Real Life und Cyber Life längst eins geworden sind“, sagt Co-Founder und Managing Director Felix Schütz. Man werde nicht nur Klassiker wie Hausrat- und Haftpflichtversicherungen anbieten, sondern auch solche für die digitale Lebensrealität. Dazu gehören laut Schütz „Hardware-Cover fürs Gaming-Setup, Virtual Cover mit Cyber-Schutz und Security-Tools, Cosplay-Cover für gekaufte und selbstgebaute Kostüme – und das Creator Cover für alle, die mit Content ihr Business betreiben“. In Cosplay-Kostümen steckten teils enorme Materialkosten und häufig auch hunderte Stunden Arbeit, erläutert der Unternehmer. „Aber bereits bei der Anreise zu einem Cosplay Event kann es beschädigt oder geklaut werden. Genau deshalb haben wir ein Cosplay Cover entwickelt – weil die Community uns gesagt hat: ‚Das wäre wirklich mal sinnvoll.‘“

 

Authentisches Storytelling und echtes Vertrauen

 

Das „Cosplay Cover“ ist aus Sicht von Schütz eine Art Türöffner: Ein Zeichen, dass man die Bedürfnisse der Szene ernst nehme. „Wenn CosplayerInnen als Artists und UnternehmerInnen hinter BreachBunny stehen, entsteht authentisches Storytelling und echtes Vertrauen“, sagt er. „Daraus entsteht nicht nur eine starke Verbindung in der Community, sondern auch ein glaubwürdiger Einstieg in andere Produkte.“ CosplayerInnen würden quasi zu Markenbotschaftern und „Culture Builders“, mit denen BreachBunny die Szene auf andere Versicherungen aufmerksam machen könne. Neben diesen „Ambassadors“ werde es aber auch ein spezielles Cosplay für den BreachBunny-Charakter geben, kündigt Schütz an: „Er wird auf Gaming-Messen wie der Polaris auftreten und mit den Leuten interagieren, wodurch auch Content entsteht.“ Online werde der Hase zudem als virtuelle Heldenfigur auftreten. „Der Charakter ist unser Storytelling Vehicle, offline als auch online. In Memes, im Dialog, in Content Pieces, im Cosplay und in Werbespots.“

Umfangreiche Kampagne
Natürlich sind CosplayerInnen auch für die eigentlichen Gaming-Marken im Einsatz. Die Firma GZM Cosplay Management aus Köln beispielsweise engagierte sich 2024 für das Jump‘n‘Run Nikoderiko: The Magical World (VEA Games). „Cosplayer haben die zwei Hauptcharaktere erschaffen“, berichtet GZM-Geschäftsführer Sebastian Hoffbauer. „Wir haben die beiden dann über mehrere Monate hinweg Content für das Spiel in Abstimmung mit den Kunden produzieren lassen.“ Dabei ging es laut Hoffbauer zum Beispiel um „saisonalen Content, Weihnachtsgrüße, Halloween, die Neujahre und den Valentinstag“. Gemeinsam mit den Cosplayern habe man die einzelnen Kampagnenschritte ausgearbeitet und diese auch an aktuelle Entwicklungen – wie die Verfügbarkeit des Spiels auf zusätzlichen Plattformen – angepasst.

GZM Cosplay Management, bereits 2016 gegründet, ist keine klassische Agentur – sondern ein CosplayerInnen-Netzwerk mit Social-Media-Kampagnen, Marketing-Aktionen, Kulissenbau und Walking Acts. InteressentInnen können sich über die GZM-Website in der Datenbank registrieren und dort ihr Portfolio und ihre Cosplays selbst verwalten. Die meisten TeilnehmerInnen stammen aus der DACH-Regionen, einige kommen aber auch aus anderen Ländern wie etwa Ungarn. „Momentan sind rund 800 aktive CosplayerInnen in der Datenbank – und über 3000 Cosplays“, berichtet Hoffbauer. Bei der diesjährigen gamescom vermittelte GZM unter anderem die CosplayerInnen, mit denen sich die Politik-Größen bei ihrem traditionellen Mittwochsrundgang ablichten ließen. Schon 2017 sei man in ähnlicher Funktion bei der gamescom dabei gewesen, erzählt Hoffbauer. „Damals bei der Eröffnung mit Angela Merkel.“

 

Höhere Ausgaben, aber eben auch eine höhere Glaubwürdigkeit

 

Mikro-Influencing mit Potenzial
Markenkooperationen hat GZM bereits etliche umgesetzt – zum Beispiel eine Kampagne für einen Schokoriegel. „Die Sponsoren eines E-Sport-Finales haben zur Produktaktivierung noch mehr Sichtbarkeit gebraucht“, berichtet Hoffbauer. „Das haben wir durch vier unserer CosplayerInnen erreicht, die sich in das bestehende Konzept eingegliedert haben.“ Speziell bei Mikro-Influencern sieht Hoffbauer großes Wachstumspotenzial. Deren Engagement mache oft mehr Sinn als das eines einzelnen, hochgradig prominenten Akteurs. „Wenn du ein Produkt mit zehn oder 15 CosplayerInnen – in der Größenordnung von Mikro-Influencern – bewirbst, hast du zwar höhere Ausgaben, aber eben auch eine höhere Glaubwürdigkeit in der Cosplay-Community“, betont Hoffbauer. „Das ist besser als ein großer Name, der ein Produkt in die Kamera hält, das er selbst entworfen hat – und an dem er auch noch richtig verdient.“  Bringe man zehn CosplayerInnen aus der Community – „schön breit gefächert“ – an einem Ort zusammen, dann reiche das oft aus, um weitere von ihnen anzulocken. „CosplayerInnen lieben die Community, sie machen zusammen Fotos, Instagram-Stories und TikTok-Videos“, sagt Hoffbauer. „Es ist einfacher, wenn solche Gatherings von bestimmten Personen gezogen werden.“ Generell entstehe bei Community-Treffen auch immer jede Menge Content – und der lasse sich prima für Social-Media-Kampagnen nutzen.

Als Plattform hat GZM ein anderes Geschäftsmodell als reguläre Agenturen. „GZM nimmt zusätzlich 15 Prozent als Vermittlungsgebühr von der Auftraggebern“, erläutert Hoffbauer. Man biete eine cosplay-gerechte Betreuung vor Ort, kümmere sich bei Bedarf um Anfahrt und Unterkunft und könne auch die Kostüme versichern. GZM selbst hat keine festen MitarbeiterInnen, sondern holt je nach Auftrag Partnerfirmen dazu. Zum Beispiel organisiert GZM jedes Jahr den Cosplay-Contest der Caggtus Leipzig. „Das ist für mich ein echtes Highlight, weil es ein richtiger Crafting-Contest ist – und weil wir jedes Jahr daran arbeiten, ihn für die CosplayerInnen und für die BesucherInnen gleichzeitig zu verbessern“, sagt Hoffbauer.

AAA-Engagement
Die Intensität, mit der Games-Firmen auf Cosplay setzen, variiert grundsätzlich sehr stark. Aus Sicht von Hoffbauer tun sich hier derzeit drei Firmen hervor. „HoYoverse-Cosplays sind leicht verfügbar und ermöglicht einer breiten Masse, da etwas zu machen“, betont er. Die Firma Riot biete mit LoL „tausend Möglichkeiten“ bei Skins. „Bethesda setzt stark auf die Community und hat eine coole Community-Managerin“, lobt Hoffbauer. Wie aktiv diese drei Firmen beim Thema Cosplay sind, lässt sich sowohl im Netz als auch bei Events beobachten. Als große Chance sieht Hoffbauer Cosplay-Marketing auch für kleinere Spielefirmen – deren Interesse sei allerdings noch sehr ausbaufähig. „Ich wünsche mir, es gäbe ein paar Indie-Studios, die das mit uns durchziehen“, sagt der GZM-CEO. „Für die Studios würde das mehr Sichtbarkeit bedeuten – und das würde auch der gesamten Games-Branche in Deutschland zugute kommen.“

Hoffbauer empfiehlt, CosplayerInnen schon frühzeitig ins Team zu holen und die Charaktere parallel zur Entwicklung des Spiels aufzubauen. Sie könnten dann „die Rolle verkörpern, Interviews geben und als Aushängeschild dienen – etwas, was der Developer selbst eher nicht macht“. Als mögliches Anwendungsfeld nennt der Experte den Deutschen Entwicklerpreis. Dieser habe zwar eine starke fachliche Basis, wirke auf Außenstehende aber oft sehr trocken. Dies habe vor allem damit zu tun, dass auf der Bühne „nur“ EntwicklerInnen stünden – wodurch letztlich die emotionale Ansprache fehle. „Menschen wollen nicht nur Fakten hören, sie wollen auch unterhalten werden und Gesichter sehen, mit denen sie sich identifizieren können“, sagt Hoffbauer. „Wenn man den DEP sichtbarer machen will, wären Aushängeschilder für die Spiele – also Menschen, die diese Titel repräsentieren und Entertainment mitbringen – eine wertvolle Ergänzung.“ Auch bei Events wie dem Deutschen Computerspielpreis käme das gut zur Geltung.

Aktive Community
Zu den besonders Cosplay-affinen AAA-Firmen zählt CD Projekt Red. „Es ist ein riesiges Privileg, wenn die eigenen Charaktere auch in der realen Welt zum Leben erweckt werden – und wenn das zum größten Teil aus eigener Motivation passiert“, sagt Ryan Schou, Community Manager DACH. „Von unserer Seite setzen wir alles daran, die Community zu unterstützen und zu fördern. Beispielsweise in Form von expliziten Cosplay-Guides zu Charakteren oder eigenen Cosplay-Treffen und -Wettbewerben.“ Die direkte Zusammenarbeit mit CosplayerInnen nehme ebenfalls sehr unterschiedliche Formen an, berichtet Schou: Sie reiche von Judges auf Cosplay-Wettbewerben über Foto-Möglichkeiten auf Community-Treffen bis hin zu professionellen Shootings, deren Bilder als Cosplay-Kalender für einen guten Zweck verkauft werden. „Natürlich versuchen wir auch immer, so viele CosplayerInnen wie möglich zu unseren Events einzuladen“, sagt Schou. Mit welchen CosplayerInnen man kooperiere, hänge ganz vom jeweiligen Projekt ab. „Das einzige Kriterium, das wir bei der Auswahl unserer Partner immer in Betracht ziehen, ist die Leidenschaft der CosplayerInnen und die Qualität ihrer Arbeit“, so der Community Manager. „Deshalb arbeiten wir mit einer großen Bandbreite zusammen – wie zum Beispiel Maul Cosplay als Geralt oder dem Team von Chromezone 2077 als Cyberpunk-Stand. Es verbindet beide die Leidenschaft und Qualität, auch wenn es Unterschiede in der Follower-Zahl gibt.“

Aus Sicht von Schou stecken in der Zusammenarbeit mit der Cosplay-Community große Chancen. „Direkte Wertschätzung von Entwicklerseite gegenüber der eigenen Cosplay-Projekte bedeutet den Kreativen eine Menge“, betont er. „Dennoch sollte man dabei nicht vergessen, Cosplayer für gebuchte Arbeit – zum Beispiel als Walking-Acts und als Promo-Partner auf Messen – vernünftig zu bezahlen!“ Bei der diesjährigen gamescom habe CD Projekt Red am Nintendo-Stand die Cyberpunk 2077: Ultimate Edition auf der Nintendo Switch 2 vorgestellt. „Auf Grund der Größe – der Titel ist bereits erhältlich und wir waren lediglich ein Co-Austeller – hat es sich für uns allerdings nicht gelohnt, dafür CosplayerInnen individuell zu buchen“, berichtet Schou. „Aber wir haben uns sehr darüber gefreut, dass Ellinger den Launch der Witcher-Kollektion mit Farbenfuchs als Ciri und Maul Cosplay als Geralt von Riva im Rahmen der gamescom umgesetzt hat. Wir haben die Aktion über unsere Kanäle online unterstützt.“ Bei der diesjährigen DoKomi hatte CD Projekt Red einen eigenen Stand: Dort konnten CosplayerInnen und andere MessebesucherInnen kurze Videos von sich in der Bar „Afterlife“ aus Cyberpunk 2077 aufnehmen lassen. Darüber hinaus habe man zusammen mit Sewcase einen Cosplay-Contest organisiert und dafür drei Cosplayerinnen aus der Community als Judges gewinnen können, nämlich Walkiah, Tingilya und ElliArtcore. „Wir könnten wirklich nicht dankbarer sein“, freut sich Schou. „Denn wir befinden uns mit unserer kreativen und engagierten Cosplay-Community in einer unfassbaren Luxussituation.“

Stark wachsendes Segment
Alle Akteure, die IGM zum Thema Cosplay-Marketing befragte, messen dem Geschäftsfeld großes Potenzial bei. „Wir sehen in Cosplay ein stark wachsendes Segment“, sagt Nastassja Köhler. „Immer mehr Marken entdecken es als Form des Fandom Marketings – weil es glaubwürdig, emotional und von der Community getragen ist.“ Auch kleinere Studios könnten davon erheblich profitieren, so Köhler. „Zwar können aufwendige Charakter-Designs schnell in den fünf- bis sechsstelligen Bereich gehen, doch einfache, clevere Designs lassen sich schon im drei- bis vierstelligen Rahmen realisieren.“ Gerade für Indie-Studios seien Cosplay-Maskottchen ein wirkungsvolles Werkzeug, betont die Firmengründerin: „Auf Conventions senkt es Standkosten, da der Charakter mobil eingesetzt werden kann. Und auf Social Media verleiht es der Marke ein authentisches Gesicht – viel näher als klassische Hostessen.“ Ähnlich sieht das Max Wellner von Nekodanshi. „Es braucht nicht immer große Budgets“, sagt er. „Mit Präzision und Planung lässt sich viel erreichen: Ein Walk-Act-Slot von nur einer Stunde zur Peak-Zeit – gut angekündigt, vor Ort konzentriert gespielt und direkt in Social verlängert – kann viel bewirken.“ Schon eine kleine Quest – „Triff die Figur, mach ein Foto und verlinke uns, hol dir deine Belohnung“‘ – sorge für „Begegnung, Erinnerung, Post“. Gerade Indie-Studios, lokale Cons und kleinere Marken profitieren laut Wellner von solchen Aktionen. „Cross-Promos mit Creator-Accounts helfen zusätzlich, Budgets zu strecken. Nekodanshi unterstützt übrigens auch kleine Cons ohne große Budgets, durch Partnerschaften profitieren beide Seiten.“

In den USA sei vieles davon seit Jahren professionalisiert, beobachtet Wellner. In Europa sorge die besonders die gamescom für einen Schub, der die Marken auch mutiger mache. „Der Sweet Spot liegt für mich in Gamification vor Ort plus Short-Video-Erzählung online“, so der Experte. „Ergänzt durch Cosplay-Influencer als Multiplikatoren.“ Sebastian Hoffbauer plädiert dafür, die CosplayerInnen noch stärker als Micro-InfluencerInnen aufzubauen – und das Ganze auch noch viel stärker zu streuen: „Ich sehe da wirklich viel Potenzial.“ (Achim Fehrenbach)

IGM 10/25
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